Leitsatz (amtlich)

›1. Sogen. Readerprinter (Lesekopierer) gehören zu den nach § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten.

2. Die Anknüpfung der Vergütungssätze in der Anlage II 1 zu § 54 Abs. 4 UrhG an die Leistungsfähigkeit der Geräte und nicht an einen variablen Prozentsatz, der eine Berücksichtigung des Umfangs der urheberrechtsrelevanten Nutzung erlaubt, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.‹

 

Verfahrensgang

OLG München (Aktenzeichen 29 U 2061/90)

 

Tatbestand

Die Klägerin - VG Wort - ist eine Verwertungsgesellschaft, die die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Wortautoren und ihrer Verleger wahrnimmt. Die Beklagte stellt (u.a.) sogenannte Readerprinter (Lesekopierer) her. Die Parteien streiten darüber, ob Readerprinter zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten im Sinne des § 54 Abs. 2 UrhG gehören.

Bei den von der Beklagten hergestellten Readerprintern handelt es sich um technische Kombinationsgeräte, mit denen auf Mikrofilm oder Mikrofiche verkleinertes Schriftgut einerseits auf dem Bildschirm vergrößert lesbar gemacht und andererseits auf Normalpapier in DIN-Formaten kopiert werden kann (sogenannte Rückvergrößerungen). Die Lesekopierer der Beklagten kosten (ohne Zubehör) zwischen ca. 10000,-- DM bis 32000,-- DM. Die Beklagte wirbt für sie unter anderem mit folgenden Aussagen:

"Der integrierte programmierbare Kopierer liefert auf Wunsch gestochen scharfe Kopien in höchster Qualität. In jeder gewünschten Auflage. Auf kostengünstigem Normalpapier.

Unter der Überschrift "Eine Investition macht sich bezahlt" heißt es:

"Denn dieser Lesekopierer 'druckt, Seite für Seite auf Normalpapier. So sparen Sie außer Raum und Zeit noch bis zu 80 % ihrer Kopierkosten. Nur an einem, an Qualität, spart er nicht."

