Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgewähr überzahlten Pachtzinses. Ermittlung des Marktwerts anhand Pachtzins vergleichbarer Objekte, hier: Imbiss- oder Dönerstände. Schätzung der Marktmiete. Nichtigkeit bei auffälligem Missverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Ermittlung der ortsüblichen Pacht anhand vergleichbarer Pachtobjekte (im Anschluss an BGH, Urt. v. 28.4.1999 - XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 ff. = MDR 1999, 1432; v. 13.6.2001 - XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = BGHReport 2001, 770 = NJW 2002, 55; v. 10.7.2002 - XII ZR 314/00, NZM 2002, 822).

b) Zur Frage des Rückschlusses auf eine verwerfliche Gesinnung des Verpächters bei einer auffälligen Überhöhung des Pachtzinses.

 

Normenkette

GBGB § 138 Abs. 1 a.F.; BGB § 535 a.F., § 581 a.F.

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 18.12.2000; Aktenzeichen 5 U 46/00)

LG Stuttgart

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 18.12.2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger (Pächter) verlangt vom Beklagten (Verpächter) die Rückgewähr angeblich überzahlten Pachtzinses.

Der Beklagte verpachtete mit Vertrag v. 29.12.1993 dem Kläger auf vier Jahre eine Ladenfläche von ca. 15 m2 am Busbahnhof in L. zum Betrieb eines Döner-Kebab-Standes. Der Pachtzins betrug monatlich 4.500 DM nebst einer "Verwaltungskostenpauschale" von 200 DM zzgl. gesetzlicher MWSt. Für die Nebenkosten - außer den Stromkosten, die der Kläger zu tragen hatte - zahlte der Kläger dem Beklagten eine monatliche Pauschale von 200 DM. Der dem Kläger verpachtete Stand ist Teil einer ca. 180 m2 umfassenden Gaststätte, die der Beklagte seinerseits für monatlich 10.500 DM netto zzgl. Nebenkosten von monatlich 540 DM von einem Pächter angepachtet und zu deren Ausbau er sich verpflichtet hatte. Der Kläger hat seinem Vorpächter 120.000 DM bezahlt; ein Teilbetrag von 15.000 DM entfiel hierbei auf die Übernahme von zwei Geldspielautomaten. Der Kläger betrieb den Dönerstand v. 1.1.1994 bis einschließlich Februar 1996. Von seinem Nachfolger erhielt er 100.000 DM.

Der Kläger meint, die vereinbarte Pacht sei sittenwidrig überhöht gewesen; angemessen wäre eine Pacht von monatlich netto 1.200 DM. Er fordert vom Beklagten den Unterschiedsbetrag von 3500 DM zwischen der vereinbarten Pacht von 4.700 DM (4.500 DM zzgl. 200 DM Verwaltungskostenpauschale) und 1.200 DM für die Pachtzeit von 26 Monaten i.H.v. insgesamt 91.000 DM (3.500 DM x 26) zurück.

Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur ortsüblichen Pacht den Beklagten zur Rückzahlung von 75.315,50 DM verurteilt. Dabei ist es von einer monatlichen ortsüblichen Pacht für den Dönerstand entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen i.H.v. 1.679,25 DM einschließlich eines Inventaranteils von 51,75 DM ausgegangen. Diesem Betrag hat es 124 DM hinzugerechnet, weil der Kläger nach den vorgelegten Unterlagen angeblich in dieser Höhe monatlich Provisionen aus den Geldspielautomaten einnehme. Nach Auffassung des LG muss sich der Kläger monatlich insgesamt 1.803, 25 DM anrechnen lassen. Das OLG hat die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die angenommene Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.

 

Gründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

I.

