Leitsatz (amtlich)

a) Die Annahme einer Verletzungshandlung i.S.v. Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet.

b) An dem internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung i.S.v. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO können neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch Nebenansprüche auf Auskunftserteilung geltend gemacht werden.

c) Die Annahme einer internationalen Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für eine auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs setzt voraus, dass nach dem Vortrag des Klägers ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist.

 

Normenkette

Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 93 Abs. 5; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.12.2010; Aktenzeichen I-20 U 170/09)

LG Düsseldorf (Urteil vom 17.09.2009; Aktenzeichen 37 O 89/08)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 7.12.2010 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 17.9.2009 im Hinblick auf die auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin produziert und vertreibt Parfüm- und Kosmetikerzeugnisse. Sie leitet Rechte aus der nachfolgend abgebildeten, für Parfümeriewaren eingetragenen dreidimensionalen (schwarz/weißen) Gemeinschaftsmarke Nr. 003788767 ab:

Rz. 2

Die Klägerin vertreibt in einem der Gemeinschaftsmarke nachgebildeten farbig gestalteten und beschrifteten Flakon das Damenparfüm "Davidoff Cool Water Woman".

Rz. 3

Die Beklagte, eine in Belgien ansässige Gesellschaft, betreibt den Großhandel mit Parfüms. Zu ihrer Produktpalette gehört ein Damenparfüm, das sie unter der Bezeichnung "Blue Safe for Women" anbietet. Im Januar 2007 verkaufte sie das Parfüm an den in Deutschland geschäftsansässigen Stefan P.

Rz. 4

Die Klägerin hat in dem Vertrieb des Parfümerzeugnisses durch die Beklagte in dem im Klageantrag abgebildeten Parfümflakon eine Markenverletzung, eine unzulässige vergleichende Werbung und eine unlautere Nachahmung gesehen. Sie hat behauptet, von der Markeninhaberin, der Zino Davidoff S.A., Schweiz, zur Geltendmachung der Ansprüche aus der Gemeinschaftsmarke ermächtigt zu sein. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass Stefan P. beabsichtigt habe, das in Belgien erworbene Parfüm in Deutschland weiterzuverkaufen.

Rz. 5

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, 1. Auskunft zu erteilen, a) über Namen und Anschrift desjenigen, von dem die Beklagte die von ihr an Kunden in Deutschland, u.a. Stefan P. Warenhandel, veräußerten Parfüms mit der Bezeichnung "Blue Safe for Women" in dem nachstehend eingeblendeten Flakon erworben hat unter Vorlage der Lieferbelege: hilfsweise: b) über Namen und Anschrift desjenigen, von dem die Beklagte die von ihr an Kunden in Deutschland, u.a. Stefan P. Warenhandel, veräußerten Parfüms mit der Bezeichnung "Blue Safe for Women" in dem nachstehend eingeblendeten Flakon erworben hat und unter Vorlage der Lieferbelege, soweit dieser Verkäufer in Deutschland geschäftsansässig ist: (es folgt die vorstehend unter I 1a wiedergegebene Abbildung); 2. an die Klägerin 1.379,80 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.9.2007 zu zahlen, hilfsweise hierzu: die Klägerin von Kostenforderungen ihrer Verfahrensbevollmächtigten für die außergerichtliche Vertretung im Abmahnverfahren bis zu einem Betrag i.H.v. 1.379,80 EUR freizustellen; II. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, der aus dem Vertrieb des Parfüms mit der Bezeichnung "Blue Safe for Women" in der zu Ziff. I 1a bezeichneten Ausstattung nach Deutschland entstanden ist und noch entstehen wird.

Rz. 6

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Klage als unzulässig abgewiesen hat.