Die Klägerin hat die Beklagte auf Auskunft über die Anzahl der von ihr seit 1. Juli 1985 veräußerten oder sonst in Verkehr gebrachten Geräte und über ihre Einordnung in die Leistungsklassen der Anlage II zu § 54 Abs. 4 UrhG sowie auf Feststellung ihrer Zahlungsverpflichtung nach erteilter Auskunft in Anspruch genommen. Sie hat vor Klageerhebung das nach §§ 14, 16 UrhWahrnG vorgesehene Verfahren vor der Schiedsstelle durchgeführt (ZUM 1988, 353).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, Readerprinter seien vergütungspflichtige Geräte im Sinne des § 54 Abs. 2 UrhG. Sie hat dazu vorgebracht, die Geräte seien nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Vervielfältigen urheberrechtlich geschützten Schriftgutes bestimmt. In Bibliotheken werde solches Schriftgut wie Zeitungen, Bücher und Dissertationen, die teilweise bereits in Form von Mikrofiches abgeliefert würden, seit vielen Jahren mikroverfilmt. Auch im Bereich der gewerblichen Wirtschaft, dem häufigsten Anwendungsgebiet der Readerprinter, insbesondere in Großbetrieben, werde Schriftgut zunehmend mikroverfilmt. Von der Kopiermöglichkeit werde auch zu privaten Zwecken Gebrauch gemacht.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgebracht, Readerprinter seien nicht zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützten Schriftgutes bestimmt. Die Geräte würden nahezu ausschließlich bei Unternehmen, Behörden, Banken und Versicherungen zur revisuellen Sichtung eigener mikroverfilmter geschäftlicher Unterlagen eingesetzt. Sie dienten aufgrund ihrer Zweckbestimmung in erster Linie der kostensparenden Vereinfachung der Büroorganisation im geschäftlichen Verkehr. Die Geräte kämen zur Sicherung und Speicherung der nach Handelsrecht und Steuerrecht aufbewahrungspflichtigen Unterlagen sowie von Kranken- und Versicherungsakten, Dokumentationen, Gesetzes- und Entscheidungssammlungen zum Einsatz. Nur etwa 0, 3 % entfielen auf Rückvergrößerungen urheberrechtlich geschützten Schriftgutes, und zwar in den Bereichen "Service-Büros" und "Wissen". Deshalb müsse ein Vergütungsanspruch zumindest nach § 54 Abs. 3 UrhG entfallen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG München WRP 1991, 334 f.). Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß es sich bei den von der Beklagten hergestellten Readerprintern um vergütungspflichtige Vervielfältigungsgeräte im Sinne des § 54 Abs. 2 UrhG handelt. Dazu hat es ausgeführt: Die Regelung erfasse neben den herkömmlichen Fotokopiergeräten auch Readerprinter der von der Beklagten hergestellten Art; denn der Gesetzeswortlaut beziehe sich auch auf Geräte, die "in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" vervielfältigen. Readerprinter seien zur Vornahme von Vervielfältigungen nicht nur geeignet, sondern - wie sich aus der Werbung der Beklagten ergebe - auch bestimmt. Es komme für die Anwendung des § 54 Abs. 2 UrhG nicht darauf an, ob damit zu rechnen sei, daß in erheblichem Umfange geschütztes Schriftgut zu privatem oder sonstigem eigenen Gebrauch vervielfältigt werde. Die Frage, ob mit der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke tatsächlich zu rechnen sei, sei allerdings bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Wegfalls der Vergütungspflicht nach § 54 Abs. 3 UrhG von Bedeutung. Vorliegend könne jedoch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß die Geräte nicht zur Vervielfältigung benutzt würden. Die von der Beklagten vorgelegten Ergebnisse der von der "Arbeitsgemeinschaft Kopiergeräte-Hersteller und -Importeure im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V." (AGKHI) durchgeführten Umfrage, wonach nur 0, 3 % aller mit den Readerprintern der Beklagten hergestellten Rückvergrößerungen auf urheberrechtlich geschütztes Material entfielen, könnten nicht zugrunde gelegt werden. Abgesehen davon, daß dieser Umfrage, die als Parteigutachten zu werten sei, keine Verbindlichkeit zukomme, lasse sie nicht erkennen, inwieweit sie repräsentativ sei. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Erhebung weiterer von der Beklagten angebotener Beweise sei nicht geboten, da sie nicht geeignet seien, die Voraussetzungen des § 54 Abs. 3 UrhG zu beweisen. Die Erhebung fester Vergütungssätze nach Ziffer II der Anlage zu § 54 Abs. 4 UrhG widerspreche auch nicht deshalb dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie unabhängig von der tatsächlichen Nutzung erfolge. Dem Gesetzgeber stehe ein gewisser Pauschalierungsspielraum zu, den er dadurch ausgenutzt habe, daß er die Vergütungssätze an der Leistungsfähigkeit der Geräte ausgerichtet habe.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß Readerprinter - wie sie die Beklagte herstellt - zu den nach § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören (ebenso Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 54 Rdn. 13).

Nach dieser Bestimmung hat der Urheber gegen den Hersteller von Geräten, die zur Vornahme von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Schriftwerke zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch im Sinne des § 53 Abs. 1 - 3 UrhG bestimmt sind, einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die durch die Veräußerung oder ein sonstiges Inverkehrbringen der Geräte geschaffene Vervielfältigungsmöglichkeit. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Readerprinter der Beklagten zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützten Schriftgutes bestimmt sind. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß der Begriff "bestimmt" im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG n.F. enger ist als der Begriff "geeignet" in § 53 Abs. 5 Satz 1 UrhG a.F. Zu der nach dem früheren Recht ausreichenden technischen Eignung zur Vornahme von Vervielfältigungen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19. 12. 1980 - I ZR 126/78, GRUR 1981, 355, 357 f. - Video-Recorder) muß nunmehr eine entsprechende Zweckbestimmung hinzutreten. Eine solche Zweckbestimmung ergibt sich hier aus den eigenen Werbeangaben der Beklagten, wonach der in den Readerprinter integrierte Kopierer gestochen scharfe Kopien in höchster Qualität liefert und Seite für Seite auf Normalpapier "druckt". Daß dies nicht mittels eines herkömmlichen Fotokopiergerätes geschieht, ist unerheblich. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes werden auch Geräte erfaßt, die der Vervielfältigung "in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung" dienen. Der erforderlichen Zweckbestimmung steht auch nicht entgegen, daß die Readerprinter nicht nur der Vornahme von Vervielfältigungen (Rückvergrößerungen) dienen, sondern - in einem dualen technischen System - auch dem Zweck, mikroverfilmtes Schriftgut auf dem Bildschirm lesbar zu machen. Die Vervielfältigung braucht nicht der ausschließliche Zweck zu sein. Es liegt in der Natur eines technischen Kombinationsgeräts, daß es mehrere Funktionen erfüllt; hier das Lesen und das Kopieren. Durch das Erfordernis der Zweckbestimmung sollen lediglich die Geräte von der Vergütungspflicht ausgenommen werden, die zwar technisch eine Vervielfältigung erlauben, zu diesem Zweck aber nicht in den Verkehr gebracht werden. Für den Bereich der Bild- und Tonträger wird insoweit in der Begründung zum Regierungsentwurf ausgeführt (BT-Drucks. 10/837, S. 19), durch die Gesetzesfassung solle klargestellt werden, daß der Hersteller des konfektionierten, für den Endverbraucher bestimmten Bild- oder Tonträgers vergütungspflichtig ist, nicht aber der Hersteller des Rohbandes, da das Rohband auch für zahlreiche andere Zwecke (z.B. in Datenspeichern und Computern) verwendet werden kann.

