Leitsatz (amtlich)

a) Die Beendigung von Verträgen über die Nutzung von Erholungs- und Freizeitgrundstücken, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geschlossen worden sind, richtet sich nach Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB auch dann ausschließlich nach § 314 ZGB, wenn die Verträge schon vor dem Inkrafttreten des ZGB am 1. Januar 1976 bestanden haben.

b) Die Weitergeltung der §§ 312 ff. ZGB für solche Verträge ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Normenkette

GG Art. 14 Abs. 1 S. 2; EGBGB 1986 Art. 232 § 4 Abs. 1; ZGB DDR § 314

 

Verfahrensgang

BezirksG Potsdam (Urteil vom 03.09.1991)

KreisG Königs Wusterhausen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Bezirksgerichts Potsdam vom 3. September 1991 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger erwarb im Jahre 1980 Eigentum an einem in B., G.-Straße, gelegenen Grundstück. Das Grundstück war vorher, weil der damalige Eigentümer in West-Berlin lebte, durch den Rat der Gemeinde B. staatlich verwaltet worden. Mit Pachtvertrag vom 21. März 1965 verpachtete der Rat der Gemeinde das Grundstück an Erich S.. Nach dessen Tod wurde der Pachtvertrag im Jahre 1972 dahin abgeändert, daß als Pächter an seiner Stelle in den Pachtvertrag seine Ehefrau (die frühere Beklagte zu 2) und sein Sohn (der Beklagte zu 1) eintraten. Nach § 2 des Pachtvertrages beträgt die Pachtzeit – von 1965 an gerechnet – 20 Jahre. Weiter ist vereinbart, daß sich die Vertragsdauer um jeweils fünf Jahre verlängert, wenn der Vertrag nicht ein Jahr vor Fristablauf gekündigt wird. Im Jahre 1965 war das Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaut. Der Vater des Beklagten zu 1) und später der Beklagte zu 1) haben Um- und Anbauten vorgenommen.

Im Jahre 1980 hat der Kläger eine erste, u.a. auf Eigenbedarf gestützte Räumungsklage erhoben. Durch Urteil des Bezirksgerichts Potsdam wurde dieser Klage zum Teil stattgegeben in der Weise, daß das Nutzungsverhältnis hinsichtlich einer Hälfte des Grundstückes aufgehoben wurde, während die andere Hälfte, auf der sich das Wochenendhaus befindet, den Nutzungsberechtigten verblieb.

Der Kläger hat den Pachtvertrag ohne Angabe von Gründen gekündigt und mit der vorliegenden Klage von beiden Pächtern die Räumung und Herausgabe des Grundstücks verlangt. Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte zu 1) (im folgenden: Beklagter) Berufung eingelegt. Das Bezirksgericht hat die Klage, soweit sie sich gegen den Beklagten richtet, abgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Nach § 546 Abs. 1 ZPO ist die Revision statthaft, weil das Bezirksgericht sie zugelassen hat. Allerdings sind nach dem Einigungsvertrag (Anlage I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 h Abs. 2) Berufungsentscheidungen des Bezirksgerichts unanfechtbar, wenn das erstinstanzliche Kreisgericht in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche entschieden hat, für die nach § 23 Nr. 1 GVG die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben ist. Wäre der für die Zuständigkeit maßgebliche Streitwert niedriger als 5.000 DM, läge er also unterhalb der (damals) für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Amtsgericht und Landgericht maßgeblichen Streitwertgrenze, so wäre die Revision nicht statthaft, obwohl sie vom Bezirksgericht zugelassen worden ist. Die Zulassung nach § 546 Abs. 1 ZPO ist nur eine von mehreren Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels der Revision und betrifft ausschließlich die Frage, ob die Revision zulässig ist, obwohl die Beschwer des Revisionsklägers 60.000 DM nicht übersteigt. Eine Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, bleibt aber auch bei – irriger – Rechtsmittelzulassung unanfechtbar (Senat, Urteil vom 24. Juni 1987 – IVb ZR 5/86 – NJW 1988, 49, 50, 51; Stein/Jonas/Grunsky, 19. Aufl. 1972, § 546 Anm. VI d; MünchKomm/ZPO/Walchshöfer, 1992, § 546 Rdn. 63 m.N.; Zöller/Schneider, 17. Aufl. 1991, § 545 Rdn. 3).

