Leitsatz (amtlich)

Wer in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintritt, haftet für deren vorher begründete Verbindlichkeiten nur kraft besonderer Vereinbarung mit dem Gläubiger.

 

Normenkette

BGB §§ 714, 736

 

Verfahrensgang

LG München I

OLG München

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. April 1978 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin führte gemäß Vertrag vom 28. September 1975 Arbeiten an dem Bauvorhaben der „Bauherrengemeinschaft S.” in U. aus. Sie begann damit am 5. November 1975 und beendete die Arbeiten am 50. Mai 1974. Bei Abschluß des Werkvertrages bestand die „Bauherrengemeinschaft” aus dem Ehemann der Beklagten und Karlheinz G. Dieser übertrug seinen Anteil durch Vertrag vom 25. Februar 1974 auf die Beklagte. An deren Stelle trat am 12. Juni 1974 eine GmbH.

Die Klägerin nimmt – nur insoweit ist der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt – wegen ihrer Restwerklohnforderung abzüglich eines Garantieeinbehalts auch die Beklagte in Anspruch. Das Landgericht hat diese antragsgemäß zur Zahlung von 45.166,71 DM nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Soweit die Klage darauf gestützt ist, die Beklagte habe allein schon wegen ihrer Beteiligung an der „Bauherrengemeinschaft”, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für deren Schulden einzustehen, kann der Klägerin, wie auch das Berufungsgericht entschieden hat, nicht zugestimmt werden. Ein etwa noch vorhandenes Gesellschaftsvermögen haftet der Klägerin fort; die Beklagte kann aber insoweit nicht verurteilt werden, weil sie aus der Gesellschaft wieder ausgeschieden ist und deshalb über dieses Vermögen nicht mehr (mit-)verfügen kann (§ 736 ZPO). Eine persönliche Gesellschafterhaftung mit dem Privatvermögen kann in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – wenn man von der Möglichkeit eines Schuldbeitritts absieht – nur durch Mitwirkung des Gesellschafters am Vertragschluß oder dadurch begründet werden, daß der geschäftsführende Gesellschafter bei Vertragschluß für ihn handelt und dazu eine entsprechende Vertretungsmacht besitzt. Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, braucht nicht erörtert zu werden. Denn beides kommt hier nicht in Betracht, weil der Werkvertrag, aus dem die Klägerin ihre Ansprüche herleitet, von den früheren Gesellschaftern zu einer Zeit abgeschlossen worden ist, als die Beklagte der Gesellschaft noch gar nicht angehörte. Damit erweist sich ohne weiteres die Ansicht der Revision als unhaltbar, daß zwar ein neu eintretender Gesellschafter für „Altschulden” nicht haften mag, daß es sich aber nicht um „Alt-”, sondern um „Neuschulden” handle, wenn der Gläubiger seine Leistung erst erbringe, nachdem der Gesellschafter eingetreten sei. Es kann weder auf den Zeitpunkt der Leistung noch auf eine begriffliche Unterscheidung von Alt- und Neuschulden, sondern nur darauf ankommen, ob der Vertrag seinerzeit auch im Namen und zu Lasten des in Anspruch genommenen Gesellschafters abgeschlossen worden ist.

An der damit zugrunde gelegten, nach wie vor auch in der Rechtswissenschaft vorherrschenden Ansicht, daß in der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft die persönliche Haftung des Gesellschafters für vertragliche Gesamthandverpflichtungen nur durch Rechtsgeschäft begründet werden kann, hält der Senat fest. Im Gegensatz dazu wird allerdings im Schrifttum – mit unterschiedlichen Begründungen – auch die Auffassung vertreten, der Gesellschafter hafte grundsätzlich immer wie die Gesellschaft, ohne daß es dazu einer besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtung bedürfe (vgl. u. a. Kornblum, Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften S. 50 ff, 40; Wiedemann, Juristische Person und Gesamthand als Sondervermögen, WM Sonderbeilage 4/1975 S. 42; Flume, Die Personengesellschaft § 16 IV 5). Würde man dem zustimmen müssen und damit zumindest im Ergebnis die handelsrechtlich durch §§ 128, 129 HGB vorgezeichnete Akzessorietät der Gesellschafterhaftung zur Gesellschaftsschuld auf das Recht der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft übertragen, wäre es wohl folgerichtig, deren Gesellschafter – ähnlich wie nach § 150 HGB den Handelsgesellschafter – auch für die vor seinem Beitritt begründeten Gesamthandsverbindlichkeiten haften zu lassen.

Obwohl eine so allgemeine („akzessorische”) Gesellschafterhaftung gewisse Vorteile haben würde, erscheint es doch weder möglich noch sachgerecht, das Haftungsrecht des gesamten Personengesellschaftsrechts in dieser Weise nach den Maßstäben des Handelsrechts zu vereinheitlichen, Legt man die §§ 705 ff BGB nach allgemeinen Grundsätzen aus, so sprechen die überwiegenden Gründe dafür, daß dem Gesetz die Vorstellung von der rechtsgeschäftlichen Haftungsbegründung zugrunde liegt. Selbst wenn man aber eine Regelungslücke annehmen könnte, wäre bei ihrer Ausfüllung dieser rechtsgeschäftlichen Haftungsbegründung der Vorzug zu geben. Gegenüber der Auffassung, die in den §§ 128 ff HGB festgelegten Grundsätze seien eine allgemein für das Personengesellschaftsrecht und die Gesamthand angemessene Regelung, ist insbesondere einzuwenden, daß das Recht der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft für eine Vielzahl von Personenverbindungen bereitgestellt ist, die von klein- und nichtkaufmännischen Erwerbsgesellschaften bis hin zu Gelegenheitsgesellschaften reichen und sich nach Art, Größe, Personenkreis, Organisation, Zwecken, ideeller und wirtschaftlicher Bedeutung in hohem Grade voneinander unterscheiden können. Zur Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen paßt die unterschiedslose Strenge der handelsrechtlichen Haftungsbestimmungen wenig; sie wird dem Interesse der beteiligten Gesellschafter häufig nicht gerecht und ist in zahllosen Fällen auch im Rechtsverkehr nicht geboten. Beläßt man es dagegen bei den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts, so sind diejenigen differenzierenden Haftungsfolgen zu erzielen, die diesem Bereich – wenn nötig, auch unter Berücksichtigung des Gläubigerinteresses – jeweils adäquat sind.

