Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktivlegitimation von GmbH-Geschäftsführer

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, wann ein GmbH-Gesellschafter gegen die Geschäftsführer auf Rückgewähr der von ihnen zu Unrecht entnommenen Beträge an die Gesellschaft klagen kann.

 

Orientierungssatz

Ein GmbH-Gesellschafter kann für eine Klage gegen den Geschäftsführer aktivlegitimiert sein, wenn der Geschäftsführer durch sein unrechtmäßiges Handeln zum Schaden der Gesellschaft zugleich eine Rechtspflicht verletzt hat, die er aufgrund besonderer gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Beziehungen gegenüber dem mitbetroffenen Gesellschafter zu beachten hatte (Vergleiche BGH, 1973-07-02, II ZR 94/71, WM IV 1973, 1291).

 

Tatbestand

Die Parteien sind Brüder und zu gleichen Teilen an der Gebr. S GmbH Straßenbau beteiligt. In einem Vorprozeß haben die Parteien durch Vergleich vom 9. November 1977 vereinbart, daß alle drei Gesellschafter bis zur Erledigung eines noch schwebenden Rechtsstreits über die Auflösung der Gesellschaft als Geschäftsführer gelten, der Kläger sich jedoch jeder Geschäftsführungstätigkeit enthalten sollte. Die Beklagten haben sich unter anderem verpflichtet, bestimmte Maßnahmen, darunter „Privatentnahmen und Geschäftsführervergütungen, die über die z. Zt. festgesetzten Geschäftsführervergütungen hinausgehen”, nur mit Zustimmung des Klägers durchzuführen.

Der Kläger hat die Beklagten mit der Behauptung, sie hätten unter Verstoß gegen diesen Vergleich eine Reihe von Geldbeträgen zu Lasten der Gesellschaft entnommen, ohne ihn zu fragen, auf Ersatz eines Teils dieser Entnahmen in Anspruch genommen und beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Rückzahlung an die Gebr. S GmbH zu verurteilen. Davon ist jetzt noch eine Teilforderung von 1.536 DM im Streit, die der Kläger damit begründet hat, daß die Beklagten – wie unstreitig ist – eine ihnen im Steuerstrafverfahren auferlegte Geldbuße aus Gesellschaftsmitteln beglichen haben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 1.536 DM stattgegeben. Mit der für sie zugelassenen Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, möchten die Beklagten die volle Abweisung der Klage erreichen.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Berufungsgericht hält den Kläger für befugt, den Anspruch auf Rückzahlung entnommener Geldbeträge an die Gebr. S GmbH im eigenen Namen gegen die Beklagten geltend zu machen, obschon es sich, wie es meint, um Ansprüche der Gesellschaft handle. Dabei stützt es sich auf das in BGHZ 65, 15 abgedruckte Urteil des Senats vom 5. Juni 1975 („ITT-Urteil”), dessen Gedanken es auch bei der vorliegenden Fallgestaltung für anwendbar hält. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar weist der vorliegende Fall gegenüber dem Sachverhalt jenes Urteils einige Unterschiede auf, die aber entgegen den Ausführungen der Revision die Berechtigung des Klägers, auch hier von den verklagten Mitgesellschaftern Schadensersatz durch Leistung an die Gesellschaft zu fordern, nicht infrage stellen können.

Nach dem Klagevortrag sollen sich die Beklagten in Ausnutzung ihrer Rechtsstellung als Geschäftsführer auf Kosten der GmbH unmittelbar rechtswidrige Vorteile verschafft haben. Daraus können der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbH Ersatzansprüche gegen sie erwachsen sein. Das Bestehen solcher Ansprüche schließt aber nicht grundsätzlich aus, daß ein gleichzeitig auch in seinem persönlichen Vermögen geschädigter Gesellschafter im eigenen Namen Ersatzansprüche gegen den Schädiger erhebt, wenn man von der noch zu erörternden Frage eines etwaigen Eingriffs in die gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitsordnung zunächst absieht. Einen solchen eigenen Vermögensschaden hat der Kläger nach seinem Vortrag erlitten, da die Minderung des Gesellschaftsvermögens durch die Entnahme der Beklagten zugleich den Wert seines Geschäftsanteils und gegebenenfalls den verteilbaren Reingewinn geschmälert hat (vgl. BGHZ 65, 15, 18).

Voraussetzung für einen hierauf gestützten eigenen Ersatzanspruch ist allerdings, daß zwischen den Parteien unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen, gegen die der Schädiger in einer seine Haftung begründenden Weise verstoßen hat. Deshalb ist ein Gesellschafter im allgemeinen nicht befugt, den Schaden, den ein Dritter – wie auch ein Geschäftsführer – der GmbH zugefügt hat, als eigenen geltend zu machen. Anders liegt es aber, wenn ein Geschäftsführer durch sein unrechtmäßiges Handeln zum Schaden der Gesellschaft zugleich eine Rechtspflicht verletzt hat, die er aufgrund besonderer gesellschafts- oder schuldrechtlicher Beziehungen gegenüber dem mitbetroffenen Gesellschafter zu beachten hatte; dann kann dieser Gesellschafter berechtigt sein, den Schädiger im eigenen Namen, aus eigenem Recht und in seinem wie auch im Interesse der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen (vgl. zur Personengesellschaft: Urt. d. Sen. v. 2. 7. 73 – II ZR 94/71, LM HGB § 105 Nr. 31 = WM 1973, 1291 zu I 1 b).

