Leitsatz (amtlich)

Der Überweisung eines Kassenpatienten an einen anderen Kassenarzt, damit dieser eine Untersuchung oder Behandlung vornehme, die gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden kann, kann im Regelfall nicht der Erklärungswert beigemessen werden, der überweisende Kassenarzt wolle einen Vertrag mit privatrechtlicher Verpflichtung der eigenen Person abschließen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 164 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main

LG Kassel

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das am 21.9.2001 verkündete Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des OLG Frankfurt am Main aufgehoben.

Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der klagende Arzt erbrachte in den Jahren 1997 und 1998 Laborleistungen für die beklagten Ärzte, die eine Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsmedizin betreiben. Die Beklagten ihrerseits untersuchten Patienten für den Kläger und die Gemeinschaftspraxis, an der dieser beteiligt ist. Sie berechneten für in der Zeit v. 16.12.1996 bis 12.7.1999 durchgeführte HIV-PCR-Tests 66.960 DM und für sonstige Laborleistungen in der Zeit v. 6.12.1996 bis zum 1.10.1999 weitere 54.338,48 DM, insgesamt also 121.298,48 DM.

Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 140.665,34 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagten haben diesem Begehren u. a. besagte Vergütungsforderung im Wege der Aufrechnung entgegengesetzt, deren Begleichung von dem Kläger gefordert werde, weil er sie mit den zu Grunde liegenden Laborleistungen beauftragt habe.

Das LG hat die Aufrechnung der Beklagten mit der Gesamtforderung i. H. v. 121.298,48 DM durchgreifen lassen und unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagten lediglich verurteilt, als Gesamtschuldner 19.366,91 DM nebst Zinsen an den Kläger zu zahlen. Gegen die Klageabweisung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, die von ihm geltend gemachte Forderung und die von den Beklagten behauptete Gegenforderung seien wesensunterschiedlich, weil es sich bei der von ihm erbrachten Labortätigkeit um privatärztliche und bei den von den Beklagten erbrachten Untersuchungen um kassenärztliche Leistungen handele. Die Beklagten seien jeweils auf Grund ärztlicher Überweisung der Patienten tätig geworden. Auch HIV-PCR-Tests hätten damals im Bereich K. bereits gegenüber der Pflichtkasse der Patienten abgerechnet werden können.

Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt nunmehr mit der Revision sein 19.366,91 DM nebst Zinsen übersteigendes Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist nicht mehr streitig gewesen, dass der Kläger für erbrachte Leistungen von den Beklagten als Gesamtschuldnern 140.665,34 DM verlangen konnte. Gestritten haben die Parteien lediglich noch über die Berechtigung der von den Beklagten geltend gemachten Gegenforderung i. H. v. 121.298,48 DM und die Berechtigung der hierauf gestützten Aufrechnung. Insoweit hat das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass der Kläger die der geltend gemachten Gegenforderung zu Grunde liegende Durchführung von Laborleistungen durch die Beklagten veranlasst hat, gefolgert, zwischen den Parteien sei ein Werkvertrag zu Stande gekommen, der den Kläger als Besteller zur Zahlung von Vergütung verpflichte. Es sei zwar auch die Möglichkeit eines Vertragsschlusses zwischen den Beklagten einerseits und dem jeweiligen Patienten andererseits in Betracht zu ziehen. Obwohl er darlegungs- und beweisbelastet sei, dass zwischen den Parteien direkt ein Werkvertrag nicht zu Stande gekommen sei, habe der Kläger ein solches Geschehen jedoch nicht dargetan. Hierfür genüge die bloße Behauptung nicht, er habe die Patienten überwiesen. Erforderlich wäre die Darlegung gewesen, in welchem vertraglichen Verhältnis der Kläger zu den Patienten gestanden habe und ob er sie zunächst ärztlich behandelt und im Rahmen dieser Behandlung sodann die Laboruntersuchungen durch die Beklagten für notwendig gehalten habe. Trotz richterlichen Hinweises habe der Kläger seinen pauschalen Vortrag nicht ergänzt.

