Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Teilungsversteigerung eines Grundstücks

 

Normenkette

BGB §§ 1940, 2194, 2150, 1518

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. April 1983 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister. Ihre Eltern hatten 1949 allgemeine Gütergemeinschaft vereinbart. Nach dem Tode des am 10. November 1950 verstorbenen Vaters setzte die Mutter die Gütergemeinschaft mit den Parteien und den drei weiteren gemeinschaftlichen Abkömmlingen Emil, Hildegard und Werner fort. Der Stamm Emil erlosch 1973. Am 14. Mai 1980 starb die Mutter; die Gütergemeinschaft ist seitdem noch nicht auseinandergesetzt. Beerbt wurde die Mutter (Erblasserin) von ihren vier damals noch lebenden Kindern zu gleichen Teilen. Alleinerbin des am 22. August 1980 nachverstorbenen Sohnes Werner ist dessen Ehefrau.

Zum Gesamtgut der Eltern gehörte das in E., H. Straße ..., gelegene Hausgrundstück, dessen Teilungsversteigerung die Beklagte betreibt. Der Kläger hält die Zwangsvollstreckung für unzulässig. Hierzu beruft er sich auf das Testament der Erblasserin vom 23. Januar 1953, in dem es heißt:

"... Es ist mein besonderer Wunsch, daß meine Kinder dafür sorgen, daß das zum Nachlaß gehörige Grundstück nicht in fremde Hände kommt. ...

Mein Sohn Alois soll den Grundstücksanteil erhalten, auf dem die von ihm erbaute Garage steht. Mit eingeschlossen in diesen Grundstücksteil soll ein etwa 10 m breiter Zufahrtsweg zur B. straße sein. Der Wert der Garage ist bei der Auseinandersetzung meinem Sohn Alois auf seinen Erbteil nicht anzurechnen.

Sollte eine Auseinandersetzung, die diesem meinem letzten Wunsche entspricht, nicht möglich sein, so bestimme ich, daß die Auseinandersetzung bezüglich meines Nachlasses, d.h. meines Miteigentums an dem gesamten Vermögen der fortgesetzten Gütergemeinschaft, 30 Jahre lang auszusetzen ist. ...

Dasjenige meiner Kinder, welches meinen letzten Willen nicht achtet, soll nur seinen Pflichtteil erhalten."

Der Kläger meint, die Beklagte sei durch dieses Testament und gemäß § 242 BGB gehindert, die Teilungsversteigerung zu betreiben. Alle Beteiligten hätten sich nach dem Tode darauf geeinigt, den ihm zugedachten Teil des Grundstücks, auf dem er bereits eine Garage und ein Büro errichtet habe, mit der zugehörigen Einfahrt dem Kläger vorab zukommen zu lassen. Die Beklagte läßt diese Auffassung des Klägers nicht gelten.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für unbegründet gehalten. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für zulässig, soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte dürfe die Teilungsversteigerung aus materiellrechtlichen Gründen nicht betreiben; sachliche Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung könnten im Wege der Klage entsprechend § 771 ZPO geltend gemacht werden. Diese Auffassung ist zutreffend; sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 22.3.1972 - IV ZR 25/71 - und vom 23.2.1984 - IX ZR 3/83 = FamRZ 1972, 363; 1984, 563).

II.

1.

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte verfolge mit der Teilungsversteigerung das Ziel, die Gütergemeinschaft der Eltern der Parteien auseinanderzusetzen. Der Kläger müsse das dulden, er sei ebenso wie die Beklagte Mitglied der aufgelösten, aber noch nicht auseinandergesetzten Gütergemeinschaft und sei verpflichtet, an der Auseinandersetzung mitzuwirken. Das in dem Testament der Mutter enthaltene Auseinandersetzungsverbot beziehe sich nur auf deren Nachlaß.

Wenn aber die Erblasserin hätte anordnen wollen, daß die Gütergemeinschaft auf die Dauer von 30 Jahren nicht auseinandergesetzt werden dürfe, dann sei das unwirksam. Das Recht der fortgesetzten Gütergemeinschaft lasse eine derartige Anordnung im Gegensatz zum Erbrecht nicht zu, sondern verbiete in § 1518 BGB sogar ausdrücklich Abweichungen von den §§ 1483-1517 BGB.

Diese Ausführungen sind nicht rechtsfehlerfrei.

2.

Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht davon aus, daß das Grundstück zum Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft (Art. 8 I Nr. 6 Abs. 1 GleichBerG, § 1416 BGB) der Eltern der Parteien gehört. Die Erblasserin hat diese nach dem Tode des Vaters der Parteien im Jahre 1950 zunächst mit den fünf gemeinschaftlichen Kindern fortgesetzt. Gemäß § 1490 Satz 3 BGB wuchs der Anteil des Bruders Emil der Parteien mit dem Erlöschen dieses Stammes 1973 den vier überlebenden Geschwistern an. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft endigte mit dem Tode der Erblasserin im Mai 1980; auseinandergesetzt ist sie unstreitig noch nicht. Der Anteil der Erblasserin fiel an die Erbengemeinschaft nach ihr, nämlich an ihre vier damals noch lebenden Kinder. An die Stelle des im August 1980 nachverstorbenen Sohnes Werner ist in beiden Gesamthandsgemeinschaften dessen Ehefrau und Alleinerbin getreten. Das alles hat das Berufungsgericht nicht verkannt.

3.