Der Zuständigkeitsstreitwert liegt aber über 5.000 DM. Er richtet sich bei einer Klage des Vermieters (dasselbe muß für eine Klage des Verpächters gelten) auf Räumung und Herausgabe der vermieteten Sache nach § 8 ZPO (Senat, Urteil vom 1. April 1992 NJ 1992, 408 m.N.). Beruft sich der Mieter oder Pächter gegenüber einer Kündigung auf eine Mieterschutzregelung, die das Kündigungsrecht des Vermieters einschränkt und dem Mieter ein Recht zur Fortsetzung des Mietverhältnisses gibt, so dauert die „streitige” Zeit im Sinne von § 8 ZPO bis zu dem Zeitpunkt an, den der Mieter als den für ihn günstigsten Beendigungszeitpunkt des Mietvertrages in Anspruch nimmt. Hat der Mieter – wie im vorliegenden Fall – keinen festen Zeitpunkt genannt, so ist darauf abzustellen, was er bereits in erster Instanz vermutlich gewollt hat (Senat a.a.O. NJ 1992, 408). Der Beklagte will das Pachtverhältnis vorerst – auf unbestimmte Zeit – fortsetzen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, welche zeitlichen Vorstellungen er dabei hat, sind seinem Vortrag nicht zu entnehmen. Das bedeutet, daß der Beklagte zwar ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nimmt, daß der Zeitpunkt der Beendigung dieses Nutzungsrechtes aber – wie z.B. bei einem auf Lebenszeit abgeschlossenen Mietvertrag – ungewiß ist. In einem solchen Fall ist in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO in der zur Zeit der Einlegung der Revision geltenden Fassung (der davon handelt, daß der künftige Wegfall eines Bezugsrechts gewiß, die Zeit des Wegfalls aber ungewiß ist) als Streitwert die 12 ½-fache Jahresmiete bzw. Jahrespacht anzusetzen (vgl. Münch-Komm/ZPO/Lappe a.a.O. § 8 Rdn. 20; Hillach/Rohs, 8. Aufl. 1992, § 30 C 2; Stein/Jonas/Schönke/Pohle, 19. Aufl. 1972, § 8 Anm. II 2).

Der von dem Beklagten bar zu entrichtende Pachtzins beträgt lediglich 150 DM im Jahr. Hinzuzurechnen sind aber vertragliche Gegenleistungen anderer Art (z.B.: die Übernahme von öffentlichen Abgaben und sonstigen Lasten, von Gebäudeversicherungsprämien, die Zahlung von Baukostenzuschüssen und die Übernahme von Instandsetzungskosten), soweit diese im Verkehr als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden (BGHZ 18, 168, 171; Zoller/Schneider a.a.O. § 8 Rdn. 6 m.N.).

Nach § 4 des Pachtvertrages haben es die Pächter u.a. übernommen, „die laufende Instandhaltung und Generalreparaturen an den vorhandenen baulichen Anlagen” auf eigene Kosten durchzuführen. Aus § 5 des Pachtvertrages ergibt sich, daß die Übernahme dieser Verpflichtung als zusätzliche Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung gedacht war. In § 5 heißt es nämlich, daß der Pachtzins „unter Berücksichtigung der gemäß der §§ 3 und 4 übernommenen Verpflichtungen der Vertragspartner” 150 Mark betrage.

Aufgrund der Angaben, die die Parteien auf die Anfrage des Senats vom 12. März 1993 hin gemacht haben, schätzt der Senat die jährlich anfallenden Instandhaltungskosten für das schon zu Beginn des Pachtverhältnisses vorhandene Wochenendhaus auf 500 DM. Der Zuständigkeitsstreitwert beträgt demnach 9.375 DM ≪12,5 × (150 + 500)≫.