2. Für die revisionsrechtliche Überprüfung dieser von der Revision angegriffenen Begründung ist von dem im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgehaltenen Vortrag des Klägers auszugehen, dass die bei den Beklagten in Auftrag gegebenen Laboruntersuchungen der Diagnose hinsichtlich Kassenpatienten dienten und von einem zugelassenen Kassenarzt als Leistungserbringer bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung hätten abgerechnet werden können. Das ist hier zu Gunsten des Rechtsmittelführers zu Grunde zu legen, weil das Berufungsgericht gegenteilige tatrichterliche Feststellungen nicht getroffen hat. Es fehlen insbesondere Feststellungen zu der von der Revisionserwiderung problematisierten Frage, ab wann die kassenärztliche Versorgung im Raum K. HIV-PCR-Tests auch ohne besondere Übernahmeerklärung als abrechenbare Kassenleistung anerkannte. Da auch hierzu gegenteilige tatrichterliche Feststellungen nicht getroffen worden sind, ist bei der revisionsrechtlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils ferner davon auszugehen, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten die Zulassung als Kassenarzt besaßen und dass die Überweisungen, auf Grund derer die Beklagten tätig wurden, jeweils auf einem für die kassenärztliche Versorgung vorgeschriebenen Vordruck erfolgten.

Dann aber trägt die Begründung des Berufungsgerichts - wie die Revision im Ergebnis zu Recht rügt - die Feststellung nicht, den Beklagten stünden Vergütungsansprüche i. H. v. 121.298,48 DM gegenüber dem Kläger zu.

a) Denn die der revisionsrechtlichen Überprüfung zu Grunde zu legenden Umstände weisen den jeweiligen mittels Überweisung getätigten Auftrag an die Beklagten der kassenärztlichen Versorgung zu. Die auf entsprechendem Vordruck erfolgende Überweisung eines Kassenpatienten durch einen zugelassenen Kassenarzt an einen anderen zugelassen Kassenarzt zum Zwecke einer gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechenbaren Untersuchung oder Behandlung ist die hierfür vorgesehene und typische Vorgehensweise, um die nötige ärztliche Versorgung auf wirtschaftliche Weise zu Lasten der Kassenärztlichen Vereinigung sicherzustellen. Dies schließt es im Regelfall aus, einer solchen Beauftragung den objektiven Erklärungswert beizumessen, der überweisende Arzt wolle einen Vertrag mit privatrechtlicher Verpflichtung der eigenen Person abschließen. Unter den bei der revisionsrechtlichen Überprüfung hier anzunehmenden Umständen kommt vielmehr regelmäßig nur in Betracht, dass jeder beteiligte Arzt im Rahmen des durch Zulassung zum Kassenarzt begründeten öffentlich-rechtlichen Verhältnisses eigener Art und in Erfüllung der ihn und seinen Kollegen gleichermaßen treffenden Pflicht zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung (vgl. BGH v. 4.6.1981 - III ZR 31/80, BGHZ 81, 21 = MDR 1981, 824) tätig geworden ist. Das verbietet es in Fällen dieser Art zugleich, von dem überweisenden Kassenarzt zu verlangen, dass er zur Abwehr privatrechtlicher Vergütungsansprüche des auf die Überweisung hin tätig gewordenen Arztes weitere Darlegungen, etwa zu Einzelheiten seines Vertragsverhältnisses zum Patienten oder des Grundes der Überweisung dieses Patienten macht.

b) Umstände, die ausnahmsweise Grund für eine andere Sicht geben könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; solche ist derzeit auch nicht ersichtlich.

