Leitsatz (amtlich)

Ob ein Beschluß, durch den mehrere Sachen zum Zwecke der "gemeinsamen Verhandlung" miteinander verbunden werden, zu einer echten Prozeßverbindung im Sinne des §147 ZPO führen soll mit der Wirkung, daß auch eine gemeinschaftliche Entscheidung zu erlassen ist, oder ob es sich nur um eine "zur tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme" handeln soll, ist eine vom Revisionsgericht nachprüfbare Auslegungsfrage.

 

Normenkette

ZPO § 147

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Entscheidung vom 02.03.1955)

AG St. Goar

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz - Rheinschiffahrtsobergericht - vom 2. März 1955 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin der Motorgüterschiffe "V." und "A.". Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin des Kahns "F.", der vom Beklagten zu 2 geführt wurde.

Am 13. Juni 1952 wurde der Kahn "F." von den Motorschiffen "V." und "A." durch die sogenannte Gebirgsstrecke bergwärts geschleppt. Dabei hing der Kahn auf dem üblichen langen Strang hinter "A.", während MS "Vi." dem "A." vorgespannt war.

Als der Schleppzug das Ehrenthaler Werth im rechtsrheinischen Ehrenthaler Fahrwasser passierte, brach der Draht zwischen "A." und "F.". Der Kahn setzte sofort beide Vorderanker und konnte sich hinter ihnen landen. Nachdem auch die Verbindung zwischen "V." und "A." gelöst worden war, wurde "F." allein von "A." mit einem Ende des gebrochenen Stranges wieder aufgenommen und bis zu dem etwa 1,5 km entfernten Werlauer Hafen gebracht. In der Nähe des Hafens hielt "Ai." Kurs nach Steuerbord. "F." folgte ihm aber nicht, sondern hielt scharf nach Backbord. Währenddessen ließ sich MS "V." in der Absicht, nunmehr seinerseits den Kahn aufzunehmen, von oberstrom talwärts treiben, um von Stromseite her den Strang zu übergeben. Bevor dies geschehen konnte, wurde auf "F." der Strang zu "A." losgeworfen. Dabei fiel der Kahn mit seinem Vorderschiff nach Backbord und kam mit diesem gegen das Steuerbordschiff von "V." an. Hierdurch wurden beide Fahrzeuge beschädigt.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 als Eigentümerin und den Beklagten zu 2 als den verantwortlichen Schiffsführer des Kahnes "F." für den an MS "V." entstandenen Schäden in Höhe von 500 sfrs in Anspruch, da die Schuld an dem Unfall allein bei der Führung des Kahnes "F." liege.

Die Beklagten haben dies bestritten und ausgeführt, der Unfall sei allein durch das schuldhafte Verhalten der Führung der Motorschiffe entstanden.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Beweiserhebung die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

In der Verhandlung vor dem Rheinschiffahrtsobergericht am 16. Februar 1955 haben die Parteivertreter, wie die Sitzungsniederschrift ergibt, zunächst unter Bezugnahme auf die Berufungsbegründungsschrift vom 22. Juli 1954 bzw den Schriftsatz vom 15. Juli 1954 die Anträge gestellt. Darauf hat das Berufungsgericht durch verkündeten Beschluß die vorliegende Sache (1 U 336/54 = 4 C 7/53 Amtsgericht St. Goar, Bl 133 GA) mit der Sache 1 U 335/54 (= 4 C 12/53 Amtsgericht St. Goar, Bl 85) "zum Zwecke der gemeinsamen Verhandlung" verbunden. Nachdem die Anwälte darauf zur Sache verhandelt haben, wurden die vorbezeichneten Sachen durch verkündeten Beschluß "zum Zwecke der Entscheidung getrennt". In der Sache 3 U 335/54 macht die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits als Klägerin wegen der Beschädigung des Kahns "Fraternité 4" ihrerseits Ersatzansprüche in Höhe von 8.214,50 DM gegen die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits sowie gegen die Schiffsführer der Motorschiffe "V." und "A." als Gesamtschuldner geltend. Das Amtsgericht - Rheinschifffahrtsgericht - St. Goar hatte diese Klage durch Urteil vom 6. Mai 1954 abgewiesen, das ebenfalls mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten worden ist. Beide Sachen wurden vom Rheinschiffahrtsobergericht auf den 2. März 1955 zum Spruch ausgesetzt. An diesem Tage wurde in jeder Sache die Berufung durch ein besonderes Urteil zurückgewiesen.

