Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amtspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

Verletzt der Notar bei der Beurkundung eines Rechtsgeschäfts, das sich auf einen Nachlaß bezieht, fahrlässig die ihm gegenüber den Miterben obliegende Amtspflicht, gehört deren Anspruch gegen ihn auf Ersatz des daraus entstehenden Schadens, wenn sie nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen, ebenfalls zum Nachlasse.

 

Normenkette

BGB § 2039 S. 1, § 2041 S. 1; BNotO § 19 Abs. 1; BGB § 2040 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 1985 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen machen gegen den Beklagten wegen Verletzung notarieller Amtspflichten einen Anspruch auf Schadensersatz geltend.

Die Klägerin zu 1. ist die, zwischenzeitlich wieder verheiratete, Witwe, die Klägerin zu 2. eine Tochter des am 20. März 1973 verstorbenen Henri Leo M., der in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hatte. Beide Klägerinnen besitzen die französische Staatsangehörigkeit und haben ihren Wohnsitz in Frankreich. Sie behaupten, Henri Leo M. sei aufgrund letztwilliger Verfügung von ihnen, der ebenfalls in Frankreich wohnhaften Frau Nicole Eri D. geb. M. und der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Frau Rita K. geb. B. beerbt worden.

Der Erblasser war Eigentümer von acht im Grundbuch von L. Band ...8 Blatt ...7 zu lfd. Nrn. 1 bis 8 eingetragenen Grundstücken und alleiniger Gesellschafter der Be. Gr. gesellschaft mbH (im folgenden: BGV). Diese war Eigentümerin von zwei im Grundbuch von R. Blatt ...6 zu lfd. Nrn. 13 und 14 eingetragenen Grundstücken. Die Erbinnen wünschten, den gesamten Grundbesitz zu veräußern, und wandten sich auf der Suche nach einem Käufer auch an den Beklagten. Dieser nannte ihnen die Kaufleute Gustav Gra. und Mario Rü. als geeignete Kaufinteressenten. Am ... 1979 trafen die Beteiligten zur Durchführung des geplanten Verkaufs verschiedene Vereinbarungen, die von dem Beklagten als Notar beurkundet wurden.

In der Urkunde Nr. ...8/1979 erklärten die Miterbinnen als Gesellschafterinnen der BGV, sie beabsichtigten, ihre Geschäftsanteile von je 30.000 DM auf Gustav Gra. und Mario Rü. zu übertragen; der Gegenwert betrage 1.200 DM.

In der Urkunde Nr. 09/1979 traten sie die Geschäftsanteile an diese mit der Maßgabe ab, daß sie "Eigentümer je zur Hälfte der Anteile und somit der GmbH" würden. Gustav Gra. und Mario Rü. erklärten, sie nähmen die Abtretung an und zahlten dafür 1.200 DM.

In der Urkunde Nr. ...0/1979 boten die Miterbinnen an, der BGV die im Grundbuch von L. Band ...8 Blatt ...7 zu lfd. Nrn. 1 bis 5 eingetragenen Grundstücke zum Preise von 2.700.000 DM unter Anrechnung bestehender Belastungen zu verkaufen. Die BGV, vertreten durch Gustav Gra. und Mario Rü. als Geschäftsführer, nahm von dem Angebot Kenntnis.

In der Urkunde Nr. 131/1979 boten die Miterbinnen an, der BGV die im Grundbuch von L. Band ...8 Blatt ...7 zu lfd. Nrn. 6 bis 8 eingetragenen Grundstücke lastenfrei zum Preise von 500.000 DM, fällig bis zum 31. Juli 1979, zu verkaufen. Die BGV, vertreten durch ihre Geschäftsführer, nahm von dem Angebot Kenntnis.

In der Urkunde Nr. ...2/1979 vereinbarten die Miterbinnen mit der BGV, vertreten durch ihre Geschäftsführer, eine Gesamtabrechnung. Der Kaufpreis für die Grundstücke und die BGV wurde mit 3.740.000 DM vereinbart, davon 400.000 DM fällig am 31. Juli 1979. Der restliche Kaufpreis sollte getilgt werden durch Übernahme bestehender Belastungen, Tilgung des Debetsaldos auf dem Kontokorrentkonto bei der Raiffeisenbank Kilianstätten und Zahlung des Spitzenbetrages bis zum 30. Juni 1980. Die BGV verpflichtete sich, "im Rahmen der Kaufpreisfälligkeiten" die Annahme der Kaufangebote zu erklären, bzw. "die Grundstücke aufgrund einer unabhängig zur Verfügung des beurkundenden Notars von den Erschienenen zu 1) bis 4) zu erteilenden Veräußerungsvollmacht weiter zu veräußern mit gleichlautenden Zahlungsfälligkeiten".

