Leitsatz (amtlich)

a) Die Haftung des Drittschuldnern für den dem Gläubiger durch die Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung entstandenen Schaden setzt Verschulden voraus.

b) Der Drittschuldner hat zu beweisen, daß ihn an der Nichterfüllung seiner Auskunftsverpflichtung kein Verschulden trifft.

c) Ein Gläubiger, der mangels Auskunftserteilung den Drittschuldners gegen diesen eine unbegründete Zahlungsklage erhoben hatte, kann zur Klage auf Feststellung der Haftung den Drittschuldnern für den aus der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung entstandenen Schaden übergehen.

 

Normenkette

ZPO §§ 840, 256

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf

LG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision den Klägern wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf von 3. Dezember 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger erwirkte am 16. Januar 1979 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit dem die angebliche Forderung einer Schuldnerin des Klägers gegen die beklagte Bank auf Auszahlung des jetzigen und zukünftigen Guthabens aus den bei der Beklagten geführten Konten in Höhe von 11.391,26 DM gepfändet und überwiesen wurde. Bei der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 22. Januar 1979 an die Beklagte erklärte diese, die Beantwortung der Fragen gemäß § 840 ZPO werde schriftlich binnen zwei Wochen an den Auftraggeber, den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten den Klägers, erfolgen.

Da die Fragen bis zum Ablauf der Zweiwochenfrist am 5. Februar 1979 nicht beantwortet worden waren, reichte der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers am 7. Februar 1979 Klage auf Zahlung von 11.391,26 DM nebst Zinsen ein. Danach traf am selben Tage bei dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägern die Erklärung der Beklagten ein, daß eine Forderung der Schuldnerin zur Zeit nicht bestehe.

Der Kläger, der mit der Klageschrift den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 11.391,26 DM nebst Zinsen angekündigt hatte, erklärte noch vor der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Da die Beklagte der Erledigterklärung widersprach, begehrte er in der ersten mündlichen Verhandlung hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 834,58 DM (der dem Kläger bis zur Auskunftserteilung der Beklagten entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten). Die Beklagte beantragt Klagabweisung. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten entsprechend seinen Anträgen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Erledigung der Rechtsstreite in der Hauptsache sei nicht eingetreten, weil der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 11.391,26 DM nebst Zinsen von Anfang an unbegründet gewesen sei. Da die Beklagte der Erledigungserklärung widersprochen habe, sei über deren Klageabweisungsantrag sachlich zu entscheiden und die Klage abzuweisen, weil eine Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte schon bei Klageeinreichung nicht bestanden habe. Der Hilfsantrag des Klägers sei gleichfalls unbegründet, denn ein Schadensersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO setze ein schuldhaftes Verhalten voraus. Die Darlegungs- und Beweislast für eine schuldhafte Verletzung der der Beklagten obliegenden Verpflichtung zur Auskunftserteilung treffe den Kläger. Dieser sei seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Unstreitig hätten nämlich in der fraglichen Zeit ungewöhnliche Witterungsverhältnisse geherrscht, die möglicherweise den rechtzeitigen Zugang der Erklärung der Beklagten verhindert hätten. Darauf, ob die Erklärung der Beklagten am Freitag, dem 2. Februar 1979 oder erst am Montag, dem 5. Februar 1979 zur Post gegeben worden sei, komme es nicht an, weil ein Postkunde davon ausgehen könne, daß ein Schreiben in innerörtlichen Postbetrieb nicht länger als einen Tag bis zur Auslieferung an den Empfänger benötige und weil dem Kläger erst am 7. Februar 1979 durch die Einreichung der Klageschrift Anwalts- und Gerichtskosten entstanden seien. Da somit ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht festgestellt werden könne, sei unerheblich, ob, wie das Landgericht angenommen habe, auch den Kläger ein Verschulden treffe und wie gegebenenfalls das beiderseitige Verschulden abzuwägen wäre.

II.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Sie macht in erster Linie geltend, daß das Berufungsgericht eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache zu Unrecht verneint habe.

Das ist nicht der Fall.

Eine wirksame Erledigterklärung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vor, wenn die Klage ursprünglich nicht begründet war (BGH Urteile vom 7. November 1968 – VII ZR 72/66 = LM ZPO § 91 a Nr. 29 und vom 25. November 1964 – V ZR 187/62 – LM ZPO § 91 a Nr. 21). So war es hier. Die Klage ist von vornherein unbegründet gewesen, weil nach der von der Beklagten am 7. Februar 1979 erteilten und vom Kläger unbestrittenen Auskunft die Schuldnerin keine Forderung gegen die Beklagte hatte. Diese hatte deshalb auch der Erledigterklärung des Klägers widersprochen. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, daß eine Erledigung des Rechtsstreits nicht eingetreten war.