Beide Urteile sind mit getrennt eingelegten Revisionen angegriffen worden.

Im vorliegenden Rechtsstreit verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter, die Klägerin hat beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Ersatzanspruch wegen Beschädigung des MS "V." in Höhe von 500 sfrs. Der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt also unter der Revisionssumme (§546 Abs. 1 ZPO). Der Auffassung der Beklagten, die Revision sei trotzdem wegen der vom Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 1955 beschlossenen Verbindung der vorliegenden Sache mit der Sache 3 U 335/54 (= I ZR 81/55) "zur gemeinsamen Verhandlung" aus den vom Reichsgericht in den Entscheidungen RGZ 49, 401 und 142, 255 dargelegten Rechtsgrundsätzen zulässig, kann nicht gefolgt werden, weil die im vorliegenden Fall nur zum Zwecke der Verhandlung ausgesprochene Verbindung der Sachen den Umständen nach nicht zu einer echten, eine einheitliche Entscheidung fordernden Prozeßverbindung im Sinne des §147 ZPO geführt hat.

Nach §147 ZPO kann das Gericht unter besonderen Voraussetzungen die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen. Die Wirkung einer solchen Anordnung besteht darin, daß die bis dahin selbständigen, getrennten Prozesse zu einem einheitlichen Prozeß mit gleichzeitiger Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung zusammengefaßt werden. Der aus der Verbindung entstandene Rechtsstreit ist so zu behandeln, als ob von vornherein Klagenhäufung bestanden bzw Widerklage vorgelegen hätte; für Akte, die nach der Verbindung vorgenommen worden sind, wie für die Rechtsmittelsumme sind die Streitwerte nach §5 ZPO zusammenzurechnen. Das Gericht kann zwar den Verbindungsbeschluß nach freiem Ermessen wieder aufheben (§150 ZPO). Dies ist aber - ebenso wie bei einer Trennung nach §145 ZPO - nur solange und nur insoweit zulässig, als noch eine weitere Verhandlung erforderlich ist.

Ist ein Rechtsstreit ganz oder teilweise zur Endentscheidung reif, so ist - zumindest hinsichtlich des zur Entscheidung reifen Teils - eine Trennung nach §145 ZPO ausgeschlossen. Über den entscheidungsreifen Teil ist nach §301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden; wegen des übrigen Teils des Rechtsstreits hat dann eine weitere Verhandlung stattzufinden, die möglicherweise zu einer Trennung nach §145 ZPO führen könnte. Entsprechendes gilt für einen aus einer Prozeßverbindung nach §147 ZPO hervorgegangenen Rechtsstreit mit der Besonderheit, daß nach §300 Abs. 2 ZPO kein Teilurteil, sondern ein Vollurteil zu erlassen ist, wenn einer von mehreren zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung und Entscheidung verbundenen Prozessen zur Endentscheidung reif ist; dieses Endurteil enthält hinsichtlich des ursprünglich selbständig gewesenen Prozesses eine Aufhebung der Verbindung und ist im übrigen - wie übrigens auch ein Teilurteil - hinsichtlich der Rechtsmittelsumme selbständig zu beurteilen. Nur die vorzeitige Entscheidungsreife eines Teils des Rechtsstreits rechtfertigt also nach §§300 Abs. 2, 301 ZPO den Erlaß getrennter Urteile, was zur Folge haben kann, daß für diese besonderen Urteile mangels Erreichens der Rechtsmittelsumme eine Anfechtung ausgeschlossen wird, wogegen bei einheitlicher Entscheidung des Gesamtrechtsstreits eine Anfechtung zulässig gewesen wäre. Es ist aber nicht zulässig, bei einem auf Grund einer und derselben Verhandlung zur Entscheidung reifen Rechtsstreit, auch wenn diese gemeinsame Verhandlung auf einer Verbindung nach §147 ZPO beruht, nur zum Zwecke der Urteilsfällung eine Trennung vorzunehmen. Geschieht dies dennoch, z.B. durch ausdrückliche Wiederaufhebung der früheren Verbindung, und werden daraufhin ohne eine weitere Verhandlung besondere Urteile verkündet, so sind diese Urteile als einheitliche Entscheidung aufzufassen; für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also der nach §5 ZPO zusammenzurechnende Gesamtstreitwert maßgebend (RGZ 49, 401 [402]). Das muß selbstverständlich erst recht dann gelten, wenn - wie in dem Fall RGZ 142, 255 - auf Grund einer gemeinsamen Verhandlung unangekündigt getrennte Entscheidungen ergehen. Ein Trennungsbeschluß nach §145 ZPO ist ebenso wie die Aufhebung einer Prozeßverbindung (§§150, 147 ZPO) nur auf Grund einer mündlichen Verhandlung zulässig, und zwar auch nur dann, wenn noch eine weitere Verhandlung erforderlich ist (Stein-Jonas ZPO §§145 II 1, 150 I).

