Entscheidungsstichwort (Thema)

Genaue Bezeichnung einer gepfändeten Forderung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist aus der Angabe der zu pfändenden Ansprüche in einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zu entnehmen, daß die Guthaben sämtlicher von dem Drittschuldner geführten Konten des Schuldners der Pfändung unterworfen sein sollen, so läßt die Nennung einer Kontonummer unter der in einer Anlage zu dem Beschluß enthaltenen Drittschuldnerbezeichnung allein nicht den Schluß zu, es solle nur das auf diesem Konto ausgewiesene Guthaben gepfändet sein.

 

Normenkette

ZPO § 829

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.06.1987; Aktenzeichen 19 U 30/86)

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.12.1985; Aktenzeichen 2/12 O 199/85)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 1987 aufgehoben und das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 1985 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Aufgrund eines vollstreckbaren Titels über eine Forderung gegen Frau W… L… (im folgenden: Schuldnerin) in Höhe von nahezu 300.000 DM nebst Zinsen brachte der Beklagte unter dem Datum des 10. Mai 1982 ein formularmäßiges „Vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 Zivilprozeßordnung” aus, in dem es nach der Bezeichnung der titulierten Forderung unter anderem heißt:

„Wegen dieses Anspruchs steht die gerichtliche Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen

Siehe Anlage 1

(Drittschuldner)

Gepfändet werden die aus der Anlage 2 ersichtlichen Ansprüche.

bevor.”

In Anlage 1 sind drei Kreditinstitute, darunter die Klägerin, aufgeführt. Bei jedem Institut ist eine Kontonummer angegeben, bei der Klägerin die Nr. 1605299700.

Anlage 2 lautet:

„Gepfändet werden:

1) Alle Ansprüche auf Zahlung des gegenwärtigen und gesamten künftigen Überschusses, der der Schuldnerin bei Saldoziehung aus der laufenden Rechnung (Kontokorrent) bestehenden Geschäftsverbindung, insbesondere über die bei den jeweiligen Drittschuldnern in der Anlage 1 angegebenen Konten gebührt.

2) …

3) …”

Ferner erwirkte der Beklagte am 16. Juni 1982 wegen derselben Forderung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main. Auf der Vorderseite des Formulars heißt es unter anderem:

„Wegen dieser Ansprüche … werden die umseitig aufgeführten angeblichen Forderungen des Schuldners an

Siehe Anlage 1

Drittschuldner

aus – einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge aus dem gleichen Rechtsgrunde – gepfändet.”

Auf der Rückseite ist die Rubrik „Anspruch E (an Banken etc.)” angekreuzt. Diese hat folgenden Wortlaut:

  1. „auf Zahlungen und Leistungen jeglicher Art aus der laufenden Geschäftsverbindung, insbesondere gegenwärtig und zukünftig entstehende Guthaben bzw. gegenwärtig und zukünftig zu seinen Gunsten entstehende Salden, auf Auszahlung des bei einem Rechnungsabschluß sich zu seinen Gunsten ergebenen Guthabens;
  2. aus seinen bei der Drittschuldnerin geführten Sparkonten, auf Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tage der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung der Sparguthaben.
  3. Zugleich wird angeordnet, daß der Schuldner das über die jeweiligen Sparguthaben ausgestellte Sparkassenbuch an den Gläubiger – zu Händen des Gerichtsvollziehers als Sequester – herauszugeben hat.
  4. Anspruch auf Zahlungen und Leistungen jeglicher Art aus dem zu dem Wertpapierkonto gehörenden Geldkonto, auf dem die Zinsgutschriften für die festverzinslichen Wertpapiere gutgebracht sind.
  5. Anspruch auf Zutritt zu dem Bankstahlfach und Mitwirkung bei der Öffnung zum Zwecke der Entnahme des Inhalts. Zugleich wird angeordnet, daß ein vom Gläubiger zu beauftragender Gerichtsvollzieher anstelle des Gläubigers Zutritt zu den Schließfächern zu nehmen hat, um nach Öffnen der Fächer den Inhalt derselben für den Gläubiger zu pfänden.
  6. Anspruch auf Rückübertragung aller gegebenen Sicherheiten.

Auf § 835 Absatz 3 Satz 2 ZPO und § 55 SGB wird der Drittschuldner hingewiesen.”

Die Anlage 1 stimmt mit der Anlage 1 zum vorläufigen Zahlungsverbot wörtlich überein.

Das vorläufige Zahlungsverbot und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß – jeweils nebst Anlage(n) – wurden der Klägerin am 21. Juni 1982 durch den Gerichtsvollzieher zugestellt, nach der Behauptung des Beklagten als verbundene Urkunden.

Am Zustellungstag unterhielt die Klägerin für die Schuldnerin fünf Konten, davon drei sogenannte Oder-Konten:

Konto Nr.

