Leitsatz (amtlich)

a) Zur international-privatrechtlichen Einordnung der islamisch-rechtlichen Morgengabe.

b) Zur Auslegung und Formbedürftigkeit einer in der Bundesrepublik Deutschland getroffenen Morgengabevereinbarung.

 

Normenkette

EGBGB 1986 vor Art. 13

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 26.11.1985)

AG Memmingen

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats, zugleich Familiensenat, des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 26. November 1985 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien haben am 27. Juli 1976 vor dem Standesbeamten in M. geheiratet. Die Klägerin, im Jahre 1948 in Jaffa geboren, war zur Zeit der Eheschließung israelische Staatsangehörige. Seit dem Jahre 1983 besitzt sie einen deutschen Fremdenpaß, der sie als staatenlos ausweist. Der Beklagte war und ist Deutscher.

Die Klägerin ist Mohammedanerin. Im Frühjahr 1976 trat der Beklagte ebenfalls zum Islam über. Am 29. Oktober 1976 ließen sich die Parteien im Islamischen Zentrum in M. auch nach islamischem Ritus trauen. In einer darüber aufgenommenen Traubescheinigung, die die Unterschriften des islamischen Geistlichen, zweier Trauzeugen und der Parteien trägt, heißt es: „Das Brautgeld wurde auf 100.000 DM festgelegt.”

Durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – vom 13. Juni 1980 ist die Ehe der Parteien unter Anwendung deutschen Rechts geschieden worden. Das Urteil ist seit dem 26. Februar 1981 rechtskräftig. Am 15. Juni 1983 erklärte der Beklagte im Islamischen Zentrum in M. die Scheidung der Ehe auch nach islamischem Ritus. In eine darüber aufgenommene Bescheinigung setzte er von sich aus ein: „Finanzielle Forderungen von beiden Seiten sind ausgeschlossen”.

Die Klägerin verlangt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Morgengabe von 100.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Februar 1981. Das Amtsgericht – Familiengericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Familiengerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (Senatsurteil vom 21. September 1983 – IV b ZR 360/81 – FamRZ 1983, 1215), ist gegeben. Sie folgt aus dem inländischen Gerichtsstand des Beklagten, welcher durch seinen in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Wohnsitz bestimmt wird (§§ 12, 13 ZPO). Soweit nach den Bestimmungen über den Gerichtsstand ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist – vorbehaltlich anderer Regelungen, insbesondere in zwischenstaatlichen Abkommen – auch die internationale Zuständigkeit begründet (s. zuletzt Senatsurteile vom 9. April 1986 – IV b ZR 28/85 – FamRZ 1986, 665 und vom 26. November 1986 – IV b ZR 90/85 – zur Veröffentlichung bestimmt).

II. Der Klageanspruch ist nach deutschem Recht zu beurteilen. Freilich stößt die international-privatrechtliche Einordnung der Morgengabe des islamischen Rechts auf Schwierigkeiten, da es sich um ein eigenwilliges Rechtsinstitut handelt, für das es im deutschen Recht kein unmittelbar passendes Gegenstück gibt (s. etwa Heldrich IPRax 1983, 64: „Kuckucksei aus dem Morgenland” und Pruvost, Art. Tunesie, J.-Cl. de droit comparé, Bd. II, Fasc. 1, No. 58: „un élément hybride”). Teils wird sie unterhaltsrechtlich (s. KG FamRZ 1980, 470 f.; AG Hamburg IPRax 1983, 74, 75; Henrich IPRax 1985, 230, 231; Staudinger/v. Bar BGB 12. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 145; wohl auch Jayme IPRax 1984, 219 und Prader in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. I, Die religiösen Eherechte, Islam, S. 11 f.), teils güterrechtlich (vgl. OLG Bremen FamRZ 1980, 606 f.; Krüger FamRZ 1977, 115, 116; MünchKomm/Siehr BGB Art. 15 EGBGB Rdn. 91; zögernd auch Staudinger/Gamillscheg BGB 10./11. Aufl. Art. 15 EGBGB Rdn. 254) qualifiziert. Mitunter heißt es, daß sie sowohl unterhaltsrechtlich als auch güterrechtlich einzuordnen sei (OLG Köln IPRax 1983, 73 f.). Auch auf ihre erbrechtliche Bedeutung wird hingewiesen (vgl. Krüger a.a.O. S. 116 f.; Heldrich a.a.O. S. 65). Zunehmend wird eine Qualifizierung als ehelicher oder nachehelicher Unterhalt, unter Umständen auch als Vermächtnis, je nach dem Zusammenhang und Zeitpunkt befürwortet, in dem sie geltend gemacht wird; danach ist die Morgengabe, wenn sie – wie hier und wohl üblich – nach der Scheidung verlangt wird, dem Unterhaltsrecht zuzuordnen (Heldrich a.a.O. S. 64 f. sowie in Palandt BGB 46. Aufl. Art. 13 EGBGB Anm. 2 b aa, Art. 14 EGBGB Anm. 4 b und Art. 15 EGBGB Anm. 4 b; Hepting in einem in der vorliegenden Sache eingeholten Gutachten des Instituts für Internationales Recht der Universität München sowie Elwan in einem von der Klägerin beigebrachten Gutachten des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg; auch AG Memmingen IPRax 1985, 230). Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Entscheidung der Frage, weil unter sämtlichen Sachgesichtspunkten, die für die Einordnung der Morgengabe nach deutschem Internationalen Privatrecht in Betracht kommen, deutsches Sachrecht berufen ist, so daß offenbleiben kann, welche Kollisionsnorm die treffende ist (s. Zöller/Geimer ZPO 14. Aufl. § 293 Rdn. 12, 13).

Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts gelten nunmehr die Bestimmungen des am 1. September 1986 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl I S. 1142), die der Senat ungeachtet dessen zugrunde zu legen hat, daß das Berufungsgericht sie noch nicht berücksichtigen konnte (Senatsurteil vom 17. September 1986 – IV b ZR 52/85 – FamRZ 1986, 1200). Danach ist hier, wie immer man die Morgengabe einordnet, deutsches Recht berufen. Sieht man in ihr eine Ehewirkung, gilt deutsches Recht gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB als das Recht des Staates, in dem beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ordnet man die Morgengabe unterhaltsrechtlich ein, gilt deutsches Recht, soweit eine Zahlungspflicht bereits während der Ehe bestand, nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB als das Recht am Aufenthaltsort des Berechtigten, sonst, soweit eine Zahlungspflicht als Folge der Ehescheidung in Frage steht, nach Art. 18 Abs. 4 Satz 1 EGBGB als das Recht, welches auf die Ehescheidung angewandt worden ist. Sieht man in der Verpflichtung zur Leistung der Morgengabe eine güterrechtliche Wirkung der Ehe, bestimmt sich das anwendbare Recht, da die Ehe der Parteien nach dem 31. März 1953 und vor dem 9. April 1983 geschlossen worden ist, nach Art. 220 Abs. 3 EGBGB, und zwar, da die Ehe bereits seit dem 26. Februar 1981 rechtskräftig geschieden und der Güterstand daher vor dem 9. April 1983 beendet worden ist, nach Satz 1 der Übergangsregelung (Senatsurteil vom 17. September 1986 a.a.O. S. 1202). Die darin in Nr. 1 vorgesehene Anknüpfung an das Recht des Staates, dem beide Ehegatten bei der Eheschließung angehörten, fällt aus, da die Parteien verschiedener Staatsangehörigkeit waren. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Parteien im Sinne von Art. 220 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EGBGB dem Heimatrecht der Klägerin unterstellt haben oder von seiner Anwendbarkeit ausgegangen sind. Insbesondere kann insoweit die Festlegung einer Morgengabe bei der islamischen Trauung nicht ausreichen. Hiermit sollte ersichtlich einer allgemein – länderübergreifend – im Islam verbreiteten Vorstellung Rechnung getragen werden und keine Unterstellung gerade unter das Recht des Staates Israel erfolgen. In dessen Ehegüterrecht ist die Morgengabe, sofern man ihr güterrechtliche Bedeutung bemißt, auch nur ein vergleichsweise unbedeutender Teilaspekt. Im Vordergrund des israelischen Ehegüterrechts steht über die Grenzen der Religionsgemeinschaften hinweg der Vermögensausgleich nach dem Gesetz über die Vermögensverhältnisse zwischen Ehegatten aus dem Jahre 1973 (in Übersetzung abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. IV, Israel, III B 11 S. 55 ff.), der dem Zugewinnausgleich verwandt ist. Es spricht nichts dafür, daß den Parteien diese Rechtslage auch nur in Umrissen bekannt war; sie ist bezeichnenderweise selbst in diesem Rechtsstreit in den Vorinstanzen von keiner Seite angesprochen worden. Nach Lage des Falles ist eine schlüssige Rechtswahl im Sinne des Art. 220 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EGBGB allenfalls zugunsten des deutschen Rechts erfolgt. Denn die Parteien haben in Deutschland geheiratet, der Beklagte ist Deutscher und es war ersichtlich geplant, auf Dauer in Deutschland zu leben. All dies legt die Annahme nahe, daß sich die Parteien auf den Boden der deutschen Rechtsordnung gestellt haben. Andernfalls gilt das deutsche Recht, wenn man die Morgengabe güterrechtlich einordnet, über die hilfsweise Anknüpfung in Art. 220 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 EGBGB (s. auch insoweit Senatsurteil vom 17. September 1986 a.a.O. S. 1202 f.). Soweit die Morgengabe auch erbrechtlich von Bedeutung sein kann und unter diesem Gesichtspunkt ein Rückgriff (auch) auf das Erbrechtsstatut in Betracht kommt, ist auch dieses zufolge Art. 25 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und 4 EGBGB das deutsche Recht. Faßt man als Anspruchsgrundlage für das Verlangen der Klägerin einen schuldrechtlichen Vertrag ins Auge, ist gemäß Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB gleichfalls deutsches Recht berufen. Eine Rechtswahl zugunsten des israelischen Vertragsrechts i.S. von Art. 27 Abs. 1 EGBGB liegt nicht vor. Sie lag aus der Sicht der Parteien ebenso fern wie eine Rechtswahl zugunsten des israelischen Ehegüterrechts (s.o.). Ein den Klageanspruch rechtfertigender schuldrechtlicher Vertrag hätte vielmehr i.S. des Art. 28 Abs. 1 EGBGB die engsten Verbindungen zum Recht der Bundesrepublik Deutschland. Nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB wird vermutet, daß der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Damit kommt es gegebenenfalls auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Beklagten bei Abschluß des Vertrages an. Dieser lag in der Bundesrepublik Deutschland.

