Rn 10

Durch den Gesetzgeber war mit der Regelung des § 103 eine inhaltlich unveränderte Übernahme der bisherigen konkursrechtlichen Regelung des Verwalterwahlrechts gem. § 17 KO in die InsO intendiert.[6]

Dies ist auf kritische Verwunderung gestoßen, da bereits für die KO zur Wirkungsweise des Verwalterwahlrechts deutliche Kontroversen bestanden haben, die dem Gesetzgeber zwar bekannt gewesen, in der Begründung des Gesetzesentwurfes aber nicht erwähnt worden sind.[7]

Auch seit Einführung der InsO hat sich die Diskussion fortgesetzt und die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung weiterentwickelt.[8]

 

Rn 11

Nach einer früher überwiegend vertretenen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ließ die Eröffnung des Konkursverfahrens den Bestand eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrages zunächst unberührt. Erst mit der Erklärung des Konkursverwalters, die Erfüllung des Vertrages abzulehnen, sollte das Vertragsverhältnis umgewandelt werden und an die Stelle der wechselseitigen Leistungsansprüche eine Forderung des Vertragspartners wegen Nichterfüllung treten.[9] Danach führte die Erfüllungsablehnung des Verwalters als Ausübung eines Gestaltungsrechtes zum endgültigen Erlöschen der wechselseitigen Erfüllungsansprüche.

 

Rn 12

Die Erklärung des Verwalters, den Vertrag erfüllen zu wollen, hatte danach die Konsequenz, das der Verwalter den Vertrag vollständig zu Lasten der Masse erfüllen musste, auch soweit der Vertragspartner vor Eröffnung des Konkursverfahrens bereits Teilleistungen erbracht hatte und demgemäß bei Nichterfüllung mit seiner Forderung auf die Gegenleistung einfacher Konkursgläubiger gewesen wäre. Desweiteren sollten auch vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Verfügungen über den Erfüllungsanspruch ebenso bestehen bleiben wie Aufrechnungslagen fortgelten sollten.[10] Demgemäß konnte der Vertragspartner mit Konkursforderungen gegen den Zahlungsanspruch des Konkursverwalters aus dem Vertragsverhältnis aufrechnen, für das Erfüllung gewählt worden war. Die Wahl der Erfüllung hatte vor diesem Hintergrund für die Insolvenzmasse nur in seltenen Fällen einen Vorteil.

 

Rn 13

Mit zwei grundlegenden Entscheidungen vollzog der BGH im Jahre 1988[11] eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung und dem Verständnis der Wirkungsweise des Verwalterwahlrechtes.

 

Rn 14

Danach führte bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einem Erlöschen der gegenseitigen Erfüllungsansprüche und zur Umgestaltung des Rechtsverhältnisses in ein Abrechnungsverhältnis zur Bemessung der Forderung des Vertragspartners wegen Nichterfüllung des Vertrages durch den Schuldner. Der Erklärung des Verwalters, mit der die Vertragserfüllung abgelehnt wird, kommt damit nur eine deklaratorische Bedeutung zu, mit der lediglich der bereits mit Eröffnung des Verfahrens eingetretene Rechtszustand bestätigt wird.

 

Rn 15

Demgegenüber führt die Erfüllungswahl des Verwalters dazu, dass die ursprünglichen wechselseitigen Erfüllungsansprüche inhaltsgleich wieder entstehen.[12]

 

Rn 16

Dies hat die weitere Konsequenz, dass wegen der Neuentstehung der Erfüllungsansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine vor Verfahrenseröffnung zu Vertragsansprüchen vorgenommene Abtretung oder Verpfändung wegen § 91 nicht mehr greift;[13] desweiteren kann der Vertragspartner gegen den mit Erfüllungswahl wieder neu entstandenen Anspruch nicht mit einer vor Verfahrenseröffnung begründeten Forderung aufrechnen, § 96 Abs. 1 Ziff. 1.[14] Soweit vor Verfahrenseröffnung durch den Schuldner bereits Teilleistungen erbracht worden sind, verbleibt es jedoch in Höhe des Wertes der Teilleistungen bei der Möglichkeit zur Aufrechnung mit Forderungen gegen den Schuldner aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung.[15]

 

Rn 17

Mit einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 hat der BGH zu dem insbesondere in der kritischen Literatur mit dem Begriff der "Erlöschenstheorie" bezeichneten Verständnis der Wirkungsweise der Verwaltererklärung zur Erfüllungswahl klargestellt, dass die Verfahrenseröffnung kein Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus gegenseitigen Verträgen im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung bewirkt. Vielmehr verlieren die beiderseits noch unerfüllten Ansprüche mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Mit der Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter ändert sich die Rechtsqualität der wechselseitigen Ansprüche; die zunächst aufgrund Verfahrenseröffnung nicht mehr durchsetzbaren Erfüllungsansprüche werden originäre Forderungen der und gegen die Insolvenzmasse.[16]

 

Rn 18

Die vorstehend geschilderten, für die Insolvenzmasse positiven Konsequenzen der Erfüllungswahl hinsichtlich bestehender Drittrechte an den Ansprüchen des Schuldners und Entfalls von Aufrechnungsmöglichkeiten des Vertragspartners bleiben auch nach diesem modifizierten Verständnis der Wirkung der Erfüllungswahl erhalten.

 

Rn 19

Sind im Zeitpunkt der Verfahre...

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