Rz. 7

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Rz. 8

Mit Beschluss vom 28.6.2012 (GRUR 2012, 1065 = WRP 2012, 1246 - Parfumflakon II) hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/1994 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke und zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen, dass eine Verletzungshandlung in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) i.S.v. Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 begangen worden ist, wenn durch eine Handlung in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) eine Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) begangenen Rechtsverletzung erfolgt? 2. Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 dahin auszulegen, dass das schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) eingetreten ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) begangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat) besteht?

Rz. 9

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 5.6.2014 (C-360/12, GRUR 2014, 806 - Coty/First Note Perfumes) wie folgt entschieden:

1. Der in Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke enthaltene Begriff des Mitgliedstaats, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist, ist dahin auszulegen, dass sich im Fall eines Verkaufs und einer Lieferung einer nachgeahmten Ware in einem Mitgliedstaat, die anschließend durch den Erwerber in einem anderen Mitgliedstaat weiterverkauft wird, aus dieser Bestimmung für die Entscheidung über eine Verletzungsklage gegen den ursprünglichen Verkäufer, der in dem Mitgliedstaat, dem das angerufene Gericht angehört, selbst keine Handlung vorgenommen hat, eine gerichtliche Zuständigkeit nicht herleiten lässt. 2. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sich im Fall der Behauptung einer unzulässigen vergleichenden Werbung oder einer unlauteren Nachahmung eines durch eine Gemeinschaftsmarke geschützten Zeichens - beides Verbotstatbestände nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb des Mitgliedstaats, dem das angerufene Gericht angehört - aus dieser Bestimmung die Zuständigkeit eines Gerichts dieses Mitgliedstaats nicht kraft des Ortes des Geschehens herleiten lässt, das für einen Schaden, der sich aus der Verletzung des genannten Gesetzes ergibt, ursächlich ist, wenn derjenige der mutmaßlichen Täter, der in besagtem Mitgliedstaat verklagt wird, dort selbst keine Handlung vorgenommen hat. Dagegen lässt sich in einem solchen Fall aus dieser Bestimmung die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über eine auf das besagte nationale Gesetz gestützte Haftungsklage gegen eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort eine Handlung vorgenommen haben soll, die im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts einen Schaden verursacht hat oder zu verursachen droht, kraft des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs herleiten.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 10

I. Das Berufungsgericht hat für die Klage gegen die in Belgien ansässige Beklagte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung und nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO) verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Rz. 11

Die Beklagte selbst habe in Deutschland keine Rechtsverletzung begangen. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass die Beklagte die Parfümflakons nach Deutschland geliefert habe. Vielmehr dürfte im Gegenteil davon auszugehen sein, dass der Käufer Stefan P. die Waren bei der Beklagten in Belgien erworben und abgeholt habe. Dort seien der Handlungsort und der Ort, an dem der Primärschaden eingetreten sei.

Rz. 12

Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich auch nicht aus einer Beihilfe der Beklagten zu einer etwaigen Verletzungshandlung des deutschen Käufers. Wenn der Vertrieb der Parfümflakons die Gemeinschaftsmarke verletze, sei die Beklagte Täterin. Als solche könne sie nicht auch Teilnehmerin einer etwaigen Verletzungshandlung des deutschen Käufers sein.

Rz. 13

II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie gegen die Abweisung der auf die Gemeinschaftsmarke gestützten Klage als unzulässig gerichtet ist (dazu unter II. 2). Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die Abweisung der Klage als unzulässig, soweit die Klägerin die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Tatbestände geltend gemacht hat (dazu unter II. 3).