Die Revision rügt demgegenüber, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Zweckbestimmung nur auf die Vervielfältigungsmöglichkeit allgemein abgestellt, nicht aber - wie erforderlich - darauf, ob die Geräte zur Vornahme von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke bestimmt seien. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Zum einen hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Klägerin vertrete ca. 80000 Autoren, die Schriftwerke wie schöngeistige und dramatische Literatur, Sachliteratur sowie (wissenschaftliche) Fachliteratur verfaßt hätten; bei diesen Werken sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß sie vervielfältigt würden. Sodann hat die Beklagte selbst eingeräumt, daß mit ihren Geräten zum Beispiel in Bibliotheken auch urheberrechtlich geschütztes Schriftgut - wenn auch nur in geringem Umfange - vervielfältigt werde. Daraus ist auf eine entsprechende Zweckbestimmung zu schließen. Im übrigen hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß es für die Prüfung der Frage, ob die Geräte vergütungspflichtig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG sind, nicht auf den Umfang der urheberrechtsrelevanten Verwendung ankommt. Der Gesetzgeber hat die Vergütungspflicht in dieser Regelung an die "durch die Veräußerung oder ein sonstiges Inverkehrbringen der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen" geknüpft. Daran war er durch keine übergeordnete Vorschrift gehindert (vgl. BVerfGE 31, 255, 269 - Tonbandgeräte; BGH, Urt. v. 19. 12. 1980 - I ZR 126/78, GRUR 1981, 355, 359 - Video-Recorder, jeweils zu § 53 Abs. 5 Satz 1 UrhG a.F.).

Die Ausführungen der Revision zur urheberrechtsneutralen Verwendung der Readerprinter der Beklagten sind danach jedenfalls bei Prüfung der Vergütungspflicht nach § 54 Abs. 2 UrhG unbeachtlich. Einer unangemessenen Ausweitung der Vergütungspflicht wird durch § 54 Abs. 3 UrhG vorgebeugt, wonach der Anspruch entfällt, soweit nach den Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, daß die Geräte gleichwohl nicht zur Vornahme von Vervielfältigungen im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes benutzt werden. Die oben festgestellte Zweckbestimmung löst danach lediglich die gesetzliche Vermutung aus, daß die Geräte auch entsprechend ihrer Zweckbestimmung benutzt werden. Es handelt sich insoweit um eine widerlegbare Vermutung im Sinne des § 292 ZPO, die den Gegenbeweis in vollem Umfang zuläßt (vgl. BGH, Urt. v. 19. 12. 1980 - I ZR 126/78, GRUR 1981, 355, 358 - Video-Recorder; Urt. v. 18. 9. 1981 - I ZR 43/80, GRUR 1982, 104, 106 - Tonfilmgeräte, zu der identischen Bestimmung des § 53 Abs. 5 Satz 3 UrhG a.F.). Zwar hat der Gesetzgeber bei der Fassung der Regelung über den Wegfall der Vergütungspflicht primär an solche Geräte gedacht, die für den Export bestimmt sind (vgl. Rechtsausschuß des Bundestages in BT-Drucks. IV/ 3401, S. 10 zu § 53 Abs. 5 Satz 3 UrhG a.F.). Dieser Fall ist aber nur beispielhaft genannt (BGH aaO).

b) Die Vermutung erstreckt sich auch darauf, daß die Geräte entsprechend ihrer Zweckbestimmung auch - wie nach § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG weiter erforderlich - zum persönlichen oder sonstigen eigenen Gebrauch im Sinne des § 53 Abs. 1 - 3 UrhG verwendet werden.