In der Urkunde Nr. ...4/1979 erteilten die Miterbinnen Gustav Gra. und Mario Rü. unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Vollmacht, sie bei der Veräußerung der in den Angeboten genannten Grundstücke und eines weiteren, im Grundbuch von L. Band ...7 Blatt ...7 verzeichneten Grundstücks "in jeder Hinsicht" zu vertreten.

Die Klägerin zu 2), die bei diesen Beurkundungen nicht zugegen war, wurde von Frau D. ohne Vertretungsmacht vertreten und genehmigte deren für sie abgegebene Erklärungen am ... 1979 in öffentlich beglaubigter Form (Nr. ...3 der Urkundenrolle Jahrgang 1979 des Beklagten).

Der Beklagte erteilte Gustav Gra. und Mario Rü. am 1. August 1979 eine Ausfertigung der Vollmacht. Am 31. Oktober 1979 erklärte die Klägerin zu 2) den Widerruf der Vollmacht, am 5. November 1979 in einer notariellen Urkunde des Notars P. den Widerruf jener Erklärung. Gustav Gra. und Mario Rü. veräußerten, legitimiert durch die Vollmacht, die im Grundbuch von L. Band ...8 Blatt ...7 zu laufenden Nrn. 6 bis 8 eingetragenen Grundstücke, verlängerten die Frist zur Annahme des Angebots zum Kauf der in diesem Grundbuch zu lfd. Nrn. 1 bis 5 eingetragenen Grundstücke bis zum 31. März 1981, belasteten diese Grundstücke mit zwei Briefgrundschulden über je 1.000.000 DM nebst 15 % Jahreszinsen zugunsten der Verwaltungsgesellschaft Rä. mbH, deren Geschäftsanteile sie hielten, und veräußerten als Geschäftsführer der BGV die in deren Eigentum stehenden Grundstücke nach Bildung von Wohnungseigentum. Am 27. Juni 1980 richtete der Beklagte an sie ein Schreiben folgenden Wortlauts:

"Sehr geehrte Herren!

In der Vertragssache Erbengemeinschaft M. mit Ihnen errechnet sich das Restkaufgeld wie folgt:

Kaufpreis

3.740.000,- DM

in Anrechnung daraufhin übernommenen Belastungen

2.548.730,61 DM

Ablösung Ki.

90.000,- DM

Zahlung an die Erbengemeinschaft

400.000,- DM

Restschuld

701.269,39 DM

Diese Berechnung beruht auf der Valuta, wie sie im Vertrage unter II ausgewiesen ist. Da die Valuta vom 30. Juni 1979 zu Grunde zu legen ist, können sich noch geringfügige Abweichungen davon ergeben.

Gemäß II D ist dieser Betrag zahlungsfällig bis zum 30. Juni 1980.

Ich erwarte Ihre Zahlung bis zu dem genannten Termin auf meinem Anderkonto.

Ferner erwarte ich eine Erklärung von Ihnen über die Annahme des Angebotes.

Frau D. hat mir das in Ablichtung beigefügte Einschreiben gesandt. Im gleichen Sinne hat sich auch Frau M.-Go. telefonisch an mich gewandt.

Frau M. erinnerte auch daran, daß von Ihnen vorzeitige Teilzahlungen in Aussicht gestellt wurden bei jeweiligen Verkauf der Eigentumswohnungen. Leider sind diese nicht erfolgt, was die Beteiligten mit Besorgnis zur Kenntnis nehmen mußten.

Um diese Besorgnis zu zerstreuen, hoffe ich, daß das Restkaufgeld fristgemäß auf meinem Anderkonto eingeht."

Außer der in diesem Schreiben genannten Zahlung von 400.000 DM und der Zahlung zum Ausgleich des Debetsaldos von 90.000 DM auf dem Kontokorrentkonto erbrachten die BGV, Gustav Gra. und Mario Rü. keine weiteren Leistungen an die Miterbinnen. Pfändungen, die diese aufgrund zwischenzeitlich erwirkter Titel im Juli und August 1982 gegen die Verwaltungsgesellschaft Rä. mbH, Gustav Gra. und Mario Rü. versuchten, blieben erfolglos. Die BGV wurde zwischenzeitlich aufgelöst.

