Leitsatz (amtlich)

Die vom Senat aus § 242 BGB entwickelten Grundsätze zur Unwirksamkeit des formelhaften Ausschlusses der Gewährleistung für Sachmängel in einem notariellen Individualvertrag gelten auch beim Erwerb einer Eigentumswohnung, die durch Umwandlung eines Bungalows in ein Haus mit zwei Eigentumswohnungen geschaffen worden ist (im Anschluß an Senatsurteile BGHZ 100, 391; 101, 350; NJW 1988, 1972).

 

Normenkette

BGB §§ 633 ff.; BGB §§ 459 ff.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 13.05.1997; Aktenzeichen 4 O 34/86)

OLG Köln (Urteil vom 12.04.1988; Aktenzeichen 9 U 131/87)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. April 1988 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte und der inzwischen verstorbene D. waren Miteigentümer eines Bungalows in K., den sie 1984 um ein Geschoß aufstockten und – nach Errichtung einer durchgehenden Trennwand und Ausführung zahlreicher Renovierungsarbeiten – in zwei Eigentumswohnungen aufteilten. Die in der rechten Haushälfte gelegene Wohnung, die wie die andere Wohnung nur durch einen gemeinsamen Hauseingang zu erreichen ist, erwarben der Kläger und seine Ehefrau zum Preis von 450.000 DM. In dem von Notar Dr. B. in K. beurkundeten „Kaufvertrag” vom 27. August 1984 – ergänzt durch Vertrag vom 24. Oktober 1984 – wurde in den Abschnitten III 2 und IV 1 folgendes vereinbart:

„Der Verkäufer verpflichtet sich, auf seine Kosten bis zu dem nachstehenden Fälligkeitstermin folgende Arbeiten am Sondereigentum bzw. Gemeinschaftseigentum ausführen zu lassen:

Fertigstellung der Fassade, Streichung des Außengatters (schwarz/anthrazit), der Anstrich der Garage, Estricharbeiten, Hinterlassung aller Räume in weiß glatt, Anbringung von drei Fensterbänken, Tiefe 20 cm über die gesamte Breite in Marmor weiß und Einbau einer Treppe mit Geländer vom Erd- zum Obergeschoß.

Der Verkäufer haftet nicht für sichtbare oder unsichtbare Sachmängel. Insbesondere übernimmt er keine Gewährleistung für den baulichen Zustand sowohl der im Sondereigentum stehenden als auch der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Räume und Gebäudeteile. Der Käufer hat diese besichtigt; er kauft sie im gegenwärtigen Zustand. Der Verkäufer versichert, daß ihm versteckte Mängel nicht bekannt sind. Für die vorbezeichneten vom Verkäufer durchzuführenden Arbeiten haftet dieser nach den gesetzlichen Vorschriften.”

Die in der linken Haushälfte gelegene, nur über den gemeinsamen Eingang erreichbare Wohnung konnte zunächst nicht veräußert werden. Ein vom Beklagten zugezogener Architekt schlug deshalb vor, an der vom Kläger und seiner Ehefrau erworbenen Wohnung einen Wintergarten mit einem neuen Wohnungseingang zu errichten. Die Parteien schlossen daraufhin handschriftlich am 15. September 1985 folgenden „Vertrag”:

„Herr S. (= Bekl.) ist Inhaber der linken Haushälfte des Hauses ….

Die Eheleute M. (= Kl.) sind Inhaber der rechten Haushälfte ….

Herr S. wünscht die Genehmigung der Eheleute M., auf deren Grundstück einen zweiten Eingang zu errichten … .

Als Wohnungseingang wurde von Herrn S. folgendes vorgeschlagen:

Es wird ein Wintergarten errichtet, das vollkommen verglast wird. Der Wintergarten entsteht neben der jetzigen Küche auf dem Gartengrundstück. Als Wohnungseingang wird eine Holztüre, nach vorheriger Absprache, eingesetzt. Als Hauseingang wird eine Eisentüre, nach vorheriger Absprache, eingesetzt.

Als zweckmäßig wird vereinbart, das zum Garten liegende Küchenfenster herauszubrechen und eine gebogte Tür zu errichten. Hierfür müssen alle elektrischen Leitungen und Wasseranschlüsse geändert werden. Die vorhandene Einbauküche muß ebenfalls … neu eingepaßt werden.

Nach erfolgtem Umbau wird die Küche in seinem jetzigen Zustand wieder übergeben. Die neu errichteten Räume, d. h. der geplante Wintergarten wird in bezugsfertigem Zustand übergeben ….