2. Das Bezirksgericht hat ausgeführt, ob das Pachtverhältnis durch die von dem Kläger erklärte Kündigung beendet worden sei oder nicht, sei nicht nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beurteilen, sondern nach den Regeln des Zivilgesetzbuchs (DDR). Eine wirksame Befristung des Pachtvertrages komme nach den §§ 312 ff ZGB nicht in Betracht. Nach § 314 Abs. 4 Satz 2 ZGB könne, da Bestandteil des Nutzungsrechts ein Wochenendhaus sei, das Nutzungsverhältnis gegen den Willen des Nutzungsberechtigten nur durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden. Eine solche Klage auf Aufhebung des Nutzungsverhältnisses habe der Kläger aber nicht erhoben (vgl. auch die zu Protokoll des Bezirksgerichts vom 3. September 1991 abgegebene Erklärung des Klägers). Im übrigen habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt, daß einer der in § 314 Abs. 3 ZGB genannten Aufhebungsgründe (z.B. dringender Eigenbedarf) gegeben sei.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts greift die Revision ohne Erfolg an.

3. Das Bezirksgericht beurteilt die Frage, ob der zwischen den Parteien geschlossene Pachtvertrag durch die von dem Kläger erklärte Kündigung beendet worden ist, zu Recht nach den §§ 312 ff ZGB. Nach Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB (sog. Datschen-Regelung) richten sich Nutzungsverhältnisse nach den §§ 312 bis 315 ZGB aufgrund von Verträgen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossen worden sind, weiterhin nach den Vorschriften des ZGB. Entgegen der Ansicht der Revision betrifft diese Bestimmung des Einigungsvertrages nicht nur solche Nutzungsverträge, die nach dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs im Jahre 1976 – also unter der Geltung dieses Gesetzes – abgeschlossen worden sind, sondern auch solche Nutzungsverträge, die vorher abgeschlossen worden sind, wenn auf sie nach dem Recht der DDR vom Inkrafttreten des ZGB an die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden waren (Grüneberg/Wendtland, DtZ 1993, 101, 102; a.A. BezG Frankfurt/Oder, VIZ 1992, 31, 32 mit ablehnender Anmerkung Schmidt-Räntsch). Die Formulierung in Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB, die Bestimmung betreffe Nutzungsverhältnisse nach den §§ 312 bis 315 ZGB, stellt erkennbar lediglich klar, welche Art von Nutzungsverhältnissen gemeint sind; sie stellt nicht darauf ab, wann die entsprechenden Vertrage abgeschlossen worden sind (so zutreffend Schmidt-Räntsch a.a.O.). Es wäre auch wenig sinnvoll gewesen, den Nutzungsberechtigten aus Verträgen, die unmittelbar vor dem Beitritt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR abgeschlossen worden sind, einen umfassenden Bestandsschutz einzuräumen, den Nutzungsberechtigten aus Verträgen, die schon seit mehr als 15 Jahren bestanden haben, dagegen nicht.

