Leitsatz (amtlich)

a) Auch ein unbeschränkt gestellter Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs kann auf Grund des übrigen Klageinhalts dahin ausgelegt werden, daß er ziffernmäßig beschränkt ist.

b) Ist die Verjährung eines Versicherungsanspruchs durch eine Teilklage nur in Höhe des eingeklagten Teilanspruchs unterbrochen worden, so ist der beklagte Versicherer nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, den klagenden Versicherungsnehmer hierauf und auf die diesem drohende Gefahr einer Verjährung seines restlichen Anspruchs hinzuweisen.

c) Der Gegeneinwand der Arglist gegen die Einrede der Verjährung kann nicht darauf gestützt werden, daß der beklagte Schuldner gegen den zunächst eingeklagten Teilanspruch nur sachliche Einwendungen geltend gemacht und die Verjährungseinrede gegen den Restanspruch erst nach Eintritt der Verjährung erhoben hat.

 

Normenkette

BGB §§ 209, 222; VVG § 12 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Neustadt a.d. Weinstraße (Entscheidung vom 09.04.1957)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Neustadt/Weinstraße vom 9. April 1957 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger hatte für seinen neuen Lkw, der ein Leergewicht von 3,805 to hatte, beim Beklagten eine Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung mit Wirkung ab 26. Februar 1952 abgeschlossen. Am 19. Mai 1952 hatte sein Sohn, der nur einen Führerschein der Klasse 3 besaß, als Führer des Lkw einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13. Juni 1952 den beantragten Versicherungsschutz mit der Begründung ab, daß der Sohn des Klägers den für das versicherte Fahrzeug erforderlichen Führerschein der Klasse 2 nicht gehabt und der Kläger dies gewußt habe. Mit Schreiben vom 1. Juli 1952 kündigte der Beklagte die Versicherung. Am 6. August 1952 erhob der Kläger Klage mit dem Antrag auf Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, "für den z.Zt. noch nicht feststehenden Kasko- und Haftpflichtschaden" Versicherungsschutz zu gewähren. Als Streitwert für diese Klage gab er 1.500 DM an. Die Klage schließt mit folgenden Worten:

"Da das Strafverfahren noch keine Erledigung gefunden hat, sind an den Kläger über den Grund des Anspruchs hinaus der Höhe nach noch keine bestimmten Forderungen gestellt worden. Sobald von der Feststellungsklage zur Leistungsklage übergegangen werden kann, wird der Deckungsanspruch des Klägers ebenfalls zunächst nur in einem Teilbetrag von 1.500 DM geltend gemacht werden."

Nachdem der Rechtsstreit wegen des gegen den Sohn des Klägers schwebenden Strafverfahrens lange Zeit ausgesetzt worden war, ging der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 4. September 1956 zu der in seinem Schriftsatz vom 4. Juni 1956 angekündigten Leistungsklage auf Verurteilung des Beklagten zur Erstattung seines Fahrzeugschadens in Höhe von 14.620 DM über. Zur Begründung trug er vor, er habe annehmen können, daß für den Lkw, der zunächst nur ein Eigengewicht von 3,225 to gehabt und erst durch den Aufbau einer Kippvorrichtung ein Mehrgewicht erhalten habe, ein Führerschein der Klasse 3 genüge. Jedenfalls könne sich der Beklagte nicht auf die Verletzung der Führerscheinklausel berufen, weil er nicht innerhalb der Monatsfrist des §6 Abs. 1 Satz 3 VVG gekündigt habe. Der Beklagte habe nämlich schon seit mehr als einem Monat vor seiner Kündigung von der Verletzung der Führerscheinklausel Kenntnis gehabt. Der Beklagte hat dies bestritten und im Schriftsatz vom 9. April 1956 nunmehr zum ersten Mal die Einrede der Verjährung erhoben. Er meint, daß die nach §12 Abs. 1 VVG nach zwei Jahren eingetretene Verjährung durch die auf einen Teilschaden von 1.500 DM beschränkte Feststellungsklage auch nur in dieser Höhe unterbrochen worden sei. Der Kläger hingegen hält eine solche Unterbrechung nicht für gegeben und meint, daß die Einrede der Verjährung im übrigen gegen Treu und Glauben verstoße.

Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 4. Dezember 1956 die Klage insoweit abgewiesen, als die Klageforderung 1.500 DM übersteigt. Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt er seinen 1.500 DM übersteigenden Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

1.)

Beide Vorinstanzen haben den 1.500 DM übersteigenden Klageanspruch wegen Verjährung abgewiesen. Sie gehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGH VersR 1954, 388) zutreffend davon aus, daß der streitige Versicherungsanspruch mit der in dem Schreiben des Beklagten vom 13. Juni 1952 erfolgten Ablehnung der Leistung fällig wurde und daß deshalb die zweijährige Verjährungsfrist des §12 Abs. 1 VVG Ende des Jahres 1952 begann und Ende 1954 endete, daß also die Verjährung bei Stellung des Leistungsantrages des Klägers am 4. September 1956 bereits eingetreten war, soweit sie nicht durch die Klageerhebung vom 6. August 1952 gemäß §209 BGB unterbrochen worden war.

Beide Vorinstanzen gehen auf Grund der gefestigten Rechtsprechung weiter mit Recht davon aus, daß eine Unterbrechung der Verjährung nur in dem Umfang eintritt, in dem der Anspruch zur richterlichen Entscheidung gestellt wird, bei Teilklagen also nur in Höhe des eingeklagten Teiles, so daß einer nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgten Erweiterung der Teilklage auf den ganzen Anspruch insoweit die Einrede der Verjährung entgegensteht (RGZ 77, 213 [215]). Dabei ist es unerheblich, ob die Teilklage, wie hier, nur aus dem Grunde erhoben worden ist, um die Prozeßkosten in geringerer Höhe zu halten (RGZ 75, 302 [307]). Eine Klage der hier erhobenen Art auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs braucht zwar nicht beziffert zu werden, kann aber gegenüber dem Gesamtanspruch ziffernmäßig beschränkt werden (RG JW 1930, 547). Geschieht dies, so liegt eine Teilklage vor, die den Anspruch nur in Höhe des ziffernmäßig geltend gemachten Teils zur Rechtshängigkeit bringt und daher auch nur insoweit eine Unterbrechung der Verjährung herbeiführt.

Der Streit der Parteien geht in erster Linie darum, ob hier eine solche ziffernmäßige Beschränkung der Feststellungsklage erfolgt ist. Beide Vorinstanzen nehmen dies im Hinblick auf den Schlußsatz der Klage an, der unzweideutig ergebe, daß der Kläger auch schon sein Feststellungsbegehren auf einen Teil des Gesamtschadens in Höhe von 1.500 DM habe beschränken wollen.

Diese Auslegung des Klageantrages als einer prozessualen Willenserklärung ist vom Revisionsgericht frei nachprüfbar (RGZ 157, 369 [378]; BGHZ 4, 328 [334]; Stein-Jonas ZPO 18. Aufl. §253 Anm. III, 2). Die Nachprüfung ergibt aber die Richtigkeit der von den Vorinstanzen vorgenommenen Auslegung. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß für eine Auslegung des Klageantrages hier gar kein Raum sei, weil dieser hinreichend klar sei und deshalb einer Auslegung nicht bedürfe. Der Klageantrag selbst enthält allerdings nach seinem Wortlaut keine ziffernmäßige Beschränkung. Er ist aber nicht für sich allein zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt der Klage zu würdigen, mit der er in einem unlösbaren Zusammenhang steht. Bei einer solchen Gesamtbetrachtung muß schon die gemäß §253 Abs. 3 ZPO erfolgte Bezifferung des Streitwerts mit 1.500 DM Zweifel erwecken, ob der Kläger nicht auch seinen Feststellungsantrag selbst - wenn auch nur aus Gründen der Kostenersparung - auf diesen Betrag beschränken wollte, zumal nach dem eigenen Vortrag des Klägers für beide Parteien von vornherein feststand, daß schon allein der Kaskogesamtschaden weit höher, nämlich etwa zehnmal so hoch wie der angegebene Streitwert von 1.500 DM war. Diese Wertdifferenz ist so groß, daß sich die Streitwertangabe nicht, wie die Revision meint, aus der Rechtspraxis erklären läßt, nach der Feststellungsklagen um etwa 20 % geringer als Leistungsklagen bewertet werden. Deutet hiernach schon die Streitwertangabe in der Klageschrift auf den Willen des Klägers hin, seinen Feststellungsantrag entsprechend zu beschränken, so bringt der Schlußsatz der Klage diesen Willen ganz unzweideutig zum Ausdruck. Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts läßt er insbesondere im Hinblick auf das Wort "ebenfalls" nur die Deutung zu, daß auch schon die vorliegende Feststellungsklage ziffernmäßig auf 1.500 DM beschränkt sein sollte. Wenn der Kläger diese Beschränkung offensichtlich auch nur im Interesse der Ersparung von Prozeßkosten vornehmen wollte, so blieb sie doch eine Beschränkung, die auch insoweit wirksam war, als sie ihm zum Nachteil gereichte.

