Leitsatz (amtlich)

Allein der Umstand, dass die vom gewerblichen Vermieter verlangte Betriebskostenvorauszahlung die später entstandenen Kosten deutlich unterschreiten, führt noch nicht zur Annahme einer Verletzung der Aufklärungspflicht. Eine solche ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die einen Vertrauenstatbestand beim Mieter begründen, zu bejahen (im Anschluss an BGH Urt. v. 11.2.2004 - VIII ZR 195/03, MDR 2004, 624 = BGHReport 2004, 641 = NJW 2004, 1102).

 

Normenkette

BGB §§ 242, 276, c.i.c

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 01.12.2001; Aktenzeichen 9 U 181/01)

LG Halle (Saale)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 1.12.2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte rückständige Betriebskosten in einer Gesamthöhe von 864.688,20 DM nebst Zinsen geltend. Mit ihrer Hilfswiderklage begehrt die Beklagte Schadensersatz in gleicher Höhe.

Mit Vertrag v. 3.3.1994 mietete die Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Tiefgarage des C. in H.. Das Mietverhältnis begann mit der Eröffnung des C. im November 1995. Die monatliche Miete betrug 95.000 DM netto. Darüber hinaus verpflichtete sich die Beklagte zur anteiligen Übernahme bestimmter Betriebskosten. Diese sollten - sofern nicht direkt zuzuordnen - entsprechend dem Verhältnis des Einheitswertes der Tiefgarage zu dem Einheitswert des gesamten C. auf die Beklagte umgelegt werden. Die Beklagte hat hierauf vereinbarungsgemäß monatliche Vorauszahlungen i.H.v. 5.000 DM zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer geleistet, über die vermieterseits kalenderjährlich abzurechnen war. Die von der Klägerin innerhalb vertraglicher Frist erstellten Betriebskostenabrechnungen ergaben Folgende mit der Klage geltend gemachten Nachforderungen:

November und Dezember 1995 (Abrechnung v. 3.9.1998): 50.631,68 DM

1996 (Abrechnung v. 3.9.1998): 374.765,43 DM

1997 (Abrechnung v. 3.6.1999): 238.097,33 DM

1998 (Abrechnung v. 21.12.1999): 201.193,76 DM

Die Beklagte verweigert die Zahlung im Wesentlichen mit der Begründung, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe bei Vertragsschluss angegeben, sie rechne mit monatlichen Nebenkosten i.H.v. ca. 5.000 DM. Wäre ihr bekannt gewesen, dass die tatsächlichen Betriebskosten die voraussichtlichen um das vier- bis sechsfache übersteigen würden, hätte sie den Vertrag nicht geschlossen. Darüber hinaus erhebt sie Einwendungen gegen die Höhe der Abrechnungen.

Das LG hat der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben, das es nach Einspruch der Beklagten aufrecht erhielt; die Hilfswiderklage wies es ab. Die Berufung der Beklagten führte zur Klagabweisung. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten. Dem Vermieter sei die Geltendmachung eines solchen Anspruchs verwehrt (§ 242 BGB), wenn bei vereinbarter Nebenkostenvorauszahlung die sich aus der Abrechnung ergebenden Nachforderungen den Vorauszahlungsbetrag wesentlich übersteigen und besondere Umstände hinzuträten. Ein derartiger besonderer Umstand liege hier darin begründet, dass die geltend gemachte Nachforderung die Vorauszahlungen um das fünf- bis sechsfache übersteige. Bei einem derartig auffälligen Missverhältnis könne sich ein erfahrener gewerblicher Vermieter nicht darauf berufen, er habe die tatsächlichen Kosten nicht zutreffend einschätzen können, weil das Objekt erst zeitgleich mit Beginn des Mietverhältnisses eröffnet worden sei. Dementsprechend räume die Klägerin ausdrücklich ein, ihrer Rechtsvorgängerin seien die auf das gesamte Objekt voraussichtlich entfallenden tatsächlichen Betriebskosten bekannt gewesen. Soweit sie einwende, ihrer Rechtsvorgängerin sei wegen der damals noch nicht bekannten Einheitswerte der auf die Tiefgarage entfallende Betriebskostenanteil nicht bekannt gewesen, helfe ihr dies nicht weiter. Selbst wenn man unterstelle, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin tatsächlich davon ausgegangen sei, die Tiefgarage werde nicht zu 33,05 %, sondern nur zu 10 % am Einheitswert des Gesamtgebäudes beteiligt sein, hätte festgestanden, dass die tatsächlichen Betriebskosten die Vorauszahlungen zumindest um das zwei- bis dreifache übersteigen würden. Hierauf hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte nach Treu und Glauben hinweisen müssen. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn die Festsetzung der zu geringen Betriebskostenvorauszahlungen auf dem ausdrücklichen Wunsch der Beklagten beruht hätte oder ihr bewusst gewesen sei, dass die tatsächlichen Betriebskosten die Vorauszahlungen um ein Vielfaches übersteigen würden. Beides habe jedoch die Beweisaufnahme nicht ergeben.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht stand.