III. Der Prüfung nach deutschem Sachrecht hält das angefochtene Urteil nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Beklagte sich bei der Trauung vor dem islamischen Geistlichen vertraglich verpflichtet habe, der Klägerin 100.000 DM als Morgengabe zu zahlen. Insoweit ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das Berufungsgericht konnte dem Satz „Das Brautgeld wurde auf 100.000 DM festgelegt”, der in der von beiden Parteien unterschriebenen Traubescheinigung enthalten ist, ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Auslegungsregeln eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Parteien entnehmen. Die Behauptung des Beklagten, er sei sich der Eingehung einer Verpflichtung nicht bewußt gewesen, sondern habe das Morgengabeversprechen für eine „reine Formsache” gehalten, ist demgegenüber unerheblich, so daß es nicht darauf ankommt, daß das Berufungsgericht eine solche Vorstellung des Beklagten nicht festgestellt hat. Wäre der Behauptung des Beklagten zu entnehmen, er habe das Erklärte insgeheim nicht gewollt, so hätte dieser geheime Vorbehalt nur dann zur Nichtigkeit seiner Erklärung geführt, wenn er der Klägerin bekannt gewesen wäre (§ 116 S. 2 BGB). Als Scheingeschäft wäre die Vertragserklärung des Beklagten nur dann nichtig, wenn er sie im Einverständnis mit der Klägerin nur zum Schein abgegeben hätte (§ 117 Abs. 1 BGB). Beides hat der Beklagte aber selbst nicht behauptet. Soweit er, was den Umständen nach aber ohnehin fernläge, seine Willenserklärung als nicht ernstlich gemeint hinstellen wollte, fehlte es an der Behauptung, er habe sie in der Erwartung abgegeben, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden (§ 118 BGB).