Alle Arbeiten werden von einem gemeinsamen Architekten überwacht …. Die Arbeiten müssen zügig verrichtet werden … .

Die Kosten für den Gesamtumfang der erforderlichen Arbeiten bis zur Bezugsfertigkeit werden von Herrn S. alleine getragen.

Nach erfolgter Umbautätigkeit und Erfüllung aller nötigen Maßnahmen zahlen die Eheleute M. einen Kostenbeitrag von 2.500 DM an Herrn S.

Alle Beschädigungen, die während den Umbauarbeiten entstehen, werden von Herrn S. auf seine Kosten beseitigt.”

Vor Beginn der Umbauarbeiten wurde die zweite Wohnung veräußert. Der Beklagte sah deshalb davon ab, den für die Wohnung des Klägers geplanten besonderen Eingang zu errichten.

Der Kläger, der sich etwaige Ansprüche seiner Ehefrau hat abtreten lassen, verlangt mit der Klage Zahlung der durch den Bau des Eingangsbereichs entstehenden Kosten in Höhe von 45.250 DM nebst Zinsen. Hilfsweise macht er einen Gewährleistungsanspruch wegen mangelhafter Schallisolierung der zwischen den beiden Wohnungen errichteten Trennwand geltend.

Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, die der Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, der Kläger habe nicht bewiesen, daß sich der Beklagte in dem Vertrag vom 15. September 1985 bindend zum Bau eines Wintergartens mit Eingangsbereich verpflichtet habe. Dem Kläger stünden deshalb Ansprüche aus dieser Abrede nicht zu. Dem Wortlaut des Vertrags könne nur entnommen werden, daß der Kläger und seine Ehefrau den vom Beklagten gewünschten Umbau ihrer Haushälfte dulden würden, sofern der Beklagte bestimmte Auflagen einhalte. Für diese Auslegung spreche, daß der Beklagte einen Architekten mit der Planung des Umbaus beauftragt habe und wegen der beabsichtigten Veräußerung der zweiten Wohnung an dem Bau eines weiteren Eingangs besonders interessiert gewesen sei. Eine vom Text des Vertrags abweichende Einigung zwischen den Parteien habe der Kläger ebenfalls nicht nachgewiesen. Die Aussage seiner als Zeugin vernommenen Ehefrau sei – abweichend von der Beweiswürdigung durch das Landgericht – insoweit unergiebig. Eine neue Vernehmung dieser Zeugin sei nicht notwendig gewesen, weil es allein um die objektive Auswertung des Inhalts ihrer protokollierten Aussage gehe. Gleiches gelte für die Zeugin B., da auch ihre Aussage für die Beweisfrage unergiebig sei.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zweifelhaft ist bereits, ob der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag vom 15. September 1985 nach seinem Wortlaut lediglich eine „Duldungsvereinbarung” darstellt, aus der der Kläger keine Ansprüche herzuleiten vermag. Zwar fehlt in diesem Vertrag eineausdrückliche Verpflichtung des Beklagten zum Bau eines neuen Eingangsbereichs in der Wohnung des Klägers. Auch wird zu Beginn der Vereinbarung ausgeführt, daß der Beklagte die „Genehmigung der Eheleute M. wünscht”, auf deren Grundstück einen zweiten Eingang nach seinen Vorschlägen zu errichten. Dennoch kann dem Vertrag aufgrund der gebotenen Auslegung entnommen werden, daß sich der Beklagte zur Übernahme der Arbeiten verpflichtet hat. So werden die Umbaumaßnahmen, die der Beklagte weitgehend auf seine Kosten durchführen lassen sollte, im einzelnen beschrieben. Auch wurde vereinbart, daß „nach erfolgtem Umbau” Küche und Wintergarten (vom Beklagten dem Kläger) übergeben werden, (vom Beklagten) für einen Stromanschluß gesorgt wird und die Arbeiten von einem gemeinsamen Architekten überwacht werden.