2. Die Revision rügt weiter, daß das Berufungsgericht den Hilfsantrag des Klägers nicht unbegründet habe abweisen dürfen.

Diese Rüge ist berechtigt.

a) Der Drittschuldner haftet gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Gläubiger für einen infolge Nichterteilung bzw. nicht rechtzeitiger Erteilung der Auskunft entstandenen Schaden und somit auch für unnötigerweise aufgewandte Prozeßkosten. Mit dem Hilfsantrag hat der Kläger die ihm bis zur Auskunftserteilung der Beklagten entstandenen Prozeßkosten in Höhe von 834,58 DM geltend gemacht. Dieser Anspruch kann nicht deswegen verneint werden, weil die Beklagte den verspäteten Zugang ihrer Auskunft nicht zu verantworten und daher die dem Kläger durch die Klage entstandenen Kosten nicht schuldhaft verursacht habe, wie das Berufungsgericht gemeint hat.

aa) Die Auskunft der Beklagen war unstreitig erst nach Einreichung der Klage bei dem Prozeßbevollmächtigen des Klägers eingegangen. Da nach herrschende Meinung der Schadensersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO Verschulden voraussetzt (Linke ZZP 284, 307 m. w. Nachw.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 39. Aufl. § 840 Anm. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 10. Aufl. § 840 Anm. 2; Zöller, ZPO, 12. Aufl. § 840 Anm. III; wohl auch Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 840 Rdn. E; a.A. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 840 Anm. IV 1), kommt es darauf an, ob die Beklagte den verspäteten Eingang ihrer Auskunft bei dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu vertreten hatte.

bb) Das hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Entgegen seiner Ansicht trifft indessen die Beweislast für ein Verschulden der Beklagten nicht den Kläger. Da § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, trägt der Schuldner die Beweislast dafür, daß er seiner Verpflichtung ohne sein Verschulden nicht bzw. nicht rechtzeitig nachgekommen war (Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl. S. 358 ff., 367).

b) Die Beklagte hat sich also zu entlasten (Wieczorek a.a.O. Rdn. E).

aa) Ein Verschulden der Beklagten kann nicht, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, deswegen verneint werden, weil in der fraglichen Zeit ungewöhnliche Witterungsverhältnisse geherrscht hätten, „die möglicherweise den rechtzeitigen Zugang des Schreibens verhindert hätten”. Die Beklagte müßte vielmehr darlegen und beweisen, daß gerade ihre Erklärung infolge der Witterungsverhältnisse verspätet zugegangen ist.

bb) Die Beklagte konnte in jedem Fall, wenn ihr Schreiben erst am Montag, dem 5. Februar 1979 zur Post gegeben worden wäre, wie der Kläger unter Hinweis auf den Poststempel behauptet, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf vertrauen, daß es rechtzeitig – also noch an diesem Tage – bei dem Prozeßbevollmächtigten das Klägers eingehen werde.

c) Da es daher der Prüfung bedarf, ob die Erklärung der Beklagten am Freitag, dem 2. Februar 1979 oder am Montag, de, 5. Februar 1979 zur Post gegeben worden war, kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben.

3. Bei der infolgedessen erforderlichen erneuten Verhandlung wird der Kläger zu erwägen haben, ob er nicht seinen Hilfsantrag ändert. Denn sein Hauptantrag kann keinen Erfolg haben, wie dargelegt wurde (s.o. II 1). Durch den Hilfsantrag, der möglicherweise begründet ist, werden lediglich die bis zur Auskunftserteilung der Beklagten erwachsenen Prozeßkosten, aber nicht die gesamten Prozeßkosten des Klägers erfaßt.

a) Die Frage, ob und gegebenenfalls wie der klagende Gläubiger im selben Prozeß eine Verurteilung des Drittschuldners zur Tragung seines meist aus unnütz aufgewandten Prozeßkosten bestehenden Schadens erreichen kann, wenn sich infolge nicht rechtzeitiger Auskunfterteilung erst nachträglich herausstellt, daß gegen den Drittschuldner ein Anspruch nicht besteht, ist allerdings umstritten.

aa) In Rechtsprechung und Schrifttum wird in neuerer Zeit mit unterschiedlicher Begründung überwiegend die Meinung vertreten (vgl. die Nachweise bei Linke ZZP 87, 284, 298 ff.), daß es nicht angängig ist, einen Gläubiger der gegen einen Drittschuldner auf Zahlung klagte, weil ihm mangels Auskunfterteilung des Drittschuldners unbekannt war, daß gegen diesen ein Anspruch des Schuldners nicht bestand, auf die Geltendmachung seines Schadensersatzanspruches in einem neuen Prozeß zu verweisen. Nach einer Auffassung soll § 91 a ZPO entsprechend anwendbar sein (so z.B. Schmidt JR 1951, 558, 559 m. w. Nachw.). Des weiteren wird angenommen, daß der Gläubiger von dem Drittschuldner Ersatz seiner Kosten in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO verlangen oder durch Klageänderung seinen Schaden als Hauptanspruch geltend machen könne (so z.B. Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 840 Anm. IV 1 m. w. Nachw.) oder mit seiner Schadensersatzforderung gegen den Kostenerstattungsanspruch des Drittschuldners aufrechnen könne (so z.B. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O. § 840 Anm. 3). Daß der Gläubiger seinen Schaden bzw. die ihm erwachsenen Prozeßkosten in einem gesonderten Prozeß gegen den Drittschuldner einklagen müsse, wird, soweit ersichtlich, nur noch von Thomas/Putzo (a.a.O. § 840 Anm. 2) vertreten.

bb) Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat ausgesprochen, daß in einem derartigen Fall nach Erledigterklärung des Klägers für eine dessen Schadensersatzforderung berücksichtigende Kostenentscheidung weder nach § 91 a ZPO noch nach § 93 ZPO Raum ist, daß vielmehr jedenfalls dann, wenn der Gläubiger nicht im Wege der Klageänderung seinen Schaden durch einen bezifferten Antrag geltend macht, die Klage – mangels Erledigung – abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind (BGH Urteil vom 14. Mai 1979 – II ZR 15/79 = WM 1979, 1128).

b) Der erkennende Senat ist mit der herrschenden Meinung der Auffassung, daß es für den Gläubiger unzumutbar und überdies auch nicht prozeßökonomisch ist, den Gläubiger auf die Geltendmachung seines Schadensersatzanspruchs in einem neuen Prozeß zu verweisen.

aa) Einer entsprechenden Anwendung des § 91 a ZPO steht allerdings entgegen, daß, wie ausgeführt wurde (s. o. II 1), ein Fall der Erledigung nicht vorliegt.

bb) Eine entsprechende Anwendung des § 93 ZPO scheidet gleichfalls aus, wie der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der erwähnten Entscheidung dargelegt hat. Überdies ist zweifelhaft, ob hier eine „spiegelbildliche Anwendung” des für ein Anerkenntnis geltenden § 93 ZPO (Linke a.a.O. S. 300) möglich ist. Denn eine Erklärung des klagenden Gläubigers, daß er seinen Antrag auf die Kosten beschränke, stellt keine Abstandnahme von der Klage dar. Der Kläger erklärt nämlich nicht, seine Klage aufgeben zu wollen, sondern macht nunmehr den ihm gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustehenden Schadensersatzanspruch geltend.

cc) Durch eine Aufrechnung mit dem ihm erwachsenen Schaden gegen eine zugunsten des Drittschuldners ergehende Kostenfestsetzung erhielte der Gläubiger in der Regel schon deshalb nicht Ersatz seiner gesamten Kosten, weil er die Gerichtskosten zu tragen hat.

dd) Andererseits stößt der Gläubiger mit einer auf Zahlung gerichteten Klage auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Berechnung seiner Forderung, wenn er vermeiden will, daß im Falle seines Obsiegens der Drittschuldner durch die materielle Entscheidung einerseits und die Kostenentscheidung andererseits mindestens teilweise doppelt belastet wird (vg. hierzu Linke a.a.O. S. 305).

ee) In Betracht kommt dagegen, eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung des Drittschuldners zum Ersatz des dem Gläubiger durch die Nichterteilung bzw. nicht rechtzeitige Erteilung einer Auskunft entstandenen Schadens zuzulassen.

Eine derartige Klageänderung ist gemäß § 263 ZPO als sachdienlich anzusehen, so daß dahingestellt bleiben kann, ob eine Klageänderung nach § 264 Nr. 3 ZPO zulässig wäre (vgl. Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl. § 268 V 2 und 3).

Daß in einem Falle, in dem, wie hier, dem klagenden Gläubiger außer den unnütz aufgewandten Prozeßkosten kein weiterer Schaden entstand, die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Drittschuldner sich im Ergebnis mit der Kostenentscheidung deckt, ändert nichts daran, daß der Feststellungsausspruch gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine sachliche Entscheidung, der Kostenausspruch gemäß § 91 ZPO dagegen eine prozessuale Entscheidung ist.

Dieser Lösung steht die wiederholt erwähnte Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 1979 nicht entgegen. Einen bezifferten Antrag auf Ersatz der entstandenen Prozeßkosten hält ersichtlich auch der II. Zivilsenat für zulässig. Daß eine Feststellungsklage ausgeschlossen sei, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.

III.

Da das Urteil des Berufungsgerichts nicht aufrechterhalten werden kann (s.o. II 2 c), war es aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens war dem Berufungsgericht zu übertragen, weil sie von dem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abhängt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609660

BGHZ, 275

NJW 1981, 990

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