2. Die genannte Vermutung ist - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat - auch nicht durch einen Nachweis der Beklagten nach § 54 Abs. 3 UrhG ausgeräumt worden, daß die von ihr hergestellten Readerprinter nicht im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes zur Vornahme von Vervielfältigungen benutzt werden.

In rechtlicher Hinsicht ist entsprechend den obigen Ausführungen unter II. 1. a davon auszugehen, daß die Vergütungspflicht auch bei einer nur geringen Nutzungswahrscheinlichkeit nicht entfällt. Denn das Gesetz knüpft die Vergütungspflicht in § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG insoweit allein an die "durch die Veräußerung... geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen" (vgl. BGH, Urt. v. 19. 12. 1980 - I ZR 126/78, GRUR 1981, 355, 359 - Video-Recorder). Ein völliger Wegfall der Vergütungspflicht könnte allerdings in Betracht kommen, wenn im konkreten Fall keine nennenswerte urheberrechtsrelevante Nutzung anzunehmen wäre (vgl. zum früheren Recht BGH, Urt. v. 18.9. 1981 - I ZR 43/80, GRUR 1982, 104, 105 f. - Tonfilmgeräte; auch BGH GRUR 1981, 355, 360 - Video-Recorder). Bei einer nicht ins Gewicht fallenden Urheberrechtsbeeinträchtigung ließe sich ein solcher Wegfall auch im Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG rechtfertigen. Denn soweit diese Verfassungsnorm den Gesetzgeber grundsätzlich verpflichtet, dem Urheber das vermögenswerte Ergebnis seiner Leistungen zuzuordnen, ist damit nicht jede nur denkbare Verwertungsmöglichkeit garantiert; der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen vielmehr nur gehalten, eine angemessene Vergütung sicherzustellen, die der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entspricht (vgl. BVerfGE 31, 229, 241; 79, 1, 25).

Entgegen der Ansicht der Revision kann im Streitfall nicht von einer nahezu ausschließlich urheberrechtsneutralen Verwendung der Readerprinter der Beklagten ausgegangen werden. Der von der Beklagten behauptete Anteil der Rückvergrößerungen von urheberrechtlich geschütztem Schriftgut von 0, 3 % kann dabei nicht zugrunde gelegt werden. Insoweit braucht allerdings den vom Berufungsgericht angeführten Bedenken, daß das von der Beklagten vorgelegte Umfrageergebnis nicht repräsentativ sei, und auch den ergänzenden Beweisantritten der Beklagten nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn das Vorbringen der Beklagten ist allenfalls bedingt geeignet, hinreichende Rückschlüsse auf die Frage zuzulassen, welche Anzahl von Rückvergrößerungen urheberrechtlich geschützten Schriftgutes (in absoluten Zahlen) insgesamt hergestellt werden. Darauf kommt es aber für die Frage an, ob - wie die Beklagte meint - von keinen nennenswerten Urheberrechtsbeeinträchtigungen ausgegangen werden kann, so daß es auch im Blick auf die dem Urheber grundsätzlich zugute kommende Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vertretbar erscheint, die Vergütungspflicht des Geräteherstellers ganz entfallen zu lassen.