Gegen die angefochtene Entscheidung bestehen schon deshalb Bedenken, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Einwendungen der Beklagten zur Höhe der fraglichen Abrechnungen begründet sind. Denn ohne Kenntnis der Höhe der tatsächlich auf die Beklagte entfallenden Betriebskosten lässt sich nicht beurteilen, in welchem Umfang die geleisteten Vorauszahlungen die Höhe der später angefallenen Betriebskosten unterschreiten. Das kann jedoch auf sich beruhen.

Die Beklagte ist nach dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag verpflichtet, bestimmte Betriebskosten des gesamten Mietobjekts anteilig zu tragen. Sie hat hierauf monatliche Vorauszahlungen und erforderlichenfalls die sich aus der jährlichen Endabrechnung ergebenden Nachzahlungen an die Klägerin zu leisten. Den eingeklagten Betriebskostennachforderungen stehen dem Grunde nach keine Einwendungen der Beklagten entgegen. Insbesondere kann die Beklagte von der Klägerin weder ganz noch teilweise Befreiung von der Klagforderung oder Vertragsanpassung aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.; vgl. jetzt §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB n.F.) verlangen. Der Geltendmachung dieser Nachforderungen steht auch nicht der Einwand von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fällt der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten vor oder während des Mietvertragsabschlusses nicht zur Last. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin aus culpa in contrahendo, den die Beklagte entsprechend § 404 BGB auch der Klägerin entgegenhalten könnte, besteht daher nicht.

a) Dem Vermieter obliegt grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann (BGH v. 16.2.2000 - XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = ZIP 2000, 887 [892]; Urt. v. 24.2.1978 - V ZR 122/75, DB 1978, 979). Das Bestehen bzw. der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbes. nach der Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit (BGH v. 27.11.1985 - VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302 [311] = MDR 1986, 401; v. 16.2.2000 - XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = ZIP 2000, 887 [892]). Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht. Es ist seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen. Unterlässt er dies, hat er keinen Anspruch auf Schadensersatz (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.1981 - VIII ZR 161/80, MDR 1982, 314 = NJW 1982, 376; v. 26.11.1986 - VIII ZR 260/85, MDR 1987, 401 = NJW 1987, 909 [910]). Stellt der Mieter Fragen oder macht der Vermieter von sich aus Aussagen in Bezug auf das Mietobjekt, so müssen dessen Angaben richtig und vollständig sein (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.1996 - V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144).

Dies zu Grunde gelegt, hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin keine Aufklärungspflichten verletzt.

b) Allein der Umstand, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin Vorauszahlungen auf die Betriebskosten verlangt hat, die in ihrer Höhe die tatsächlichen Kosten deutlich unterschreiten, ohne die Beklagte hierauf hinzuweisen, führt nicht zur Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung. Eine solche Pflichtverletzung des Vermieters ist nur dann zu bejahen, wenn besondere Umstände gegeben sind. Derartige besondere Umstände können etwa zu bejahen sein, wenn der Vermieter dem Mieter bei Vertragsschluss die Angemessenheit der Nebenkosten ausdrücklich zugesichert oder diese bewusst zu niedrig bemessen hat, um den Mieter über den Umfang der tatsächlichen Mietbelastung zu täuschen und ihn auf diese Weise zur Begründung eines Mietverhältnisses zu veranlassen (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2004 - VIII ZR 195/03, MDR 2004, 624 = BGHReport 2004, 641 = NJW 2004, 1102). Solche Umstände, die einen Vertrauenstatbestand für die Beklagte bzw. eine Aufklärungspflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin hätten begründen können, liegen hier nicht vor.

aa) Die Beklagte hat zwar behauptet, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, indem sie bei Vertragsschluss unzutreffend angegeben habe, sie rechne mit monatlichen Nebenkosten i.H.v. ca. 5.000 DM. Das Berufungsgericht, das die hierfür benannte Zeugin vernommen hat, konnte jedoch dahingehende Feststellungen nicht treffen. Die Beklagte nimmt dies hin.

bb) Die Tatsache, dass die Höhe der anfallenden Betriebskosten regelmäßig von besonderer Bedeutung für die Kalkulation und damit für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Mietvertrages ist, begründete hier nicht die Pflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin, von sich aus ihre Einschätzung über die tatsächliche Höhe der Betriebskosten mitzuteilen.

Die Beklagte hat den Mietvertrag geschlossen, obwohl ihr die Höhe der Betriebskosten nicht bekannt war. Sie hat daher bewusst ein ausschließlich in ihrer Sphäre liegendes Risiko übernommen. Da es aber ausschließlich Sache der Beklagten war, sich selbst zu vergewissern, ob der Mietvertrag für sie von Vorteil ist, mithin die Tiefgarage rentabel betrieben werden kann, durfte die Rechtsvorgängerin der Klägerin annehmen, dass die Beklagte über die Höhe der Betriebskosten nachfragt, falls sie hierauf Wert legt (vgl. BGH v. 26.11.1986 - VIII ZR 260/85, MDR 1987, 401 = NJW 1987, 909 [910]).

cc) Die Rechtsvorgängerin der Klägerin musste hier auch nicht erkennen, die Beklagte gehe auf Grund der im Mietvertrag getroffenen Abrede über die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten davon aus, die Betriebskosten würden eine bestimmte Höchstgrenze nicht überschreiten.

Die Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen schafft noch keinen Vertrauenstatbestand für die Gesamthöhe der Betriebskosten. Denn der Vermieter ist nicht verpflichtet, überhaupt oder in einer gewissen Mindesthöhe Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu verlangen (vgl. zur Wohnraummiete BGH, Urt. v. 11.2.2004 - VIII ZR 195/03, MDR 2004, 624 = BGHReport 2004, 641 = NJW 2004, 1102; vgl. auch Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rz. 528; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., §§ 535, 536 Rz. 274 m.w.N.). Das gilt für die Gewerberaummiete nicht minder. Der Mieter darf daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, der Vermieter habe sich bei Vereinbarung der Betriebskostenvorauszahlungen ungefähr am erwarteten Abrechnungsergebnis orientiert (a.A. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 Rz. 392).

Zwar mag der Vermieter mit der Abrede über die Betriebskostenvorauszahlung regelmäßig das Ziel verfolgen, nicht mit ggf. beträchtlichen Beträgen in Vorleistung treten zu müssen. Dieser Beweggrund findet aber in der bloßen Vorauszahlungsabrede keinen Niederschlag. Denn die Vereinbarung einer Vorauszahlung bedeutet lediglich, dass dem Mieter bei der Abrechnung die vorausgezahlten Beträge gutzubringen sind; eine dem Vermieter zurechenbare Aussage über die Gesamthöhe oder den Höchstbetrag der tatsächlich anfallenden Betriebskosten kommt ihr nicht zu.

Im Streitfall kommt hinzu, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für beide Parteien unklar war, mit welchem Anteil die Beklagte für die Betriebskosten des Gesamtobjekts aufzukommen hat. Darüber hinaus handelt es sich hier um eine Erstvermietung, wobei der Vertragsschluss bereits vor Fertigstellung des Mietobjekts erfolgte. Aus Sicht der Beklagten blieb somit zumindest ungewiss, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin hinreichend sichere Kenntnisse besaß, um die ungefähre Höhe der auf die Beklagte entfallenden Betriebskosten zu ermitteln. Auch deshalb konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, die vereinbarten Vorauszahlungen werden die Gesamthöhe der Betriebskosten in etwa erreichen.

2. Schließlich steht der Klagforderung nicht der Einwand von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen.

Wie bereits ausgeführt, hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin weder eigene Pflichten verletzt noch hat sie für die Beklagte einen Vertrauenstatbestand über die Höhe der Betriebskosten geschaffen. Sonstige Umstände, die die Geltendmachung der Betriebskostennachforderungen als treuwidrig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

3. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Berufungsgericht - wie bereits erwähnt - keine Feststellungen zur Berechtigung der streitigen Positionen aus den eingeklagten Abrechnungen getroffen hat. Die Hilfswiderklage gilt nur für den Fall der wenigstens teilweisen Stattgabe der Klage als erhoben. Über sie kann also nicht vor Entscheidung über die Klage befunden werden. Die Sache ist daher insgesamt an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1176409

NJW 2004, 2674

BGHR 2004, 1406

DWW 2004, 273

NZM 2004, 619

ZMR 2004, 653

ZfIR 2005, 72

JA 2004, 859

MDR 2004, 1177

NJ 2004, 516

GuT 2004, 160

NJW-Spezial 2004, 196

JWO-MietR 2004, 234

MK 2004, 147

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