Leitsatz (amtlich)

a) Eigenschaften einer Sache, die sich bei außerhalb der regelmäßigen oder der empfohlenen Betriebsbedingungen vorgenommenen Tests zeigen, sind relevant i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, soweit es für den angesprochenen Verkehr von Bedeutung ist zu wissen, inwieweit die Sache auch außerhalb der regelmäßigen oder der empfohlenen Betriebsbedingungen verwendet werden kann, oder soweit der Verkehr hieraus Rückschlüsse auf die Tauglichkeit der Sache unter normalen oder den empfohlenen Betriebsbedingungen ziehen kann.

b) Bei einem Vergleichstest unter extremen Bedingungen liegt erfahrungsgemäß die Gefahr einer Irreführung über die Eigenschaften der verglichenen Waren bei normaler oder empfohlener Nutzung nicht fern.

 

Normenkette

UWG § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Urteil vom 17.10.2001; Aktenzeichen 3 U 256/00)

LG Aschaffenburg

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Bamberg v. 17.10.2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien stehen beim Vertrieb sog. HPLC-Säulen miteinander in Wettbewerb. HPLC-Säulen werden in der Chromatographie, einem Trennverfahren für chemische Stoffgemische zum Zwecke der Analyse und der Gewinnung chemischer Stoffe, insb. von Arzneimittelsubstanzen, eingesetzt.

In dem Anfang 1999 erschienenen Katalog "C. " der Beklagten waren zwei im nachstehend wiedergegebenen Klageantrag dargestellte Diagramme abgebildet, die jeweils die Ergebnisse von Stabilitätstests mit verschiedenen HPLC-Säulen darstellten; darunter befanden sich auch von den Parteien vertriebene HPLC-Säulen. Das erste Diagramm zeigte die Stabilität der Säulen ggü. einer auf 70° C erhitzten und mit einem ph-Wert von 1,3 stark sauren Lösung (im Folgenden: Säurestabilität). In diesem Diagramm waren u.a. die Testergebnisse für die von der Klägerin vertriebene Säule " " und die von der Beklagten vertriebenen Säulen " " und " " dargestellt. Das zweite Diagramm zeigte die Stabilität der Säulen ggü. einer mit einem ph-Wert von 11,3 stark basischen Lösung bei 30° C (im Folgenden: Basestabilität). Dieses Diagramm enthielt u.a. die Testergebnisse für die von der Klägerin vertriebene Säule " " und die von der Beklagten vertriebene Säule " ". Beide Grafiken wiesen für die von der Klägerin vertriebene Säule schlechtere Testergebnisse aus als für die von der Beklagten vertriebenen Säulen.

Die Klägerin sieht hierin eine unzulässige vergleichende Werbung. Sie behauptet, die von ihr vertriebene Säule sei nach ihrer Bedienungsanweisung nur für pH-Werte zwischen 1,5 und 9,5 vorgesehen. Die Beklagte wolle mit ihrer Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, dass sich die Säule der Klägerin im Normalbetrieb bei pH-Werten zwischen 1,5 und 9,5 ebenso verhalte wie unter den extremen Testbedingungen. Die in dem ersten Diagramm dargestellten Testergebnisse ermöglichten zudem deshalb keine zuverlässige Aussage über die Stabilität ihrer Säule, weil diese nicht auf eine Temperatur von 70° C ausgerichtet sei. Rückschlüsse von derartigen Stresstests auf Normalverhältnisse - die übliche Betriebstemperatur liege bei 30° C - seien unzulässig. An einer Vergleichbarkeit fehle es insb. hinsichtlich der von der Beklagten in den Vergleich der Säurestabilität der Säulen einbezogenen Säule " " eines dritten Mitbewerbers, da diese Säule laut Herstelleranweisung speziell für hohe Betriebstemperaturen und extreme Säurewerte ausgelegt sei. Die Werbung sei zudem irreführend.

