Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Formzwang für Eintritt in eine Grundstücksgesellschaft. Auslegung von Formvorschriften mit Nichtigkeitsfolgen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung, Mitgliedschaftsrechte an einer Personengesellschaft zu übertragen oder zu erwerben, bedarf grundsätzlich auch dann nicht der notariellen Form, wenn das Gesellschaftsvermögen im wesentlichen aus Grundbesitz besteht.

 

Orientierungssatz

Formvorschriften, an deren Nichtbeachtung das Gesetz die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts knüpft (BGH § 125), sind um der Sicherheit im Rechtsverkehr willen grundsätzlich streng tatbestandsmäßig anzuwenden.

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 1981 aufgehoben und – unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers – das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. Dezember 1980 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Der Kläger führte im Frühjahr 1979 im Auftrage des Architekten K auf dem Grundstück der verklagten Kommanditgesellschaft Dachreparaturen aus. K hatte nämlich am 4. März 1979 mit den Gesellschaftern der Beklagten einen Vertrag abgeschlossen, der ihn berechtigen sollte, sämtliche Gesellschaftsanteile an der Beklagten (und damit auch jenes Grundstück) zu erwerben. Voraussetzung dafür war allerdings, wie in einem weiteren, am gleichen Tage abgeschlossenen „Finanzierungsvertrage” näher vereinbart, daß er der Beklagten bis zum 31. Mai 1979 eine „Gesamtfinanzierung” in Höhe von 5.890.000 DM – einen Teilbetrag davon schon bis zum 23. März 1979 – beschaffen würde. Bald stellte sich jedoch heraus, daß K dazu nicht in der Lage war. Die Gesellschafter „kündigten” daher den Anteilsübertragungsvertrag, und die Beklagte verlangte die im Finanzierungsvertrage für den Fall, daß K die Kredite nicht fristgerecht bereitstelle, vereinbarte Schadenspauschale von 300.000 DM.

K bezahlte auch die Dachreparaturen nicht, die ihm der Kläger mit 22.388,10 DM in Rechnung gestellt hatte. Der Kläger versucht daher, sich an die Beklagte zu halten. Dazu hat er in erster Linie die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm unmittelbar verpflichtet. Daneben hat er gegen K wegen des Rechnungsbetrages ein Versäumnisurteil erwirkt und auf Grund dessen den Anspruch gepfändet und sich überweisen lassen, den K gegen die Beklagte habe, weil ihr als Grundstückseigentümerin die Reparaturen zugutegekommen seien. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, weder der Kläger noch K könnten von ihr etwas verlangen. Hilfsweise hat sie gegenüber dem vom Kläger gepfändeten Anspruch des Architekten K mit ihrem aus dem Vertragswerk vom 4. März 1979 hergeleiteten Anspruch auf die Schadenspauschale aufgerechnet.

Die Vorinstanzen haben der Klage auf Zahlung von 22.388,10 (mit Unterschieden in der Höhe der Zinsen) stattgegeben. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Soweit das Berufungsgericht einen unmittelbaren Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint hat, ist ihm entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ohne weiteres zu folgen. Es hat festgestellt, die Dachreparaturen habe K im eigenen Namen dem Kläger in Auftrag gegeben. Dagegen kann die Revisionserwiderung nichts einwenden. Dann ist aber die Beklagte im Verhältnis zum Kläger nicht bereichert. Bereichert ist sie vielmehr, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und die Revision nach Grund und Höhe hinnimmt, im Verhältnis zu K, und zwar ohne Rechtsgrund, nachdem die Verträge vom 4. März 1979 gescheitert sind. Dem Kläger stand daher aus gepfändetem und überwiesenem Recht ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB in der geltend gemachten Höhe zu.