Demgegenüber will die Revision aus Art. 232 § 3 EGBGB herleiten, daß in Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB nur solche Verträge über die Nutzung von Bodenflächen zur Erholung gemeint sein könnten, die nach dem 1.1.1976 (dem Inkrafttreten des ZGB) abgeschlossen worden seien. Nach Art. 232 § 3 EGBGB richten sich Pachtverhältnisse aufgrund von Verträgen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossen worden sind, von diesem Zeitpunkt an nach den §§ 581 ff BGB. Die Revision meint, da das ZGB Pachtverträge nicht geregelt habe, müßten in Art. 232 § 3 EGBGB gemeint sein Verträge über die Nutzung von Bodenflächen zur Erholung, die vor dem 1.1.1976 abgeschlossen worden seien. Sonst sei nämlich Art. 232 § 3 EGBGB in keinem denkbaren Fall anzuwenden.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Argumentation der Revision wäre nur stichhaltig, wenn das Recht der DDR lediglich die in Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB angesprochenen Verträge über die Nutzung von Bodenflächen zur Erholung gekannt und anerkannt hätte, nicht aber andere zumindest pachtähnliche Verträge. Verträge über die Nutzung von Grundstücken zu anderen als Erholungs- und Freizeitzwecken waren zwar im Zivilgesetzbuch nicht ausdrücklich geregelt, aber auch nicht verboten, sondern nach § 45 Abs. 3 ZGB zugelassen (Schmidt-Räntsch a.a.O.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Voelskow, Ergänzungsband 2. Aufl., Zivilrecht im Einigungsvertrag Art. 232 § 3 EGBGB Rdn. 107; Palandt/Putzo, 52. Aufl., Art. 232 § 3 EGBGB Rdn. 2, die Pachtverträge wohl erst seit dem 1. Juli 1990 – wegen der seither generell gewährleisteten Vertragsfreiheit – für zulässig halten, jedenfalls aber auch für eine gewisse Zeit vor dem Wirksamwerden des Beitritts). Art. 232 § 3 EGBGB geht mithin auch dann nicht ins Leere, wenn Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB die Weitergeltung des ZGB auch für solche Verträge über die Nutzung von Bodenflächen zur Erholung anordnet, die vor 1976 abgeschlossen worden sind.

4. Zu Recht geht das Bezirksgericht auch davon aus, daß nach dem Recht der ehemaligen DDR – hier: dem Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch – der zwischen den Parteien geschlossene Pachtvertrag nur nach § 314 ZGB beendet werden konnte, obwohl er vor dem Inkrafttreten des ZGB geschlossen worden ist. Nach § 2 Abs. 2 EGZGB ist das ZGB auch auf alle bei seinem Inkrafttreten bestehenden Zivilrechtsverhältnisse anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Lediglich „für das Bestehen der vor Inkrafttreten des ZGB begründeten Rechte und Pflichten ist das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht maßgebend”. Das Oberste Gericht der DDR hat mehrfach entschieden, daß nach dieser Regelung auch die Beendigung von vor dem 1. Januar 1976 geschlossenen Nutzungsverträgen über Grundstücksflächen, die Erholungszwecken dienten, sich grundsätzlich nach dem Zivilgesetzbuch richte, und zwar auch dann, wenn die Vertrage – nach der bei Abschluß des Vertrages geltenden Rechtslage in zulässiger Weise – befristet abgeschlossen worden seien (OG, NJ 1978, 360, 361 m.N.).

Der Senat sieht keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung. Soweit der Bundesgesetzgeber für Dauerschuldverhältnisse wie Miet- oder Pachtverträge neue Vorschriften erläßt über den Inhalt der beiderseitigen Rechte und Pflichten oder über Kündigungsmöglichkeiten, ordnet er in Überleitungsbestimmungen regelmäßig an, daß auf Verträge, die zur Zeit des Inkrafttretens des Anderungsgesetzes bestehen, das neue Recht anzuwenden ist (sog. unechte Rückwirkung; vgl. MünchKomm/Heinrichs a.a.O. Art. 170 EGBGB Rdn. 7 mit zahlreichen Beispielen und MünchKomm/Säcker, a.a.O. Art. 171). § 2 Abs. 2 EGZGB in der vom Obersten Gericht der DDR vertretenen Auslegung weicht somit nicht ab von dem, was in vergleichbaren Fällen üblicherweise – auch vom Bundesgesetzgeber – in Überleitungsbestimmungen angeordnet wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß § 2 Abs. 2 EGZBG im Gegensatz dazu für bestehende Verträge die wesentlich weniger strengen Regeln des alten Rechts über die Kündigung und Befristung von Nutzungsverhältnissen beibehalten wollte.

