Leitsatz (amtlich)

Der Gesellschafter einer GmbH kann gegen eine Rückzahlungsforderung der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 GmbHG entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nicht aufrechnen.

 

Normenkette

GmbHG § 19 Abs. 2 S. 2, § 31 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden

LG Dresden

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Dezember 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der H. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin), die Beklagten waren – zusammen mit dem Ingenieur M. O. – deren Gesellschafter. Auf das Stammkapital der am 14. November 1994 gegründeten, am 26. April 1995 in das Handelsregister eingetragenen Gemeinschuldnerin, das 51.000,– DM betrug, zahlten die Beklagten je 9.783,– DM ein. Die weitergehenden Beträge von je 7.217,– DM überwiesen sie unter Angabe des Verwendungszwecks „Einzahlung Geschäftsanteile” am 26. Februar 1997 auf ein Konto der Gemeinschuldnerin, nachdem ihnen die Gemeinschuldnerin Beträge in dieser Höhe an demselben Tage ausgezahlt hatte. Dem waren zwei Gesellschafterbeschlüsse vom 7. Oktober und 30. November 1996 vorausgegangen. Durch Beschluß vom 7. Oktober 1996 wurde der Jahresüberschuß für das vom 1. Dezember 1994 bis zum 30. November 1995 laufende Geschäftsjahr mit 27.682,06 DM festgestellt, von dem 6.031,06 DM in Rücklagen eingestellt und 21.651,– DM an die Gesellschafter (an jeden Gesellschafter also 7.217,– DM) ausgeschüttet werden sollten. Mit Beschluß vom 30. November 1996 machten die Gesellschafter „die Ausschüttung in Anbetracht der derzeitigen finanziellen Situation der Gesellschaft rückgängig”. Der Betrag von 21.651,– DM sollte thesauriert und der Steuerberater beauftragt werden, die erforderliche Änderung der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 vorzunehmen. In der daraufhin erstellten Gewinn- und Verlustrechnung ist der Jahresüberschuß nur noch mit 22.694,06 DM ausgewiesen. In der zum 30. November 1996 erstellten Bilanz findet sich dieser Betrag unter Gewinnrücklagen (13.256,– DM) und Gewinnvortrag (9.438,06 DM) wieder.

Der Kläger hat von beiden Beklagten die Zahlung von je 7.217,– DM auf die Resteinlageverpflichtung unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Sacheinlage verlangt. Die Zahlung weiterer Beträge von jeweils 7.217,– DM stützt er auf § 31 GmbHG mit der Begründung, für das vom 1. Dezember 1995 bis zum 30. November 1996 andauernde Geschäftsjahr habe die Gemeinschuldnerin einen Jahresfehlbetrag von 44.056,83 DM erwirtschaftet. Die für die Folgezeit vorgenommene Auswertung der Betriebsdaten habe weitere Verluste offenbart, so daß bei der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Auszahlung eine Unterbilanz vorgelegen habe.

Das Landgericht hat – unter Abweisung der Klage im übrigen – nur den Anspruch aus verdeckter Sacheinlage bejaht. Die Berufung des Klägers gegen den klagabweisenden Teil des Urteils blieb erfolglos. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt er den Anspruch auf Rückzahlung der den Beklagten ausgezahlten Beträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Da die Beklagten im Verhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten waren, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).

II. Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung. Die Abweisung der Klage über die noch im Streit befindlichen Beträge wird von den durch das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht getragen.

1. Der Kläger kann den Rückzahlungsanspruch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen. Nach dem Beschluß der Gesellschaft vom 30. November 1996 war der Betrag zu thesaurieren, also in die Gewinnrücklagen einzustellen und/oder als Gewinn vorzutragen. Das ist in der zum 30. November 1996 erstellten Bilanz auch geschehen. Von dem in der Bilanz per 30. November 1995 ausgewiesenen Jahresüberschuß von 22.694,06 DM sind in der Bilanz zum 30. November 1996 ein Betrag von 13.256,– DM als satzungsmäßige Rücklagen und der Restbetrag von 9.438,06 DM als Gewinnvortrag aufgeführt. Aus den auf der Grundlage des Parteivortrages getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, daß die Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt einen Beschluß gefaßt haben, diese Posten in Höhe von 21.651,– DM aufzulösen und an die drei Gesellschafter – davon 7.217,– DM an jeden der Beklagten – auszuschütten. Die Zahlung ist demnach ohne Rechtsgrund erfolgt.

2. Nach dem Vortrag des Klägers, von dem in der Revisionsinstanz auszugehen ist, besteht auch ein Rückzahlungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG. Nach der zum 30. November 1996 für das Geschäftsjahr 1995/1996 erstellten Bilanz übersteigt der Jahresfehlbetrag von 44.056,83 DM den Betrag der Rücklagen und des Gewinnvortrages um 21.362,77 DM. Nach den vom Kläger für verschiedene Folgemonate vorgenommenen betriebswirtschaftlichen Auswertungen mußten die Fehlbeträge in erhöhtem Maße fortgeschrieben werden. Danach liegt eine Unterbilanz vor, die erheblich höher ist als die an die Beklagten und ihre Mitgesellschafter ausgeschütteten Beträge.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sich die an demselben Tage erfolgte Auszahlung und Wiedereinzahlung der vom Kläger geforderten Beträge wertmäßig entsprechen und damit ausgleichen. Das wäre nur dann der Fall, wenn mit der Zahlung die von dem Kläger für die Gemeinschuldnerin geltend gemachten Forderungen aus § 812 Abs. 1 BGB bzw. § 31 Abs. 1 GmbHG getilgt worden wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, haben die Beklagten auf den Überweisungsträgern als Verwendungszweck „Einzahlung Geschäftsanteile” angegeben. Daraus folgt, daß sie die noch offenen Resteinlageverpflichtungen, nicht jedoch die Ansprüche der Gemeinschuldnerin auf Rückzahlung der gesetzwidrigen Auszahlungen erfüllen wollten.