Die Klägerin hat beantragt,

der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die von ihr für den Chromatographiebereich vertriebenen HPLC-Säulen bei der Bewerbung mit Säulen von Mitbewerbern, insb. mit Säulen der Klägerin, zu vergleichen, wenn die Säulen der Mitbewerber und/oder der Klägerin für andere Einsatzzwecke und/oder mit unterschiedlichen Betriebsbedingungen konzipiert worden sind, insb. die Säulen und mit der Säule zu vergleichen, wie dies - wie nachfolgend beschrieben - auf S. 122 des Katalogs "C. " geschieht:

Des Weiteren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Auskunftserteilung zu verurteilen sowie deren Verpflichtung festzustellen, der Klägerin Schadensersatz zu leisten.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, die Klägerin habe den Anwendungsbereich der von ihr vertriebenen Säule noch im Jahr 1999 mit pH-Werten zwischen 1,0 und 10 angegeben. Die für den Stabilitätstest gewählte Temperatur von 70° C sei zwar nicht die Standardtemperatur, komme aber nicht selten vor. Jedenfalls sei die Stabilität der Säulen im Normalbetrieb derjenigen im Extrembereich zumindest ähnlich. Vergleichstests unter Extrembedingungen und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse seien in der Branche und darüber hinaus üblich; jeder sachkundige Interessent könne ihre Bedeutung richtig einschätzen.

Das LG hat der Klage stattgegeben, soweit sich die Klageanträge auf den die Basestabilität betreffenden Werbevergleich bezogen haben, und sie im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen haben beide Parteien im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich eines nicht in die Revisionsinstanz gelangten Teils des Auskunftsanspruchs Erfolg. Die Berufung der Klägerin führte mit Ausnahme des entsprechenden Teils des Auskunftsanspruchs zum Erfolg der Klage auch hinsichtlich des die Säurestabilität betreffenden Werbevergleichs.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat in der Darstellung der Stabilität der Säulen in den beanstandeten Diagrammen eine unzulässige vergleichende Werbung gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Hinsichtlich der in dem zweiten Diagramm dargestellten Stabilität der Säulen im extrem basischen Bereich könne dahinstehen, ob die Säulen der beiden Parteien dieselbe Zweckbestimmung hätten, die verglichenen Eigenschaften nachprüfbar seien und der Werbevergleich irreführend sei. Die Beklagte habe jedenfalls nicht relevante Eigenschaften der Säulen verglichen. Zwar sei die Stabilität der Säulen eine wesentliche Eigenschaft. Das Verhalten der unstreitig allenfalls für den pH-Wert 10 bestimmten Säule der Klägerin im extrem basischen Bereich (pH-Wert: 11,3) sei aber nicht relevant. Unerheblich sei, welche Rückschlüsse die Stabilität der Säule im Extrembereich auf ihre Stabilität im Normalbereich zulasse. Für solche Rückschlüsse bestehe keine Notwendigkeit, weil die Beklagte vergleichende Stabilitätsversuche (auch) im Normalbereich vornehmen könne.

Hinsichtlich der in dem ersten Diagramm dargestellten Stabilität der Säulen im extrem sauren Bereich liege ebenfalls eine vergleichende Werbung mit nicht relevanten Eigenschaften vor. Dabei könne dahinstehen, ob der pH-Wert von 1,3 außerhalb des Normalbereichs liege, für den die Säule der Klägerin nach der Bedienungsanleitung bestimmt sei. Jedenfalls sei die Stabilität der Säule der Klägerin bei einer erhöhten Betriebstemperatur von 70° C nicht relevant. Die Betriebstemperatur liege zumindest nach den tatsächlichen Verhältnissen in der Praxis auch dann in aller Regel bei 30° C, wenn - wovon im Streitfall auszugehen sei - in der Bedienungsanleitung eine bestimmte Betriebstemperatur oder ein bestimmter Temperaturbereich nicht angegeben sei. Eine nur ausnahmsweise vorkommende Betriebstemperatur von 70° C wirke sich negativ auf die Stabilität der Säule aus. Dies sei den mit dem Gebrauch der Säulen befassten Fachleuten bekannt und, da es spezielle, auf eine erhöhte Betriebstemperatur ausgelegte Säulen gebe, auch vermeidbar.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die von diesem bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, die Beklagte habe in unzulässiger Weise vergleichend geworben.