Zu der gleichen Beurteilung ist die Rechtsprechung auch in den Fällen gelangt, in denen die Verbindung nicht entsprechend dem Wortlaut des §147 zum Zwecke der gleichzeitigen "Verhandlung und Entscheidung" (wie in dem Fall RGZ 49, 401), sondern nur zur gleichzeitigen (oder gemeinschaftlichen) "Verhandlung" (wie in den Fällen RGZ 142, 250; RG JW 1908, 433 Nr. 9; 1909, 77 Nr. 13) beschlossen worden ist. In den genannten Entscheidungen wird der Beschluß einer Verbindung "zu gleichzeitiger Verhandlung" in seiner Wirkung einem auf "gleichzeitige Verhandlung und Entscheidung" gerichteten Verbindungsbeschluß gleichgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die Zivilprozeordnung kenne keine Verbindung mehrerer Prozesse bloß zur gemeinschaftlichen Verhandlung, sondern, wie das Gesetz sage, zum Zwecke der "gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung" (§147 ZPO); hieraus ergebe sich nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung, daß die Verbindung mehrerer Rechtsstreitigkeiten zur gemeinschaftlichen Verhandlung "grundsätzlich" eine gemeinschaftliche Entscheidung zur notwendigen Folge habe. Bereits in RGZ 49, 401 [402] wurde ausgeführt, es sei "nur eine selbstverständliche Folge" der über die Verhandlung nach §§145-150 ZPO getroffenen Anordnungen, daß dann auch die Entscheidung der Sachen getrennt bzw verbunden erfolge.