2.)

Das Reichsgericht hat in seiner Rechtsprechung zu der Ausschlußfrist des §12 Abs. 3 VVG (Klagefrist) den Grundsatz entwickelt, daß zwar auch hier eine Teilklage diese Ausschlußfrist nur für den damit geltend gemachten Teilanspruch wahrt, daß aber bei der Klagefrist der Versicherer nach Treu und Glauben verpflichtet sei, den Versicherungsnehmer bei Erhebung einer Teilklage rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlußfrist darauf hinzuweisen, daß er nicht gewillt sei, auf die Wirkungen der Fristsetzung für den nicht eingeklagten Teil des Anspruchs zu verzichten. Tut er das nicht, so könne das den Versicherungsnehmer zu der Annahme verleiten, der Versicherer wolle die von ihm gesetzte Klagefrist durch die Erhebung der Teilklage für den ganzen Anspruch als gewahrt ansehen. Der Versicherer könne sich daher dann nach Treu und Glauben nicht mehr auf einen entgegengesetzten Willen berufen (RGZ 152, 330 [336]; RG VA 1936 Nr. 2898 S. 218; Bruck-Möller VVG 2. Aufl. §12 Anm. 36). Der Kläger will diesen Rechtsgrundsatz auch auf die Unterbrechung der Verjährung bei einer Teilklage übertragen wissen.

Dies ist aber nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts schon deshalb nicht möglich, weil die Rechtseinrichtungen der Klagefrist und der Verjährung zu verschiedenartig sind, als daß sie gleich behandelt werden könnten (RGZ 88, 294 [295]; 102, 380 [381]; 158, 137 [140]). Der in diesem Zusammenhang entscheidende Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß die Verjährung dem Rechtsfrieden dient und deshalb der Parteiendisposition grundsätzlich entzogen ist, insbesondere durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch erschwert werden kann (§225 BGB), während die nur dem Interesse des Versicherers nach einer baldigen Klärung seiner Verpflichtungen dienende Ausschlußfrist des §12 Abs. 3 VVG in weitem Umfang den Dispositionen des Versicherers unterliegt. Insbesondere ist es ihm überlassen, ob er die Klagefrist durch eine den Anforderungen des §12 Abs. 3 VVG entsprechende formale Erklärung überhaupt in Lauf setzen will und wann er dies tun will. Er hat auch im Gegensatz zur Verjährungsfrist die Möglichkeit, die Klagefrist von vornherein oder nachträglich durch einseitige Erklärung zu verlängern (BGH VersR 1957, 678). Ebenso kann er auch bestimmen, ob und inwieweit er bereits eine in Lauf gesetzte Klagefrist gegen sich gelten lassen will. Der oben angeführte, in der Rechtsprechung des Reichsgerichts entwickelte Rechtsgrundsatz hat gerade diese Eigenart der Klagefrist zur Grundlage und kann deshalb auf die insoweit ganz andersartige Verjährung nicht übertragen werden. Der Beginn der Verjährung und die für sie geltenden Fristen sind im Gesetz selbst festgelegt. Der Schuldner ist nicht verpflichtet, den Gläubiger hierüber aufzuklären. Ebensowenig besteht für ihn aber eine Verpflichtung, den eine Teilklage erhebenden Schuldner darauf aufmerksam zu machen, daß die Teilklage nach den gesetzlichen Regeln die Verjährung nur in Höhe des eingeklagten Teilbetrages unterbricht. Dieser allgemein für das ganze Verjährungsrecht geltende Grundsatz kann auch nicht im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer eingeschränkt werden; denn damit würde ein Sonderrecht zu Lasten der Versicherer geschaffen werden, für das jede Rechtsgrundlage fehlte. Schon gar nicht kann aber der Versicherer als nach Treu und Glauben zu einem solchen Hinweis verpflichtet angesehen werden, wenn der Versicherungsnehmer, wie im vorliegenden Fall, durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, der die Rechtsgrundsätze über die Verjährung und ihre Unterbrechung mindestens genau so gut kennen muß wie der Versicherer selbst.