1. Die Beurteilung der Frage, ob das Verhalten der Beklagten eine unzulässige vergleichende Werbung darstellt, ist, was den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch anbelangt, nach § 6 UWG i.d.F. vorzunehmen, die diese Vorschrift durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 3.7.2004 (BGBl. I, 1414) mit Wirkung v. 8.7.2004 erhalten hat (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.2002 - I ZR 90/00, MDR 2003, 885 = BGHReport 2003, 684 = GRUR 2003, 444 [445] = WRP 2003, 637 - Ersetzt; BGHZ 158, 26 [31] - Genealogie der Düfte). Wer nach dieser Vorschrift unzulässig vergleichend wirbt, handelt wettbewerbsrechtlich unlauter i.S.v. § 3 UWG und kann nach § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Hinsichtlich der auch für die Zeit vor dem 8.7.2004 geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gilt im Ergebnis nichts Anderes. Für die Zeit v. 14.9.2000 bis zum 7.7.2004 beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit vergleichender Werbung nach der - bis auf redaktionelle Änderungen inhaltsgleichen - Vorschrift des § 2 UWG i.d.F., die diese Vorschrift durch das Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften v. 1.9.2000 (BGBl. I, 1374) mit Wirkung v. 14.9.2000 erhalten hatte (vgl. BGH v. 2.10.2002 - IZR 90/00, GRUR 2003, 444 [445] - Ersetzt; BGHZ 158, 26 [31] - Genealogie der Düfte). Aber auch vor diesem Zeitpunkt verstieß vergleichende Werbung im Blick auf die umzusetzende Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung (ABl. Nr. L 290v. 23.10.1997, 18) nicht mehr grundsätzlich gegen § 1 UWG a.F., sondern war als zulässig anzusehen, sofern die unter Art. 3a Abs. 1 Buchst. a bis h der Richtlinie 97/55/EG genannten Voraussetzungen erfüllt waren (vgl. BGHZ 158, 26 [31] - Genealogie der Düfte, m.w.N.). Diese Auslegung der Generalklausel des § 1 UWG a.F. im Lichte eines gewandelten Verständnisses ist somit für die rechtliche Beurteilung des Schadensersatzbegehrens und des darauf rückbezogenen Auskunftsanspruchs maßgebend (vgl. BGH v. 5.2.1998 - I ZR 211/95, BGHZ 138, 55 [64] = MDR 1998, 1238 = CR 1998, 745 - Testpreis-Angebot; v. 2.10.2002 - IZR 90/00, GRUR 2003, 444 [445] - Ersetzt; BGHZ 158, 26 [31] - Genealogie der Düfte).

2. Bei der mit der Klage beanstandeten Werbung handelt es sich um vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG, weil mit ihr die von der Klägerin und weiteren Mitbewerbern der Beklagten vertriebenen HPLC-Säulen unmittelbar erkennbar gemacht werden. Vergleichende Werbung ist unlauter i.S.v. § 3 UWG, wenn der angestellte Vergleich (zumindest) einer der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 UWG aufgeführten Fallgruppen unterfällt oder irreführend ist (§ 5 Abs. 3 UWG). Dies kann nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht bejaht werden.

a) Die getroffenen Feststellungen tragen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG gestütztes Verbot nicht.

aa) Nach der genannten Bestimmung ist vergleichende Werbung nur zulässig, wenn Eigenschaften miteinander verglichen werden, die für die betreffenden Waren wesentlich, relevant, nachprüfbar und typisch sind. Die Frage, ob sich die Werbung auf eine Eigenschaft bezieht, die für die Ware die genannten, kumulativ zu fordernden Qualifikationen aufweist, ist dabei aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs zu beurteilen (BGHZ 158, 26 [33] - Genealogie der Düfte, m.w.N.).

bb) Das Berufungsgericht hat - ohne dies näher auszuführen - zutreffend angenommen, dass es sich bei der in der beanstandeten Werbung verglichenen Stabilität der HPLC-Säulen unter den dazu hergestellten Einsatzbedingungen um eine Eigenschaft i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt.

Der Begriff der Eigenschaft i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist weit zu verstehen. Maßgebend ist, ob der angesprochene Verkehr aus der Angabe eine nützliche Information für die Entscheidung erhalten kann, ob dem Erwerb der angebotenen Ware oder Dienstleistung nähergetreten werden soll (BGHZ 158, 26 [33 f.] - Genealogie der Düfte, m.w.N.). Das ist für die beiden im Streitfall in Rede stehenden Stabilitätsvergleichsdiagramme zu bejahen. In den Diagrammen wird die Stabilität von HPLC-Säulen mehrerer Hersteller unter verschiedenen Einsatzbedingungen miteinander verglichen. Diese Stabilität von HPLC-Säulen unter verschiedenen Einsatzbedingungen ist für die mit dem Werbevergleich angesprochenen Fachkreise von Interesse. Hierbei ist es unerheblich, ob die den Stabilitätstests zu Grunde gelegten Einsatzbedingungen sich in dem Rahmen halten, der nach der Bedienungsanweisung für die von der Klägerin vertriebene Säule vorgesehen ist, und ob insb. auch die für den Säurestabilitätstest gewählte Temperatur der Lösung üblich ist. Selbst wenn beides nicht der Fall sein sollte, könnte den Stabilitätstests nicht jeglicher Informationswert abgesprochen werden. Das folgt schon daraus, dass eine hohe Stabilität einer HPLC-Säule auch unter nicht vorgesehenen Extrembedingungen deren Einsatzmöglichkeiten erweitert.

cc) Nicht frei von Rechtsfehlern ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht relevante Eigenschaften der HPLC-Säulen miteinander verglichen.