Rechtsfehlerhaft ist es dagegen, wenn das Berufungsgericht sich bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte dem Kläger gegenüber erbrechtlich verpflichtet ist, die Teilungsversteigerung zu unterlassen, sogleich dem von der Erblasserin verfügten Auseinandersetzungsverbot zuwendet. Dieses Verbot gilt nach dem ausdrücklichen Willen der Erblasserin nicht unbedingt, sondern nur für den Fall, daß "eine Auseinandersetzung, die" dem "letzten Wunsche" der Erblasserin "entspricht, nicht möglich sein" sollte. Das Oberlandesgericht hatte sich daher in erster Linie nicht mit nur hilfsweise verfügten, sondern zunächst mit denjenigen Anordnungen zu befassen, deren Verwirklichung die Erblasserin vorrangig wünschte.

Nicht behandelt hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang, daß nach dem Willen der Erblasserin das Grundstück nicht in fremde Hände kommt und daß der Kläger einen Teil dieses Grundstücks für sich haben soll. Der "besondere" Wunsch der Erblasserin, daß das Grundstück nicht in fremde Hände fällt, könnte eine Auflage (§ 1940 BGB) darstellen, die allen vier Erben und auch der Beklagten auferlegt ist und deren Vollziehung gemäß § 2194 BGB auch der Kläger verlangen kann. Die von der Beklagten betriebene Teilungsversteigerung begründet die naheliegende Gefahr, daß das Grundstück, "in fremde Hände" gerät, und könnte der Beklagten daher schon aus diesem Grunde materiellrechtlich verwehrt sein, und zwar ohne daß es darauf ankäme, ob die Teilungsversteigerung, wie das Berufungsgericht meint, auf die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft, oder, wie es in dem Anordnungsbeschluß dem Amtsgerichts Essen vom 16. Februar 1982 heißt, auf die Aufhebung der Gemeinschaft gerichtet ist, die "in Ansehung des ... Grundstücks" besteht.

Bei der Anordnung der Erblasserin, durch die dem Kläger ein Teil des Grundstücks zugewiesen ist, handelt es sich anscheinend um ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) zugunsten des Klägers. Dafür spricht auch, daß der betreffende Grundstücksteil nach dem Willen der Erblasserin Jedenfalls nicht in vollem Umfang ("Wert der Garage") auf den Erbteil des Klägers angerechnet werden soll.

Daß § 1518 BGB ein Vermächtnis dieses Inhalts entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht hindert, ist spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29. Mai 1964 (V ZR 47/62 = NJW 1964, 2298) gesichert (vgl. auch schon RG LZ 1915, 1657; RG JW 1916, 43; KG JW 1931, 1369 m. Anm. v. Herzfelder; OLG Tübingen DRZ 1950, 519 m. Anm. v. Natter; BayObLGZ 1960, 254, 257). Das beruht darauf, daß der Erblasser berechtigt ist, einem anderen durch Vermächtnis auch solche Gegenstände zuzuwenden, die ihm nicht gehören und die nicht in den Nachlaß fallen (§§ 2169 f. BGB). Für die Auflage gilt nichts anderes. Der Erblasser kann die Erben gemäß § 1940 BGB durch Auflage grundsätzlich zu Jeder Leistung verpflichten, auch zu einem Unterlassen (vgl. § 241 Satz 2 BGB). Daß eine Auflage den Beschwerten unter Umständen auch in solchen Bereichen bindet, die außerhalb des ihm erbrechtlich Zugewendeten liegen, ist nicht ungewöhnlich.

Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehen bleiben, ohne daß es auf weiteres ankommt.

4.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird nochmals zu prüfen sein, ob die Beklagte ihre Stellung als Miterbin auch dann behalten hat, wenn sie mit ihrem Versteigerungsantrag dem Willen der Erblasserin objektiv nicht entsprochen hat. Würde die Verwirkungsklausel des Testaments hier eingreifen, und wäre die Beklagte daher nicht mehr Miterbin, dann könnte der Kläger mit Hilfe der Klage entsprechend § 771 ZPO deren Versteigerungsantrag zwar abwehren, soweit dieser auf ihren verlorengegangenen Miterbenanteil gestützt wäre; grundsätzlich aber nicht, soweit die Beklagte sich dabei auf ihre Stellung als Mitglied der fortgesetzten Gütergemeinschaft beruft. Als Nichterbin könnte sie weder mit einer Auflage noch mit einem Vermächtnis zugunsten des Klägers beschwert sein.

Indessen greift eine Verwirkungsklausel nach überwiegender Meinung im allgemeinen nur dann ein, wenn es sich um bewußten Ungehorsam (RGRK-Johannsen, BGB 12. Aufl. § 2074 Rdn. 17), um eine böswillige Auflehnung (v. Lübtow, Erbrecht I S. 346) oder jedenfalls um eine vorwerfbare Handlungsweise (Palandt/Edenhofer, BGB 43. Aufl. § 2074 Anm. 2 a) handelt, für die Anhaltspunkte bisher nicht ersichtlich sind. Im vorliegenden Fall stellt die Verwirkungsklausel sogar ausdrücklich auf eine "Nichtachtung" des Willens der Erblasserin ab.

Ob die Beklagte, wenn sie ihre Miterben-Stellung verloren hätte, etwa auch als Mitglied der fortgesetzten Gütergemeinschaft ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs gehindert wäre, Teilungsversteigerung zu verlangen, wie die Revision meint, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls noch zu prüfen haben.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

Dr. Ritter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456552

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