Leitsatz (amtlich)

a) Der Grundstückseigentümer kann auch im Herausgabeverfahren die Einreden nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (§ 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1) erheben und damit ein Besitzrecht des Nutzers zu Fall bringen.

b) Ist eine Gesellschaft in das Handelsregister als Rechtsnachfolgerin der LPG kraft Umwandlung eingetragen (§§ 31, 34 LwAnpG), so besteht ein Beweis des ersten Anscheins, daß für die Umwandlung ein entsprechender Beschluß vorlag. Will eine Partei in einem solchen Fall geltend machen, es fehle an einer identitätswahrenden Umwandlung, so muß sie dazu konkrete Tatsachen vortragen.

 

Normenkette

SachenRBerG § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1; EGBGB 1986 Art. 233 § 2a Abs. 1 Sätze 1, 3; ZPO §§ 286, 138

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 14.12.1995)

LG Chemnitz

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Dezember 1995 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Erbe seines Großvaters. Dieser hatte 1964 ein Grundstück dem Rat des Kreises verpachtet, der es einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) zur Nutzung überließ. Dort und auf einem angrenzenden Flurstück befinden sich zum Teil von der LPG errichtete Hofgebäude und andere bauliche Anlagen, die nun die Beklagte in Besitz hat und nutzt.

Der Kläger hat in erster Linie die Räumung und Herausgabe des Grundstücks verlangt und mehrere Hilfsanträge gestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht nach teilweiser Erledigung der Hauptsache zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die sich auf einen zwischen den Parteien allein noch streitigen Grundstücksteil beschränkt. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte könne sich auf ein ursprünglich der LPG zustehendes Recht zum Besitz nach dem Sachenrechtsmoratorium berufen, das nach Maßgabe des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes fortdauere. Es sei erwiesen, daß die Beklagte die Rechtsnachfolgerin der LPG geworden sei. Etwaige Mängel der Umwandlung seien durch die Eintragung der Beklagten geheilt worden, wenn – wie hier – eine identitätswahrende Umwandlung stattgefunden habe. Über die Einreden des Klägers nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sei im Herausgabeverfahren nicht zu befinden.

II.

Die Revision bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Sie bezweifelt nicht, daß bei der LPG die Voraussetzungen eines Moratoriums nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und Satz 3 EGBGB vorlagen.

1. Auch die Beklagte kann daraus ein Besitzrecht (§ 986 BGB) herleiten. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, daß diese Rechtsnachfolgerin der LPG ist. Soweit der Kläger sich auf Mängel des Umwandlungsverfahrens beruft, bleibt er damit erfolglos.

Nach § 34 Abs. 3 LwAnpG lassen Mängel des Formwechsels die Wirkung der Eintragung der neuen Rechtsform (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG) in das Register unberührt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift gilt dies grundsätzlich uneingeschränkt. Für eine Differenzierung nach Art und Schwere der Mängel ergeben sich aus der Gesetzgebungsgeschichte keine Anhaltspunkte (vgl. BGH, Urt. v. 2. Dezember 1994, V ZR 23/94, WM 1995, 434, 436 und BGH, Beschl. v. 3. Mai 1996, BLw 54/95, WM 1996, 1221, 1223; vgl. auch Wenzel, AgrarR 1995, 1, 2; 1997, 33, 35). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Die konstituierende Wirkung der Registereintragung tritt nur dann ein, wenn ein Umwandlungsbeschluß überhaupt gefaßt wurde und die Identität des Unternehmens gewahrt bleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Mai 1996, aaO). Vergebens beruft sich der Kläger auf diese Ausnahmetatbestände.