(1) Eine beworbene Eigenschaft ist relevant, wenn sie den Kaufentschluss einer nicht völlig unerheblichen Zahl der angesprochenen Kaufinteressenten zu beeinflussen vermag (BGHZ 158, 26 [35] - Genealogie der Düfte, m.w.N.). Bei der hier streitigen Werbung ggü. dem mit der Säulenchromatographie befassten Fachpublikum kommt es daher darauf an, ob die Stabilität der Säulen ggü. einer auf 70° C erhitzten und mit einem pH-Wert von 1,3 stark sauren Lösung sowie ggü. einer mit einem pH-Wert von 11,3 stark basischen Lösung bei 30° C eine Rolle spielen kann. Hierzu hat das Berufungsgericht - wie die Revision mit Recht rügt - keine tragfähigen Feststellungen getroffen.

(2) Die Revision wendet sich bezüglich des die Säurestabilität betreffenden Diagramms mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine Betriebstemperatur von 30° C ergebe sich als Regelfall aus den tatsächlichen Verhältnissen in der Praxis, wohingegen eine Betriebstemperatur von 70° C nur selten vorkomme. Der vom LG beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S. hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zwar ausgeführt, als normale Betriebstemperatur könne in aller Regel 30° C angegeben werden, zugleich aber bestätigt, dass der Betrieb der Säulen bei höherer Temperatur durchaus praktiziert werde. Die Beklagte hat im Übrigen in ihrer Berufungserwiderung vorgetragen und Sachverständigenbeweis dafür angetreten, dass eine Temperatur von 70° C in der Praxis nicht selten vorkomme.

(3) Das Berufungsgericht hat im Übrigen, ohne zu prüfen, ob dies auch der Sicht der mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise entspricht, allein darauf abgestellt, ob die fraglichen beiden Stabilitätstests unter Bedingungen durchgeführt worden sind, unter denen HPLC-Säulen regelmäßig eingesetzt werden und die auch den Vorgaben in der Bedienungsanweisung der von der Klägerin vertriebenen Säule entsprechen. Selbst wenn die gewählten ph-Werte und die Betriebstemperatur von 70° C bei dem Säurestabilitätstest nicht den Vorgaben in der Bedienungsanweisung der von der Klägerin vertriebenen Säule entsprochen haben, besagte dies noch nicht, dass die Stabilität einer HPLC-Säule unter solchen außerhalb der regelmäßigen oder der empfohlenen Betriebsbedingungen liegenden Umständen für den Kaufentschluss der angesprochenen Fachkreise ohne Belang sei. Eine Relevanz kommt vielmehr auch solchenfalls unter zwei Gesichtspunkten in Betracht: Zum einen könnte es für den angesprochenen Verkehr von Bedeutung sein, inwieweit eine HPLC-Säule auch außerhalb der regelmäßigen oder der in der Bedienungsanweisung empfohlenen Betriebsbedingungen verwendet werden kann. Zum anderen könnte, selbst wenn dem nicht so wäre, das Stabilitätsverhalten von HPLC-Säulen außerhalb der regelmäßigen oder der in der Bedienungsanweisung empfohlenen Betriebsbedingungen insofern interessieren, als der angesprochene Verkehr hieraus Rückschlüsse auf die Stabilität der Säulen unter normalen und/oder in der Betriebsanweisung empfohlenen Bedingungen ziehen kann. Die Relevanz der verglichenen Eigenschaften lässt sich daher auch nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneinen, für solche Rückschlüsse bestehe keine Notwendigkeit, weil die Beklagte vergleichende Stabilitätsversuche im Normalbereich vornehmen könne. Die Notwendigkeit des angestellten Vergleichs ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung.

dd) Nach den bislang getroffenen Feststellungen stellt sich die Bejahung eines auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG gestützten Verbots auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig und die Revision daher gem. § 563 ZPO a.F. als unbegründet dar, weil den verglichenen Eigenschaften die für einen zulässigen Werbevergleich auch erforderlichen Merkmale der Wesentlichkeit, Nachprüfbarkeit und Typizität ganz oder zumindest teilweise fehlten.