b) Der festgestellte Sachverhalt ergibt nicht, daß der Beklagte seine Erklärung wirksam angefochten hat. Das Berufungsgericht hat seine Behauptung, er habe das Morgengabeversprechen für eine Formsache gehalten, insoweit unter dem – in der Tat allein in Betracht kommenden – Gesichtspunkt der Anfechtbarkeit wegen Irrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) geprüft. Es hat die vom Beklagten erklärte Anfechtung jedoch nicht durchgreifen lassen, weil dem Beklagten, der zuvor zum Islam übergetreten sei, nicht unbekannt geblieben sein könne, daß die Morgengabe nach islamischer Vorstellung eine rechtliche Verpflichtung beinhalte. Außerdem sei die Anfechtung nicht unverzüglich i.S. des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt. Sie sei erst durch Schriftsatz vom 13. Oktober 1983 erklärt worden. Der Beklagte habe aber schon Monate vorher damit gerechnet, aus der Vereinbarung in Anspruch genommen zu werden, wie sich darin zeige, daß er bei der Scheidung nach islamischem Ritus in die darüber aufgenommene Bescheinigung von sich aus eingefügt habe, daß finanzielle Forderungen ausgeschlossen seien. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

c) Das Berufungsgericht hat Zweifel geäußert, ob die Vereinbarung der Parteien unwirksam sei, weil die islamische Trauung, bei der der Beklagte die Morgengabe versprochen hat, als solche rechtlich unbeachtlich sei. Dieses Bedenken teilt der Senat nicht. Für die Parteien konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß die islamische Trauung neben der vorangegangenen standesamtlichen Eheschließung in Deutschland keine bürgerlich-rechtliche Bedeutung hatte. Damit haben sie die Morgengabevereinbarung den Umständen nach allenfalls davon abhängig gemacht, daß die Trauung den Gültigkeitsanforderungen des religiösen Rechts entsprach. Dies war der Fall. Insoweit ist hier, da es an einem anderen Bezugspunkt zum islamischen Kulturkreis fehlt, auf das in Israel als dem Heimatland der Klägerin gemäß § 2 der „Moslem Family Law (Application) Ordinance” (in Übersetzung abgedruckt bei Bergmann/Ferid a.a.O. Bd. IV, Israel, I B 20 S. 76) für Mohammedaner geltende Ottomanische Familiengesetz von 1917 (in Übersetzung abgedruckt bei Bergmann/Ferid a.a.O. III C 3 a S. 87 ff.) zurückzugreifen. Danach wird die Ehe durch Abgabe konsentierender Erklärungen der Heiratswilligen vor zwei handlungsfähigen Zeugen und in Gegenwart des Richters des Wohnorts einer der Parteien oder seines Vertreters geschlossen (§§ 34, 35, 37). An die Stelle des Richters tritt in Israel (s. insoweit § 2 der „Marriage and Divorce Registration Ordinance”, in Übersetzung abgedruckt bei Bergmann/Ferid a.a.O. III B 4 S. 48) und in Ländern ohne mohammedanische Gerichtsbarkeit der Imam. Die hiernach zu beobachtenden Förmlichkeiten sind eingehalten worden.

2. Das Berufungsgericht hält die Morgengabevereinbarung für nichtig, weil die in § 1410 BGB für einen Ehevertrag vorgeschriebene notarielle Form nicht eingehalten sei. Es hat dazu ausgeführt: Gegenstand der Vereinbarung sei die Morgengabe nach islamischer Rechtsvorstellung. Damit sei die Vereinbarung nicht lediglich als ein formfreier Vertrag über den nachehelichen Unterhalt zu beurteilen. Denn die Morgengabe werde nach islamischer Rechtsvorstellung unabhängig vom Unterhaltsbedarf der Frau und der Leistungsfähigkeit des Mannes geschuldet. Auch sei ihre Höhe nicht an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichtet. Zwar könne die Morgengabe auch die Funktion des deutschen Unterhaltsanspruchs für die Zeit nach der Scheidung haben. Darin erschöpfe sie sich aber nicht. Soweit sie bereits zu Beginn der Ehe geleistet werde, gehe sie in das Eigentum der Ehefrau über und könne diese frei darüber verfügen. Die Frau werde so in gewissem umfange von Unterhaltsleistungen unabhängig und erhalte eine vom Vermögen des Ehemannes getrennte Vermögensmasse. Durch die Vereinbarung der Morgengabe werde die zwischen den Eheleuten bestehende Gütertrennung abgeändert. Soweit die Morgengabe noch nicht geleistet sei, erfülle sie Funktionen, die im deutschen Recht der Zugewinnausgleich habe. Damit knüpft das Berufungsgericht erkennbar an seine allgemeinen Darlegungen zur Morgengabe eingangs der angefochtenen Entscheidung an. Dort heißt es, die Morgengabe sei sofort, spätestens aber bei Eheauflösung durch Tod oder Scheidung fällig. Soweit sie noch ausstehe, biete sie der Frau einen gewissen Schutz vor willkürlicher Verstoßung. Im Falle der Scheidung sei der Anspruch auf die noch ausstehende Morgengabe die einzige Forderung, die die Ehefrau an den Ehemann stellen könne, weil im islamischen Recht Gütertrennung herrsche und es grundsätzlich keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gebe. Da sich der güterrechtliche Charakter der Morgengabe von ihrer unterhaltsrechtlichen Funktion nicht trennen lasse, sei die Vereinbarung der Parteien auch an den güterrechtlichen Bestimmungen des deutschen Rechts zu messen und unterliege damit dem Formzwang des § 1410 BGB.