Rz. 14

1. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren in der Revisionsinstanz kumulativ auf die Gemeinschaftsmarke Nr. 003788767 und auf wettbewerbsrechtliche Tatbestände sowie hilfsweise - soweit eine kumulative Klagehäufung ausscheidet - in erster Linie auf die Gemeinschaftsmarke und in zweiter Linie auf Wettbewerbsrecht gestützt. Trotz des einheitlichen Klagebegehrens liegen damit mehrere Streitgegenstände vor (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2014 - I ZR 224/12, GRUR 2014, 785 Rz. 21 = WRP 2014, 839 - Flugvermittlung im Internet, m.w.N.). In den Vorinstanzen hat die Klägerin die Ansprüche im Wege der alternativen Klagehäufung verfolgt. Diese Vorgehensweise entsprach einer im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verbreiteten Übung, die der Senat erstmals in seinem Hinweisbeschluss vom 24.3.2011 als unzulässig angesehen hat (BGH, Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 8 - TÜV I). Die Klägerin kann in der Revisionsinstanz nicht mehr von der alternativen Klagehäufung zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.8.2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rz. 32 = WRP 2011, 1454 - TÜV II; Urt. v. 19.4.2012 - I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rz. 21 = WRP 2012, 1392 - Pelikan). Die Klägerin ist jedoch in der Revisionsinstanz hilfsweise von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung übergegangen. Diese Vorgehensweise ist zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2011 - I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rz. 18 = WRP 2012, 330 - Basler Haar-Kosmetik). Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es deshalb in erster Linie auf die Frage an, ob die deutschen Gerichte zur Entscheidung über die auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichteten Anträge wegen Verletzung der Klagemarke international zuständig sind und nur für den Fall, dass die Klage insoweit unzulässig oder unbegründet ist, stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Tatbestände.

Rz. 15

2. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zutreffend verneint, soweit die Klage auf die Verletzung der Gemeinschaftsmarke gestützt ist.

Rz. 16

a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen Verletzung der Gemeinschaftsmarke kann sich im Streitfall nur aus Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 ergeben.

Rz. 17

Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26.2.2009 über die Gemeinschaftsmarke, der an die Stelle des Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 getreten ist, kommt im vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf den für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Handlungszeitpunkt im Januar 2007 nicht zur Anwendung (vgl. BGH GRUR 2012, 1065 Rz. 13 - Parfumflakon II). In der Sache macht dies allerdings keinen Unterschied, weil Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 eine gegenüber Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 inhaltsgleiche Regelung enthält.

Rz. 18

Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 93 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) 40/94 - nachfolgend GMV - scheidet aus, weil die Beklagte in einem anderen Mitgliedstaat geschäftsansässig ist. Die internationale Zuständigkeit ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht nach Art. 93 Abs. 4 Buchst. b GMV begründet worden. Die Beklagte hat in ihrem ersten Verteidigungsvorbringen die mangelnde örtliche Zuständigkeit des zunächst angerufenen LG Berlin geltend gemacht. Darin liegt konkludent eine schlüssige Rüge im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (vgl. BGH GRUR 2012, 1065 Rz. 14 - Parfumflakon II).

Rz. 19

b) Nach Art. 93 Abs. 5 GMV können die Verfahren, die durch die in Art. 92 GMV genannten Klagen und Widerklagen - ausgenommen Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung einer Gemeinschaftsmarke - anhängig gemacht werden, auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht oder in dem eine Handlung nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GMV begangen worden ist. Für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kommt es daher grundsätzlich darauf an, ob der Kläger eine im Inland begangene Verletzungshandlung des Beklagten i.S.d. Art. 93 Abs. 5 GMV behauptet hat und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO BGH, Urt. v. 8.3.2012 - I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rz. 18 = WRP 2012, 716 - OSCAR, m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

Rz. 20

aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagte habe in Deutschland keine eigene Handlung vorgenommen, die als Anknüpfungspunkt für eine Verletzungshandlung i.S.v. Art. 93 Abs. 5 GMV in Betracht kommt.

