Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. September 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1. November 1991 eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte dem Kläger die für den Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit versprochenen Leistungen ab dem 1. Juli 1993 zu gewähren hat.

In seinem Antrag auf Abschluß der Versicherung vom 17. Oktober 1991 verneinte der Kläger die Frage, ob er „in den letzten 10 Jahren wegen eines Leidens, einer Erkrankung, eines Unfalls oder wegen sonstiger Gesundheitsstörungen ärztlich beraten, behandelt, untersucht” worden sei; auf die weitere Frage nach seinem Hausarzt benannte er den Arzt Dr. Sch..

Im Juni 1993 forderte der Kläger von der Beklagten Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und machte geltend, er sei gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Landwirt weiter auszuüben. Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft des Hausarztes des Klägers vom 16. Februar 1994 ein. Darin wird die Frage nach der erstmaligen Behandlung, Beratung oder Untersuchung des Klägers mit „seit 1991, seit Übernahme der Praxis von den Dres. B. ” beantwortet. Die auf weitere Fragen genannten Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder Beschwerden weisen eine zeitliche Zuordnung nicht auf. Der (wiederholten) Bitte der Beklagten um eine Ergänzung der Auskunft entsprach der Hausarzt schließlich mit Schreiben vom 30. Mai 1994. In der Zwischenzeit erforderte die Beklagte zudem eine Auskunft der Krankenkasse des Klägers, die ihr am 17. Mai 1994 zuging. Darin wird unter dem Stichwort „Arbeitsunfälle” u.a. ausgeführt: „01.10.88 starke Schmerzen im re. Schultergelenk … Mai 1989 Zerrung re. Schulter”.

Mit Schreiben vom 8. Juni 1994 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag, weil der Kläger seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt habe. Er habe den Arbeitsunfall vom 1. Oktober 1988 und die im Mai 1989 behandelte Zerrung in der rechten Schulter verschwiegen. Mit weiterem Schreiben vom 5. Oktober 1994 „bestätigte” die Beklagte den zuvor erklärten Rücktritt und wies darauf hin, daß sie von weiteren Erkrankungen und Behandlungen erfahren habe. Die dazu am Schluß des Schreibens aufgelisteten Gesundheitsbeeinträchtigungen entsprechen denen, die der Hausarzt in seiner Auskunft vom 16. Februar 1994 benannt hatte.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung rückständiger Rentenleistungen, die Rückzahlung von nach dem behaupteten Eintritt von Berufsunfähigkeit entrichteten Beiträgen und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine monatliche Rente von 1.000 DM zu zahlen und die Versicherung beitragsfrei zu stellen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klagabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß der Kläger mit der am 6. April 1995 eingereichten Klage die Frist des § 12 Abs. 3 VVG gewahrt hat. Denn die Zustellung der Klage am 1. Juni 1995 erfolgte „demnächst” im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klage nur dann als nicht demnächst zugestellt anzusehen, wenn der Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht nur geringfügigen Verlängerung der Zeitspanne zwischen Einreichung und Zustellung der Klage beigetragen hat (BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92 - VersR 1993, 1121 unter II 2). Der Vorwurf eines nachlässigen Verhaltens trifft den Kläger nicht. Die Beklagte hat mit ihrem dem Kläger am 7. Oktober 1994 zugegangenen Schreiben vom 5. Oktober 1994 den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG verbundenen Rechtsfolge abgelehnt; diese Frist lief demgemäß am 7. April 1995 ab. Die Klage ist aber bereits am 6. April 1995 eingereicht, der Gerichtskostenvorschuß am 7. April 1995 eingezahlt worden. Der Kläger hat also bis zum Ablauf der Frist, die er bis zum letzten Tage ausnutzen durfte (BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 92/87 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 „demnächst 3”), alles getan, damit die Klage demnächst zugestellt werden konnte. Die dennoch ohne seine Nachlässigkeit eingetretene Zustellungsverzögerung bis zum 1. Juni 1995 ändert nichts an der Annahme einer demnächst erfolgten Zustellung. Entgegen der Auffassung der Revision gibt es keine absolute Höchstgrenze, nach deren Überschreiten eine Zustellung nicht mehr als demnächst erfolgt im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO angesehen werden könnte (BGH, Urteil vom 22. Juni 1993, aaO).

II. Dagegen hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit dem von ihr am 8. Juni 1994 erklärten Rücktritt vom Vertrag die Rücktrittsfrist des § 20 Abs. 1 VVG nicht gewahrt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. a) Das Berufungsgericht meint, der mit Schreiben der Beklagten vom 8. Juni 1994 erklärte Rücktritt sei nicht innerhalb eines Monats nach Kenntnis der Beklagten von einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch den Kläger erfolgt. Die für § 20 Abs. 1 VVG erforderliche und ausreichende Kenntnis von einer solchen Verletzung habe die Beklagte bereits durch die Auskunft des Hausarztes vom 16. Februar 1994 erlangt. Diese Auskunft habe der Beklagten nicht nur Kenntnis davon vermittelt, daß es gefahrerhebliche Umstände in der Person des Klägers gegeben habe. Sie habe darüber hinaus auch ausreichende Kenntnis davon erhalten, daß diese Umstände bereits bei Vertragsschluß vorgelegen hätten. Denn aus dem der Auskunft beiliegenden Arztbericht der Ärzte Dr. T. pp. vom 8. Februar 1993 ergebe sich nicht nur ein Befund („Abriß der Bizepssehne”), sondern zudem der Hinweis, daß dieser auf einen circa zweieinhalb Jahre zurückliegenden Vorfall zurückzuführen sei und bei dem Kläger seitdem bewegungs- und belastungsabhängige Schmerzen bestünden. Der Vorfall müsse danach etwa im August 1990, mithin über ein Jahr vor Antragstellung stattgefunden haben. Diese zeitliche Einordnung stelle sich als hinreichend präzise dar, um der Beklagten sichere Kenntnis davon zu vermitteln, daß die Schmerzen beim Kläger schon in der Zeit vor Antragstellung aufgetreten seien. Darüber hinaus habe sich aber auch aufgrund der Auskunft des Hausarztes selbst eine zeitliche Einordnung vornehmen lassen. Der Arzt habe angegeben, den Kläger seit Übernahme der Praxis behandelt zu haben; der Kläger selbst habe in Beantwortung der Antragsfragen diesen Arzt als seinen Hausarzt bezeichnet. Daraus habe sich ergeben, daß der Kläger schon zu dieser Zeit auch von diesem Arzt behandelt worden sei.

b) Diese Erwägungen tragen die Annahme, die Beklagte habe schon durch die Auskunft des Hausarztes vom 16. Februar 1994 Kenntnis von einem Rücktrittsgrund erlangt, nicht.

aa) Das Rücktrittsrecht des Versicherers setzt eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit voraus (§§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 1 VVG). Hat der Versicherer nach gefahrerheblichen Umständen schriftlich gefragt, konkretisiert sich die Obliegenheitsverletzung grundsätzlich in der unrichtigen oder unvollständigen Beantwortung einer Antragsfrage. Demgemäß verlangt ausreichende Kenntnis von einem Rücktrittsgrund ausreichende Kenntnis von der unrichtigen Beantwortung einer Antragsfrage. Die hier einschlägige Antragsfrage lautet: „Sind Sie in den letzten zehn Jahren wegen eines Leidens, einer Erkrankung, eines Unfalls oder wegen sonstiger Gesundheitsstörungen ärztlich beraten, behandelt, untersucht worden ?” Sie zielt damit allein auf ärztliche Beratungen, Behandlungen und Untersuchungen aus den zuvor genannten Anlässen.

bb) Schon diesen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht ausreichend in den Blick genommen, wenn es sich für die Kenntnis der Beklagten von einer Obliegenheitsverletzung in erster Linie auf den der Auskunft des Hausarztes beigefügten Bericht der Ärzte Dr. T. pp. vom 8. Februar 1993 gestützt hat. Selbst wenn sich der in diesem Bericht beschriebene Vorfall in der Zeit vor Beantwortung der Antragsfrage ereignet hat, ist damit eine unrichtige Beantwortung der Antragsfrage noch nicht aufgezeigt. Denn der Kläger war – wie das Berufungsgericht verkennt – nicht nach Schmerzen oder sonstigen Gesundheitsbeeinträchtigungen schlechthin gefragt, vielmehr nur nach solchen Leiden, Erkrankungen, Unfällen oder Störungen, die zu einer ärztlichen Beratung, Behandlung oder Untersuchung geführt haben. Daß der Kläger solche ärztlichen Tätigkeiten aus Anlaß des im Bericht genannten Vorfalls in Anspruch genommen hat, ergibt sich aber weder aus dem Bericht selbst noch aus der Auskunft des Hausarztes. Der Bericht deckt damit eine unrichtige Beantwortung der Antragsfrage nicht auf und konnte der Beklagten deshalb noch keine ausreichende Kenntnis von einem Rücktrittsgrund verschaffen.