(1) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob es sich bei der Stabilität der Säulen ggü. einer auf 70° C erhitzten und mit einem pH-Wert von 1,3 stark sauren Lösung sowie gegenüber einer mit einem pH-Wert von 11,3 stark basischen Lösung bei 30° C um wesentliche Eigenschaften von HPLC-Säulen handelt. Es hat lediglich angenommen, dass (allgemein) die Stabilität der Säulen eine wesentliche Eigenschaft sei. Das Berufungsgericht hat des Weiteren - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht mehr geprüft, ob die mit dem Werbevergleich der Beklagten angesprochenen Eigenschaften typisch sind.

(a) Eine Eigenschaft ist wesentlich, wenn ihre Bedeutung für den jeweils angesprochenen Verkehr aus dessen Sicht im Hinblick auf die vorgesehene Verwendung des Produkts nicht völlig unerheblich ist (BGHZ 158, 26 [35] - Genealogie der Düfte, m.w.N.). Sie ist zudem typisch, wenn sie die Eigenart der verglichenen Produkte aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den Bedarf oder die Zweckbestimmung prägt und damit repräsentativ oder aussagekräftig für deren Wert als Ganzes ist (BGHZ 158, 26 [35] - Genealogie der Düfte, m.w.N.).

(b) Diese Voraussetzungen wären jedenfalls dann erfüllt, wenn die Einsatzbedingungen, unter denen die Stabilität der Säulen getestet worden ist, in der Praxis regelmäßig vorkämen und hinsichtlich der von der Klägerin vertriebenen Säule den Vorgaben in deren Bedienungsanweisung entsprächen. Das hat das Berufungsgericht bislang allein hinsichtlich des Basenstabilitätstests verneint, nicht dagegen hinsichtlich des Säurestabilitätstests. Unabhängig davon aber handelte es sich bei der Stabilität der Säulen unter den bei den Tests gegebenen Einsatzbedingungen auch dann um eine wesentliche und typische Eigenschaft, wenn aus der Sicht der angesprochenen Fachkreise ein Bedarf für eine entsprechende Erweiterung des Betriebsbereichs der Säulen bestünde. Sollte ein solcher Bedarf zu verneinen sein, käme es schließlich noch darauf an, ob das Stabilitätsverhalten der Säulen unter den gegebenen Einsatzbedingungen aus der Sicht der angesprochenen Fachkreise immerhin Rückschlüsse auf deren Stabilität unter den in der Bedienungsanweisung der Säule der Klägerin vorgegebenen regelmäßigen Einsatzbedingungen zulässt.

(2) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus ebenfalls folgerichtig - ferner nicht mehr geprüft, ob die getesteten Eigenschaften nachprüfbar sind.

Das Erfordernis der Nachprüfbarkeit bezweckt die Überprüfbarkeit des Werbevergleichs auf seine sachliche Berechtigung hin (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.1998 - I ZR 2/96, CR 1998, 744 = GRUR 1999, 69 [71] = WRP 1998, 1065 - Preisvergleichsliste II; v. 15.10.1998 - I ZR 69/96, BGHZ 139, 378 [385] = MDR 1999, 820 - Vergleichen Sie; Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 6 UWG Rz. 59). Hierfür ist es aber nicht erforderlich, dass der angesprochene Verkehr die in dem Werbevergleich angeführten Eigenschaften selbst überprüfen kann; vielmehr reicht es aus, dass die bestimmte Eigenschaften vergleichende Werbeaussage zumindest einen Tatsachenkern aufweist, dessen Richtigkeit jedenfalls durch einen Sachverständigen überprüft werden kann (BGHZ 158, 26 [34] - Genealogie der Düfte, m.w.N.). Daran dürften im Streitfall keine Zweifel bestehen.

b) Das Berufungsgericht hat es offen gelassen, ob sich der Vergleich auf Waren für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG). Auch hier kann der Senat auf Grund des unstreitigen Sachverhalts selbst feststellen, dass dies der Fall ist. Damit stellt sich das Urteil des Berufungsgerichts auch nicht unter diesem Gesichtspunkt gem. § 563 ZPO a.F. als im Ergebnis richtig dar.

