Leitsatz

Die Klausel im notariellen Kaufvertrag, wonach eine Abnahme bereits wirksam erfolgt sei, führt zum Inlaufsetzen der Verjährungsfrist zu einem Zeitpunkt vor Abschluss des Kaufvertrags. Es kann wirksam vereinbart werden, dass ein "Nachzügler" in eine bereits laufende Verjährungsfrist eintritt

 

Normenkette

§ 640 Abs. 1 BGB

 

Das Problem

  1. 2003 errichtet der Bauträger durch einen Dritten eine Wohnungseigentumsanlage. Am 16. Februar 2004 – noch ist der Bauträger Eigentümer sämtlicher Einheiten – wird das durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen (unter Vorbehalt von insgesamt mehr als 150 gerügten Mängeln, die seitens des Generalunternehmers in der Folgezeit beseitigt wurden) abgenommen.

    § 640 BGB (Abnahme)

    (1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.

    ...

  2. Ab April 2004 veräußert der Bauträger, der bis Ende Mai 2009 auch Verwalter ist, nach und nach einzelne Wohnungseigentumsrechte. Bestimmte Einheiten werden aber auch nur vermietet. In sämtlichen in den Jahren 2004 bis 2007 geschlossenen notariellen Kaufverträgen findet sich folgende Klausel:

    "Das Gemeinschaftseigentum wurde am 16.2.2004 durch den öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen Herrn Dipl.-Ing. R. abgenommen. Das Abnahmeprotokoll liegt dem Käufer vor und ist dieser Urkunde als Anlage beigefügt. Der Käufer erkennt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bausachverständigen für sich als verbindlich an. Der Käufer erkennt insbesondere an, dass für ihn die Verjährungsfrist für Baumängel am Gemeinschaftseigentum mit dieser Abnahme zu laufen beginnt."

    In Kaufverträgen ab dem Jahr 2008 wird ein Gewährleistungsausschluss vereinbart mit der Zusicherung, dass keine Mängel bekannt seien.

  3. Mitte 2008 beauftragt der Bauträger – im Hinblick auf den bevorstehenden Verjährungseintritt – im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen anderen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit der Feststellung eventueller Mängel. Dieser legt sein Gutachten am 21. August 2008 vor. In der Folgezeit kommt es hinsichtlich der vom Sachverständigen festgestellten Mängel zu verschiedenen Gesprächen und Korrespondenz zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, dem Bauträger und dem Generalunternehmer, die sich – parallel zur Beseitigung festgestellter Mängel – bis in das Frühjahr 2009 hinziehen.
  4. Mit anwaltlichem Schreiben lässt der neue Verwalter 2011 im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Bauträger zur Beseitigung von insgesamt 18 näher spezifizierten Mängeln auffordern. Der Bauträger beruft sich darauf, dass die Gewährleistungsfrist abgelaufen sei und die aufgeführten Mängel, soweit sie überhaupt vorgelegen hätten, längstens abgearbeitet seien. Die Wohnungseigentümer ermächtigten daraufhin den neuen Verwalter, die Klageerhebung gerichtet auf die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten bezüglich der 18 in Streit stehenden Mängel zu veranlassen.
 

Entscheidung

  1. Sämtliche Gewährleistungsansprüche seien verjährt. Maßgeblich sei insoweit die 5-jährige Verjährungsfrist ab Abnahme nach § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB. Diese Frist sei im Hinblick auf die am 6. September 2011 eingereichte Klage für solche Erwerber verstrichen, die ihr Wohnungseigentum vor dem 6. September 2006 abgenommen hatten – was regelmäßig bei jenen Erwerbern zutreffen werde, die vor diesem Zeitpunkt ihre Kaufverträge abgeschlossen hatten.
  2. Aber auch in Bezug auf die übrigen in 2006 und 2007 abgeschlossenen Kaufverträge sei zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bereits die Verjährung eingetreten gewesen, da diese Erwerber mit dem Bauträger wirksam als maßgeblichen Beginn der Verjährungsfrist den 16. Februar 2004 vereinbart hatten. Diese Regelung sei wirksam. Eine fingierte Erklärung i.S.v. § 308 Nr. 5 BGB könne in der Klausel nicht gesehen werden, da nicht eine Abnahmeerklärung der Erwerber fingiert werde, sondern diese ausdrücklich die durch den öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen am 16. Februar 2004 tatsächlich abgegebene Abnahmeerklärung als auch gegenüber ihnen verbindlich anerkannt hätten.

    § 308 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit)

    In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

    Nr. 5 (Fingierte Erklärungen)

    eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass

    1. dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
    2. der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hin...

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