Die Klägerinnen behaupten, den Miterbinnen sei ein erheblicher Schaden entstanden:

Bei der vorgesehenen Abwicklung wäre den Mitgliedern der Erbengemeinschaft ein Vermögensvorteil von 922.231,18 DM zugeflossen, während sie sich jetzt Forderungen von zumindest 457.537,87 DM ausgesetzt sähen. Hätten sie die Verträge nicht geschlossen, würden sie Mieteinnahmen in Höhe von 1.887.600 DM erzielt haben. Wäre der Erlös aus der Veräußerung der im Eigentum der BGV stehenden Grundstücke abgeführt worden, hätte die Erbengemeinschaft 1.346.393 DM erhalten. Durch Verwahrlosung der im Grundbuch von L. Band ...8 Blatt ...7 zu lfd. Nrn. 1 bis 5 eingetragenen Grundstücke sei ein Wertverlust von 300.000 DM eingetreten. Außerdem seien ihnen Anwalts- und Vollstreckungskosten in Höhe von 97.517,48 DM entstanden.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, der Beklagte habe seine Amtspflichten ihnen und den beiden anderen Miterbinnen gegenüber schuldhaft verletzt. Er habe es nicht nur unterlassen, sie, die ersichtlich geschäftsunerfahren gewesen seien, auf die Gefahren der von ihm gewählten Vertragsgestaltung hinzuweisen, sondern ihre Bedenken mit der Versicherung zerstreut, sie seien ebenso gesichert, als läge eine die gesamte Projektabwicklung umfassende Bürgschaft vor. Die schädigenden Handlungen der Geschäftsführer Gustav Gra. und Mario Rü. habe er dadurch ermöglicht, daß er ihnen abredewidrig eine Ausfertigung der Vollmacht erteilt habe.

Mit der am 20. Oktober 1983 bei Gericht eingereichten Klage machen die Klägerinnen von dem behaupteten Schadensersatzanspruch der Erbengemeinschaft eine Teilforderung in Höhe von 750.000 DM nebst Zinsen in der Reihenfolge der in der Klageschrift enthaltenen Schadensaufstellung geltend. Im ersten Rechtszuge beantragten sie, den Beklagten zur Zahlung an die Erbengemeinschaft zu verurteilen. Das Landgericht erklärte durch Zwischenurteil den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Der Beklagte legte Berufung ein und begründete sie auch damit, daß die Klägerinnen nicht klagebefugt seien, weil es sich bei dem Anspruch, der im übrigen nicht bestehe und im Falle seines Bestehens verjährt sein würde, nicht um eine Nachlaßforderung handele. Die Klägerinnen vertraten in der Berufungserwiderung die Ansicht, sie seien nach § 2039 BGB berechtigt, Leistung an die Erbengemeinschaft zu verlangen. Nach Erörterung der Rechtslage durch das Berufungsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung behaupteten die Klägerinnen, sie seien bevollmächtigt worden, die Klage auch für die beiden übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft zu führen, und beriefen sich zum Beweise der Wahrheit dieser Behauptung auf das Zeugnis ihres anwesenden Prozeßbevollmächtigten erster Instanz. Der Beklagte bestritt diese Behauptung der Klägerinnen und erklärte, sich auf den neuen Vortrag nicht einzulassen. Das Berufungsgericht gab der Berufung statt und wies die Klage ab.

Mit der Revision erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I.

1.

Das Berufungsgericht stellt nicht fest, ob Henri Leo M. von den Klägerinnen, Frau D. und Frau K., deren Erbberechtigung der Beklagte bestritten hat, beerbt worden ist, und geht ohne Prüfung davon aus, daß ihre etwaige Erbenstellung nach deutschem Recht zu beurteilen sei.

Wäre der Erblasser, wie der Beklagte im ersten Rechtszuge als möglich aufgezeigt hat, französischer Staatsangehöriger gewesen, könnte auf den Erbfall französisches Erbrecht anzuwenden sein (vgl. Art. 24, 25 EGBGB). Mangels gegenteiliger Feststellungen ist für die Revisionsinstanz zugunsten der Klägerinnen zu unterstellen, daß der Erblasser von ihnen, Frau D. und Frau K. nach den deutschen Gesetzen beerbt worden ist.

2.