2. Der Anspruch ist aber erloschen, weil die Beklagte mit ihrem gegen K gerichteten Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Finanzierungsvertrages vom 4. März 1979 aufgerechnet hat (§ 392 BGB). Das Berufungsgericht hat allerdings einen aufrechenbaren Anspruch verneint: Ein solcher sei nicht wirksam entstanden, weil der Anteilsübertragungsvertrag und der Finanzierungsvertrag gemäß §§ 313, 125, 139 BGB nichtig seien. Die Verträge seien ein einheitliches Rechtsgeschäft und wirtschaftlich darauf gerichtet gewesen, K das Eigentum am Betriebsgrundstück der Beklagten für etwa 6 Mio. DM zu verschaffen. Auch wenn das in der Form einer Abtretung der Gesellschaftsanteile vereinbart worden sei, hätte ein solches Vertragswerk nach Sinn und Zweck des für Grundstücksverträge maßgebenden § 313 Abs. 1 BGB notariell beurkundet werden müssen. Die privatschriftliche Form der Verträge genüge daher auch nicht, um den vereinbarten Schadensersatzanspruch zu Lasten von K wirksam zu begründen. Dieser Ansicht über den Anwendungsbereich des § 313 BGB ist jedoch nicht zuzustimmen.

a) Nach dieser Vorschrift bedarf ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Die damit vorausgesetzte Verpflichtung, Grundstückseigentum zu veräußern oder zu erwerben, ist aber gerade nicht Gegenstand eines Vertrages, mit dem sich jemand verpflichtet, in eine Personengesellschaft mit Grundbesitz einzutreten, aus ihr auszuscheiden oder Anteile an ihr zu übertragen oder zu erwerben. Der Erwerb oder Verlust der (gesamthänderischen) Mitberechtigung an einem Gesellschaftsgrundstück ist vielmehr in diesen Fällen nur eine gesetzliche Folge des Erwerbs oder Verlusts der Mitgliedschaft und die Konsequenz davon, daß das Gesellschaftsvermögen auch bei einem Mitgliederwechsel stets dem jeweiligen Gesellschafterkreis zugeordnet bleibt (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für rechtsgeschäftliche Verfügungen über das Eigentum an Gegenständen des Gesellschaftsvermögens (wie Grundstücken) ist insoweit kein Raum. Diese Rechtslage ist nicht anders, wenn aus einer mehrgliedrigen Gesellschaft alle Gesellschafter bis auf einen ausscheiden oder alle bisherigen Gesellschafter ihre Mitgliedschaftsrechte auf mehrere andere Personen oder – wie im vorliegenden Fall – auf einen Erwerber übertragen. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung geht daher die überwiegende Meinung dahin, daß auch dann, wenn Grundstücke einen mehr oder weniger großen Teil des Gesellschaftsvermögens bilden, § 313 BGB auf die Verpflichtung, über Mitgliedschaftsrechte an Personengesellschaften zu verfügen oder solche zu erwerben, nicht anzuwenden ist (vgl. dazu u.a. Petzold, BB 1975, 905 ff; Ulmer in Münch.Komm. z. BGB, § 705 Rdn. 25; beide m.w.N.).

b) Das Berufungsgericht hat das zwar nicht verkannt, aber gemeint, hiervon sei eine Ausnahme zu machen, wenn im Einzelfall der Zweck des § 313 BGB durchgreife, Eigentümer und Erwerber von Grundstücken vor Übereilung und mangelnder Beratung zu schützen; das sei der Fall, wenn es – wie hier – wirtschaftlich nur um die Übertragung eines Grundstückes gehe. Damit befindet es sich im Einklang mit einer im Schrifttum vertretenen Mindermeinung, nach der die Übertragung von Mitgliedschaftsrechten an Gesellschaften, deren Vermögen „im wesentlichen” aus Grundbesitz besteht, der Formvorschrift des § 313 BGB unterworfen sein soll. Dem ist jedoch nicht zu folgen.