Rz. 21

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Parfümflakons nach Deutschland geliefert, während die Beklagte vorgetragen hat, die Parfümflakons Stefan P. in Belgien übergeben zu haben. Damit ist zwischen den Parteien der Ort der Verletzungshandlung, der Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist, streitig. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit ist nicht allein auf den Vortrag der Klägerin abzustellen. Der Ort der Verletzungshandlung ist kein Umstand, der für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblich ist und gleichzeitig ein notwendiges Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Anspruchs darstellt (sog. doppelt relevante Tatsache). Ob der Ort der Verletzungshandlung in Belgien oder in Deutschland liegt, ist nur für die Zuständigkeitsbestimmung und damit für die Zulässigkeitsprüfung von Bedeutung. In einem solchen Fall trifft die Klägerin die Beweislast, dass die Beklagte die Parfümflakons nach Deutschland geliefert hat. Den ihr obliegenden Nachweis einer Lieferung nach Deutschland hat die Klägerin nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geführt. Es ist daher vom Vortrag der Beklagten, den sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat, auszugehen, nach dem der Abnehmer Stefan P. die Parfümflakons in Belgien erworben und nach Deutschland transportiert hat.

Rz. 22

bb) Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, die von ihrem Abnehmer Stefan P. im Inland begangene Markenverletzung rechtfertige nicht die Annahme einer inländischen Verletzungshandlung der Beklagten. Der Umstand, dass die Beklagte durch die in Belgien vorgenommene Übergabe der beanstandeten Parfümflakons Beihilfe zu dem in Deutschland eingetretenen markenverletzenden Erfolg geleistet habe, könne die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht begründen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 23

Wie der Gerichtshof der Europäischen Union auf den Vorlagebeschluss des Senats entschieden hat, setzt die Annahme einer Verletzungshandlung i.S.v. Art. 93 Abs. 5 GMV ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet (EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 33 ff. - Coty/First Note Perfumes). Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte keine Handlung im Inland begangen, die Anknüpfungspunkt für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte i.S.v. Art. 93 Abs. 5 GMV sein kann.

Rz. 24

3. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche verneint hat. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich insoweit aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO.

Rz. 25

a) Gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (BGH GRUR 2012, 621 Rz. 18 - OSCAR, m.w.N.). Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 19.4.2012 - Rs. C-523/10, GRUR 2012, 654 Rz. 26 - Wintersteiger; Urt. v. 3.4.2014 - Rs. C-387/12, GRUR 2014, 599 Rz. 20 f. - Hi Hotel/Spoering; BGH, Urt. v. 12.12.2013 - I ZR 131/12, GRUR 2014, 601 Rz. 17 = WRP 2014, 548 - englischsprachige Pressemitteilung).

Rz. 26

b) Die von der Klägerin schlüssig als verletzt geltend gemachten Tatbestände der unlauteren vergleichenden Werbung i.S.v. § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 6 UWG und des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG fallen unter den Begriff der unerlaubten Handlung i.S.v. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO (vgl. EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 56 f. - Coty/First Note Perfumes; BGH, Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 Rz. 21 - Arzneimittelwerbung im Internet). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2013 - KZR 8/10, GRUR-RR 2013, 228 Rz. 12 - Trägermaterial für Kartenformulare) auch Nebenansprüche auf Auskunft (zum Auskunftsanspruch BGH, Urt. v. 24.9.2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rz. 15 = WRP 2015, 347 - Hi Hotel II; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., Art. 5 EuGVO Rz. 62 m.w.N.).

Rz. 27

c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO ist mit der Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht", sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Beklagte grundsätzlich nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 46 - Coty/First Note Perfumes, m.w.N.).

Rz. 28

d) Allerdings ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vorliegend nicht unter dem Gesichtspunkt des Ortes des für den Schaden ursächlichen Geschehens. Wird - wie im Streitfall - nur einer von mehreren mutmaßlichen Verursachern eines behaupteten Schadens verklagt und scheidet deshalb der Gerichtsstand der Beklagtenmehrheit i.S.v. Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO aus (vgl. dazu Kur, GRUR-Int. 2014, 749, 756), kann dieser Beklagte wegen des für den Schaden ursächlichen Geschehens nicht vor einem Gericht verklagt werden, in dessen Zuständigkeitsbereich er keine Handlung vorgenommen hat (EuGH, Urt. v. 16.5.2013 - Rs. C-228/11, NJW 2013, 2099 Rz. 30, 40 - Melzer; EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 50 f. - Coty/First Note Perfumes).

