Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung eines schuldrechtlichen Rechts zum Besitz zwischen dem Eigentümer eines Grundstücks und dem Besitzer begründet gegen den Erwerber des Grundstücks nur unter den Voraussetzungen von § 571 Abs. 1 BGB ein Recht zum Besitz.

 

Normenkette

BGB § 986 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg

LG Regensburg

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 2. Mai 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte für den Zeitraum vom 16. März 1995 bis zum 3. Februar 1999 zur Zahlung von 69.900 DM Nutzungsentschädigung verurteilt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 30. November 1999 dahin abgeändert, daß die Klage auch in diesem Umfang abgewiesen wird.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Nutzungsersatz für ein Grundstück.

H. E. war Eigentümer eines mit einem Lagergebäude bebauten Grundstücks. Das Grundstück wurde 1988 zwangsversteigert. Der Zuschlag erfolgte an seinen Neffen, M. E.. Er sollte das Grundstück nach wirtschaftlicher Erholung von H. E. auf diesen zurückübertragen. H. E. blieb im Besitz des Grundstücks. An M. E. zahlte er zunächst monatlich 1.400 DM. Mit der Behauptung, H. E. habe die geschuldete Zahlung nicht mehr erbracht, verlangte M. E. im Verfahren 4 O 1524/91 des Landgerichts Regensburg von H. E. die Herausgabe des Grundstücks. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 3. September 1992 beendeten die Prozeßparteien den Rechtsstreit durch gerichtlich protokollierten Vergleich. In diesem heißt es:

„1. Der Kläger (M. E.) verpflichtet sich, bis 30.09.1992 an den Beklagten (H. E.) das durch Zwangsversteigerung (Az.: K 239/85) erworbene Grundstück, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Regensburg für S., Flurstück-Nr.: zu übereignen.

2. Der Kläger verpflichtet sich, das Grundstück lastenfrei zu übertragen.

3. Der Beklagte verpflichtet sich, hierfür zu bezahlen 232.500,– DM (i.W.: zweihundertzweiunddreißigtausendfünfhundert Deutsche Mark), die im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung auf ein Anderkonto einzubezahlen sind und mit Eintragung der Auflassungsvormerkung und Löschung der Grundpfandrechte zur Auszahlung kommen sollen.

4. Mit dieser Vereinbarung sind erledigt das klagegegenständliche Räumungsbegehren, die Abrechnung aus dem Versteigerungsvorgang aus dem Jahr 1988 sowie auch die Abrechnung aus einer wie auch immer zu bezeichnenden Zahlung von 30.000,– DM seitens des Beklagten an den Kläger. Weitere Ansprüche zwischen den Parteien bestehen nicht mehr.

……”

Die Auflassung des Eigentums an H. E. erfolgte nicht. Er blieb jedoch im Besitz des Grundstücks. Durch Vertrag vom 10. November 1993 vermietete H. E. es bis zum Ablauf des 31. Dezember 2003 für monatlich 1.500 DM an die von ihm als Geschäftsführer vertretene Beklagte.

Mit Schreiben vom 12. Juli 1994 an die Beklagte kündigte M. E. „die genutzten Lagerräume” und verlangte die Herausgabe des Grundstücks bis zum 1. August 1994. Durch Vertrag vom 15. Dezember 1994 verkaufte er das Grundstück dem Kläger und ließ diesem das Eigentum auf. Am 16. März 1995 wurde der Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Mit der am 4. Februar 1999 der Beklagten zugestellten Klage hat er die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe des Grundstücks und zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 1.500 DM seit dem 1. Januar 1995 bis zur Räumung des Grundstücks verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Herausgabe und zur Zahlung des verlangten monatlichen Betrages seit dem 16. März 1995 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision der Beklagten, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage erstrebt, durch Beschluß vom 8. März 2001 nur insoweit angenommen, als die Beklagte zur Zahlung von 69.900 DM Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 16. März 1995 bis zum 3. Februar 1999 verurteilt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

I.

Über den Revisionsantrag ist, da der Revisionsbeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten war, auf Antrag der Revisionsklägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO). Das Urteil beruht allerdings nicht auf der Säumnis. Es wäre nach dem der Revisionsentscheidung gemäß § 561 ZPO zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand inhaltlich ebenso ergangen, wenn der Revisionsbeklagte nicht säumig gewesen wäre (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f).

II.

Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Zahlungsanspruch für den Zeitraum vom 16. März 1995 an als gemäß §§ 991 Abs. 1, 990 Abs. 1 Satz 2 BGB für begründet. Es meint, vom 1. Oktober 1992 an sei H. E. nicht mehr zum Besitz des Grundstücks berechtigt gewesen, weil der Vergleich vom 3. September 1992 keine Regelung zur Nutzung des Grundstücks für den Zeitraum nach September 1992 enthalte. Eine Fehlvorstellung von H. E. über seine Berechtigung zum Besitz des Grundstücks seit dem 1. Oktober 1992 sei durch die im Schreiben vom 12. Juli 1994 erklärte Kündigung und das Herausgabeverlangen aufgeklärt. Die Kenntnis von H. E., nicht mehr zum Besitz des Grundstücks berechtigt zu sein, habe sich die Beklagte zurechnen zu lassen.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

III.

1. Der Besitzer einer Sache, der das Recht zum Besitz von einem mittelbaren Besitzer ableitet, der seinerseits gegenüber dem Eigentümer nicht zum Besitz berechtigt ist, schuldet dem Eigentümer nur dann Nutzungsersatz, wenn er selbst und der mittelbare Besitzer bösgläubig sind (§ 991 Abs. 1 BGB). Bösgläubigkeit liegt vor, wenn der Besitzer das Fehlen des Rechts zum Besitz beim Erwerb des Besitzes kannte oder grob fahrlässig nicht erkannt hat (§ 990 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hat er seine Nichtberechtigung später erkannt, ist er fortan bösgläubig (§ 990 Abs. 1 Satz 2 BGB). H. E. ist Geschäftsführer der Beklagten. Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs reicht daher die Feststellung seiner Bösgläubigkeit aus. An dieser fehlt es.

a) Ein Recht der Beklagten, das sie zum Besitz des Grundstücks gegenüber dem Kläger berechtigt, besteht nicht. Sie leitet das von ihr in Anspruch genommene Recht aus dem mit H. E. am 10. November 1993 geschlossenen Mietvertrag ab. Aus diesem Vertrag folgt kein gegenüber dem Kläger wirkendes Recht zum Besitz, weil auch H. E. dem Kläger gegenüber nicht zum Besitz berechtigt ist (§ 986 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auf die Zweifel des Berufungsgerichts an der Wirksamkeit des Mietvertrages zwischen der Beklagten und H. E. kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

H. E. besaß das Grundstück zunächst als Eigentümer. Der Zuschlag des Eigentums an M. E. ließ das Recht von H. E. zum Besitz nicht entfallen, weil er sich mit M. E. über seine weitere Nutzung des Grundstücks einig war. Daß die Fortsetzung der Nutzung des Grundstücks durch H. E. auf einem Mietvertrag zwischen H. und M. E. beruhte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Den hierher gehenden Ausführungen von M. E. im Verfahren 4 O 1524/91 des Landgerichts Regensburg ist H. E. in jenem Verfahren vielmehr mit dem Vorbringen entgegengetreten, M. E. habe das Grundstück in seinem Auftrag ersteigert und es an ihn zurückübertragen müssen. Grund für seine monatlichen Zahlungen sei es gewesen, daß er sich gegenüber M. E. verpflichtet habe, diesem den mit dem Erwerb des Grundstücks für ihn verbundenen Zinsaufwand und Zinsnachteil zu erstatten. Ein Mietverhältnis mit H. E., in das der Kläger gemäß § 571 Abs. 1 BGB mit dem Erwerb des Eigentums an dem Grundstück eingetreten wäre, bestand daher nicht.

b) Durch den Vergleich vom 3. September 1992 wurde die Verpflichtung von M. E. tituliert, das Eigentum an dem Grundstück bis zum 30. September 1992 H. E. aufzulassen. Wie die Revision geltend macht, spricht manches dafür, daß die Verzögerung der Erfüllung der Verpflichtung von M. E., das Eigentum H. E. aufzulassen, nicht dazu führte, daß die Berechtigung von H. E. zum Besitz des Grundstücks mit dem Ablauf der für die Auflassung vereinbarten Frist erlosch (vgl. Senat, BGHZ 90, 269 ff). Die Bedenken der Revision gegen die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht können indessen dahingestellt bleiben: Die Vereinbarung eines über den 30. September 1992 hinaus wirkenden Besitzrechts zwischen H. und M. E. durch den Vergleich vom 3. September 1992 würde keine Wirkungen gegen den Kläger entfalten, weil eine obligatorische Vereinbarung zwischen dem Besitzer und dem Eigentümer eines Grundstücks zu dessen Nutzung gegen einen Nachfolger in das Eigentum nur unter den Voraussetzungen von § 571 Abs. 1 BGB ein Recht zum Besitz begründet (Staudinger/Gursky, BGB [1999], § 986 Rdn. 14, 59 f; ferner Erman/Hefermehl, BGB, 10. Aufl., § 986 Rdn. 4, 9; MünchKomm-BGB/Medicus, 3. Aufl., § 986 Rdn. 14, 20; Soergel/Mühl, BGB, 12. Aufl., § 986 Rdn. 5, 18) und es hieran fehlt.

c) Auch aus der am 1. Januar 1999 außer Kraft getretenen Vorschrift von § 419 BGB folgt nichts anderes. Es fehlt schon an den Voraussetzungen, von denen die in § 419 BGB bestimmte Rechtsfolge abhängig war. Erschöpfte sich das Vermögen des Übertragenden in einzelnen Gegenständen, haftete deren Erwerber Sachen nur dann nach § 419 BGB, wenn er wußte, daß die übertragenen Gegenstände das Vermögen des Veräußerers im wesentlichen ausmachten (st. Rspr., vgl. RGZ 76, 1, 4; 134, 121, 125; 154, 370, 375; 160, 7, 14; BGHZ 55, 105, 107; BGHZ 77, 293, 295). Daß diese Kenntnis beim Kläger vorhanden gewesen wäre, hat die Beklagte bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht behauptet.

d) H. E. hat keine Kenntnis davon erlangt, nicht zum Besitz des Grundstücks berechtigt zu sein. Die Feststellung des Berufungsgerichts, H. E. habe die Beendigung seines Rechtes zum Besitz des Grundstücks aus dem Schreiben vom 12. Juli 1994 entnommen (§ 990 Abs. 1 Satz 2 BGB), hält nämlich dem Angriff der Revison nicht stand.

Ein Mietverhältnis zwischen M. E. und der Beklagten, das M. E. hätte kündigen können, hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Verpflichtet sich der Eigentümer eines Grundstücks, dem Besitzer das Eigentum innerhalb einer bestimmten Frist aufzulassen, liegt die Annahme fern, nach dem Ablauf der für die Auflassung vereinbarten Zeit habe der Besitzer das Grundstück dem Eigentümer herauszugeben. Daß H. E. dieser Auffassung gewesen wäre, ist nicht vorgetragen. Daß M. E., obwohl er zur Auflassung des Grundstücks an H. E. verpflichtet war, dessen Herausgabe verlangte, erlaubt keinen Schluß darauf, H. E. habe erkannt, nicht mehr zum Besitz des Grundstücks berechtigt zu sein. Selbst wo es an einem Recht des Besitzers zum Besitz fehlt, führt allein das Verlangen des Eigentümers, die Sache herauszugeben, nicht dazu, daß der Besitzer fortan vom Fehlen seiner Berechtigung zum Besitz Kenntnis hätte.

Hieran änderte auch der Erwerb des Eigentums an dem Grundstück durch den Kläger nichts. Daß H. E. erkannt hätte, daß das von ihm angenommene Recht zum Besitz des Grundstücks nicht gegen den Kläger wirkt, ist nicht behauptet.

2. Die Höhe der für die Nutzung des Grundstücks angemessenen Entschädigung haben die Parteien mit monatlich 1.500 DM unstreitig gestellt. Auf den Zeitraum vom 16. März 1995 bis zum 3. Februar 1999 entfallen damit 69.900 DM. In dieser Höhe ist die Klage nicht begründet.

 

Unterschriften

Wenzel, Schneider, Krüger, Klein, Gaier

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.06.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 625276

DB 2001, 2038

NJW 2001, 2885

BGHR 2001, 816

BGHR

BauR 2002, 362

DWW 2001, 333

DWW 2002, 124

EWiR 2001, 949

NZM 2001, 867

Nachschlagewerk BGH

WM 2001, 1913

ZMR 2001, 791

ZMR 2001, 936

ZfIR 2001, 731

DNotZ 2001, 801

JA 2002, 270

JuS 2001, 1123

WuM 2001, 490

JURAtelegramm 2002, 93

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