Soweit in diesen Entscheidungen des Reichsgerichts Beschlüsse, die nur eine Verbindung "zur gemeinschaftlichen (oder gleichzeitigen) Verhandlung" aussprechen, als eine echte Prozeßverbindung im Sinne des §147 ZPO angesehen werden, kann hieraus aber nicht der Schluß gezogen werden, daß eine solche Auslegung ausnahmslos geboten sei. Es darf nämlich nicht verkannt werden, daß es sich hierbei nur um eine - auch vom Revisionsgericht nachprüfbare - Auslegung einer richterlichen Prozeßanordnung handelt. Es mag auch zutreffen, daß mit der Anordnung der Verbindung verschiedener Prozesse "zur gemeinschaftlichen Verhandlung" in der Regel eine echte Prozeßverbindung mit der Wirkung gemeinschaftlicher Beweisaufnahme und gemeinschaftlicher Entscheidung gemeint sein wird. Anders dürfte auch das Reichsgericht in RGZ 142, 255 [257] nicht zu verstehen sein, wenn es ausführt, daß die Verbindung mehrerer Rechtsstreitigkeiten zur gemeinschaftlichen Verhandlung "grundsätzlich" eine gemeinschaftliche Entscheidung zur Folge habe; denn anschließend geht das Reichsgericht selbst auf die abweichende, von der Klägerin und Revisionsbeklagten vertretene "Auslegung" ein, daß "keine eigentliche prozeßmäßige Verbindung, sondern nur eine zur tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme beabsichtigt gewesen sei". Das Reichsgericht lehnt diese Auslegung dann allerdings mit der Begründung ab, sie sei mit der weiteren Behandlung der Sachen, besonders dem gemeinsamen Beweisbeschluß, nicht in Einklang zu bringen. In dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall lag es so, daß das Berufungsgericht die Verbindung am 3. Juni 1932 beschlossen, am 4. November 1932 in den verbundenen Sachen Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung angeordnet und schließlich auf Grund der gemeinschaftlichen Verhandlung beider Sachen am 24. Februar 1933 durch Beschluß "Termin zur Verkündung einer Entscheidung" auf den 24. März 1933 angesetzt hatte. Die Nachprüfung der "Auslegung" zeigt aber, daß auch nach Auffassung des Reichsgerichts eine Verbindung nur "zur gemeinschaftlichen Verhandlung" keineswegs immer als "eigentliche" (oder "echte") prozeßmäßige Verbindung im Sinne des §147 ZPO auszulegen ist, sondern daß sie nach der gerichtlichen Praxis auch eine andere eingeschränkte Bedeutung haben kann, nämlich die Bedeutung einer nur "zur tatsächlichen Vereinfachung dienlichen vorübergehenden Maßnahme". In diesem Sinne dürften auch die Ausführungen bei Stein-Jonas ZPO §147 III (bei Note 5) zu verstehen sein, wo mit dem Reichsgericht davon ausgegangen wird, daß eine Verbindung nur zum Zweck gleichzeitiger Verhandlung bei getrennter Entscheidung nicht zulässig sei, und weiter ausgeführt wird, daß aber sinngemäß eine die Verbindung der Verhandlung aussprechende Anordnung "im Zweifel" als Verhandlung und Entscheidung umfassend angesehen werden müsse. Danach sind also zumindest auch Fälle denkbar, in denen nach dem auch für die Parteien erkennbaren Willen des Gerichts kein Zweifel darüber bestehen kann, daß eine Verbindung nur zu "gleichzeitiger Verhandlung" nicht die weitergehenden Wirkungen einer echten Prozeßverbindung nach §147 ZPO haben soll. Es entspricht auch durchaus einer als zweckmäßig erkannten gerichtlichen Übung, daß Prozesse - derselben oder auch verschiedener Parteien -, sofern es sich um gleiche oder ähnliche Sachverhalte und Rechtsfragen handelt, besonders dann, wenn in den verschiedenen Prozessen dieselben Anwälte auftreten, nach Möglichkeit auf dieselbe Zeit terminiert zu werden pflegen. Der beiderseitige Vortrag kann dann rein tatsächlich dadurch vereinfacht werden, daß die Ausführungen, die vor dem Gericht zunächst in einer Sache gemacht werden, in der anderen Sache nicht mehr besonders mündlich wiederholt zu werden brauchen, daß vielmehr dieser Vortrag ohne weiteres durch eine Bezugnahme auf die Ausführungen in der zuerst verhandelten Sache ersetzt werden kann. Einem solchen "vereinfachten" Verfahren in der mündlichen Verhandlung verschiedener Sachen entspricht bei der schriftlichen Vorbereitung die Übung, daß durch Einreichung von Abschriften auf Schriftsätze Bezug genommen wird, die in einer anderen - gleich oder ähnlich - liegenden Sache eingereicht worden sind. Wie die Beklagten hierzu mit Recht hervorheben, ist auch im vorliegenden Fall nichts anderes geschehen, als daß zu ähnlich liegenden Streitfällen gleichzeitig und in einheitlichem Zusammenhang verhandelt worden ist. Diese der gerichtlichen Praxis allgemein entsprechende Übung soll aber keine "eigentliche" prozeßmäßige Verbindung im Sinne des §147 ZPO darstellen, sondern nur rein tatsächlich die Durchführung der Verhandlung vereinfachen helfen, wobei sich alle Beteiligten von vornherein darüber klar sind, daß hierdurch an der bisherigen Trennung der Prozesse nichts geändert werden und daß deshalb auch keine gemeinschaftliche Entscheidung erfolgen soll. Diese Art der Handhabung der Verhandlung wird im allgemeinen in der Sitzungsniederschrift überhaupt nicht vermerkt, weil dies auch nicht erforderlich ist. Geschieht es - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so bedeutet dies rechtlich auch noch keine Anordnung einer Prozeßverbindung nach §147 ZPO. Das Berufungsgericht wollte ersichtlich keine "echte" Verbindung nach §147 ZPO vornehmen. Weder im ersten noch im zweiten Rechtszug hatten die Parteien einen auf eine gemeinschaftliche Verhandlung und Entscheidung gerichteten Verbindungsantrag gestellt. Im ersten Rechtszug waren die Sachen nur vorübergehend während der Beweisaufnahme verbunden worden. Die getrennten Urteile des Rheinschiffahrtsgerichts wurden demgemäß gesondert mit der Berufung angefochten. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 1955 wurden vor dem Berufungsgericht in jeder der beiden Sachen getrennte Anträge verlesen. Die teilweise Verschiedenheit der Parteien schließt zwar eine echte Prozeßverbindung nach §147 ZPO nicht aus, läßt sie aber häufig wenig zweckmäßig erscheinen. Die Parteivertreter haben danach ebensowenig wie im ersten Rechtszug eine solche Verbindung beantragt oder auch nur angeregt. Nach dem insoweit unverändert gebliebenen Sach- und Streitstand lag hierzu auch kein besonderer Anlaß vor. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage die Verbindung nur "zur gemeinsamen Verhandlung" beschlossen und dies in der Sitzungsniederschrift vermerkt hat, so war hiermit für alle Beteiligten erkennbar nur eine der rein tatsächlichen Vereinfachung dienende, vorübergehende Maßnahme gemeint.