Rz. 29

e) Das Berufungsgericht ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des geltend gemachten Schadens gem. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO international zuständig.

Rz. 30

aa) Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist derjenige, an dem aus einem Ereignis, das eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, auslösen kann, ein Schaden entstanden ist (EuGH, Urt. v. 16.7.2009 - Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917 = NJW 2009, 3501 Rz. 26 - Zuid-Chemie; EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 54 - Coty/First Note Perfumes). Wird eine Verletzung eines Rechts des geistigen oder gewerblichen Eigentums geltend gemacht, setzt dies voraus, dass das behauptete Recht im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts geschützt ist (EuGH GRUR 2012, 654 Rz. 25 - Wintersteiger; EuGH, Urt. v. 3.10.2013 - Rs. C-170/12, GRUR 2014, 100 Rz. 33 - Pinckney). Geht es um einen Verstoß gegen ein innerstaatliches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, setzt die Annahme einer internationalen Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs voraus, dass die in einem anderen Mitgliedstaat begangene Tat nach dem Vortrag des Klägers einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat (vgl. EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 55 ff. - Coty/First Note Perfumes).

Rz. 31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall gem. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO die Zuständigkeit deutscher Gerichte unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des geltend gemachten Schadens begründet.

Rz. 32

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Verwendung der beanstandeten Flakons in Deutschland sei ein unlauterer Vergleich i.S.v. § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 6 UWG und verstoße außerdem gegen die Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG. Nach ihrem Vorbringen ist davon auszugehen, dass unter diesen Gesichtspunkten ein Schaden in Deutschland verwirklicht sein kann. Dem entspricht das Klagebegehren, das sich auf den Vertrieb der beanstandeten Flakons in Deutschland bezieht.

Rz. 33

cc) Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Verstöße kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsinstitut der Konsumtion. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Haftung der Beklagten als Täterin einer etwaigen Markenverletzung in Belgien schließe ihre Haftung als Teilnehmerin einer von Stefan P. in Deutschland begangenen Markenverletzung und eines Verstoßes gegen das UWG aus, weil die leichtere Begehungsform der Beihilfe durch die schwerere der Haupttat konsumiert werde. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Rz. 34

Das nach inländischem Strafrecht für den Schuldausspruch und die Strafzumessung bedeutsame Rechtsinstitut der Konsumtion hat für die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte keine Bedeutung. Die Heranziehung nationaler Rechtskonzepte im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO würde in den Mitgliedstaaten zu voneinander abweichenden Lösungen führen, die geeignet wären, das Ziel einer Vereinheitlichung der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit, das die Verordnung nach ihrem zweiten Erwägungsgrund verfolgt, zu beeinträchtigen (EuGH NJW 2013, 2099 Rz. 34 - Melzer). Die Zuständigkeitsregelungen der Brüssel-I-VO sind deshalb autonom und unter Bezugnahme auf die Systematik und Zielsetzung dieser Verordnung auszulegen (EuGH, GRUR 2014, 806 Rz. 45 - Coty/First Note Perfumes).

Rz. 35

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit es um die von der Klägerin im Wege der eventuellen Klagehäufung geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche geht (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da Feststellungen zur Begründetheit der auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge nicht getroffen sind und der Senat nicht selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 7940093

BlPMZ 2015, 352

EBE/BGH 2015

GRUR 2015, 689

GRUR 2015, 9

ZAP 2015, 584

JZ 2015, 339

RIW 2015, 451

WRP 2015, 735

GRUR-Prax 2015, 254

MMR 2015, 614

CIPReport 2015, 77

IP kompakt 2015, 18

MarkenR 2015, 302

Mitt. 2015, 333

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge