Leitsatz (amtlich)

Für die Behauptung, dass eine Werbung mit einer bestehenden unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers im Hinblick auf die Marktverhältnisse zur Irreführung geeignet ist, trägt der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast.

 

Normenkette

UWG § 3

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 02.03.2001; Aktenzeichen 19 U 120/00)

LG Köln

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Köln v. 2.3.2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte, die als Einzelhandelsunternehmen u. a. Geräte der Unterhaltungselektronik vertreibt, warb in einer Beilage zum "K. Wochenspiegel" v. 2.9.1998 - wie aus dem nachstehend wiedergegebenen Klageantrag ersichtlich - für Lautsprechermodelle der Firma C. (Modell "C. Nestor 802 DC") und der Firma M. (Heimkino-Lautsprechersystem "M. Cubus 5", "M. Bandit 200" und "M. Power Bull 250"). Dabei stellte sie ihren eigenen Preisen jeweils ganz erheblich höhere unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller gegenüber.

Der klagende Verein zur Förderung gewerblicher Interessen hat diese Werbung als irreführend beanstandet. Die angegebenen Preisempfehlungen der Hersteller seien nicht mehr gültig gewesen und hätten nicht den marktüblichen Durchschnittspreisen entsprochen. Die Werbung mit solchen Fantasiepreisen ("Mondpreisen") sei geeignet, die Verbraucher über die Preiswürdigkeit der Angebote zu täuschen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, Lautsprecher unter Angabe des Verkaufspreises und der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers anzukündigen:

Zudem hat der Kläger den Ersatz der Abmahnkosten i. H. v. 250,56 DM nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte hat vorgebracht, die in ihrer Werbung genannten unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller seien damals marktübliche Abgabepreise gewesen.

Das LG hat der Klage stattgegeben.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (OLG Köln GRUR-RR 2001, 239).

Mit seiner (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des LG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage, die auf die Behauptung gestützt ist, die Beklagte habe irreführend mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen geworben, und die Klage auf Ersatz der Abmahnkosten als unbegründet abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt:

Bei Erscheinen der Werbebeilage seien die darin angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen in den aktuellen Preislisten der Hersteller noch enthalten und damit gültig gewesen. Dies habe die dafür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte bewiesen.

Dem Vorbringen des Klägers ließen sich keine zuverlässigen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen "Mondpreise" gewesen seien und Werbung mit ihnen nur bezweckt habe, die Preise der Beklagten entgegen den tatsächlichen Marktverhältnissen als besonders günstig erscheinen zu lassen. Der Umstand, dass die eigenen Preise der Beklagten ganz erheblich - bis zu etwa 80 % - unter den Preisempfehlungen der Hersteller gelegen hätten, könne zwanglos damit erklärt werden, dass es der Beklagten als einem der bedeutenden Einzelhändler für Unterhaltungselektronik gelungen sei, einen großen Bestand der beworbenen Geräte zu einem besonders günstigen Preis zu beziehen. Eine abweichende Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die in der Werbung v. 2.9.1998 genannte unverbindliche Preisempfehlung von 1.699 DM für das Heimkino-Lautsprechersystem "M. Cubus 5" in der ab dem 15.9.1998 geltenden Preisliste der Firma M. nur noch auf 999 DM gelautet habe. Dies habe zwar zusammen mit dem Umstand, dass dieses Modell in beiden Preislisten mit denselben EAN- und Artikelnummern gekennzeichnet gewesen sei, eine tatsächliche Vermutung dafür begründet, dass der "Mondpreis"-Vorwurf zutreffe, die Beklagte habe aber bewiesen, dass der niedrigere Preis des neueren Modells seinen Grund im Einsatz billigerer Lautsprecher habe.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen unrealistische Fantasiegrößen seien, treffe den Kläger. Dieser habe jedoch zu den tatsächlichen Marktverhältnissen nicht vorgetragen, obwohl ihm diese ebenso zugänglich seien wie der Beklagten.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die Beklagte irreführend mit unverbindlichen Preisempfehlungen von Herstellern geworben hat (§ 3 UWG).

1. Die Bezugnahme auf eine kartellrechtlich zulässige (§ 23 GWB) unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist auch wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie ist allerdings dann als irreführend anzusehen, wenn nicht klargestellt wird, dass es sich bei der Herstellerempfehlung um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt, wenn die Empfehlung nicht auf der Grundlage einer ernsthaften Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis ermittelt worden ist oder wenn der vom Hersteller empfohlene Preis im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht als Verbraucherpreis in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.1999 - I ZR 131/97, MDR 2000, 1025 = GRUR 2000, 436 [437] = WRP 2000, 383 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; Urt. v. 14.11.2002 - I ZR 137/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 504 = GRUR 2003, 446 = WRP 2003, 509 - Preisempfehlung für Sondermodelle).