2. Sprechen somit aufgrund des Vertragstexts gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte eine Verpflichtung gegenüber dem Kläger übernommen hat, kommt den für eine Auslegung des Vertrags ebenfalls maßgebenden Begleitumständen bei Vertragsabschluß besondere Bedeutung zu. Das Berufungsgericht hätte deshalb die in diesem Zusammenhang bedeutsamen Tatsachen im einzelnen aufklären müssen. Insbesondere durfte es ohne erneute Beweisaufnahme nicht davon ausgehen, daß die Aussagen der Zeuginnen M. und B. „unergiebig” seien.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung muß das Berufungsgericht einen in erster Instanz vernommenen Zeugen erneut hören, wenn es seine Glaubwürdigkeit anders beurteilen will als der Erstrichter. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen will als der Richter der Vorinstanz. Eine solche von der Würdigung durch das Erstgericht abweichende Bewertung einer Zeugenaussage liegt vor allem dann vor, wenn das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen für zu vage hält (BGH NJW 1982, 1052, 1053 m.w.N.).

b) So ist es hier. Das Landgericht nimmt an, die Zeugin M. habe klar und unmißverständlich bekundet, daß über die Umbaumaßnahmen eine Einigung erzielt worden sei. Diese Aussage sieht es durch die Aussage der Zeugin B. gestützt. Bei dieser Sachlage durfte das Berufungsgericht die protokollierten Bekundungen der Zeuginnen ohne erneute Vernehmung nicht als „unergiebig” bezeichnen. Auch kann es die Aussage der Zeugin M., es habe ein Versprechen des Beklagten vorgelegen, das dieser habe einlösen müssen, nicht als Wertung abtun. Vielmehr hätte es die von ihm vermißten „Fakten”, die „geeignet waren, diese Wertung nachvollziehbar zu machen”, durch eine erneute Vernehmung der Zeugin erfragen und feststellen und – hiervon ausgehend – den Vertrag vom 15. September 1985 auslegen müssen.

II.

Das Berufungsgericht führt weiter aus, dem Kläger stünden auch die hilfsweise geltend gemachten Gewährleistungsansprüche wegen mangelhafter Schallisolierung der Trennwand nicht zu. Die Parteien hätten einen Kaufvertrag über ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude geschlossen; diesen Vertrag hätten sie einheitlich Kaufrecht unterstellen wollen. Die §§ 633 ff BGB seien daher nicht anwendbar, zumal der Vertrag über die Umbauarbeiten nichts sage und eine Herstellungsverpflichtung des Beklagten nicht Vertragsgegenstand sei. Etwaige nach Kauf recht zu beurteilende Gewährleistungsansprüche des Klägers seien durch Abschnitt IV 1 des notariellen Vertrags wirksam ausgeschlossen. Die Berufung des Klägers auf eine Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses wegen unzureichender Aufklärung sei fehlerhaft und entbehre der Substantiierung. Mangels Sachvortrags zum Verlauf der Beurkundungsverhandlung lasse sich nicht beurteilen, ob der Kläger und seine Ehefrau eingehend und ausführlich genug über die Rechtsfolgen der Vertragsklausel aufgeklärt worden seien.

Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats richten sich etwaige Ansprüche des Erwerbers aus Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht. Dabei ist ohne Bedeutung, ob das Bauwerk bei Vertragsschluß bereits fertiggestellt war und die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben. Entscheidend ist allein, daß sich aus dem Inhalt derartiger Verträge, aus ihrem Zweck und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage die Verpflichtung des Veräußerers zu (mangelfreier) Errichtung des Bauwerks ergibt (zuletzt Senatsurteile NJW 1987, 2373, 2374 m.w.N.; BGHZ 101, 350, 352). Ein solcher nach Werkvertragsrecht zu beurteilender Erwerbsvertrag liegt auch dann vor, wenn ein Altbau in Eigentumswohnungen umgewandelt wird und mit dem „Verkauf” der Wohnungen eine Herstellungsverpflichtung des Veräußerers verbunden ist (Senatsurteil BGHZ 100, 391, 396 f). Gleiches gilt, wenn der Veräußerer in einem früher gewerblich genutzten Gebäudeteil nach entsprechenden Umbauarbeiten eine Eigentumswohnung erstellt (Senatsurteil NJW 1988, 1972).

Danach ist der zwischen den Parteien geschlossene „Kaufvertrag” vom 27. August/24. Oktober 1984 über die Eigentumswohnung nach Werkvertragsrecht zu beurteilen. Die von dem Kläger und seiner Ehefrau erworbene Wohnung wurde von dem Beklagten und dem damaligen Miteigentümer D. in einem Bungalow errichtet. Der Fertigstellung der Wohnung gingen umfangreiche Umbauarbeiten voraus, weil das Haus mit einem weiteren Geschoß versehen und durch eine Trennwand in ein Zweifamilienhaus umgewandelt wurde. Diese Arbeiten, die bei Veräußerung der Wohnung noch nicht abgeschlossen waren und zu deren Fertigstellung sich der Veräußerer in Abschnitt III 2 des Vertrags ausdrücklich verpflichtete, sind nach Umfang und Bedeutung den Bauarbeiten an einem Neubau vergleichbar. Sie stellen daher „Arbeiten bei Bauwerken” im Sinne des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, für die den Veräußerer eine Gewährleistungspflicht nach Werkvertrags recht trifft und für die grundsätzlich eine fünfjährige Gewährleistungsfrist gilt.