Das Berufungsgericht hat den Pachtvertrag wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung unter Bejahung des subjektiven Tatbestands als sittenwidrig und nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen. Hierbei hat es sich auf ein Sachverständigengutachten gestützt, in dem für den Dönerstand eine ortsübliche Marktpacht durch Vergleich mit der ortsüblichen Miete für Ladengeschäfte ermittelt wurde, und hierzu ausgeführt: Zwar habe die Sachverständige ihrem Gutachten nicht die erzielten Mieten/Pachten für andere vergleichbare Objekte zu Grunde gelegt. Da der streitgegenständliche Dönerstand jedoch keine Aufenthaltsmöglichkeiten habe, sei es nahe liegend und zutreffend, Ladenmieten - und nicht Gaststättenpachten - als Vergleichsgrundlage heranzuziehen. Zwar gehe es mit der Sachverständigen davon aus, dass Döner - bzw. Imbiss-Stände einen Teilmarkt im Rahmen des Marktes für Laden- und Verkaufsflächen bildeten. Über diesen Teilmarkt, der zudem stark abgeschottet sei, gebe es jedoch keine allgemeinen Erhebungen. Die wenigen, in etwa vergleichbaren Objekte, welche der Sachverständigen aus ihrer Tätigkeit bekannt seien, seien als Vergleichsgrundlage nicht verwertbar, da die Sachverständige nachvollziehbar bekundet habe, dass die ihr bekannten Pachten unterschiedlich hoch und für jeweils unterschiedliche Zeiträume abgeschlossen seien. Deswegen könnten nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 28.4.1999 - XII ZR 150/97, MDR 1999, 1432 = NJW 1999, 3187 [3190]) andere Erfahrungswerte - hier also die marktübliche Miete für Ladengeschäfte - herangezogen werden. Diese habe die Sachverständige ohne MwSt. und Nebenkosten mit 1.803,25 DM ermittelt und eingehend begründet. Der vertraglich vereinbarte Pachtzins von 4.700 DM (4.500 DM zzgl. 200 DM Verwaltungskostenpauschale) übersteige daher den ortsüblichen Pachtzins von 1.803,25 DM um ca. 160 %. Ob deswegen eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bereits zu vermuten sei, könne dahinstehen. Denn es sei auf Grund anderer Umstände erwiesen, dass der Beklagte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt habe. Er habe nämlich die gesamte Gaststättenfläche von ca. 180 m2 einschließlich der an den Kläger verpachteten Teilfläche für einen monatlichen Pachtzins von 10.500 DM angepachtet. Selbst bezahle er also nur ca. 58 DM pro m2, vom Beklagten fordere er hingegen 303 DM pro m2. Damit habe sich dem Beklagten aufdrängen müssen, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Pacht sittenwidrig überhöht gewesen sei, zumal der Beklagte gewusst habe, dass der Kläger an seinen Vorpächter 120.000 DM bezahlt habe. An dieser Beurteilung ändere auch nichts, dass der Beklagte die Gaststätte habe ausbauen sowie einrichten und somit erhebliche Investitionen habe tätigen müssen. Der Kläger könne daher vom Beklagten nach Bereicherungsrecht die Rückzahlung der Pacht von 26 Monaten i.H.v. 122.200 DM (4.700 DM x 26) abzgl. der vom Kläger in dieser Zeit erlangten Gebrauchsvorteile von 46.884,50 DM (1.803,25 DM x 26), somit 75.315,50 DM, verlangen.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Zu Unrecht rügt allerdings die Revision, dass das Urteil insoweit nicht mit Gründen versehen sei (§§ 286, 551 Nr. 7 ZPO a.F.), als das OLG die Verwaltungspauschale von 200 DM dem vereinbarten Pachtzins von 4.500 DM hinzuzähle und somit von einem Nettopachtzins von insgesamt 4.700 DM ausgehe. Vielmehr bedurfte dies keiner weiteren Begründung, weil das Berufungsgericht insoweit in zulässiger Weise (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.) auf das landgerichtliche Urteil verwiesen hat und darüber hinaus der Beklagte in seiner Berufungsbegründung selbst ausdrücklich die Auffassung des LG, die Verwaltungspauschale sei Teil der Nettopacht, gebilligt hat.

