Gesetzestext

 

Bei zwischen dem 28. März 2020 und dem 28. Juni 2020 gestellten Gläubigerinsolvenzanträgen setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1. März 2020 vorlag.

1. Normzweck

 

Rn 1

Die von §§ 1 und 2 COVInsAG gewährte Überbrückungsphase, in der ohne Antragspflicht und erheblich reduzierten Haftungsgefahren für die Organe und mit weitgehenden Privilegierungen für Kreditgeber und Geschäftspartnern der Versuch einer Rettung des Unternehmens trotz Insolvenzreife ermöglicht werden sollte, wäre fortdauernd der Gefahr ausgesetzt gewesen, ad-hoc beendet zu werden, hätten Gläubigerinsolvenzanträge unverändert zur Eröffnung von Insolvenzverfahren führen können. Das Ziel, durch Hilfs- und Stabilisierungsmaßnahmen und sonstiger Sanierungs- oder Finanzierungsmaßnahmen die eingetretene Insolvenzreife wieder zu beseitigen, hätte permanent zur Disposition einzelner Gläubiger gestanden. Deshalb flankierte zwischen dem 28.03.2020 und dem 28.06.2020 ein dreimonatiger Dispens von Verfahrenseröffnungen aufgrund von Gläubigerinsolvenzanträgen die nach §§ 1 und 2 COVInsAG geltenden Maßnahmen.

2. Tatbestand und Rechtsfolge

 

Rn 2

Wurde ein Gläubigerinsolvenzantrag in der Zeit zwischen 28.03.2020 und dem 28.06.2020 gestellt, konnte das zuständige Insolvenzgericht nur dann ein Insolvenzverfahren auf Grundlage dieses Gläubigerinsolvenzantrags eröffnen, wenn zum 01.03.2020 bereits ein obligatorischer Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorlag. Anderenfalls war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz unstreitiger Insolvenzreife des Schuldners ausgeschlossen. Eine Eröffnung ist erst wieder auf Grundlage eines (erneuten) Antrags nach dem 28.06.2020 möglich.

 

Rn 3

Wurde auf Grundlage eines Gläubigerinsolvenzantrags bis zum 28.03.2020 (das Datum entspricht dem Tag nach der Verkündung des COVInsAG durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 27.03.2020) bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet, bleibt dieses von § 3 COVInsAG unberührt.[1]

 

Rn 4

Lag am 01.03.2020 kein Insolvenzgrund vor, fehlt dem antragstellenden Gläubiger nach einer Auffassung im Schrifttum die Antragsberechtigung i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 InsO.[2] Das Antragsrecht eines Eröffnungsantragstellers ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags. Nach anderer Ansicht soll § 3 COVInsAG nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhindern können, berührt aber nicht die Zulässigkeit des Gläubigerantrags, was konsequenterweise die Möglichkeit der Anordnung erforderlicher Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzantragsverfahren nicht ausschließen soll.[3] Letzteres kann aber nicht voll überzeugen: Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes zum 01.03.2020 mag man zwar als Teil der Begründetheit des Insolvenzantrags verstehen. An einem Antrag, der aufgrund der Anordnung in § 3 COVInsAG nicht zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen kann, dürfte aber kein Gläubiger ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO haben. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen zur Sicherung des Vermögens des Schuldners dürften auch dem Gesetzeszweck widersprechen. Bei Gläubigerinsolvenzanträgen in der Zeit zwischen 28.03.2020 und dem 28.06.2020 ist mithin eine Ergänzung des Glaubhaftmachens eines Insolvenzgrundes gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO zu beachten: Glaubhaft gemacht werden muss das Bestehen eines Insolvenzgrundes schon zum 01.03.2020.[4]

 

Rn 5

Fraglich ist, ob mit dem Ende der zeitlichen Anwendbarkeit des § 3 COVInsAG die Darlegung eines rechtlichen Interesses i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO die möglicherweise weiterhin geltende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 zu berücksichtigen hat. So werden Zweifel an einem berechtigten Interesse des Gläubigers an der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geäußert, wenn die Insolvenz auf der COVID-19-Pandemie beruht und eine akute Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann oder sogar zum 30.09.2020 erfolgreich beseitigt wurde, aber eine Überschuldung fortdauert.[5] Im Ergebnis ist eine erhöhte Begründungslast für den Gläubigerantrag aber nicht überzeugend.[6] Der Eingriff in die Gläubigerrechte hätte nur durch eine zeitliche Verlängerung des § 3 COVInsAG gerechtfertigt werden können, die aber nicht erfolgte.

 

Rn 6

Lag am 01.03.2020 ein Insolvenzgrund vor, kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, wobei die Eröffnungsentscheidung des Insolvenzgerichts nicht zwingend auf diesen Insolvenzgrund gestützt sein muss, auch wenn der Wortlaut des § 3 COVInsAG eine engere Lesart nahelegt (setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1. März 2020 vorlag).[7]

 

Rn 7

Lag am 01.03.2020 ein Insolvenzgrund vor, gilt die Anordnung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO auch im Kontext des § 3 COVInsAG, d.h. die Befriedigung der Forderung des antragstellenden Gläubigers im relevanten Zeitraum nach dem 28.03.2020 ändert nichts an der Zulässigkeit des Antrags.[8]

 

Rn 8

Ferner ist § 3 COVInsAG nur auf die Insolvenzanträge von Gläubigern anwendbar. Die spezialgesetzlichen Regelungen zu Antragsrechten für nicht Gläubiger werden...

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