Kontoinhaber

Betrag

1605299700

W… L…

3.341,19

1.188,

1007178700

W… L…

33.276,83

1605249200

W… L… +

4.433,58

Ph… H…

3.474,02

1605251800

W… L… +

14.882,05

Ph… H…

1605305200

W… L… +

9.905,61

J… W… und

939,61

H… W…

Die Klägerin überwies die auf den Konten ausgewiesenen Guthaben ab 21. Juli 1982 in drei Teilbeträgen an die dazu legitimierten Bevollmächtigten des Beklagten; diese leiteten die Guthaben ungekürzt an den Beklagten weiter. Später schrieb die Klägerin den vier zuletzt angegebenen Konten die von diesen an den Beklagten geflossenen Beträge wieder gut.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß habe nur das Konto mit der Nr. 1605299700 erfaßt, so daß dem Beklagten lediglich (3.314, 19 + 1.188 =) 4.529,19 DM gebührten. Wegen der ihm darüber hinaus zugewandten Beträge sei er zu ihren Lasten ungerechtfertigt bereichert. Mit Schreiben vom 19. November 1984 forderte die Klägerin den Beklagten vergeblich auf, an sie bis zum 10. Dezember 1984 68.037,62 DM zuzüglich 0,5% p.a. Zinsen seit den Tagen der Überweisung zu zahlen. Mit ihrer Klage macht sie einen Teilbetrag von 10.000 DM nebst 14,5% Zinsen seit dem 10. Dezember 1984 geltend. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die zugelassene Revision des Beklagten ist begründet.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Beklagte habe der Klägerin die Klagesumme nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückzuzahlen, weil ihm das Einziehungsrecht, zu dessen Befriedigung die Klägerin ihm die Guthaben aller Konten der Schuldnerin ausgezahlt habe, in Wahrheit nur zum Teil zugestanden habe. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß habe nur das Guthaben der Schuldnerin auf dem Girokonto Nr. 1605299700 erfaßt. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Beschlusses. Weder dem angekreuzten Formulartext auf der Rückseite noch dem Text der Anlage 1 sei ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß außer dem angegebenen Konto auch andere Konten der Schuldnerin gepfändet sein sollten. Zwar wäre die Angabe der Kontonummer nicht erforderlich gewesen, weil der Formulartext allein möglicherweise ausgereicht hätte. Infolge der Angabe der Kontonummern sei die Pfändung jedoch auf dieses Konto beschränkt worden, weil nicht durch einen Zusatz klargestellt worden sei, daß die Angabe eine Einschränkung nicht bewirken solle. Das vorläufige Zahlungsverbot, in dessen Anlage 2 klargestellt werde, daß die aufgeführte Kontonummer nur als Beispiel (… insbesondere …) gemeint sei, könne zur Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht herangezogen werden, dieser sei vielmehr aus sich selbst heraus auszulegen. Das Ausmaß des Eingriffs in das fremde Vermögen durch Hoheitsakt sei allein danach zu bestimmen, was der Rechtspfleger, dem das vorläufige Zahlungsverbot nicht bekannt sei, bei Erlaß des Beschlusses verfüge.

II.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Richtig geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zustünde, wenn durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß lediglich das Guthaben des Kontos Nr. 1605299700 gepfändet worden wäre. In diesem Fall hätte der Beklagte als Pfändungsgläubiger durch die Leistung der Klägerin auf deren Kosten die ihm überwiesenen Guthaben der übrigen vier Konten ohne rechtlichen Grund erlangt (vgl. LG Bremen NJW 1971, 1366 f. m.Anm. Medicus; Schlosser, ZZP 76 [1963], 73, 78 f.; Liesecke, WM 1975, 314, 320; auch BGH, Urt. v. 15. Mai 1986 – VII ZR 211/85, WM 1986, 906). Dies trifft jedoch nicht zu.

2. Mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Klägerin wurde gemäß § 829 Abs. 3 ZPO entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht nicht nur eine Pfändung des Guthabens auf dem Konto Nr. 1605299700 bewirkt. Vielmehr ergibt eine Auslegung des Beschlusses, daß die Guthaben auf sämtlichen fünf Konten der Schuldnerin gepfändet wurden.

a) Als Hoheitsakt ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom Revisionsgericht selbst auszulegen (BGH, Urt. v. 26. Januar 1983 – VIII ZR 258/81, WM 1983, 217; v. 9. Juli 1987 – IX ZR 165/86, WM 1987, 1311, 1312).

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGHZ 13, 42 ff.; BGH, Urt. v. 28. April 1965 – VIII ZR 113/63, WM 1965, 517, 518; v. 28. Februar 1975 – V ZR 146/73, WM 1975, 385, 386; BGHZ 80, 172, 180 = WM 1981, 542, 544; BGH, Urt. v. 26. Januar 1983 a.a.O.; BGHZ 93, 82, 83 = WM 1985, 397, 398; BGH, Urt. v. 9. Juli 1987 a.a.O.) muß der Pfändungsbeschluß die gepfändete(n) Forderung(en) und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, daß bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll, daß die gepfändete Forderung also von anderen unterschieden werden kann und die Feststellung ihrer Identität gesichert ist. Das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hergeleitet wird, muß wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben werden. Dabei sind Ungenauigkeiten unschädlich, sofern dadurch nicht in Zweifel gezogen wird, welche bestimmte Forderung gemeint ist. Die Auslegung ist nach objektiven Gesichtspunkten im wesentlichen nach dem Inhalt des Pfändungsbeschlusses vorzunehmen. Die Erkennbarkeit (Bestimmbarkeit) des Pfändungsgegenstandes muß sich bei einer nach § 133 BGB vorzunehmenden, nicht am buchstäblichen Sinne haftenden Auslegung des Beschlusses aus diesem selbst ergeben. Außerhalb des Beschlusses liegende Umstände können für die Auslegung nicht herangezogen werden. Es genügt nicht, daß der Pfändungsbeschluß den unmittelbar Beteiligten (Pfändungsgläubiger, Schuldner, Drittschuldner) den Pfändungsgegenstand hinreichend deutlich bezeichnet, er muß es auch anderen gegenüber tun, insbesondere weiteren Gläubigern des Schuldners. Dabei sind allerdings übermäßige Anforderungen schon deshalb nicht zu stellen, weil der Pfändungsgläubiger die Verhältnisse des Schuldners in der Regel nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind daher unschädlich, sofern eine sachgerechte Auslegung ergibt, was in Wahrheit gemeint ist.

b) Im Streitfall ist der auf der Rückseite des Beschlußformulars angekreuzten Rubrik „Anspruch E (an Banken etc.)” unter Nr. 1 zu entnehmen, daß unter anderem alle gegenwärtig, d.h. im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses (§ 829 Abs. 3 ZPO) vorhandenen Guthaben und Habensalden der Schuldnerin auf Konten, die nicht zu den in Nrn. 2 und 3 gesondert genannten Sparkonten und Geldkonten zu Wertpapierkonten gehören, erfaßt sein sollten. Damit waren die vorliegend in Betracht kommenden Ansprüche, die der Beklagte zu pfänden beabsichtigte, ausreichend konkretisiert (vgl. auch BGHZ 93, 315, 321= WM 1985, 344, 345).

Allein durch die Hinzufügung der Konto-Nr. 1605299700 bei der Drittschuldnerangabe in Anlage 1 – nicht jedoch bei der Aufzählung der gepfändeten Ansprüche – wurde die Pfändung nicht auf das Guthaben dieses Kontos beschränkt. Dabei kann auf sich beruhen, ob – wie die Revision meint – das vorläufige Zahlungsverbot, in dessen Anlage 2 unter Nr. 1 durch die Verwendung des Wortes „insbesondere” eindeutig klargestellt wurde, daß die Anführung einer Kontonummer bei dem jeweiligen Drittschuldner nur beispielhaft gemeint war, zur Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit herangezogen werden kann (i.d.S. RGZ 71, 179, 183; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 829 Rdnr. 41 Fußn. 170; Stöber, Forderungspfändung, 8. Aufl. Rdnr. 510). Denn eine sachgerechte Auslegung allein des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führt hier zu demselben Ergebnis. Dabei ist entscheidend darauf abzustellen, daß bei der Bezeichnung der zu pfändenden Forderungen der Schuldnerin auf der Rückseite des Beschlußformulars keinerlei Einschränkungen in bezug auf die Konten gemacht sind. Im Gegenteil ist dem Wortlaut der angekreuzten Rubrik deutlich zu entnehmen, daß es dem Beklagten darum ging, möglichst sämtliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Klägerin und die beiden anderen Drittschuldnerinnen in die Pfändung mit einzubeziehen.

War aus der Angabe der zu pfändenden Forderungen auf der Rückseite des Beschlußformulars aber zu entnehmen, daß die Guthaben grundsätzlich sämtlicher von den Drittschuldnerinnen geführten Konten der Schuldnerin der Pfändung unterliegen sollten, so legte die bloße Nennung einer Kontonummer unter den Drittschuldnerbezeichnungen in Anlage 1 zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nicht den Schluß nahe, es sollten gleichwohl nur die auf diesen Konten ausgewiesenen Guthaben gepfändet sein. Dieser Schluß lag auch deshalb fern, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar waren, daß die angegebenen Konten Guthaben aufwiesen, deren Höhe der titulierten Forderung entsprach.

So hat die Klägerin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß auch zunächst verstanden und hat dementsprechend die Guthaben aller fünf Konten an den Beklagten ausgekehrt. Ob und inwieweit dieses Verständnis auf das insoweit eindeutige vorläufige Zahlungsverbot zurückzuführen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn auch für diejenigen Interessenten, denen nur der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, nicht aber das vorläufige Zahlungsverbot zu Gesicht kam, lag ein solches Verständnis nahe.

c) Bei dieser Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist davon auszugehen, daß die auf den fünf in Rede stehenden Konten ausgewiesenen Guthaben wirksam gepfändet wurden. Dies gilt auch, soweit es sich bei diesen Konten um sogenannte Oder- Konten handelte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 24. Januar 1985 a.a.O. m.w.N.; Rieder, WM 1987, 29, 31). Die Klägerin hat Anhaltspunkte, die dieser Annahme entgegenstehen könnten, nicht vorgetragen.

Danach hat der Beklagte die ihm überwiesenen Guthaben nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, so daß die Klage abzuweisen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609756

NJW 1988, 2543

ZIP 1988, 871

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