Dem Umstand, daß der beurkundende Notar Dr. B. diesen Vertrag ausdrücklich als „Kaufvertrag” bezeichnet hat, kommt keine rechtliche Bedeutung zu. Die zu veräußernde Wohnung war bei Vertrags Schluß – wie sich aus Abschnitt III 2 des Vertrags ergibt – noch nicht einmal fertiggestellt; der Beklagte und D. übernahmen als „Verkäufer” ausdrücklich die Verpflichtung, bestimmte Arbeiten am Sondereigentum bzw. Gemeinschaftseigentum noch ausführen zu lassen. Der Vertrag, der eindeutig eine Herstellungsverpflichtung des Veräußerers enthält, kann daher schon aus diesem Grund nicht als Kaufvertrag angesehen werden.

2. Etwaige Gewährleistungsansprüche des Klägers und seiner Ehefrau aus dem Vertrag vom 27. August/24. Oktober 1984, die der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen, sind somit noch nicht verjährt. Ob ihnen der in Abschnitt IV 1 des Vertrags enthaltene Gewährleistungsausschluß entgegensteht, kann nicht abschließend beurteilt werden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein formelhafter Ausschluß der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter oder noch zu errichtender Eigentumswohnungen und Häuser auch in einem notariellen Individualvertrag gemäß § 242 BGB unwirksam, wenn die Freizeichnung nicht mit dem Erwerber unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert worden ist (BGHZ 101, 350, 354/355 mit zustimmenden Nachweisen aus dem Schrifttum; NJW 1988, 1972).

b) An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum erneut Zustimmung gefunden hat (vgl. Emmerich JuS 1988, 311, 312; Schlosser JR 1988, 329), hält der Senat trotz der auch neuerdings geäußerten Kritik fest.

Der Einwand, die Rechtsprechung des Senats sei mit der Vertragsfreiheit nicht zu vereinbaren (Medicus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge (1989) S. 22 f; Zöllner JuS 1988, 329, 333; vgl. auch Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 2. Aufl. (1989), § 1 Rdn. 51), übersieht, daß es – worauf bereits in BGHZ 101, 350, 355 f hingewiesen wurde – weiterhin möglich ist, in notariellen Individualverträgen wirksam einen Gewährleistungsausschluß zu vereinbaren. Diese Frei Zeichnung des Veräußerers ist allerdings nach Treu und Glauben so auszugestalten, daß Umfang und Tragweite von dem Erwerber erkannt und überblickt werden können. Die Rechtsfolgen des Gewährleistungsausschlusses müssen dem Erwerber – abgestimmt auf den Einzelfall – in einer für ihn verständlichen Sprache gewissermaßen „vor Augen geführt” werden. Er muß auch als juristisch nicht vorgebildeter Laie erkennen können, daß ihm aufgrund der getroffenen Vereinbarung bei etwaigen Mängeln des erworbenen Hauses oder der erworbenen Eigentumswohnung keinerlei Ansprüche gegen den Veräußerer zustehen. Wird der Erwerber dagegen durch eine formelhafte, aus Formularverträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen entnommene Klausel „überrumpelt”, die den Anschein der Rechtmäßigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit verbreitet und deren Tragweite er nicht durchschaut, kann sie nur Bestand haben, wenn der – entgegen Lieb (DNotZ 1989, 274, 291, 294) durchaus schutzbedürftige – Erwerber über die einschneidenden Folgen einer solchen Regelung aufgeklärt wurde. Das ergibt sich – wie der Senat stets betont hat – aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Da Verträge über den Erwerb von Häusern oder Eigentumswohnungen gemäß § 313 BGB der notariellen Beurkundung bedürfen, ist es nur sachgerecht, daß diese Aufklärung jedenfalls auch der beurkundende Notar übernimmt. Denn dieser ist nach § 17 BeurkG und aufgrund der ihm obliegenden allgemeinen Betreuungspflicht ohnehin zur Belehrung verpflichtet, wenn er aufgrund besonderer Umstände annehmen muß, einem Beteiligten drohe Schaden (BGH NJW 1985, 1225; 1989, 586, jeweils m.w.N.). Durch eine solche Aufklärungspflicht wird weder die Ausübung der Privatautonomie unangemessen eingeschränkt (anders Medicus aaO S. 22) noch die Eigenverantwortlichkeit der Vertragsschließenden verschoben (so aber Lieb aaO S. 286, 294). Auch wird dadurch keineswegs etwa – wie Kanzleiter (DNotZ 1989, 301, 305) und Lieb (aaO S. 293) befürchten – die Unparteilichkeit des Notars in Frage gestellt.