Formvorschriften, an deren Nichtbeachtung das Gesetz die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts knüpft (§ 125 BGB), sind um der Sicherheit im Rechtsverkehr willen grundsätzlich streng tatbestandsmäßig anzuwenden. Wenn das Gesetz einerseits den Formzwang für die eigentlichen Grundstücksverkehrsgeschäfte anordnet, andererseits aber gesellschaftsrechtliche Verfügungen formlos zuläßt ohne Rücksicht darauf, daß sich diese mittelbar auf die Rechtszuständigkeit für Gesellschaftsgrundstücke auswirken können, dann muß das grundsätzlich auch in den Grenzfällen anerkannt werden, in denen in zulässiger Weise von der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht worden ist. Selbst wenn man mit Hilfe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise versuchen wollte, gesellschaftsrechtliche Verfügungen über die Mitgliedschaft dem Formzwang zu unterwerfen, falls der Zweck im Vordergrund steht, das Gesellschaftsgrundstück zu veräußern oder zu erwerben, würde man häufig nicht nur auf schwer feststellbare subjektive Motivationen zurückgreifen müssen; es wäre auch sonst nicht möglich, feste, allgemein plausible und klare Maßstäbe zu finden, wie man sie haben müßte, um zwischen formbedürftigen und formfreien Anteilsübertragungen eine deutliche Grenzlinie zu ziehen. Selbst der vorliegende Fall, in dem das Gesellschaftsvermögen praktisch auf den Grundbesitz zurückgeschrumpft war, zeigt die Zweifelhaftigkeit einer solchen Rechtsanwendung; denn es steht nach dem bisherigen Parteivortrag noch nicht einmal fest, ob es dem Architekten K nur auf das Betriebsgrundstück oder auch auf das Recht zur Fortführung der Firma und die Verwertung eines möglicherweise noch vorhandenen Firmenwertes ankam. Für eine Anwendung des § 313 BGB im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Übertragungsakte sind daher allenfalls die Fälle einer bewußten Umgehung der Vorschrift in Betracht zu ziehen, wo etwa Grundstücksgesellschaften nur zu dem Zweck gegründet werden, um mit Hilfe der hier verfügbaren rechtlichen Konstruktionsmöglichkeiten Grundvermögen außerhalb des Grundbuches und ohne förmliche Zwänge beweglicher verlagern zu können (Karsten Schmidt AcP, 182. Band, S. 482, 510 ff). Hierauf und auf die Schwierigkeiten, die insbesondere wegen § 313 Abs. 2 BGB auch insoweit bei der Anwendung der Vorschrift bestehen würden, braucht jedoch nicht eingegangen zu werden. Denn die im vorliegenden Falle durch die Verträge vom 4. März 1979 in die Wege geleitete endgültige Auflösung der Kommanditgesellschaft durch eine gesellschaftsrechtlich zulässige Verfügung über den Rest des Gesellschaftsvermögens war, auch wenn es sich um das Betriebsgrundstück handelte und nur ein Erwerber alle Mitgliedschaftsrechte erwarb, kein Umgehungsfall jener Art.

3. Die Verträge, die K und die Beklagte abgeschlossen hatten, waren daher wirksam. Nachdem K seine Verpflichtungen aus dem Finanzierungsvertrag nicht fristgerecht erfüllt hat, ist der vereinbarte Schadensersatzanspruch der Beklagten fällig. Ob es sich hierbei um eine zulässige Schadenspauschalierung oder in Wahrheit um eine verdeckte Vertragsstrafe handelt, braucht nicht entschieden zu werden. Selbst bei einer Herabsetzung des Anspruchs nach den Grundsätzen des Vertragsstrafenrechts (§ 343 BGB) bliebe in Anbetracht der Höhe der von K versprochenen und nicht erfüllten Vertragsleistungen auf alle Fälle so viel übrig, daß die Klagesumme erreicht wird; insoweit hat auch die Revisionserwiderung keine Bedenken erhoben.

Der Einwand der Aufrechnung greift daher gegen den Klageanspruch durch. Damit führt die Revision der Beklagten zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile; die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649090

ZIP 1983, 436

DNotZ 1984, 169

JZ 1983, 391

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