Leitsatz (amtlich)

Vereinbaren die Parteien eines VOB-Pauschalpreisvertrages nach Vertragsschluß, daß der Auftragnehmer einen Teil der geschuldeten Leistung nicht ausführen soll, ohne die Rechtsfolgen für die vereinbarte Vergütung zu regeln, so sind diese durch Auslegung dieser Vereinbarung zu ermitteln. § 2 Nr. 4 VOB/B umfaßt diesen Fall nicht.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; VOB/B § 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Aktenzeichen 4 U 30/98)

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 11 O 47/97)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 4. Juni 1998 aufgehoben, soweit in Höhe von 160.812,97 DM und Zinsen zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte beauftragte die Klägerin als Nachunternehmerin 1995 mit Installationsarbeiten zu einem Pauschalfestpreis von 2.887.906,85 DM. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Die im Leistungsverzeichnis beschriebenen Leistungen wurden teilweise von der Klägerin nicht erbracht. Die Beklagte hat deshalb die Schlußrechnungen der Klägerin um 160.812,97 DM gekürzt. Die Parteien streiten in der Revision um die Berechtigung dieses Abzugs.

Die Klägerin wendet hiergegen u.a. ein, die Beklagte habe die Forderung anerkannt. Sie habe die Beklagte unter Klageandrohung aufgefordert, bis zum 17. Januar 1997 den noch offenen Betrag von 446.416,95 DM aus den Schlußrechnungen zu zahlen. Der Prokurist D. der Beklagten habe mit Schreiben vom 28. Januar 1997 geantwortet, er habe mit Bedauern feststellen müssen, daß der Restbetrag in Höhe von 446.416,95 DM noch nicht beglichen worden sei. Auch die Forderungen der Beklagten bzgl. des Bauvorhabens seien noch nicht beglichen worden, so daß man die Rechnung der Klägerin nicht habe bezahlen können. Man sei bereit, gemeinsam einen konkreten Zahlungsplan auszuarbeiten.

Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 4. Februar 1997, sie sei mit einer „erneuten Verschleppung” der Bezahlung ihrer Schlußrechnungen nicht einverstanden und habe einen Rechtsanwalt mit der Klageerhebung beauftragt.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Beklagte zur Zahlung verurteilt und dabei den von der Beklagten vorgenommenen Abzug als unbegründet angesehen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte Klageabweisung in Höhe von 160.812,97 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt im beantragten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Das Berufungsgericht hat der Beklagten den Einwand, die Klägerin habe die vertraglich geschuldeten Leistungen teilweise nicht erbracht, mit der Begründung versagt, die Beklagte habe die restliche Werklohnforderung der Klägerin anerkannt. Sie habe im Schreiben vom 28. Januar 1997 einen „Restbetrag von 446.416,95 DM” einschränkungslos als noch offen bestätigt und sich im wesentlichen nur auf Geldmangel berufen. Hierin liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.

2. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein kausales (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis voraus, daß die Parteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 1998 - VII ZR 236/96, BauR 1998, 579 = ZfBR 1998, 186, 191 m.w.N.).

b) Eine derartige vertragliche Einigung der Parteien hat weder das Berufungsgericht festgestellt noch eine der Parteien vorgetragen. Das Berufungsgericht erblickt im Schreiben der Beklagten vom 28. Januar 1997 ersichtlich ein Angebot auf Abschluß eines solchen Vertrages. Das begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken, kann aber auf sich beruhen. Denn die Klägerin hat ein etwaiges Angebot auf Abschluß eines Anerkenntnisvertrages nicht angenommen. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 4. Februar 1997 das vermeintliche Angebot der Beklagten als Versuch einer „erneuten Verschleppung” zurückgewiesen und Klage erhoben.

II.

Das angefochtene Urteil ist auch im Ergebnis nicht richtig (§ 563 ZPO).

1. Das Berufungsgericht läßt im Ergebnis offen, ob die Beklagte zur Kürzung der vereinbarten Pauschalvergütung berechtigt ist. Es meint, die Beklagte könne für die Minderleistungen keine Herabsetzung der Vergütung gemäß § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 VOB/B verlangen, weil der von ihr geltend gemachte Minderungsbetrag die Risikogrenze nicht erreiche. Ob für den von der Beklagten behaupteten Fall, daß ganze Positionen eines detaillierten Leistungsverzeichnisses nicht ausgeführt worden seien, etwas anderes gelte, könne wegen des Schuldanerkenntnisses dahinstehen.

Eine Herabsetzung der Vergütung komme auch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Nr. 4 VOB/B nicht in Betracht. § 2 Nr. 4 VOB/B könne für den von der Beklagten behaupteten Fall einer auf den Wunsch der Klägerin zurückgehenden Teilaufhebung des Vertrages entsprechend angewandt werden. Da die Beklagte keine Vereinbarung hinsichtlich der Vergütung behaupte, gelte § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B entsprechend. Demnach müsse sich die Klägerin nur die infolge der Teilaufhebung ersparten Kosten und den anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Eine entsprechende Darlegung der Beklagten fehle.

2. Auch diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Einen Ausgleich im Sinne von § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 VOB/B wegen Änderung oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat die Beklagte nicht geltend gemacht („verlangt” i.S. von § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 VOB/B; vgl. hierzu Nicklisch/Weick, VOB/B, 2. Aufl. § 2 Rdn. 84; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., Teil B, § 2 Rdn. 339). Auf die vom Berufungsgericht offen gelassene Rechtsfrage kommt es demnach nicht an.

Die Beklagte beruft sich vielmehr darauf, der Vertrag sei hinsichtlich der von der Klägerin nicht erbrachten Leistungen auf deren Wunsch aufgehoben worden. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, auf eine derartige Vereinbarung sei § 2 Nr. 4 VOB/B anwendbar. Diese Klausel regelt die Rechtsfolgen einer Änderung (Reduzierung) des Vertragsinhaltes durch einseitige Erklärung des Auftraggebers, Leistungen des Auftragnehmers selbst zu übernehmen (vgl. Nicklisch/Weick, aaO, § 2 Rdn. 54; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 8. Aufl., Teil B, § 2.4 Rdn. 95). Die Rechtsfolgen einer vertraglich vereinbarten Reduzierung der geschuldeten Leistungen sind, wenn die Parteien dazu nichts vereinbart haben, durch Auslegung zu bestimmen. Dabei ist maßgeblich auf die Umstände abzustellen, die zur Aufhebung geführt haben (vgl. hierzu z.B. BGH, Urteil vom 7. März 1974 - VII ZR 35/73, BGHZ 62, 208, 210; Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 1368, 1369; vgl. auch Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., Rdn. 1335; Nicklisch/Weick, aaO, vor §§ 8, 9 Rdn. 41). Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Diese sind nach Zurückverweisung der Sache und gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien nachzuholen.

 

Unterschriften

Thode, Haß, Hausmann, Wiebel, Kuffer

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.04.1999 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 539096

DB 1999, 1547

NJW 1999, 2661

BauR 1999, 1021

Nachschlagewerk BGH

WM 1999, 1527

ZAP 1998, 708

MDR 1999, 992

ZfBR 1999, 235

ZfBR 1999, 310

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