cc) Allerdings hatte die Beklagte – wie sie selbst einräumt (GA II, 32) – zudem Kenntnis von einem Durchgangsarztbericht vom 10. Juni 1989, in dem eine Untersuchung des Klägers geschildert und als Diagnose eine Zerrung der rechten Schulter angegeben worden ist. Auch dieser Bericht verschaffte ihr indessen keine Kenntnis von einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit.

Zwar ergibt sich aus ihm, daß der Kläger von dem Durchgangsarzt jedenfalls untersucht worden ist. Die Beklagte mußte dem Bericht aber andererseits entnehmen, daß der Untersuchung lediglich eine offenkundig belanglose, alsbald vergehende Gesundheitsbeeinträchtigung zugrunde lag. Denn aus dem Bericht ergab sich für sie, daß beim Kläger äußerliche Verletzungsanzeichen nicht vorhanden, die neurologischen Untersuchungen ohne Befund geblieben waren. Außer altersentsprechenden Verschleißerscheinungen wurden im gesamten Schulterbereich pathologische Befunde nicht festgestellt, eine Behandlung nicht für erforderlich gehalten. Demnach lag der Untersuchung allenfalls eine Bagatellerkrankung zugrunde; im Ergebnis wurde dem Kläger letztlich sogar bestätigt, daß er gesund sei. Gibt der Versicherungsnehmer eine solche ärztliche Untersuchung mit einem solchen Untersuchungsergebnis nicht an, liegt auch bei der hier gegebenen Fragestellung eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit nicht vor. Es fehlt in einem solchen Falle schon an einem gefahrerheblichen Umstand, auf den sich die Untersuchung bezogen hat (vgl. Senatsurteil vom 2. März 1994 - IV ZR 99/93 - VersR 1994, 711 unter 3 a a.E.).

dd) Schließlich trägt auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf den Inhalt der Auskunft des Hausarztes selbst nicht. Zwar hat der Arzt auf die Frage, wann er den Kläger erstmals und in der Folgezeit beraten, behandelt oder untersucht habe, angegeben „seit 1991 (seit Übernahme der Praxis …)”. Mangels näherer zeitlicher Einordnung erlangte die Beklagte daraus aber keine sichere Kenntnis davon, daß der Kläger solche ärztlichen Tätigkeiten schon vor der Antragstellung am 17. Oktober 1991 in Anspruch genommen hat. Erst recht vermittelte die Auskunft keine Kenntnis davon, wann die anschließend aufgezählten Gesundheitsbeeinträchtigungen ärztlich behandelt worden sind, ob sie also möglicherweise den Anlaß zu Arztbesuchen vor Antragstellung gegeben haben. Zwar hat der Kläger den Arzt bereits im Antragsformular als seinen Hausarzt bezeichnet. Indessen bietet auch dieser Umstand keine ausreichende Grundlage für die Annahme, daß deshalb erfragte ärztliche Tätigkeiten für den Kläger schon vor Antragstellung erbracht worden sind. Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht, daß der Kläger schon den Praxisvorgänger als seinen Hausarzt angesehen haben kann und diese Eigenschaft ohne weiteres auf dessen Nachfolger fortgeschrieben haben könnte. Deshalb mag diese Angabe der Beklagten zwar den Verdacht nahegelegt haben, daß ärztliche Behandlungen schon in der Zeit vor der Antragstellung erfolgt sein könnten, sie verschaffte ihr aber – gerade wegen der ungenauen Angaben des Hausarztes – jedenfalls keine ausreichende Kenntnis davon, daß dies tatsächlich der Fall war. Unklar blieb für die Beklagte auch nach dieser Angabe zudem – und auch das läßt das Berufungsgericht unberücksichtigt – welche konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung wann zu einer ärztlichen Tätigkeit geführt haben könnte. Ausreichende Kenntnis von einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit hat die Beklagte mithin durch die Auskunft des Hausarztes nicht erlangt; den Rücktritt auf Verdacht auszuüben war die Beklagte aber nicht gehalten (Senatsurteil vom 20. September 1989 - IVa ZR 107/88 - BGHZ 108, 326, 328; Urteil vom 28. November 1990, VVGE § 20 VVG Nr. 2 = VersR 1991, 170 unter 3 d).