3.)

Das Berufungsgericht hat dem Kläger auch mit Recht den Gegeneinwand der Arglist gegen die Einrede der Verjährung versagt. Nach der gefestigten Rechtsprechung ist ein solcher Gegeneinwand nur dann begründet, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten oder ihm nach verständigem Ermessen Anlaß gegeben hat, zu glauben, daß der Schuldner es entweder auf eine gerichtliche Entscheidung nicht ankommen lassen werde oder bei seiner Verteidigung gegen eine spätere Klage seine Abwehr nur gegen den sachlichen Bestand des Klageanspruchs richten werde (vgl. Staudinger BGB 11. Aufl. §222 Anm. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Berufungsgericht sieht rechtlich bedenkenfrei keine dieser Voraussetzungen im vorliegenden Fall als gegeben an. Die Revision meint demgegenüber, daß den Beklagten schon deshalb der Vorwurf der Arglist treffe, weil er trotz Kenntnis der dem Kläger drohenden Rechtsfolge der Verjährung seines über die Teilklage hinausgehenden weiteren Anspruchs keine negative Feststellungsklage erhoben, sondern statt dessen den Eintritt der Verjährung abgewartet habe, um erst dann die Verjährungseinrede zu erheben. Dieser Einwand scheitert aber daran, daß der Beklagte weder verpflichtet war, eine negative Feststellungsklage zu erheben, noch auch den Kläger auf die drohende Verjährung hinzuweisen. Der Revision kann schließlich auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, der Beklagte habe dadurch, daß er sich zunächst nur auf die Verletzung der Führerscheinklausel des §2 AKB berufen habe, den Kläger in den Glauben versetzt, daß er gegen den Klageanspruch nur sachliche Einwendungen vorbringen wolle. Solange die Verjährung noch nicht eingetreten war, konnte der Beklagte die Verjährungseinrede noch gar nicht erheben, sondern mußte seine Verteidigung gegen die Klage auf sachlichrechtliche Einwendungen beschränken. Daraus konnte aber der Kläger keineswegs den Schluß ziehen, daß er auch nach Eintritt der Verjährung von einer Verjährungseinrede verschont bleiben würde und daß es deshalb nicht auch bezüglich des Restanspruchs einer Unterbrechung der Verjährung bedürfe. Wenn er an die ihm drohende Gefahr, der Verjährungseinrede ausgesetzt zu werden, nicht dachte, so konnte das nur daran liegen, daß er und sein Prozeßbevollmächtigter diese Gefahr nicht ins Auge gefaßt oder nicht im Auge behalten hatten. Ihn hiervor durch einen entsprechenden Hinweis zu bewahren, war aber der Beklagte nicht verpflichtet.

4.)

Das Berufungsgericht ist schließlich mit Recht dem Kläger auch insoweit nicht gefolgt, als dieser Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Verjährungseinrede daraus herleiten will, daß der Beklagte damit den materiellrechtlich begründeten Klageanspruch zu Fall bringen wolle. Es liegt gerade im Wesen der Verjährungseinrede, daß sie dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht ohne Rücksicht darauf gibt, ob der gegen ihn erhobene Anspruch materiellrechtlich begründet ist oder nicht.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus §97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018561

DB 1959, 139-140 (amtl. Leitsatz)

NJW 1959, 241

NJW 1959, 241 (Volltext mit amtl. LS)

JZ 1957, 313

MDR 1959, 101

MDR 1959, 101-102 (Volltext mit amtl. LS)

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