Diese Beurteilung wird durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.

Nach § 1410 BGB muß ein Ehevertrag zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben jedoch nicht, daß die Parteien mit der Vereinbarung einer Morgengabe einen Ehevertrag im Sinne dieser Vorschrift geschlossen haben. Nach der Legaldefination des § 1408 Abs. 1 BGB ist dies ein Vertrag, durch den Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse regeln, insbesondere den Güterstand aufheben oder ändern. Da für die Ehe der Parteien deutsches Recht galt, war durch ihre Heirat mangels anderweitiger ehevertraglicher Regelung der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft eingetreten (§ 1363 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß sie diesen Güterstand durch die Vereinbarung der Morgengabe aufgehoben oder geändert haben. Zwar spricht das angefochtene Urteil von der „zwischen den Eheleuten bestehenden Gütertrennung”, die durch die Vereinbarung der Morgengabe „abgeändert” werde. Dabei handelt es sich aber ersichtlich nicht um eine Auslegung der Vereinbarung, sondern – wie insbesondere die vorhergehenden Ausführungen zeigen um eine Darstellung islamischer Rechtsvorstellungen. Daher kann auf sich beruhen, ob es rechtlich überhaupt möglich wäre, der Vereinbarung, daß das Brautgeld auf 100.000 DM festgelegt werde, einen so weitgehenden Inhalt wie den Ausschluß des gesetzlichen Güterstandes beizulegen.

Es ist auch nicht festgestellt, daß die Parteien ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch die Morgengabevereinbarung in anderer Weise als durch Aufhebung oder Änderung des gesetzlichen Güterstandes geregelt haben. Zwar heißt es im angefochtenen Urteil, die im Zeitpunkt der Scheidung fällige Morgengabe erfülle Funktionen, die im deutschen Recht der Anspruch auf Zugewinnausgleich habe. Auch dabei handelt es sich aber ersichtlich um die Darstellung islamischer Rechtsvorstellungen, nicht aber um eine Vertragsauslegung, etwa des Inhalts, daß die Morgengabe anstelle eines etwaigen Anspruchs der Klägerin auf Zugewinnausgleich (§§ 1372 ff. BGB) vereinbart, dieser also abbedungen worden sei. Vielmehr hat das Berufungsgericht nirgends festgestellt, daß die Parteien ihre nach deutschem Recht bestehenden güterrechtlichen Verhältnisse in irgend einem Punkt geändert haben. Bestehen diese aber unverändert fort, so ist der Beklagte mit der Morgengabevereinbarung eine davon gesonderte, das Güterrecht unberührt lassende Verpflichtung eingegangen. Dann könnte die Klägerin die Morgengabe uneingeschränkt zusätzlich zu einem ihr gesetzlich zustehenden Zugewinnausgleich verlangen. In diesem, durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgeschlossenen Fall enthält die Vereinbarung keine Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse und ist daher kein nach § 1410 BGB formbedürftiger Ehevertrag. Allerdings kann die Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse auch in einer Erhöhung des Anspruchs eines Ehegatten auf Zugewinnausgleich bestehen (vgl. Gernhuber Familienrecht 3. Aufl. § 32 III 8 S. 445 f.; MünchKomm/Kanzleiter § 1408 Rdn. 14 m.w.N.). Die – immerhin denkbare – Vereinbarung, daß der Zugewinnausgleich sich um den als Morgengabe festgesetzten Betrag erhöhen oder – was näher läge – sich auf mindestens diesen Betrag belaufen solle, könnte daher als Ehevertrag einzustufen sein. Auch eine Vereinbarung dieses Inhalts hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt.