a) Soweit er behauptet, es fehle an einem Umwandlungsbeschluß, hält das Berufungsgericht dies unter Übernahme der Entscheidungsgründe des Landgerichts nicht für bewiesen. Verfehlt ist allerdings der Hinweis des Landgerichts auf § 15 HGB und den öffentlichen Glauben an das Handelsregister. Es geht im vorliegenden Fall nicht um das in bestimmtem Umfang geschützte Vertrauen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs in das Register (vgl. RGZ 93, 238, 240), sondern allein darum, ob eine bestimmte Tatsache (Vorliegen eines Umwandlungsbeschlusses) mit dem Registereintrag bewiesen werden kann. Die Beklagte hat die Kopie eines Handelsregisterauszuges vorgelegt, wonach sie am 5. Juni 1992 in das Handelsregister eingetragen worden ist, mit dem Vermerk, sie sei durch Umwandlung aus der LPG hervorgegangen. Dem entspricht die vorgelegte Kopie aus dem LPG-Register, in dem festgestellt ist, die frühere LPG sei in die Beklagte umgewandelt worden. Diese Eintragungen zieht die Revision nicht in Zweifel. Sie übersieht, daß die Registereintragungen nach ganz herrschender Meinung jedenfalls einen Beweis des ersten Anscheins für die Richtigkeit der Eintragung begründen (vgl. z.B. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 9 Rdn. 4, 5; Koller/Roth/Morck, HGB, § 8 Rdn. 15; Heidelberger Kommentar/Ruß, 4. Aufl., § 8 Rdn. 6; MünchKomm-HGB/Bokelmann, § 9 Rdn. 19; Schlegelberger/Hildebrand, HGB, 5. Aufl., § 8 Rdn. 29; noch weitergehend Heymann/Sonnenschein, HGB, § 8 Rdn. 36 und § 9 Rdn. 17). Der Senat folgt dem uneingeschränkt, was das Vorliegen eines Umwandlungsbeschlusses anlangt. Die Eintragungen in das Handelsregister und in das LPG-Register (§ 31 LwAnpG) können unter anderem nur unter Vorlage einer Abschrift des Umwandlungsbeschlusses erfolgen (§ 32 Abs. 3 LwAnpG). Ist die Eintragung erfolgt, so begründet sie mithin den Anscheinsbeweis dafür, es sei ein entsprechender Umwandlungsbeschluß gefaßt worden. Diesen ersten Anschein hat der Kläger nicht erschüttern können. Er hat weder konkrete Tatsachen hierzu vorgetragen noch entsprechende Beweisanträge gestellt (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 286 Rdn. 12 m.w.N.). Davon gehen im Grunde sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht aus. Auch die Revision kann dem nichts entgegenhalten.

b) Das Berufungsgericht bemerkt zwar in einem Zwischensatz seiner Ausführungen, es habe eine identitätswahrende Umwandlung stattgefunden, führt dies jedoch nicht näher aus, trifft insbesondere keine näheren tatsächlichen Feststellungen hierzu. Offenbleiben kann, ob sich aus den Registereintragungen auch insoweit ein Anscheinsbeweis dafür ergibt, es liege keine mitgliederverdrängende Umwandlung vor. Das Berufungsurteil ist nämlich aus einem anderen Grund insoweit im Ergebnis zutreffend. Der Vortrag des Klägers dazu ist unsubstantiiert. Ob eine identitätswahrende Umwandlung beschlossen worden ist, richtet sich zunächst nach dem Inhalt des Beschlusses (vgl. auch BGH, Beschl. v. 3. Mai 1996, WM 1996, 1221, 1222). Dazu fehlt jeder Vortrag des Klägers. Er behauptet lediglich, der LPG hätten ursprünglich 600 Mitglieder angehört und folgert auf einen mitgliederverdrängenden Beschluß, weil nur noch 33 Mitglieder (Kommanditisten) übrig geblieben seien. Schon dieser Ansatz ist verfehlt. In der Regel haben zahlreiche Mitglieder schon durch Kündigung ihre LPG-Mitgliedschaft beendet (§§ 43, 44 LwAnpG) oder sind anläßlich der Umwandlung gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung ausgeschieden. Die ursprüngliche Mitgliederzahl besagt somit nichts über eine mitgliederverdrängende Wirkung der Umwandlung. Dazu kommt, daß die Beklagte auf den Vortrag des Klägers im einzelnen die Zahl der noch vorhandenen Mitglieder dargelegt hat. Dies hat der Kläger nur pauschal mit Nichtwissen bestritten. Vor dem Hintergrund der Registereintragung fehlt seinem Vortrag damit die nötige Substanz. Er wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, durch Einsichtnahme in die Registerakten konkrete Behauptungen aufzustellen. Das Berufungsgericht mußte deshalb dem behaupteten Mangel nicht näher nachgehen.

Es kommt nach allem nicht mehr darauf an, daß auch im Falle einer nicht identitätswahrenden Umwandlung ein Herausgabeanspruch des Klägers zweifelhaft wäre. In diesem Fall wäre die Beklagte nicht Rechtsnachfolgerin der LPG, sondern eine Neugründung mit der Folge, daß daneben die ursprüngliche LPG (unerkannt) noch weiterbestünde, sich allerdings in Liquidation befände (§ 69 Abs. 3 LwAnpG). Da sie den unmittelbaren Besitz der streitgegenständlichen Fläche an die Beklagte überlassen hat, wäre die LPG unter Umständen mittelbare Besitzerin der Grundstücksteilfläche, hätte ein Besitzrecht kraft Moratoriums gegenüber dem Kläger, was auch ein Besitzrecht der Beklagten begründen könnte (§ 986 Abs. 1 Satz 1 BGB). Falls man von einer unberechtigten Besitzüberlassung der LPG an die Beklagte ausginge, könnte der Kläger jedenfalls nicht Herausgabe an sich selbst, sondern nur Herausgabe an die LPG verlangen (§ 986 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieses Ergebnis entspräche auch dem Zweck der Sachenrechtsbereinigung, die dann jedenfalls im Verhältnis zur ursprünglichen LPG durchgeführt werden müßte.

2. a) Rechtlich fehlerhaft nimmt das Berufungsgericht allerdings an, der Kläger könne der Beklagten im Herausgabeprozeß nicht die Einreden nach § 30 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG entgegenhalten.