2. a) Das Berufungsgericht meint, der Rücktritt der Beklagten stelle sich selbst dann als verspätet dar, wenn man ihr zugestehe, daß sie zur Vervollständigung ihrer Erkenntnisse über eine mögliche Obliegenheitsverletzung weitere Rückfragen halten und Ermittlungen habe anstellen dürfen. Denn auch in einem solchen Falle dürften die notwendigen Rückfragen und Ermittlungen nicht verzögert, sie müßten vielmehr zügig betrieben werden. Diesen Anforderungen genüge das Verhalten der Beklagten nicht. Sie habe sich nicht auf ergänzende Nachfragen beim Hausarzt beschränken dürfen. Nachdem dieser auf Schreiben der Beklagten vom 2. und 28. März 1994 nicht reagiert habe, sei die Beklagte vielmehr gehalten gewesen, jedenfalls im Zeitpunkt der dritten Nachfrage, am 25. April 1994, Auskünfte von anderen Stellen einzuholen. Es seien keine Gründe ersichtlich, die die Beklagte gehindert hätten, sich spätestens zu diesem Zeitpunkt – statt erst am 9. Mai 1994 – an die Krankenkasse des Klägers zu wenden. Lege man die (spätere) tatsächliche Bearbeitungsdauer bei der Krankenkasse zugrunde, hätte die Beklagte so bereits am 2. Mai 1994 vollständige Kenntnis erlangen können, so daß die Rücktrittsfrist von einem Monat zu diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden wäre. Der am 8. Juni 1994 erklärte Rücktritt habe auch diese Frist nicht gewahrt.

b) Auch diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Allerdings hat der Senat schon in seinem Urteil vom 20. September 1989, aaO, hervorgehoben, daß es einem Versicherer nicht freistehen kann, wann er eine von ihm zur Vervollständigung seiner Kenntnisse als geboten angesehene Rückfrage hält. Das Gegenteil wäre mit dem versicherungsrechtlichen Grundsatz nicht in Einklang zu bringen, daß zwischen den Parteien alsbald Klarheit bestehen soll, ob ein durch eine Obliegenheitsverletzung belastetes Versicherungsverhältnis vom Versicherer weiter aufrecht erhalten wird oder nicht. Der Versicherer darf deshalb die verhältnismäßig kurze Rücktrittsfrist des § 20 Abs. 1 VVG nicht dadurch unterlaufen, daß er gebotene Rückfragen unterläßt oder zurückstellt; er hat sie vielmehr in angemessener Zeit durchzuführen (Senatsurteil vom 28. November 1990, aaO). Was als angemessene Zeit anzusehen ist, läßt sich aber nicht allgemein, vielmehr nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere aber auch im Lichte der oben genannten Grundsätze bestimmen; sie verwehren dem Versicherer ein Verhalten, das durch Nachlässigkeit oder von Mißbrauchsabsicht gekennzeichnet ist. Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht die Anforderung an die Beklagte überspannt.