3. Die Beklagten sind der Ansicht, gegen die Forderung des Klägers aus § 31 GmbHG mit ihrer Forderung auf Rückzahlung des Einlagebetrages aufrechnen zu können. Damit haben sie im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings ist nach der insoweit in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des Landgerichts davon auszugehen, daß die Zahlung von je 7.217,– DM, die die Beklagten auf die Resteinlage mit dem Vermerk „Einzahlung Geschäftsanteile” vorgenommen haben, als verdeckte Sacheinlage keine Erfüllungswirkung entfaltet hat. Den Beklagten steht danach gegen die Gemeinschuldnerin nur eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) auf Rückzahlung des Betrages aus der fehlgeschlagenen Einlageleistung zu (vgl. für das Sachübernahmegeschäft BGHZ 132, 141, 149 f.; ferner Urt. v. 16. März 1998 – II ZR 303/96, ZIP 1998, 780, 782).

Mit dieser Forderung können sie jedoch gegen eine Forderung aus § 31 GmbHG nicht aufrechnen. Die entsprechende Anwendbarkeit des in § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG enthaltenen Aufrechnungsverbotes auf den Anspruch aus § 31 GmbHG ist zwar im Schrifttum umstritten (die Zulässigkeit bejahend Baumbach/Hueck, GmbHG 16. Aufl. § 31 Rdn. 18; Hachenburg/Goerdeler/Müller, GmbHG 8. Aufl. § 31 Rdn. 59; die Zulässigkeit verneinend Scholz/H.P. Westermann, GmbHG 9. Aufl. § 31 Rdn. 32; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 31 Rdn. 23 f.; Hommelhoff in: FS Kellermann 1991, 165, 175 ff.; Ulmer in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 363, 380 ff.). Der Ansicht, welche die Zulässigkeit einer Aufrechnung bejaht, ist zwar einzuräumen, daß sich das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nach der systematischen Stellung der Vorschrift unmittelbar nur auf die Einlageforderung bezieht. Die Gegenmeinung weist jedoch zu Recht darauf hin, daß die Regelung der §§ 30 f. GmbHG der Erhaltung des zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen, durch die Stammkapitalziffer gebundenen Vermögens der Gesellschaft dienen soll, dessen Aufbringung durch das Verbot der Aufrechnung gegen Einlageforderungen gewährleistet werden soll. Angesichts des engen funktionalen Zusammenhangs zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ist es daher geboten, die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG in erweiternder Auslegung auch auf den Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG zu erstrecken. Es gibt keinen sachlichen Grund, der es rechtfertigen könnte, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er habe die Aufrechnung nur für den Fall untersagen wollen, daß die Gesellschaft das im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Stammkapital erstmalig von den Gesellschaftern einfordert, ihr den durch das Aufrechnungsverbot gewährten Schutz aber habe versagen wollen, wenn sie anschließend Beträge zurückfordert, die sie den Gesellschaftern unter Verletzung des Gesetzes aus dem durch die Stammkapitalziffer gebundenen Vermögen ausgezahlt hat. Auch die Gesetzesmaterialien zum GmbHG und zur GmbH-Novelle 1980 geben dafür keinen Anhaltspunkt. Wenn § 31 GmbHG gleichwohl kein ausdrückliches, der Regelung des § 19 Abs. 2 GmbHG entsprechendes Aufrechnungsverbot enthält, kann das letztlich nur mit einer mangelnden inhaltlichen Abstimmung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze erklärt werden. Daraus kann gefolgert werden, daß eine ungewollte Lücke im Kapitalschutzsystem des GmbH-Rechts gegeben ist (Hommelhoff, Ulmer jew. aaO).

Soweit sich aus einer früheren Entscheidung des Senats (BGHZ 69, 274) etwas anderes ergibt, wie im Schrifttum dargelegt (vgl. Scholz/H.P. Westermann aaO, § 31 Rdn. 32; Hachenburg/Goerdeler/Müller aaO, § 31 Rdn. 59), hält der Senat daran nicht fest.

4. Das Berufungsurteil war somit aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es Gelegenheit erhält, die – gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag durch die Parteien – noch erforderlichen Feststellungen zu treffen.

 

Unterschriften

Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 27.11.2000 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BGHZ, 105

BB 2001, 165

DB 2001, 260

DStR 2001, 408

DStZ 2001, 139

WPg 2001, 283

NJW 2001, 830

BGHR 2001, 129

GmbH-StB 2001, 44

EWiR 2001, 327

KTS 2001, 161

NZG 2001, 272

NZG 2001, 319

Nachschlagewerk BGH

WM 2001, 204

WuB 2001, 415

ZAP 2001, 317

ZIP 2001, 157

DNotZ 2001, 406

MDR 2001, 463

NJ 2001, 479

NZI 2001, 133

NZI 2001, 40

ZInsO 2001, 264

ZNotP 2001, 111

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