Leitsatz (amtlich)

a) In der zur Ermittlung einer Unterbilanzhaftung des Gesellschafters aufzustellenden Vorbelastungsbilanz ist im Falle einer negativen Fortbestehensprognose für die Gesellschaft deren Vermögen im Zeitpunkt der Eintragung nicht zu Fortführungs-, sondern zu Veräußerungswerten zu bilanzieren.

b) Gründungsaufwand, den die Gesellschaft nicht durch förmliche Regelung in der Satzung übernommen hat, darf in der Vorbelastungsbilanz nicht aktiviert werden.

c) Der Konkursverwalter einer GmbH trägt als Kläger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Unterbilanzhaftung des Gesellschafters.

 

Normenkette

GmbHG § 11

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart

LG Heilbronn

 

Tenor

Die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers gegen das Schlußurteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. August 1996 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Beklagten zu 1/4 und dem Kläger zu 3/4 auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte gründete zusammen mit zwei Mitgesellschaftern am 11. März 1994 die A. -B. -GmbH – später umfirmiert in A. -A. -GmbH – und übernahm von deren Stammkapital von 50.000,– DM einen Geschäftsanteil in Höhe von 26.000,– DM. Die Gesellschaft nahm mit Zustimmung aller Gesellschafter unmittelbar nach Gründung ihre Geschäfte auf; sie wurde am 11. Juli 1994 in das Handelsregister eingetragen. Auf Antrag des Beklagten wurde am 2. September 1994 über das Vermögen der A. -A. -GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zu deren Konkursverwalter bestellt. Dieser nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Unterbilanzhaftung entsprechend seiner Beteiligungsquote auf Zahlung von 58.792,44 DM in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 18. April 1996 die Klage in Höhe von 8.260,55 DM abgewiesen und das Rechtsmittel im übrigen – davon in Höhe von 48.792,44 DM im Wege des Teilversäumnisurteils – zurückgewiesen. Auf den Einspruch des Beklagten hat das Berufungsgericht durch Schlußurteil vom 1. August 1996 die Klage in Höhe von weiteren 4.160,14 DM abgewiesen und im übrigen das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten.

Mit der – zugelassenen – Revision gegen das Schlußurteil erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage in Höhe eines weiteren Teilbetrags von 11.639,45 DM; der Kläger begehrt mit seiner Anschlußrevision die Abänderung des Schlußurteils zu seinen Gunsten in Höhe der aberkannten 4.160,14 DM.

 

Entscheidungsgründe

Beide Rechtsmittel sind unbegründet.

Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage einer für den Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister auf 89.176,44 DM festgestellten Unterbilanz der Gemeinschuldnerin eine Unterbilanzhaftung des Beklagten entsprechend seiner Beteiligungsquote von 52 %, mithin in Höhe von insgesamt 46.371,75 DM angenommen. Diese Berechnung hält den Angriffen von Revision und Anschlußrevision stand.

I. Zur Revision des Beklagten:

1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, den Gründungsaufwand in der unstreitig gewordenen Höhe von insgesamt 1.600,– DM zugunsten des Beklagten von den Passiva der zur Ermittlung der Unterbilanzhaftung erstellten Vorbelastungsbilanz abzusetzen.

Gründungskosten dürfen nur dann nicht zur Begründung einer Unterbilanzhaftung der Gesellschafter mit der Folge einer entsprechenden Verminderung des den Gläubigern der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister zur Verfügung stehenden Kapitals herangezogen werden (vgl. hierzu BGHZ 80, 129, 141; 105, 300, 303), wenn deren Übernahme durch die Gesellschaft in der Satzung wirksam vereinbart ist; dafür ist über die namentliche Nennung der einzelnen Kosten, aus denen sich der Gründungsaufwand zusammensetzt, der Ausweis eines – gegebenenfalls geschätzten – Gesamtbetrages erforderlich (vgl. BGHZ 107, 1, 5 f. m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die Satzung der Gemeinschuldnerin keine Regelung zur Übernahme der Gründungskosten durch die Gesellschaft enthält. Deshalb ist in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 2 AktG der gesamte Gründungsaufwand von den Gründern der Gesellschaft zu tragen (BGHZ 107, 1, 4). Da mithin im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft das gesamte Stammkapital ohne Abzug der Gründungskosten noch vorhanden sein muß, darf in der Vorbelastungsbilanz der Gründungsaufwand nicht aktiviert werden, während umgekehrt Verbindlichkeiten, welche den Gründungsaufwand betreffen, passiviert werden müssen (vgl. Meister, Festschrift für Werner, 1984, 521, 541). Nur auf diese Weise wird gewährleistet, daß die Gesellschaft bei der Eintragung in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG) tatsächlich über den öffentlich verlautbarten Haftungsfonds verfügt (eingehend zu diesem Zweck der Unterbilanzhaftung: BGHZ 80, 129, 136; 124, 282, 285).

Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge aus § 308 Abs. 1 ZPO ist offensichtlich unbegründet, weil der Kläger seinen Klageantrag nicht etwa um den unstreitigen Gründungsaufwand von 1.600,– DM oder auch nur einen quotenmäßigen Anteil von 52 % daran verringert hat. Daß die Parteien in der Berufungsverhandlung vom 30. Mai 1996 lediglich die Höhe der von der Gemeinschuldnerin – offenbar im Außenverhältnis – zu tragenden Gründungskosten unstreitig gestellt und nicht etwa weitergehend eine das Berufungsgericht bindende Vereinbarung über die Absetzung der entsprechenden Kosten aus der Bilanz getroffen haben, hat das Berufungsgericht verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellt, ohne daß dies mit einem Berichtigungsantrag angegriffen worden wäre.

2. Ohne durchgreifende Rechtsfehler hat das Berufungsgericht bei den Aktiva der – auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister erstellten – Vorbelastungsbilanz drei Positionen des Anlagevermögens der Gemeinschuldnerin (Büroeinrichtung, GWG, sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung) mit den gegenüber Buchwerten um 10.039,45 DM geringeren Veräußerungswerten in Ansatz gebracht, weil der Gemeinschuldnerin eine negative Überlebens- oder Fortbestehensprognose zu stellen gewesen sei.

Zwar ist grundsätzlich für die Vorbelastungsbilanz als einer Vermögensbilanz das Gesellschaftsvermögen mit seinen wirklichen Werten nach Fortführungsgrundsätzen zu bewerten (BGHZ 124, 282, 285 m.w. Literaturnachweisen). Auch wenn nämlich die Vorbelastungsbilanz im Hinblick auf ihre besondere Zweckbestimmung außerhalb des Bilanzzusammenhanges steht und daher die für den Jahresabschluß geltenden Vorschriften nicht zwangsläufig Anwendung finden müßten, so steht sie doch der Eröffnungsbilanz zumindest nahe; die Bewertungsgrundsätze nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB erscheinen deshalb auch im allgemeinen als geeignet, um die effektiven Werte des Anlagevermögens im Eintragungszeitpunkt darzustellen. Kann dem Unternehmen hingegen nicht die Prognose eines „going concern” gestellt werden, weil dem tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB), so würde die Bewertung auf der Basis der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten regelmäßig auch in der Vorbelastungsbilanz zu einer Wertverzerrung im Sinne einer Überbewertung des Unternehmens führen. Aus diesem Grunde wird von der herrschenden Meinung im Schrifttum im Falle der negativen Fortbestehensprognose eine Bewertung der Vermögensgegenstände nach Veräußerungswerten befürwortet (vgl. Meister a.a.O. S. 541 f.; Schulze/Osterloh, Festschrift Goerdeler 1987, 531, 537 f.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 11 Rdn. 89; Crezelius, DStR 1987, 743, 748; aus dem bilanzrechtlichen Schrifttum: vgl. z.B. Küting/Weber/Ellerich, Handbuch der Rechnungslegung, 3. Aufl. 1990, § 242 HGB Rdn. 8). Der Senat schließt sich dieser folgerichtigen Bewertungsmethode an, die für diesen Sonderfall regelmäßig zu einer wirklichkeitsnahen Bewertung des Anlagevermögens führt. Ausgehend hiervon ist der Ansatz von Veräußerungswerten durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden, weil es mit Recht davon ausgegangen ist, die Finanzkraft der Gemeinschuldnerin habe bereits im Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zur Fortführung des Unternehmens ausgereicht. Für eine aussichtslose Lage der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Eintragung spricht schon, daß in den lediglich vier Monaten zwischen Gründung und Eintragung nicht nur das gesamte Stammkapital aufgezehrt war, sondern darüber hinaus die Gesellschaft noch weitere erhebliche Verluste erlitten hatte, und zwar auch dann, wenn man zu ihren Gunsten hypothetisch die umstrittenen 10.039,45 DM berücksichtigt (vgl. zu diesem Denkansatz: Meister a.a.O., S. 542). Schon angesichts der Tatsache, daß die weitere Entwicklung zu einer gravierenden Überschuldung mit anschließendem Konkurs in rund sieben Wochen nach der Eintragung geführt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die im Rahmen der Unterbilanzhaftung nachzuschießenden Beträge bei den Gesellschaftern hätten realisiert werden können. Hierzu hat der Beklagte vor dem Konkursrichter eingeräumt, selbst außer dem erheblich belasteten Grundstück über kein weiteres Vermögen verfügt zu haben, während die Mitgesellschafter sogar Schulden von jeweils 150.000,– DM gehabt hätten; einer der Mitgesellschafter habe zudem vor einem Jahr die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Im übrigen hat der Kläger vorgetragen, daß weder Folgeaufträge zur Verminderung oder gar zum Ausgleich der bestehenden Unterbilanz noch eine nachvollziehbare Kalkulation der Preise vorhanden waren, ohne daß der Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin dem hinreichend substantiiert entgegengetreten ist. Im Hinblick hierauf war die Schlußfolgerung berechtigt, daß der Gemeinschuldnerin wegen des Fehlens eines tragfähigen Unternehmenskonzepts selbst im Falle der Auffüllung des Stammkapitals durch die Gesellschafter keine günstige Fortbestehensprognose gestellt werden konnte. Die nicht vollständige Ausschöpfung des Kreditrahmens ändert an dieser negativen Prognose nichts, weil keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, wie sich lediglich durch Zuführung weiterer Kreditmittel die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin dauerhaft hätte verbessern können.

Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Bemessung der Veräußerungswerte selbst bestehen keine rechtlichen Bedenken, zumal sich das Oberlandesgericht auf ein erstinstanzliches Sachverständigengutachten gestützt hat.

Die in diesem Zusammenhang gegen die Verwertung des Sachverständigengutachtens erhobenen Verfahrensrügen der Revision erachtet der Senat für nicht durchgreifend (§ 565a ZPO).

II. Zur Anschlußrevision des Klägers:

1. Zu Unrecht rügt die Anschlußrevision, das Berufungsgericht habe in Verkennung der Darlegungs- und Beweislast die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der V. Bank in der Vorbelastungsbilanz von 6.006,98 DM auf den vom Beklagten behaupteten Stichtagssaldo von 2.934,89 DM herabgesetzt. Nach dem allgemeinen prozessualen Grundsatz, wonach der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, traf hier den Konkursverwalter als Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit des Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Unterbilanzhaftung. Umstände, die ein Abweichen von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß es ihm als Konkursverwalter nicht möglich war, genauso wie hinsichtlich des Kredits der D. Bank auch bei der V. Bank die Höhe der Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Eintragung zu ermitteln und unter Vorlage von Kontoauszügen im einzelnen darzulegen.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Anschlußrevision auch dagegen, daß das Berufungsgericht in der Vorbelastungsbilanz einen Teilbetrag von 13.027,– DM nicht als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen berücksichtigt hat. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung vom 30. Mai 1996 das Beklagtenvorbringen, wonach die dem Forderungsbetrag zugrundeliegenden Ansprüche der Subunternehmer erst Ende Juli 1994 vereinbarungsgemäß fällig wurden, ausdrücklich nicht mehr bestritten. Die vom Kläger anhand einer Durchschnittsrechnung vorgenommene Verteilung der erst am Monatsende fälligen Gesamtbezüge auf den Zeitabschnitt bis zum 11. Juli 1994 ist nicht zulässig, weil es sich nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts gerade nicht um bis zum Stichtag erbrachte, selbständig abrechenbare und damit in der Vermögensbilanz zu passivierende Teilleistungen handelte.

 

Unterschriften

Röhricht, Prof. Dr. Henze, Dr. Goette, Dr. Kapsa, Dr. Kurzwelly

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.09.1997 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

HFR 1998, 492

NJW 1998, 233

KTS 1998, 219

MittRhNotK 1998, 59

NZG 1998, 102

WuB 1998, 119

ZIP 1997, 2008

MDR 1998, 113

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