Ein solches besonderes Rechtsverhältnis ist zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits durch den gerichtlichen Vergleich vom 9. November 1977 im Vorprozeß begründet worden. An dem Vergleich waren nämlich nicht nur der heutige Kläger auf der einen, die GmbH auf der anderen Seite beteiligt, sondern auch die beiden heutigen Beklagten. Sie haben sich darin persönlich gegenüber dem Kläger unter anderem verpflichtet, nur mit seiner Zustimmung Beträge über die festgesetzten Geschäftsführervergütungen hinaus aus der Gesellschaftskasse zu entnehmen. Diese persönlichen Verpflichtungen haben die Beklagten nach dem Vortrag des Klägers verletzt und sich dadurch ihm als ihrem Vergleichspartner gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es nicht einmal, wie in dem Urteil des Senats vom 5. Juni 1975, eines Rückgriffs auf die allgemeine gesellschaftliche Treuepflicht, um einen Anspruch des Klägers auf Wiedergutmachung des Schadens dort, wo er entstanden ist, nämlich durch Rückgewähr des zu Unrecht Entnommenen an die Gesellschaft (BGHZ 65, 15, 18), zu begründen. Denn die Parteien haben die Rechte und Pflichten, die für sie im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses nicht nur gegenüber der GmbH, sondern auch im Verhältnis zueinander bestehen, auf einem Teilgebiet, dem der Geschäftsführung, durch eine besondere Regelung konkretisiert.

Es bleibt noch die Frage, ob das Organisationsrecht der GmbH der Gesellschaft den Vorrang bei der Verfolgung von Ansprüchen, wie sie Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, einräumt und deshalb der Prozeßführung des Klägers entgegensteht. Das könnte der Fall sein, wenn die Parteien ihre Vereinbarungen über die Geschäftsführung in der GmbH, auch soweit sie Rechte und Pflichten für sie persönlich begründet haben, den gesellschaftsrechtlichen Sondervorschriften über die Verfolgung von Ansprüchen wegen unerlaubter Schädigung der Gesellschaft unterstellt hätten. Aber selbst wenn der Vergleich in diesem Sinne auszulegen wäre, könnte der Kläger unter den vorliegenden Umständen den Anspruch auf Rückgewähr unberechtigt entnommener Beträge selber gegen die Beklagten geltend machen.

Zwar hat nach § 46 Nr. 8 GmbHG die Gesellschafterversammlung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Geschäftsführung zu bestimmen. Daraus ergibt sich, daß zur Verfolgung solcher Ansprüche in erster Linie die geschädigte Gesellschaft und nicht der einzelne Gesellschafter berufen ist, mag er auch durch das pflichtwidrige Verhalten des Geschäftsführers in seinem Vermögen mit betroffen sein. Anders verhält es sich aber, wenn eine Schadensersatzklage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müßte er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (BGHZ 65, 15, 21; vgl. auch Urt. d. Sen. v. 23. 6. 69 – II ZR 272/67, LM BGB § 823 (B f) Nr. 49 = WM 1969, 1081; Ulmer, NJW 1976, 192, 193; Scholz/Winter, GmbHG 6. Aufl. § 13 Anm. 66; Scholz/K. Schmidt, ebenda, § 46 Anm. 111 ber. Fassung).

So liegt es hier. Zwar ist der Kläger kein Minderheitsgesellschafter, sondern zu gleichen Teilen mit den beiden Beklagten an der Gesellschaft beteiligt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bilden die Beklagten aber eine geschlossene Front gegen ihn, so daß er bei Abstimmungen ständig in die Minderheit gedrängt ist. Weitere Gesellschafter, deren Interessen durch eine Ausschaltung der Gesellschafterversammlung verletzt sein könnten, sind nicht vorhanden. Auch war bei Klageerhebung nicht damit zu rechnen, daß der Kläger auf dem Weg eines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG mit anschließender Klageerhebung durch die Gesellschaft bald zum Ziel kommen könnte. In einer anderen Angelegenheit haben die Beklagten in der Gesellschafterversammlung die Annahme eines vom Kläger gestellten Antrags, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen sie und seine Bestellung zum Prozeßvertreter zu beschließen, dadurch zu verhindern versucht, daß der eine von ihnen jeweils gegen die Inanspruchnahme des anderen gestimmt hat. Dadurch haben sie den Kläger zu einer Anfechtungs- und Feststellungsklage genötigt, mit der er zwar in allen drei Instanzen Erfolg hatte, endgültig aber erst mehr als 2 1/2 Jahre nach jener Gesellschafterversammlung durchgedrungen ist (Beschl. d. Sen. v. 22. 3. 82 – II ZR 200/81). Die Besorgnis des Klägers, die Beklagten könnten in der vorliegenden Sache auf ähnliche Weise ihre baldige Inanspruchnahme durch die GmbH zu verhindern wissen, ist daher nicht von der Hand zu weisen.

2. Zum Ersatzanspruch selbst führt das Berufungsgericht rechtlich fehlerfrei aus, die Beklagten hätten die ihnen auferlegten Geldbußen nicht aus Gesellschaftsmitteln bezahlen dürfen und hafteten daher für ihr gemeinsames Handeln als Gesamtschuldner. Zu Unrecht meint die Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten übergangen, der Kläger sei damit einverstanden gewesen, daß „alle Geldbußen jedenfalls zunächst aus der Gesellschaftskasse gezahlt werden sollten”. Unstreitig hatten die Parteien lediglich vereinbart, daß dem Kläger die gegen ihn verhängte Geldbuße aus bestimmten Einkünften erstattet werden sollte. Ohne entsprechende Vereinbarung auch zu ihren Gunsten stand den Beklagten nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts das gleiche Recht nicht zu.

 

Fundstellen

ZIP 1982, 1203

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