2. Die Revision macht jedoch mit Erfolg geltend, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung der ortsüblichen Pacht nicht auf die ortsübliche Miete für Laden- und Verkaufsflächen, sondern auf die ortsübliche Pacht für vergleichbare Döner- oder andere Imbiss-Stände hätte abstellen müssen.

Zutreffend ist allerdings der Ansatz des Berufungsgerichts, dass ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten (BGH v. 28.4.1999 - XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 [263] = MDR 1999, 1432). Bei gewerblichen Pachtverträgen liegt ein auffälliges Missverhältnis schon dann vor, wenn die vereinbarte Pacht um knapp 100 % höher ist als der objektive Marktwert der Gebrauchsüberlassung (vgl. Bub in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. II, Rz. 715a m.N.). Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem Markt zu zahlen ist. Bei Pachtverhältnissen ist demnach der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand des Pachtzinses zu ermitteln, der für vergleichbare Objekte erzielt wird.

Gegen diesen Grundsatz hat das OLG verstoßen, indem es die ortsübliche Pacht für den streitgegenständlichen Dönerstand durch den Vergleich mit der ortsüblichen Miete für Laden- und Verkaufsflächen ermittelt hat. Zwar ist nach allgemeinen Grundsätzen die Wahl einer bestimmten Bewertungsmethode regelmäßig dem - insoweit sachverständig beratenen - Tatrichter vorbehalten. Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (vgl. BGH v. 28.4.1999 - XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 [264] = MDR 1999, 1432). Dies ist hier der Fall. Das OLG hat Objekte miteinander verglichen, die nicht vergleichbar sind. Es ist, wie die Sachverständige, mit Recht davon ausgegangen, dass Döner- und Imbiss-Stände einen eigenen Teilmarkt bilden, von denen der Markt für Ladengeschäfte und Verkaufsflächen zu unterscheiden ist. Daraus aber folgt, dass die ortsübliche Miete für Ladengeschäfte und Verkaufsflächen nicht aussagekräftig ist für die ortsübliche Pacht für Imbiss- oder Dönerstände. Zu Unrecht beruft sich das OLG in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Senats in BGHZ 141, 257 [263] (BGH v. 28.4.1999 - XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 [263] = MDR 1999, 1432). Dort hat der Senat zwar ausgeführt, dass, wenn ausnahmsweise vergleichbare Objekte nicht zur Verfügung stünden, ggf. andere Erfahrungswerte heranzuziehen seien. Der Senat hat jedoch hinzugefügt, dass in einem solchen Fall nicht auf die Ermittlung des objektiven (Verkehrs-)Wertes zu verzichten ist und der Maßstab der Orts- bzw. Marktüblichkeit nicht verlassen werden darf. Genau dies aber hat das OLG getan, indem es nicht vergleichbare Miet- bzw. Pachtobjekte miteinander verglichen hat. Auf diese Weise lässt sich die orts- bzw. marktübliche Pacht für ein bestimmtes Objekt nicht ermitteln.

Allerdings hat dies im vorliegenden Fall nicht zur Folge, dass der Kläger beweisfällig geworden wäre. Zwar mag es richtig sein, dass der Markt für die Verpachtung von Imbiss-Ständen abgeschottet ist und der von den Vorgerichten beauftragten Sachverständigen nur wenige Pachten vergleichbarer Objekte bekannt gewesen sind. Das Berufungsgericht war deswegen aber nicht davon entbunden, eine Schätzung der Marktmiete - ggf. auch mit einer erheblichen Bandbreite - herbeizuführen. Hätte die Sachverständige sich hierzu außer Stande gesehen, hätte das Berufungsgericht notfalls einen anderen Sachverständigen beauftragen müssen, der mit der konkreten Marktsituation vertraut und deswegen zumindest in der Lage ist, den Marktwert der Gebrauchsüberlassung von Imbiss-Ständen zu schätzen (vgl. BGH, Urt. v. 13.6.2001 - XII ZR 49/99, MDR 2001, 1105 = BGHReport 2001, 770 = NJW 2002, 55 [56]; v. 10.7.2002 - XII ZR 314/00, NZM 2002, 822 [823]).