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Morgengabevereinbarung sei mangels gesetzlich vorgeschriebener Form nichtig (§ 125 S. 1 BGB), läßt sich auch nicht mit anderer Begründung halten (§ 563 ZPO).

a) Im Berufungsurteil heißt es, eine Morgengabeabrede könne erbrechtliche Bedeutung haben, so daß die nach § 2276 Abs. 1 BGB für Erbverträge vorgeschriebene notarielle Form zu beachten sei. Das Berufungsgericht hat indessen nicht festgestellt, daß die Vereinbarung der Parteien eine Verfügung von Todes wegen enthält, die nach § 2278 Abs. 1 BGB durch Erbvertrag getroffen werden kann.

b) Als Schenkungsversprechen hätte die Erklärung des Beklagten nach § 518 Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurft, wenn die Parteien sich einig gewesen wären, daß die 100.000 DM unentgeltlich zugewendet werden sollten (§ 516 Abs. 1 BGB). Das ist aber ebenfalls nicht festgestellt.

4. Da die Feststellungen des Berufungsgerichts auch keine sonstigen Nichtigkeitsgründe ergeben, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben und muß aufgehoben werden.

IV. Der Senat ist nicht in der Lage, den Rechtsstreit abschließend zu entscheiden. Insbesondere lassen die bisher getroffenen Feststellungen nicht den Schluß zu, daß die Vereinbarung über die Zahlung der Morgengabe wirksam ist.

Wie unter III. 2. dargelegt, bedurfte sie nach §§ 1410, 1408 Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung, wenn die Parteien darin ihre güterrechtlichen Verhältnisse geregelt haben. Das ist, wie ebenfalls dargelegt, bisher nicht festgestellt; es ist bisher aber auch nicht ausgeschlossen worden. Im Gegenteil gibt das Berufungsurteil Anhaltspunkte dafür, daß die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Morgengabe die güterrechtlichen Verhältnisse der Parteien nicht unberührt gelassen hat.

Anknüpfend an seine zutreffende Feststellung, daß dem deutschen Recht die Morgengabe unbekannt sei, hat das Berufungsgericht zur Frage des Formerfordernisses ausgeführt, es komme darauf an, welche Bedeutung die Vereinbarung habe, wenn man die auf das islamische Rechtsinstitut der Morgengabe ausgerichtete Vorstellung der Parteien ins Deutsche „übersetze”. Dieser Gedanke, den das Berufungsgericht ersichtlich den kollisionsrechtlichen Anknüpfungsregeln entnommen hat, hat auch für die nach deutschem Recht vorzunehmende Auslegung der Vereinbarung Bedeutung. Denn dabei ist zu prüfen, was die Parteien damit zum Ausdruck gebracht haben, daß die 100.000 DM als. „Morgengabe” gezahlt werden sollen. Wie unter III. 2. schon ausgeführt, hat das Berufungsgericht hervorgehoben, daß die Morgengabe nach islamischen Rechtsvorstellungen Funktionen erfülle, die im deutschen Recht der Zugewinnausgleich habe. Der Anspruch auf die noch ausstehende Morgengabe sei im Falle der Scheidung die einzige Forderung, die die Ehefrau an den Ehemann stellen könne, weil im islamischen Recht Gütertrennung herrsche und es einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt grundsätzlich nicht gebe. An anderer Stelle des Berufungsurteils heißt es, daß dem zum Islam übergetretenen Beklagten die islamischen Vorstellungen über die Verpflichtung des Bräutigams zur Erbringung der Morgengabe nicht unbekannt geblieben sein könnten. Bei der in einer islamischen Familie in Israel aufgewachsenen Klägerin liegt diese Annahme ohnehin nahe. Daher ist zu prüfen, ob die Parteien nicht lediglich die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 100.000 DM begründet, sondern ihre auf der Ehe beruhenden Rechtsbeziehungen auch im übrigen islamischen Rechtsvorstellungen angenähert haben. Insbesondere bedarf es in diesem Zusammenhang der Prüfung, ob nach dem Willen der Parteien, wie er in der nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) auszulegenden Vereinbarung zum Ausdruck gekommen ist, der gesetzliche Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich uneingeschränkt neben ihrem Anspruch auf die Morgengabe bestehen bleiben sollte. Ist dies nicht der Fall oder haben die Parteien ihre güterrechtlichen Beziehungen in anderer Weise abweichend von den Vorschriften über den gesetzlichen Güterstand geregelt, so liegt ein der Form des § 1410 BGB bedürftiger Ehevertrag vor.