Für die Revisionsinstanz ist nach dem Vortrag der Klägerinnen ferner davon auszugehen, daß der Beklagte die ihm als Notar den Miterbinnen gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt hat, deshalb ein Schadensersatzanspruch nach § 19 Abs. 1 BNotO gegen ihn besteht und dieser Anspruch nicht verjährt ist.

II.

1.

Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht bei der rechtlichen Prüfung einen Unterschied zwischen den im Eigentum der Erbengemeinschaft und den im Eigentum der BGV stehenden Grundstücken nicht gemacht. Nach den von dem Beklagten in den Urkunden Nr. ...8 und ...9 seiner Urkundenrolle Jahrgang 1979 beurkundeten Erklärungen der Miterbinnen hielt am 29. Mai 1979 jede von ihnen einen eigenen Geschäftsanteil der BGV. Soweit durch die Abtretung der Geschäftsanteile oder durch die Veräußerung der im Eigentum der BGV stehenden Grundstücke ihnen ein Schaden entstanden ist, würde es sich bei dem Anspruch auf dessen Ersatz nicht um einen zum Nachlaß gehörenden handeln, weil die Erbengemeinschaft insoweit bereits auseinandergesetzt war.

2.

Das Berufungsgericht verneint den Klageanspruch, weil er nicht zum Nachlaß gehöre und die Klägerinnen deshalb nicht nach § 2039 BGB berechtigt seien, ohne Mitwirkung der beiden übrigen Miterbinnen Leistung an die Erbengemeinschaft zu verlangen. Dazu führt es aus: Die veräußerten Grundstücke seien Nachlaßgegenstände gewesen, über welche die Erbengemeinschaft nach § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich habe verfügen können und gemeinschaftlich verfügt habe. Mithin stehe auch der Anspruch auf Ersatz des bei der Durchführung der vorgesehenen Veräußerung entstandenen Schadens der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zu und hätte von allen Miterbinnen gemeinschaftlich geltend gemacht werden müssen. Weder aus § 2039 BGB noch aus § 2041 BGB ergebe sich eine Berechtigung der Klägerinnen, die Klage auf Leistung von Schadensersatz an die Erbengemeinschaft allein zu führen. Die Veräußerung der Nachlaßgegenstände lange Zeit nach dem Erbfall sei zwar ein Rechtsgeschäft der Gesamthandsgemeinschaft gewesen. Es sei jedoch weder am Kaufpreis noch am Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten eine Surrogation eingetreten. Hinsichtlich des Amtshaftungsanspruchs könnte diese zudem nur über die Brücke der Surrogation des Kaufpreises hergeleitet werden. Dazu fehle es hier jedoch an der zu fordernden engen Beziehung zum Nachlaß selbst.

3.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a)

Nach § 2039 Satz 1 BGB kann, wenn ein Anspruch zum Nachlasse gehört, jeder Miterbe die Leistung an alle Erben fordern. Daß die Grundstücke, bezüglich derer eine Auseinandersetzung der Miterben (vgl. § 2042 Abs. 1 BGB) noch nicht erfolgt war, Nachlaßgegenstände waren, nimmt das Berufungsgericht zutreffend an. § 2041 Satz 1 BGB bestimmt, daß zum Nachlasse gehört, was aufgrund eines zum Nachlasse gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlaßgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf den Nachlaß bezieht. Die Miterbinnen wollten gemeinschaftlich mit Mitteln des Nachlasses, nämlich durch die Veräußerung der Nachlaßgrundstücke, den als Gegenwert dafür vereinbarten Kaufpreis für die Erbengemeinschaft erlangen. Das Rechtsgeschäft bezog sich mithin sowohl objektiv wie auch nach dem Willen der Miterbinnen auf den Nachlaß. Deshalb gehörte der Anspruch auf den Kaufpreis ebenfalls zum Nachlaß, ohne daß es auf die Frage ankommt, ob für die Beziehungssurrogation nach § 2041 Satz 1 BGB eine bloße objektive Beziehung genügt (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1968 - III ZR 63/66, NJW 1968, 1824; RGRK/Kregel, 12. Aufl., BGB § 2041 Rdn. 3; zum Meinungsstand MünchKomm/Dütz, BGB § 2041 Rdn. 12 ff). Die Klägerinnen hätten also nach § 2039 Satz 1 BGB die Erfüllung des Kaufpreisanspruchs an alle Erbinnen fordern können.

b)