2. Die Revisionsangriffe gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger auch hinsichtlich des Heimkino-Lautsprechersystems "M. Cubus 5" nicht bewiesen habe, dass die Werbung mit der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zur Irreführung geeignet sei, haben keinen Erfolg. Die Revision würdigt den festgestellten Sachverhalt lediglich anders als das Berufungsgericht, ohne Verfahrensfehler darzulegen oder geltend machen zu können, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts erfahrungswidrig ist. Die Revision hat nicht aufzeigen können, dass das Berufungsgericht relevantes tatsächliches Vorbringen zu den maßgeblichen Marktverhältnissen im Einzelhandel mit Unterhaltungselektronik (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.1980 - I ZR 142/78, MDR 1981, 381 = GRUR 1981, 137 [139] = WRP 1981, 86 - Tapetenpreisempfehlung), insbesondere zur Preisgestaltung der Wettbewerber, übergangen habe. Von einer weiteren Behandlung der Revisionsrügen wird gem. § 565a S. 1 ZPO a.F. abgesehen.

3. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass eine Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen, grundsätzlich den Kläger trifft. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, nach denen der Kläger als Verletzter die rechtsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat, der Beklagte (der Verletzer) dagegen diejenigen Umstände, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung oder Grundlage nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1996 - I ZR 124/94, MDR 1997, 477 = CR 1997, 147 = GRUR 1997, 229 [230] = WRP 1997, 183 - Beratungskompetenz; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rz. 119; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 Rz. 527). Für Ansprüche wegen irreführender Werbung mit bestehenden unverbindlichen Preisempfehlungen von Herstellern gilt nichts Anderes (vgl. BGH v. 14.11.2002 - I ZR 137/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 504 = GRUR 2003, 446 - Preisempfehlung für Sondermodelle; vgl. auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 47 Rz. 30).

Dem Kläger können allerdings - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute kommen, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Beklagten fallen, und diesen deshalb nach dem Gebot redlicher Prozessführung (§ 242 BGB) eine prozessuale Erklärungspflicht trifft (vgl. BGH v. 19.9.1996 - I ZR 124/94, MDR 1997, 477 = CR 1997, 147 = GRUR 1997, 229 [230] - Beratungskompetenz; vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rz. 120; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 Rz. 530; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 47 Rz. 31 f.). Hinsichtlich der Frage, ob die Werbung mit den unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller wegen der Marktverhältnisse irreführend war, kommen solche Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast jedoch nicht in Betracht. Der Kläger, der die gewerblichen Interessen von Wettbewerbern der Beklagten vertritt, kann die Marktverhältnisse ebenso ermitteln wie die Beklagte.

Zu Unrecht beruft sich die Revision demgegenüber auf die Darlegungs- und Beweiserleichterungen, die einem Anspruchsteller zugute kommen, der eine Werbung mit einer Gegenüberstellung eigener Preise des Werbenden - des nunmehr geforderten mit einem angeblich früher geforderten Preis - als irreführend beanstandet (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1974 - I ZR 62/72, GRUR 1975, 78 [79] = WRP 1974, 552 - Preisgegenüberstellung). Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass ein Kläger bei einer derartigen Preisgegenüberstellung keine genaue Tatsachenkenntnis haben kann, während der Werbende zu seiner eigenen Preisgestaltung und deren Ernsthaftigkeit ohne weiteres - und ihm auch zumutbar - vortragen kann. Ein solches Ungleichgewicht in den Möglichkeiten des Sachvortrags besteht bei der Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen jedenfalls insoweit nicht, als es um Feststellungen zu den Marktverhältnissen geht.

Der Umstand, dass die Beklagte vor ihrer Werbung gehalten war zu prüfen, ob die unverbindlichen Preisempfehlungen (noch) als Verbraucherpreise in Betracht kommen konnten, rechtfertigt eine Überwälzung von Darlegungs- und Beweispflichten auf die Beklagte ebenfalls nicht.

4. Das Berufungsgericht hat auch den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten zu Recht als unbegründet angesehen, weil dem Kläger der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG nicht zusteht.

III. Danach war die Revision auf Kosten des Klägers zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090830

DB 2004, 650

BGHR 2004, 462

NJW-RR 2004, 616

EWiR 2004, 403

MDR 2004, 696

WRP 2004, 343

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