Das Berufungsurteil ist deswegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Beweise erhebt.

3. Für das weitere Verfahren wird Folgendes zu beachten sein:

a) Hinsichtlich der Frage, ob die Möglichkeit der Aufstellung von Spielautomaten pachterhöhend wirkt oder nicht, kommt es jedenfalls nicht darauf an, dass gerade der Kläger, in dessen Einnahme-Überschußrechnung für 1994 allerdings Einnahmen aus Provisionen i.H.v. über 4.300 DM enthalten sind, wie das Berufungsgericht meint, mit den Spielautomaten kaum Gewinne erzielt hat. Vielmehr ist entscheidend, ob die genannte Möglichkeit üblicherweise im Marktwert der Pacht erfasst ist oder nicht. Diese Frage müsste vom Sachverständigen geklärt werden. Dieser hätte auch darzulegen, um welchen Betrag sich die ortsübliche Pacht ggf. erhöht, wenn die Möglichkeit, Automaten aufzustellen, hinzukommt. Nicht sachgerecht erscheint jedenfalls das Vorgehen des LG. Dieses hat die von der Sachverständigen ermittelte ortsübliche Pacht von 1.679,25 DM monatlich um die angeblich vom Kläger im Monat durchschnittlich eingespielten Provisionen von 124 DM erhöht, so dass es zu einem Betrag von monatlich 1.803,25 DM gelangt ist, von dem das OLG fälschlicherweise annahm, es handle sich um den von der Sachverständigen ermittelten Marktwert ohne Berücksichtigung der aufgestellten Spielautomaten.

b) Sollte das OLG erneut zu dem Ergebnis kommen, dass die Pacht für den Dönerstand auffällig überhöht war, so kann deswegen nicht von vornherein vermutet werden, der Beklagte habe aus verwerflicher Gesinnung gehandelt. Vielmehr ist bei gewerblichen Pachtverhältnissen angesichts der für die Vertragsparteien bestehenden Bewertungsschwierigkeiten im Rahmen der Prüfung, ob aus einem auffälligen Missverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäßig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das auffällige Missverhältnis für den Begünstigten erkennbar war. In diesem Zusammenhang wird das OLG Schlüsse aus dem Verhältnis zwischen der vom Beklagten selbst zu erbringenden Pacht für die Gesamtfläche (Gaststätte und Dönerstand) und der an ihn vom Kläger zu zahlenden Pacht für den Dönerstand nur ziehen können, wenn es die für die Gaststätte ortsübliche Pacht ermittelt und dabei auch die vom Beklagten übernommenen Investitionsverpflichtungen angemessen berücksichtigt.

c) Das Berufungsgericht wird ohne weitere Aufklärung aus dem Umstand, dass der Beklagte die Zahlung des Klägers an seinen Vorpächter i.H.v. 120.000 DM kannte, nicht auf eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bei Abschluss des Pachtvertrags schließen können. Der Zweck der Zahlung ist vom OLG nicht festgestellt worden. Sie kann, wie die Revision zu Recht rügt, auch deswegen erfolgt sein, weil sich der Kläger und sein Vorpächter über eine besondere Wirtschaftlichkeit des übertragenen Geschäfts einig waren. Schließlich wird das OLG auch nicht auf die Tatsache abstellen können, dass die Parteien im Pachtvertrag ursprünglich eine Staffelmiete vorgesehen hatten. Denn diese Regelung haben sie anscheinend zu einem späteren Zeitpunkt wieder abbedungen, worin auch eine Bestätigung des Geschäfts liegen könnte (§ 141 BGB).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1212037

BGHR 2005, 9

DWW 2004, 264

EBE/BGH 2004, 290

EBE/BGH 2004, 5

NJW-RR 2004, 1454

NZM 2004, 741

ZMR 2004, 802

ZfIR 2004, 896

MDR 2004, 1408

GuT 2004, 157

MietRB 2005, 4

JWO-MietR 2004, 291

MK 2005, 36

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