5. § 314 Abs. 4 Satz 2 ZGB bestimmt, daß das Nutzungsverhältnis gegen den Willen des Nutzungsberechtigten nur durch gerichtliche Entscheidung beendet werden kann, wenn der Nutzungsberechtigte „in Ausübung des Nutzungsrechts auf der Bodenfläche ein Wochenendhaus oder eine Garage errichtet” hat. Das Bezirksgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR, daß diese Bestimmung analog anzuwenden sei, wenn ein Wochenendhaus schon zu Beginn des Nutzungsverhältnisses vorhanden war, das Nutzungsrecht sich aber auch auf dieses Wochenendhaus erstreckte (OG, NJ 1978, 360, 361 und NJ 1985, 425). Es meint deshalb, der Kläger könne die Beendigung des Nutzungsverhältnisses jedenfalls nicht durch eine privat erklärte Kündigung erreichen, sondern nach § 314 Abs. 4 Satz 2 ZGB nur durch eine Aufhebungsklage (der Kläger hat ausdrücklich klargestellt, daß die vorliegende Klage nicht als eine solche Aufhebungsklage verstanden werden soll). Ob dieser sehr weitgehenden analogen Anwendung des § 314 Abs. 4 Satz 2 ZGB gefolgt werden kann, kann dahingestellt bleiben. Zutreffend und von der Revision auch nicht beanstandet nimmt das Bezirksgericht nämlich an, der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, daß einer der Fälle vorliege, in denen nach § 314 Abs. 3 ZGB der Eigentümer des Grundstücks – z.B. wegen dringenden Eigenbedarfs – kündigen könne. Schon deshalb ist die Räumungsklage unbegründet.

6. Die Kündigungsregeln des § 314 Abs. 3 ZGB verstoßen auch nicht, wie die Revision meint, gegen den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht, um so weiter ist die Befugnis des Gesetzgebers, nach Art. 14 I 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen (vgl. BVerfGE 64, 87, 101). Die Revision verweist zu Recht darauf, daß sich das Bundesverfassungsgericht mit einem zwar nicht gleich, aber ähnlich gelagerten Fall zu befassen hatte. Die Kündigungsschutzregeln des in der Bundesrepublik geltenden Kleingartenrechts a.F. erschwerten die Möglichkeiten des Verpächters, sich von dem Pachtvertrag zu lösen, noch stärker als § 314 ZGB. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar entschieden, daß dieser weitgehende Ausschluß der Kündigungsbefugnis des Kleingartenrechts a.F. mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren sei (BVerfGE 52, 1). Es hat aber ausgeführt, auch dieser weitgehende Kündigungsschutz könne in besonderen Situationen (z.B. in Kriegs- und Notzeiten) von der Sozialbindung des Eigentums gedeckt sein. Eine solche „Legitimation” des Kündigungsschutzes für Kleingärten sei in der Bundesrepublik aber inzwischen entfallen. Für die große Masse der Kleingärtner sei ein Kleingarten zwar von beachtlichem Wert, nicht jedoch mehr von existentieller Bedeutung.

Diese Beurteilung ist auf die Verhältnisse in der ehemaligen DDR nicht ohne weiteres übertragbar. Es ist bekannt, daß die sog. Datschen für weite Bevölkerungskreise in der DDR eine besonders wichtige Rolle gespielt haben (vgl. Grüneberg/Wendtland a.a.O. S. 101). Durch die in Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB angeordnete, ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Neuregelung stehende Weitergeltung der Kündigungsschutzbestimmungen des § 314 ZGB wird erreicht, daß die Nutzungsverhältnisse, auf deren Bestand die Nutzungsberechtigten vor dem Beitritt vertrauen konnten, nach dem Beitritt nicht abrupt und ohne Möglichkeit der Anpassung beendet werden können. In dieser besonderen Situation ist jedenfalls für eine gewisse Zeit die Weitergeltung der Kündigungsvorschriften des § 314 Abs. 3 ZGB durch die Sozialbindung des Eigentums gerechtfertigt (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 23. September 1992, Grundeigentum 1993, 144 zum BundeskleingartenG).

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber

 

Fundstellen

Haufe-Index 1444693

Nachschlagewerk BGH

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