Diese Auslegung findet ihre Bestätigung schließlich auch in der aktenmäßigen Behandlung der beiden Sachen. Anders als im Falle einer Prozeßverbindung nach §147 ZPO sind beide Sachen unter dem alten Aktenzeichen selbständig weitergeführt worden. Auch sind in beiden Sachen besondere getrennte Verhandlungsprotokolle angefertigt worden. Bei dieser Art der Behandlung der Sachen konnte keine der beteiligten Parteien annehmen, daß auf Grund der "gemeinsamen Verhandlung" - abweichend von dem bisherigen Prozeßverlauf - eine einheitliche Entscheidung in Form eines einzigen Urteils gefällt werden würde.

Die Revision hat für die von ihr vertretene Auslegung noch darauf hingewiesen, daß zumindest aus Zweckmäßigkeitsgründen eine echte Verbindung der Sachen anzunehmen sei, um für die auf Grund desselben Unfalls geltend gemachten beiderseitigen Ansprüche auch denselben Rechtszug zu eröffnen. Die Schaffung eines einheitlichen Instanzenweges kann ein bei der Ermessensentscheidung nach §147 ZPO beachtlicher Gesichtspunkt sein. Die Umstände des vorliegenden Falles zeigen aber, daß diesem Gesichtspunkt kein entscheidendes Gewicht beigelegt worden ist. Beide Parteien haben ihre Ansprüche zum Gegenstand getrennter Verfahren gemacht und offenbar auch keinen Wert darauf gelegt, die beiden Prozesse nachträglich zu einer Einheit zusammenzufassen; sie haben deshalb keine echte Prozeßverbindung nach §147 ZPO beantragt oder angeregt. Es konnte daher auch nicht angenommen werden, daß es dem Interesse und dem Wunsch der Klägerin entsprochen hätte, ihr wegen ihrer Klagansprüche durch eine Prozeßverbindung statt des zweistufigen einen dreistufigen Rechtsweg zu eröffnen. Zu einer anderen Beurteilung nötigen auch nicht allgemeine Grundsätze des Prozeßrechts. Die gemäß §§145, 301 ZPO hinsichtlich der Prozeßtrennung und der Zulässigkeit von Teilurteilen getroffenen Regelungen zeigen vielmehr, daß dem Gesichtspunkt, möglichst für alle in demselben Verfahren geltend gemachten oder aus demselben Sachverhalt hergeleiteten Ansprüche denselben Rechtsmittelzug zu schaffen und zu erhalten, keine entscheidende Bedeutung zukommt; denn auch die Frage der Zweckmäßigkeit eines Teilsurteils, das zu einer Einschränkung der Rechtsmittel führen kann, ist nicht nachprüfbar.

Wenn im vorliegenden Fall nach der "gemeinsamen Verhandlung" die Trennung "zum Zwecke der Entscheidung" noch besonders beschlossen und vermerkt wurde, so sollte damit entsprechend der von vornherein beabsichtigten Handhabung der Verhandlung nur klargestellt werden, daß keine Verbindung zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung " und Entscheidung" im Sinne des §147 ZPO vorlag. Unter den gegebenen Umständen kann also nicht angenommen werden, daß das Berufungsgericht zunächst eine echte Prozeßverbindung hätte anordnen und dann eine solche Verbindung in demselben Termin nach der Entscheidungsreife sofort in offensichtlich unzulässiger Weise wieder hätte aufheben wollen.

Lag nach alledem eine Prozeßverbindung nach §147 ZPO nicht vor, so sind die getrennt ergangenen Urteile auch hinsichtlich der Zulässigkeit der Anfechtung selbständig zu beurteilen. Da der Wert des Beschwerdegegenstandes im vorliegenden Fall die Revisionssumme unterschreitet, war die Revision mit der Kostenfolge aus §97 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018536

NJW 1957, 183

NJW 1957, 183-184 (Volltext mit amtl. LS)

ZZP 1957, 124-128

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