Eine kassenärztliche Überweisung an einen Arzt derselben Arztgruppe, wie sie hier zu beurteilen ist, weil beide Parteien Laborärzte sind, darf zwar nur ausnahmsweise erfolgen (§ 21 Abs. 4 Bundesmanteltarifvertrag für Ärzte - BMV-Ärzte). Das ändert aber nichts daran, dass unter den derzeit anzunehmenden Umständen im Streitfall der Bezug zur kassenärztlichen Versorgung bestand. Bei einem solchen Bezug wird eine Überweisung von Arzt zu Arzt derselben Arztgruppe - ohne dass es auch insoweit weiterer Darlegung bedürfte - nahe liegender Weise dahin verstanden, dass sie auf Grund eines erlaubten Ausnahmetatbestands und daher auch sie zur kassenärztlichen Versorgung zu Lasten der Kassenärztlichen Vereinigung erfolge. Ein solches Verständnis war auch im Streitfall nicht ausgeschlossen. Eine Überweisung von einem Arzt derselben Arztgruppe ist nämlich bereits dann erlaubt, wenn besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden in Anspruch genommen werden sollen, die von dem behandelnden Arzt nicht erbracht werden.

Anlass zu weiterer Darlegung des Klägers, wie sie das Berufungsgericht für nötig gehalten hat, bestand aber nach dem derzeit zu Grunde zu legenden Sachverhalt auch nicht etwa deshalb, weil - wofür auch die Darstellung in der Revisionsbegründung spricht - die in Auftrag gegebenen HIV-PCR-Untersuchungen offenbar damals noch nicht einer Gebührenposition des Bewertungsmaßstabs für die kassenärztliche Vergütung unterfielen. Abgesehen davon, dass dieser Gesichtspunkt hinsichtlich der mit 54.338,43 DM berechneten sonstigen Laborleistungen ohnehin kein Argument für einen vertraglichen Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger sein könnte, war nämlich insoweit nach dem nicht aufgeklärten Vortrag des Klägers jedenfalls auf Antrag hin eine Vergütung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung möglich. Wenn das zutrifft, hatte deshalb auch ein mit HIV-PCR-Untersuchungen beauftragter Kassenarzt Anlass, die kassenärztliche Überweisung dahin zu verstehen, er solle in diesem Rahmen tätig werden.

3. Das Berufungsgericht hat ferner gemeint, das eigene Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und der Inhalt einiger beispielhaft behandelter Überweisungen an die Beklagten lasse sogar den Schluss zu, dass der Kläger im Rahmen der Behandlung seiner Patienten sich selbst verpflichtend tätig geworden sei, so dass ihm lediglich die Möglichkeit bleibe, erbrachte Laborleistungen selbst gegenüber seinen Patienten nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abzurechnen.

Auch das kann infolge des bereits Erörterten keinen Bestand haben. Nach der Darstellung des Berufungsvorbringens des Klägers im Tatbestand des angefochtenen Urteils hat der Kläger sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, die Untersuchungen der Beklagten seien kassenärztliche Leistungen gewesen. Auch die Kennzeichnung der Laborleistungen in den Überweisungen als Auftragsleistungen belegt nicht, dass die Aufträge gleichwohl außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung vergeben wurden. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß gem. § 21 BMV-Ärzte gerade auch Auftragsleistungen zulässiger Gegenstand einer Überweisung sein können, die im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erfolgen und von dem sie erbringenden Kassenarzt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen sind.

4. Mangels hinreichender Sachaufklärung ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung der Sache gehindert. Wenn jemand einen anderen mit Arbeiten betraut, die üblicherweise nur gegen Entgelt geleistet werden, geht der objektive Erklärungswert zwar regelmäßig dahin, dass ein Eigengeschäft gewollt sei und man selbst verpflichtet sein wolle. Das liegt auch der Regelung des § 164 Abs. 2 BGB zu Grunde. Deshalb ist es auch im Streitfall Sache des Klägers, Tatsachen zu behaupten und im Bestreitensfalle zu beweisen, welche die von den Beklagten erfüllten Aufträge als Teil der kassenärztlichen Versorgung erscheinen lassen. Den vorstehenden Ausführungen zu Folge hat der Kläger das hier jedoch hinreichend getan. Seine Darlegung wird deshalb, soweit sie streitig ist, vom dem als Tatrichter hierzu berufenen OLG aufzuklären sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1070883

NJW 2004, 684

BGHR 2004, 177

NJW-RR 2004, 140

ArztR 2004, 413

MDR 2004, 386

VersR 2004, 1566

GesR 2004, 488

ZfSSV 2007

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