Eine entsprechende Anwendung des § 150 HGB auf die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft scheidet damit schon aus diesen Gründen aus (so im Ergebnis h. L., vgl. u. a. Kornblum aaO S. 28, 69 f; Nicknig, Die Haftung der Mitglieder einer BGB-Gesellschaft für Gesellschaftsschulden S. 92 ff; jeweils m. w. N.).

Die Haftung des eintretenden Gesellschafters für Altschulden der Gesellschaft wird allerdings im Schrifttum (jedenfalls für den Fall, daß der Gesellschafter den Ausschluß seiner Haftung den Altgläubigern nicht bekanntgibt) auch noch unabhängig von § 130 HGB damit begründet, daß der Rechtsverkehr im Vertrauen auf die Kreditwürdigkeit zwischen alten und neuen Gesellschaftern nicht unterscheide (Flume aaO § 16 IV 7). Auch dem ist nicht zu folgen. Der Altgläubiger verdient regelmäßig nicht den Schutz der Mithaftung des neu eingetretenen Gesellschafters, weil er aufgrund einer Verpflichtung geleistet hat oder leistet, die er (nur) im Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit der bisherigen Gesellschafter übernommen hat. Soweit er nach Eintritt des neuen Gesellschafters Kredit wegen einer Altverbindlichkeit gewährt hat, mag das anders liegen und im Einzelfall eine Haftung des Neugesellschafters begründen. Hieraus aber generalisierend eine Haftung des neu eingetretenen Gesellschafters für Altschulden herzuleiten, ginge zu weit und ließe außerdem zu Unrecht die schon erörterte unterschiedliche Schutzwürdigkeit des Rechtsverkehrs bei den verschiedenen Gestaltungsformen der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft außer Betracht.

2. Der Revision ist einzuräumen, daß deshalb in Fällen dieser Art der Prüfung der Frage besondere Bedeutung zukommt, ob sich nicht der eingetretene Gesellschafter den Umständen nach im Einzelfall die Gesellschaftsschuld dem Gläubiger gegenüber „zu eigen gemacht” hat, wenn dieser – wie im vorliegenden Falle – die Leistung erst nach dem Beitritt erbracht hat. Insoweit haben die Parteien insbesondere darum gestritten, ob ein Schuldbeitritt der Beklagten in einem Rundschreiben zu sehen sei, das sie und ihr Ehemann am 26. Februar 1974 an alle Unternehmer in Urfeld gerichtet haben. Darin heißt es u. a.:

„Hierdurch teilen wir Ihnen mit, daß Herr G. mit Wirkung vom 51. Dezember 1975 aus der Bauherrengemeinschaft ‚S.’ ausgeschieden ist. Die Geschäftsanteile wurden von … (Beklagte) übernommen. …

Wir möchten Sie bitten, bei jedem Schriftwechsel und Rechnungen die neue Anschrift zu beachten: …”

Hiermit hat sich das Berufungsgericht eingehend auseinandergesetzt. Nach seiner Ansicht enthält jedoch das Rundschreiben kein Angebot der Beklagten an die Klägerin, anstelle von G. die Schuld aus dem Werkvertrag zu übernehmen; es sei für die Gläubiger nur als bloße Mitteilung des Gesellschafterwechsels und der neuen Anschrift zu verstehen gewesen. Diese tatrichterliche Würdigung ist möglich und von keinem Rechtsfehler beeinflußt; sie muß daher vom Revisionsgericht hingenommen werden. Die Ansicht der Revision, das Rundschreiben habe keinen vernünftigen Sinn, wenn man es nicht als Haftungsübernahme der Beklagten für Altschulden ansehe, ist nicht zwingend. Die Erklärung „mit Wirkung vom 51. Dezember 1973” seien die Gesellschafter ausgetauscht worden, enthielt die zwar nicht für die Klägerin, vielleicht aber für andere Handwerker wesentliche Nachricht, daß künftigund für die inzwischen seit 1. Januar 1974 eingegangenen Verbindlichkeiten die Beklagte (mit) einzustehen habe. – Soweit die Revision schließlich in dem Rundschreiben die Mitteilung einer zwischen G. und der Beklagten vereinbarten Schuldübernahme an die Klägerin sehen möchte, die diese mit Klagerhebung genehmigt habe, setzt sie lediglich in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene nicht zwingende Beurteilung an die Stelle derjenigen, die das Berufungsgericht für richtig gehalten hat, ohne daß sie dabei einen Rechtsfehler aufgezeigt hätte.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Kellermann, Dr. Skibbe

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 30.04.1979 durch Kaufmann, Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 240

JR 1979, 504

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1979, 537

JZ 1979, 570

JZ 1980, 195

JZ 1980, 354

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