Da die Entscheidung mithin von noch ausstehenden tatsächlichen, dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellungen abhängt, muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

V. Für die neue Berufungsverhandlung weist der Senat weiter auf folgendes hin:

Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen erkennen, daß das Berufungsgericht der Vereinbarung der Parteien nicht lediglich güterrechtlichen Charakter beigelegt, sondern sie auch als einen Vertrag über den nachehelichen Unterhalt beurteilt hat. Erwägungen, wie sie unter IV. für die güterrrechtlichen Beziehungen dargelegt worden sind, legen in der Tat die Annahme nahe, daß die Parteien durch die Vereinbarung – auch oder nur – ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen gestaltet haben. Denn nach den vom Berufungsgericht dargestellten islamischen Rechtsvorstellungen bestehen neben dem Anspruch auf die Morgengabe nicht nur keine güterrechtlichen Ansprüche, sondern auch keine nachehelichen Unterhaltsansprüche. Daher kann zu prüfen sein, ob in der Vereinbarung ein – nach § 1585 c BGB möglicher – Abfindungsvertrag zu sehen ist, der keiner Form bedürfte. Ob die Vereinbarung insoweit wirksam ist, falls sie im übrigen am Formerfordernis des § 1410 BGB scheitert, ist nach Maßgabe des § 139 BGB zu beurteilen.

Für den Fall, daß der Beklagte sich wirksam verpflichtet hat, der Klägerin 100.000 DM als Abfindung ihres Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt zu zahlen, kann eine Herabsetzung des Abfindungsbetrages nach den Grundsätzen über die Änderung der Geschäftsgrundlage in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 1579 BGB in Betracht, kommen (vgl. etwa BGH Urteile vom 19. März 1953 – IV ZR 226/52 – LM EheG § 72 Nr. 2 und vom 20. Dezember 1961 – IV ZR 119/61 – FamRZ 1962, 112, 113; s. ferner RGZ 165, 26, 29 und 166, 378, 380, 381 f. sowie Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1585 c BGB Rdn. 10). Daran ist vor allem deshalb zu denken, weil die Ehe der Parteien bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (vgl. insoweit Senatsurteil vom 26. November 1980 – IV b ZR 542/80 – FamRZ 1981, 140, 141) nur rund drei Jahre und vier Monate Bestand gehabt hat. Die Ehedauer lag damit nur geringfügig oberhalb der Grenze von drei Jahren, von der an nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 23. Dezember 1981 – IV b ZR 639/80 – FamRZ 1982, 254) eine Ehe im Regelfall nicht mehr als kurz im Sinne des § 1579 Nr. 1 BGB anzusehen ist. Gerade in solchen Fällen kann der Vorbehalt, daß die Dreijahresgrenze lediglich „im Regelfall” gilt, Bedeutung gewinnen und wegen besonderer Umstände des Einzelfalles die Ehe noch als „von kurzer Dauer” im Sinne von § 1579 Nr. 1 BGB zu behandeln sein (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 1983 – IV b ZR 381/81 – nicht veröffentlicht: Ehe von drei Jahren und vier Monaten). Solche Umstände könnten hier gegeben sein, etwa wenn das Vorbringen des Beklagten zuträfe, daß er bereits zum Zeitpunkt der Trennung der Parteien, die unstreitig Ende Mai 1978 und damit schon rund 20 Monate nach der Eheschließung erfolgt ist, entschlossen gewesen sei, Ehescheidungsantrag zu stellen, hiervon jedoch vorerst Abstand genommen habe, weil die Klägerin ihn hierum mit dem Hinweis gebeten habe, daß sie sonst befürchten müsse, vor Abschluß ihres Studiums aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben zu werden.

 

Unterschriften

Lohmann, Blumenröhr, Macke, Zysk, Nonnenkamp

 

Fundstellen

Haufe-Index 1759016

NJW 1987, 2161

Nachschlagewerk BGH

IPRspr. 1987, 48

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