Ein brauchbarer Ansatz, den Umfang der urheberrechtsrelevanten Verwendung der Readerprinter zu ermitteln, läßt sich aber zum einen der Art und dem Umfang des auf dem Markt befindlichen und jedem zugänglichen Mikrofiche-Materials und sodann dem Anteil der Geräteinhaber entnehmen, die selbst urheberrechtlich geschütztes Schriftgut auf Mikrofilm oder Mikrofiche besitzen. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß der genannte Personenkreis die Readerprinter entsprechend ihrer Zweckbestimmung auch zum Lesen und Kopieren einsetzt; andernfalls hätte er sich mit dem Erwerb eines Lesegerätes begnügt, das in der Regel wesentlich preisgünstiger ist. Vorliegend lassen sich dem Vorbringen der Parteien, den von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen und den gerichtsbekannten Umständen hinreichende Anhaltspunkte entnehmen, um jedenfalls den Mindestumfang des urheberrechtsrelevanten mikroverfilmten Materials zu ermitteln. Aus dem von der Beklagten zu den Akten gereichten Umfrageergebnis gemäß Anlage B 1 läßt sich entnehmen, daß zum Beispiel in den Bereichen des Großhandels 4 %, der Servicebüros 2 % und der Gesundheit/Erziehung/Wissen 16 % von insgesamt 30000 verkauften Readerprintern eingesetzt sind. Nach dem weiteren Umfrageergebnis gemäß Anlage B 5 finden sich in diesen Bereichen folgende Anteile an mikroverfilmtem geschützten Schriftgut: Großhandel 2, 5 %, Servicebüros 2 % und Wissen 13, 3 %. Diese Mindestanteile sind noch höher zu schätzen, weil der verwendete Fragenkatalog gemäß Anlage B 3 das urheberrechtlich geschützte Schriftgut nicht vollständig und das ungeschützte Material nur pauschal und nicht immer zutreffend einordnet; so sind zum Beispiel die angeführten technischen Unterlagen, wie Zeichnungen, Pläne, Karten und DIN-Normen, durchaus einem Urheberrechtsschutz zugänglich (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 30. 6. 1983 - I ZR 129/81, GRUR 1984, 117 ff. - VOB/C; Urt. v. 10. 10. 1991 - I ZR 147/89, WRP 1992, 160 ff. - Bedienungsanweisung m.w.N.). Hinzu kommt weiter die zunehmende Tendenz vor allem der Servicebüros, Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Bücher und Buchauszüge auf Mikrofilme oder Mikrofiche anzubieten. So heißt es in der Werbung gemäß Anlage B 12: "Unsere Abonnentenzahl für Zeitungen auf Mikrofilm wächst ständig. Besonders die großen, überregionalen Titel wie Frankfurter Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung und Die Zeit sind als Mikrofilm-Abonnement sehr gefragt". In einem in der Bibliothek des Bundesgerichtshofes befindlichen Werbeschreiben der M. P. GmbH werden 52 in- und ausländische Zeitungen im Mikrofilm-Abonnement angeboten. In einem weiteren Prospekt der Firma O., der ebenfalls in der Bibliothek des Bundesgerichtshofes zugänglich ist, werden Dienste für die Beschaffung von Literatur - auch auf Mikrofiche - angeboten. In der Werbeschrift heißt es:

"Unser Standort M. ist dabei von besonderer, unersetzbarer Bedeutung, weil wir hier Zugang zu 16 Millionen Bänden in Staats- und Universitätsbibliotheken, ebenso wie in Präsenz-, Werks-, Seminar- und Privatbibliotheken haben. Fernleihe im In- und Ausland... ergänzen unseren Einzugsbereich."

Weiter ist gerichtsbekannt, daß zum Beispiel der Beck-Verlag die NJW von 1947 bis 1970 und das Nachschlagewerk Lindenmaier/Möhring in Mikrofiches anbietet. Dem "Jahrbuch der deutschen Bibliotheken" läßt sich entnehmen, daß der überwiegende Teil der großen Bibliotheken in erheblichem Umfang Readerprinter einsetzt (vgl. die Einzelnachweise im Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 21. April 1988, S. 10). Aus dem vorgelegten Werbematerial ist zudem zu ersehen, daß sich in den Bibliotheken nicht nur - wie die Revision vorbringt - gemeinfreies mikroverfilmtes Schriftgut befindet. So enthalten zum Beispiel das "Deutsche Biographische Archiv" des S. -Verlages (Anlage K 5) sowie der "Katalog 1989/90" des S. -Verlages (Anlage B 8) zahlreiche Werke aus den letzten Jahrzehnten; auch in O1. M. System "Alphabetisches Verzeichnis" (Anlage B 9) finden sich Werke, deren Schutzfrist noch nicht abgelaufen ist. Allein der Bestand der Bibliothek des Bundesgerichtshofes umfaßte im Jahre 1992 über 11000 Mikrofiches, für deren Nutzung ein Lesegerät und ein Readerprinter zur Verfügung stehen. Zum Bestand gehören u.a. der Bundesanzeiger, dessen Beilagen auch urheberrechtlich geschütztes Schriftgut enthalten, sowie zahlreiche Dissertationen. Diese Beispiele machen hinreichend deutlich, daß im Streitfall von einer nicht unerheblichen urheberrechtsrelevanten Verwendung der Readerprinter auszugehen ist. Nach der Lebenserfahrung ist vor allem nicht auszuschließen, daß angesichts des Mikrofiche-Angebots der Servicebüros Zeitungen, Bücher und Buchauszüge zu beschaffen, auch die im Bereich der gewerblichen Wirtschaft eingesetzten Geräte im Laufe ihrer "Lebensdauer" irgendwann auch zur Rückvergrößerung urheberrechtlich geschützten Schriftguts verwendet werden. Es ist mithin davon auszugehen, daß sich die urheberrechtsrelevante Nutzung keineswegs nur auf die Bereiche "Servicebüros" und "Wissen" beschränkt. Näherer Feststellungen dazu, in welchen Bereichen, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken Readerprinter gegenwärtig konkret eingesetzt werden, bedarf es danach nicht. Ein hinreichender Grund, die Vergütungspflicht der Beklagten als Geräteherstellerin nach § 54 Abs. 3 UrhG entfallen zu lassen, ist bereits angesichts des festgestellten Mindestumfangs einer urheberrechtsrelevanten Nutzung nicht gegeben.

3. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht begegnet die Anknüpfung der Vergütungssätze in der Anlage II 1 zu § 54 Abs. 4 UrhG an die Leistungsfähigkeit der Geräte und nicht - wie bei § 53 Abs. 5 UrhG a.F. - an einen variablen Prozentsatz, der eine Berücksichtigung des Umfangs der urheberrechtsrelevanten Nutzung erlaubt (vgl. BGH, Urt. v. 14.2. 1985 - I ZR 162/83, GRUR 1985, 531 ff. - Herstellervergütung, zu § 53 Abs. 5 UrhG a.F.), keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Festlegung der Vergütungssätze ist ein Akt wertender Entscheidung des Gesetzgebers. Ihm kommt bei der Ausgestaltung in den Grenzen der Praktikabilität sowie unter Beachtung des Gleichheitssatzes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein weiter Entscheidungsspielraum zu, der zwangsläufig alle Unsicherheiten enthält, die Prognoseentscheidungen anhaften (BVerfGE 79, 1, 27 f.). Eine Regelung, die auf die konkrete urheberrechtsrelevante Verwendung beim einzelnen Geräteinhaber abstellen würde, wäre praktisch kaum durchführbar und kontrollierbar. Insoweit kann nichts anderes gelten als bei den herkömmlichen Fotokopiergeräten, die grundsätzlich auch bei urheberrechtsneutralem Einsatz mit den nach ihrer Leistungsfähigkeit gestaffelten festen Vergütungssätzen gemäß der Anlage II 2 zu § 54 Abs. 4 UrhG belegt werden. Bei der Komplexität des zu regelnden Bereichs konnte der Gesetzgeber in Kauf nehmen, daß in gewissem Umfang auch solche Geräte mit einer Vergütungspflicht belastet werden, die nicht zu Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützten Schriftgutes verwendet werden (vgl. BVerfGE 31, 255, 269 zu § 53 Abs. 5 UrhG a.F.). Er war durch keine übergeordnete Vorschrift daran gehindert, die Vergütungspflicht an die "durch die Veräußerung... der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen", zu knüpfen, wie dies § 54 Abs. 2 Satz 1 UrhG ausdrücklich vorsieht (vgl. BVerfGE aaO). Wie das Bundesverfassungsgericht zur Leerkassettenvergütung ausgeführt hat (BVerfGE 79, 1, 29), ist bei der Berücksichtigung der Vergütungssätze gemäß der Anlage II zu § 54 Abs. 4 UrhG n.F. schließlich auch zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber durch Beschluß vom 23. Mai 1985 die Bundesregierung ersucht hat, alle drei Jahre über die Entwicklung des Vergütungsaufkommens zu berichten (vgl. BT-Drucks. 10/3360, S. 3). Er habe sich vorbehalten, wesentliche Änderungen der Rahmendaten daraufhin zu überprüfen, ob die Vergütungssätze (unter Umständen auch zum Nachteil der Urheber) angepaßt werden müssen. Damit habe der Gesetzgeber alles getan, um die divergierenden Interessen - hier der Urheber, Gerätehersteller und Werknutzer - zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen und zu erhalten (BVerfGE aaO).

4. Das Berufungsgericht hat danach der Klage der nach § 54 Abs. 6 UrhG klagebefugten Klägerin zu Recht hinsichtlich des Auskunftsanspruchs (§ 54 Abs. 5 Satz 1 UrhG) und des Feststellungsanspruchs stattgegeben.

III. Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993179

BGHZ 121, 215

BGHZ, 215

DB 1993, 1279

NJW 1993, 2118

BGHR UrhG § 54 Abs. 2 Satz 1 Zweckbestimmung 1

BGHR UrhG § 54 Abs. 3 Nutzungswahrscheinlichkeit 1

BGHR UrhG § 54 Abs. 4 Bemessungsgrundlagen 1

CR 1993, 48

GRUR 1993, 553

Jur-PC 1993, 2084

MDR 1993, 1072

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