aa) Der Wortlaut der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG getroffenen Regelung, wonach es allein auf den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung ankommt, sowie das anzuerkennende Informationsinteresse der Verbraucher sprechen dafür, die Zulässigkeit eines Werbevergleichs grundsätzlich auch bei solchen Produkten zu bejahen, die nur funktionsidentisch sind und aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher als Substitutionsprodukte in Betracht kommen (vgl. BGH v. 15.10.1998 - I ZR 69/96, BGHZ 139, 378 [383] = MDR 1999, 820 - Vergleichen Sie; Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 6 Rz. 48, jeweils m.w.N.).

bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die in den Vergleich einbezogenen HPLC-Säulen haben dieselbe Funktion. Sie dienen der Trennung chemischer Stoffgemische zum Zwecke der Analyse und Gewinnung chemischer Stoffe, wobei sich ihr Einsatz auf die Säulenchromatographie beschränkt. Die verglichenen Säulen sind daher aus der Sicht der mit dem Werbevergleich angesprochenen Fachkreise auch austauschbar. Unerheblich ist dagegen, ob - wie die Klägerin behauptet hat - die für die durchgeführten Stabilitätstests gewählten Bedingungen nicht den für HPLC-Säulen üblichen bzw. in der Bedienungsanweisung der von der Klägerin vertriebenen Säule vorgesehenen Bedingungen entsprochen haben. Dieser Umstand änderte nämlich nichts an der identischen Funktion der verglichenen Säulen sowie an deren Austauschbarkeit und grundsätzlichen Vergleichbarkeit. Ein engeres Verständnis der Vergleichbarkeit ist auch nicht unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin geboten. Ihren Belangen wird durch die weiteren Zulässigkeitserfordernisse der vergleichenden Werbung hinreichend Rechnung getragen (vgl. BGH v. 15.10.1998 - I ZR 69/96, BGHZ 139, 378 [383 f.] = MDR 1999, 820 - Vergleichen Sie).

III. Danach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben und war deshalb aufzuheben. Die Sache war, da ihre abschließende Beurteilung weiter gehende Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht erfordert zu anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sollte das Berufungsgericht die in § 6 Abs. 2 UWG aufgestellten Voraussetzungen für eine zulässige vergleichende Werbung nach erneuter Prüfung als erfüllt ansehen, wird es zu prüfen haben, ob der Werbevergleich nach §§ 3, 5 Abs. 1 bis 3 UWG irreführend und aus diesem Grund unlauter ist. Dabei ist hinsichtlich der Form und des Inhalts des Vergleichs der gemeinschaftsrechtliche Irreführungsmaßstab zu Grunde zu legen (vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-44/01, Slg. 2003, I-3095 = GRUR 2003, 533 = WRP 2003, 615, Tz. 38-44 - Pippig Augenoptik/Hartlauer). Gerade bei einem Vergleichstest unter extremen Bedingungen liegt die Gefahr einer Irreführung über die Eigenschaften der verglichenen Produkte im Normalbetrieb nicht fern. Nach dem sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergebenden Sach- und Streitstand käme eine Irreführung dann in Betracht, wenn der Werbevergleich bei den angesprochenen Fachkreisen den unzutreffenden Eindruck hervorriefe, die Säule der Klägerin verhalte sich unter den in ihrer Bedienungsanweisung vorgesehenen bzw. unter normalen Einsatzbedingungen ebenso wie unter den Bedingungen, die bei den in den beanstandeten Stabilitätsdiagrammen dargestellten Tests vorgelegen haben. Eine Irreführung käme außerdem dann in Betracht, wenn bei an HPLC-Säulen durchgeführten Tests üblicherweise entweder die in den Bedienungsanleitungen der getesteten Produkte vorgesehenen Einsatzbedingungen eingehalten werden oder ihre Überschreitung kenntlich gemacht wird und im Hinblick darauf maßgebliche Teile der mit der streitgegenständlichen Werbung angesprochenen Verkehrskreise aus dem Fehlen entsprechender Hinweise zu der unrichtigen Beurteilung gelangen können, dass bei den Tests an der Säule der Klägerin die entsprechenden Einsatzbedingungen beachtet wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1288742

BGHR 2005, 445

EBE/BGH 2005, 3

NJW-RR 2005, 342

GRUR 2005, 172

ZAP 2005, 273

MDR 2005, 823

WRP 2005, 207

LMK 2005, 77

Mitt. 2005, 136

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