Der Senat hat sich bereits in einer früheren Entscheidung (Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, WM 1995, 1848, 1856) mit dem Verhältnis zwischen dem Besitzrecht des Nutzers nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB und der hiergegen gerichteten Einrede des unredlichen Erwerbs gemäß § 30 SachenRBerG i.V. mit § 4 VermG zu befassen. Nach der dort gegebenen Begründung besteht zwar das Besitzrecht des Nutzers aus dem Moratorium, solange die Bereinigung der Rechtsverhältnisse nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht erfolgt ist. Die Möglichkeit des Eigentümers, den Bereinigungsanspruch des Nutzers durch eine Einrede nach § 30 SachenRBerG zu Fall zu bringen, hat der Senat aber auch im Herausgabeverfahren für beachtlich gehalten.

Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlaß. Das Sachenrechtsbereinigungsverfahren ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht vorrangig, wenn bereits die Anspruchsberechtigung des Nutzers wegen der Ausschlußtatbestände der §§ 29, 30 SachenRBerG in Frage gestellt ist. Denn das Verfahren nach den §§ 87 ff, 103 ff SachenRBerG setzt das Bestehen eines zu bereinigenden Rechtsverhältnisses voraus. § 108 SachenRBerG verweist zwar insoweit auf die Möglichkeit der Klärung im Wege einer Feststellungsklage, aber auch dieses Verfahren geht einem Herausgabeverlangen des Eigentümers nicht vor. Wird das Bestehen einer Einrede nach den §§ 29, 30 SachenRBerG bejaht, so kommt die Durchführung eines Bereinigungsverfahrens nicht mehr in Betracht (vgl. auch Schnabel, Das Grundeigentum, 1995, S. 590). Es entfällt dann seit dem 1. Januar 1995 das Recht zum Besitz aus dem Sachenrechtsmoratorium. Dieses besteht nämlich ab diesem Zeitpunkt nur in dem Umfang fort, wie Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz in Betracht kommen (vgl. Senatsurt. v. 27. September 1996, V ZR 115/95, NJW 1997, 459). Dem Eigentümer muß es damit auch freistehen, vom Grundstücksnutzer sofort die Herausgabe nach § 985 BGB zu verlangen. Ein dem Moratorium unterfallender Sachverhalt – und damit die Einreden nach §§ 29, 30 SachenRBerG – sind in diesem Fall inzident zu prüfen. Dieses Ergebnis ist auch deshalb interessengerecht, weil der die Herausgabe begehrende Eigentümer sonst gezwungen wäre, zunächst ein Feststellungsverfahren nach § 108 SachenRBerG zu betreiben, dessen Abschluß mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann, nur um sich freie Bahn für ein anschließendes Herausgabeverfahren zu verschaffen. Mit § 108 SachenRBerG hat, der Gesetzgeber aber lediglich die Klarstellung bezweckt, daß neben der bereinigungsrechtlichen Gestaltungsklage nach den §§ 103 ff SachenRBerG ein Interesse an der bloßen Feststellung begründet sein kann (vgl. Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 108 Rdn. 1 und 7; Tropf in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 108 Rdn. 2).

b) Gleichwohl ist die Revision auch in diesem Punkt im Ergebnis unbegründet (§ 563 ZPO); der Kläger hat die tatsächlichen Voraussetzungen relevanter Einreden nicht schlüssig vorgetragen.

aa) § 30 Abs. 1 SachenRBerG setzt voraus, daß der Nutzer bei der Bestellung des Nutzungsrechts oder der Erlangung des Besitzes am Grundstück unredlich im Sinne des § 4 VermG gewesen ist. Insoweit hat der Kläger nur vorgetragen, sein Großvater, der den Hof bewirtschaftet hatte, sei zu dem Pachtvertrag mit dem Rat des Kreises gezwungen worden. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine Unredlichkeit der LPG zu belegen. Es fehlt nämlich jeder Anhaltspunkt für die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Buchst. b und c VermG.

bb) Nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG kann der Eigentümer die Sachenrechtsbereinigung verweigern, wenn die Gebäude oder baulichen Anlagen nicht mehr nutzbar sind und deshalb kein Anlaß besteht, dem Nutzer einen Ausgleich für seine Aufwendungen in Bauwerke zu gewähren (vgl. z.B. Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 29 Rdn. 1). Dies ist nach dem Vortrag des Klägers aber gerade nicht der Fall. Er beruft sich in diesem Zusammenhang allein darauf, daß die Beklagte den landwirtschaftlichen Betrieb in den Gebäuden und Anlagen fortführe, dabei gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen verstoße und die Umwelt beeinträchtige. Dies schließt aber die Nutzbarkeit der Gebäude und Anlagen nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Vogt, Lambert-Lang, Tropf, Schneider, Krüger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1127386

BGHR

Nachschlagewerk BGH

MDR 1997, 1012

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