Der weitere Einwand, der Gesetzgeber habe die Belehrungsbedürftigkeit der Parteien bei Grundstücksgeschäften abschließend durch § 313 BGB, §§ 17 bis 21 BeurkG geregelt (Roth BB 1987, 977, 982; Medicus aaO S. 23), beachtet nicht, daß die infrage stehenden Verträge nicht nur Kaufverträge über Grundstücke oder Eigentumswohnungen darstellen. In dem Vertrag über die Veräußerung eines neu errichteten Hauses oder einer neu errichteten Eigentumswohnung übernimmt der Veräußerer vielmehr auch eine Verpflichtung zur mangelfreien Herstellung des Bauwerks. Will er sich von der Gewährleistung gerade für Bauwerksmängel freizeichnen, reicht im Hinblick auf die schwerwiegenden Rechtsfolgen einer solchen Frei Zeichnung für den Erwerber lediglich die Beurkundung des formelhaften Gewährleistungsausschlusses – die bei Grundstückskaufverträgen hingenommen werden mag – nicht aus.

Schließlich wird durch die Rechtsprechung des Senats auch nicht die Gefahr heraufbeschworen, daß der Vertragsteil, der am Vertrag nicht festhalten will, unter Berufung auf Formelhaftigkeit und unzulängliche Belehrung die Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel einklagt (Brambring DNotZ 1988, 296, 298). Sollte diese Gefahr bestehen, ließe sie sich dadurch vermeiden, daß der beurkundende Notar das „vor und beim Vertragsabschluß selbstverständlich” geführte Gespräch über den Haftungsausschluß, das Einverständnis des Erwerbers hiermit und die Belehrung des Notars beweiskräftig dokumentiert (vgl. Brambring DNotZ 1987, 775, 776). Dann kann sich der Erwerber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats nicht auf eine Unwirksamkeit der Klausel berufen.

c) Der Gewährleistungsausschluß, der in Abschnitt IV 1 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrags vereinbart wurde, ist eine formelhafte Klausel im Sinne der Senatsrechtsprechung. Der Senat hat bereits in BGHZ 101, 350, 356 einen Gewährleistungsausschluß für „sichtbare Sachmängel” als formelhafte Klausel angesehen. Auch die im Streitfall verwendete Formulierung stellt eine solche formelhafte Klausel dar; denn der Beklagte soll danach – wie in Formularverträgen häufig vereinbart – für etwaige Mängel der erstellten Wohnung keinerlei Haftung übernehmen, ausgenommen für Mängel der noch durchzuführenden Arbeiten. Für die Wirksamkeit dieses Gewährleistungsausschlusses ist daher entscheidend, wie die Klausel zustande gekommen ist, insbesondere ob die Freizeichnung mit dem Kläger und seiner Ehefrau unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen erörtert worden ist.

Darüber hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies ist, falls sich der Klageanspruch nicht schon aus der Vereinbarung der Parteien vom 15. September 1985 (vorstehend Ziffer I.) herleiten lassen sollte, nachzuholen. Dabei kommt es – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht darauf an, daß der Kläger als Erwerber die unzureichende Aufklärung substantiiert vorträgt. Vielmehr muß der Veräußerer darlegen und beweisen, daß der Notar die Erwerber ordnungsgemäß belehrt und aufgeklärt hat (Senatsurteil NJW 1984, 2094, 2095; Baumgärtel ZfBR 1988, 101, 103). Aufgrund dieses Vortrags wird das Berufungsgericht festzustellen haben, wann die Erwerber von dem Wunsch des Veräußerers erstmals erfahren haben, jede eigene Haftung für Sachmängel an dem Umbau, soweit er bereits fertiggestellt war, auszuschließen, was vor und beim Vertrags Schluß über die Freizeichnung gesprochen wurde und wie der beurkundende Notar Dr. B. den Kläger und seine Ehefrau belehrt hat.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Da hinreichende tatrichterliche Feststellungen fehlen, ist der Senat zu eigener abschließender Entscheidung nicht in der Lage (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Girisch, Obenhaus, Walchshöfer, Thode, Haß

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.06.1989 durch Werner Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512610

BGHZ

BGHZ, 164

NJW 1989, 2748

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1989, 1200

DNotZ 1990, 96

JuS 1990, 141

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