bb) Die Beklagte ist nach Eingang der Auskunft des Hausarztes vom 16. Februar 1994 nicht untätig geblieben. Das belegen ihre an den Hausarzt gerichteten, wiederholten Nachfragen vom 2. März 1994, 28. März 1994 und 25. April 1994. Auch der Umstand, daß die Beklagte sich wiederholt nur an den Hausarzt gewandt hat, läßt kein unangemessenes Verzögern der Rückfrage erkennen. Denn nur er war ihr als Arzt bekannt, der im Zeitraum vor Antragstellung den Kläger möglicherweise behandelt haben konnte und dessen unklare Auskunft eine Ergänzung erforderte. Der Durchgangsarzt hatte nach seinem Bericht den Kläger nur einmal untersucht und ohnehin eine Gesundheitsbeeinträchtigung nicht festgestellt; die Ärzte Dr. T. pp. hatten den Kläger nach Kenntnis der Beklagten erst ab 1993 behandelt. Demgemäß war insbesondere die Nachfrage beim Hausarzt die aus Sicht der Beklagten geeignete Maßnahme, um das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung aufzuklären. Dieser Umstand läßt auch die dreifache Wiederholung dieser Nachfrage – ohne gleichzeitige Anfrage bei der Krankenkasse – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts noch nicht als eine verzögerliche Prüfung der Rücktrittsvoraussetzungen erscheinen. Das gilt umso mehr, als die Beklagte – nachdem sich auch die Erfolglosigkeit der dritten Nachfrage abzuzeichnen schien – schließlich nur etwa zwei Wochen nach dieser auch eine Auskunft bei der Krankenkasse eingeholt hat. Somit ist insgesamt kein Verhalten der Beklagten festzustellen, das den Vorwurf einer nachlässigen, unangemessenen Verzögerung der erforderlichen weiteren Ermittlungen rechtfertigen könnte.

Ist die Rücktrittsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 VVG mithin erst durch die Auskunft der Krankenkasse – also am 17. Mai 1994 – in Lauf gesetzt worden, hat die Beklagte mit dem am 8. Juni 1994 erklärten Rücktritt die Frist gewahrt.

3. a) Das Berufungsgericht nimmt schließlich an, auch wegen der im Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1994 als nicht offenbart aufgelisteten Erkrankungen/Behandlungen sei die Rücktrittsfrist des § 20 Abs. 1 VVG nicht gewahrt. Insoweit mache die Beklagte nämlich selbst geltend, sie habe nach der ergänzenden Auskunft des Hausarztes vom 30. Mai 1994 und unter Berücksichtigung der Auskünfte der Krankenkasse davon ausgehen müssen, daß der Kläger seit dem 6. Februar 1991 wegen internistischer Erkrankungen in Behandlung gewesen sei. Gleichwohl habe sie aber – darauf gestützt – nicht schon mit Schreiben vom 8. Juni 1994 den Rücktritt erklärt; das sei vielmehr erst mit dem Schreiben vom 5. Oktober 1994 – und damit verspätet – geschehen.

b) Auch dem ist nicht zu folgen.

Zwar hat die Beklagte den am 8. Juni 1994 erklärten Rücktritt damit begründet, der Kläger habe die vorvertragliche Anzeigeobliegenheit dadurch verletzt, daß er einen Arbeitsunfall im Oktober 1988 und die Behandlung einer Zerrung im Jahr 1989 verschwiegen habe. Die damit für den Rücktritt gegebene Begründung schafft indessen grundsätzlich keine Selbstbindung des Versicherers dahin, daß es ihm verwehrt wäre, weitere ihm innerhalb der für den erklärten Rücktritt maßgeblichen Frist bekanntgewordene, für die Obliegenheitsverletzung zusätzlich relevante Umstände nachzuschieben. Das gilt zumal dann, wenn der Versicherer – wie hier – ausdrücklich darauf hinweist, er müsse den Rücktritt zur Fristwahrung erklären. Denn damit wird dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht, daß ergänzende Erklärungen zu der ihm zur Last gelegten Obliegenheitsverletzung nachfolgen können. Jedenfalls bei einer solchen Sachlage kann der Versicherungsnehmer nicht darauf vertrauen, daß es bei den ihm bereits bekanntgegebenen, den benannten Rücktrittsgrund stützenden Umständen sein Bewenden haben wird.

Das Berufungsgericht geht mit dem Vortrag der Beklagten davon aus, daß die Beklagte von den im Schreiben vom 5. Oktober 1994 genannten Erkrankungen und Behandlungen innerhalb der Frist Kenntnis erlangt hat, die für den am 8. Juni 1994 erklärten Rücktritt maßgeblich war. Diese Umstände zur Begründung des bereits erklärten Rücktritts nachzuschieben, war ihr deshalb hier nicht verwehrt.

 

Unterschriften

Dr. Schmitz, Römer, Dr. Schlichting, Terno, Seiffert

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 30.09.1998 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 541451

NJW-RR 1999, 173

NVersZ 1999, 70

VersR 1999, 217

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