Den durch die Nicht- oder Schlechterfüllung der zum Nachlaß gehörenden Kaufpreisforderung begründeten Anspruch der Erbengemeinschaft gegen den Schuldner auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens anders zu beurteilen, ist nicht geboten. Auch dieser Schadensersatzanspruch gehört zum Nachlaß (vgl. Soergel/Wolf, 11. Aufl., BGB § 2041 Rdn. 5) und hätte deshalb von den Klägerinnen im Rahmen des § 2039 Satz 1 BGB allein für die Erbengemeinschaft geltend gemacht werden können.

c)

Zu entscheiden ist die Frage, ob zum Nachlaß auch der Schadensersatzanspruch der Erbengemeinschaft gegen den Beklagten gehört, der als Notar bei einem sich auf den Nachlaß beziehenden Amtsgeschäft durch schuldhafte Verletzung der ihm gegenüber der Erbengemeinschaft obliegenden Amtspflicht den Nachlaß geschädigt hat. Der Senat bejaht sie jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, in dem die von der Erbengemeinschaft durch das beurkundete Rechtsgeschäft erworbene Forderung von dem Schuldner nicht erfüllt und der deswegen gegen diesen begründete Schadensersatzanspruch nicht durchsetzbar ist. Zweck der in § 2041 BGB getroffenen Surrogationsregelung ist, die wirtschaftliche Einheit und auch den Wert des Nachlaßvermögens als Gesamthandsvermögen für die Miterben und die Nachlaßgläubiger zu erhalten (OLG München, NJW 1956, 1880; Staudinger/Werner, 12. Aufl., BGB § 2041, Rdn. 1; Soergel/Wolf aaO, Rdn. 1; MünchKomm/Dütz, a.a.O. Rdn. 1). Dieser Zweck wird im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit der zum Nachlaß gehörenden Ansprüche gegen den Schuldner erreicht, wenn der gegen den beurkundenden Notar wegen dessen Amtspflichtverletzung dann begründete Schadensersatzanspruch der Erbengemeinschaft zum Nachlaß gehört.

4.

Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

III.

Darüber hinaus leidet auch das Verfahren vor dem Berufungsgericht an Mängeln, die auf die Rüge der Revision zur Aufhebung seines Urteils führen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hatten die Klägerinnen behauptet, sie seien bevollmächtigt worden, die Klage auch für die beiden übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft zu führen, und hatten dafür Beweis durch ein präsentes Beweismittel angeboten. Dieser Vortrag könnte von Bedeutung sein, soweit der Schaden durch die Abtretung der Geschäftsanteile an der BGV oder durch die Veräußerung der in deren Eigentum stehenden Grundstücke eingetreten ist (s.o. zu II, 1). Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag als offensichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellt bewertet, diese Ansicht aber, wie die Revision mit Recht rügt, nicht begründet, und hat ihn nach § 528 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Diese Vorschrift bestimmt, daß neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt worden waren, nur zuzulassen sind, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe auf den für ihn überraschenden Vortrag ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben können (§ 282 Abs. 2 ZPO). Wie der Beklagte sich über eine unter den Miterbinnen getroffene Vereinbarung hätte erkundigen können, legt das Berufungsgericht, wie die Revision ebenfalls als Verletzung von § 286 ZPO mit Erfolg rügt, nicht dar. Im ersten Rechtszug hatten die Klägerinnen jedoch, weil das Gericht ihren Rechtsstandpunkt teilte, mit ihrem bisherigen Vorbringen obsiegt, hatte also ein Kollegialgericht ihren Anspruch als im Sinne von §§ 2039, 2041 BGB zum Nachlaß gehörig bewertet. Daß sie dennoch ihr neues Vorbringen dem Landgericht hätten vortragen müssen, ist nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat zwar den Klägerinnen Gelegenheit zur Äußerung zu seinem Rechtsstandpunkt gegeben (§ 278 Abs. 3 ZPO), aber zu Unrecht bejaht, daß sie ihre neue Behauptung aus grober Nachlässigkeit nicht vorher vorgetragen hatten. Ihnen wird also bei der neuen Verhandlung Gelegenheit zu geben sein, ihren bisherigen Vortrag zu ergänzen (vgl. BGH, Urt. v. 22. September 1980 - II ZR 239/79, NJW 1981, 287).

 

Unterschriften

Merz

Zorn

Henkel

Fuchs

Gärtner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456585

NJW 1987, 434

DNotZ 1987, 429

IPRspr. 1986, 109

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