Leitsatz (amtlich)

›Zur Verwertbarkeit eines spontanen, vor der Beschuldigtenbelehrung abgelegten polizeilichen Geständnisses.‹

 

Tatbestand

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags an seiner Ehefrau zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

Mit der Verfahrensrüge macht der Angeklagte geltend: Sein vor den Polizeibeamten H und W abgelegtes Geständnis sei nicht verwertbar, weil er zuvor nicht über das Recht, die Aussage zu verweigern und vor der Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, gemäß § 163 a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden sei. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Als der Zeuge H das Protokoll über die Blutprobenentnahme beschriftete und dem Angeklagten den Grund seiner Festnahme nochmals erläutern und ihn auf sein Recht zur Aussageverweigerung hinweisen wollte, fing dieser unvermutet an zu weinen und sagte sinngemäß, er sei es gewesen, ihm tue das leid. Der Zeuge faßte diese Äußerung als Geständnis und ein Bedauern der Tat auf. Auf Nachfrage antwortete der Angeklagte: Natürlich sei er es gewesen; aber der Beamte verstehe ihn falsch; er - der Angeklagte - bedauere, daß seine Frau noch lebe; er habe sie umbringen wollen. Der Zeuge winkte den Polizeibeamten W in den Vernehmungsraum und veranlaßte den Angeklagten, das Geständnis in dessen Gegenwart zu wiederholen. Erst danach belehrte er den Angeklagten nach § 163 a Abs. 4, § 136 Abs. 1 StPO. Der Angeklagte bat daraufhin, Rechtsanwalt H von seiner Festnahme zu verständigen, und verweigerte, von der Beantwortung zweier Fragen abgesehen, weitere Angaben zur Sache.

a) Der Senat hat nicht zu prüfen, ob ein Verwertungsverbot vorläge, wenn der Angeklagte prozeßordnungswidrig zur Sache, nämlich zu seinem Eß- und Trinkverhalten vor der Tat, ohne Belehrung nach § 163 a Abs. 4, § 136 Abs. 1 StPO befragt worden wäre und erst danach das Geständnis abgelegt hätte. Denn insoweit genügt der Vortrag der Revision nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar behauptet die Revision pauschal, daß der Angeklagte erst nach seinen Angaben zum Eß- und Trinkverhalten belehrt worden sei. Sie verschweigt aber, daß ausweislich des Polizeiberichts vom 30. Mai 1987 die Angaben "nach Belehrung gemäß §§ 163 a Abs. 4, 136 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO". gemacht worden sind.

Der Revisionsvortrag ist auch deswegen unvollständig, weil nach ihm der Angeklagte die genannten Angaben gegenüber dem hinzugezogenen Arzt, nach dem Polizeibericht aber gegenüber dem Polizeibeamten H gemacht hat. Für die Frage der Verwertbarkeit des Geständnisses ist deshalb davon auszugehen, daß der Angeklagte zuvor noch nicht, auch nicht teilweise, zur Sache befragt worden war.

b) Entgegen der Ansicht der Revision brauchte die Belehrung nicht vor der Entnahme der Blutprobe erteilt zu werden. Auch wenn man mit der Revision davon ausgeht, daß ein festgenommener Beschuldigter möglichst frühzeitig über sein Recht, einen Rechtsanwalt zu befragen und zur Sache zu schweigen, zu belehren ist, ist dieses Recht hier nicht verletzt worden. Zwischen Festnahme um 8. 30 Uhr und Entnahme der ersten Blutprobe um 9. 45 Uhr lag nur wenig mehr als eine Stunde, so daß von einer unsachgemäßen Verzögerung der Belehrung keine Rede sein kann.

c) Der Polizeibeamte H durfte das nach der Entnahme der Blutprobe abgelegte Geständnis ohne vorherige Belehrung entgegennehmen. Einer Auseinandersetzung mit der von der Revision für falsch gehaltenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHSt 31, 395 bedarf es nicht. Nach dieser Entscheidung ist es nicht verboten, die Aussage des Beschuldigten gegen seinen Willen zu verwerten, wenn der Polizeibeamte bei einer Vernehmung des Beschuldigten den nach § 163 a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gebotenen Hinweis versäumt hat. Der hier zu beurteilende Fall liegt anders, weil der Polizeibeamte den Angeklagten vor der Befragung zur Sache ordnungsgemäß belehren wollte, der Angeklagte aber zuvor ein spontanes Geständnis abgelegt hat. Jedenfalls in einem solchen Fall besteht auch nach Ansicht des erkennenden Senats kein Anlaß, ein Verwertungsverbot für eine Äußerung anzunehmen, die ein Beschuldigter ohne Zutun des Polizeibeamten von sich aus vor der Belehrung gemacht hat (vgl. auch BGH NStZ 1983, 86; BGH bei Dallinger MDR 1970, 14).

d) Der Senat läßt offen, ob der Zeuge H den Angeklagten nach der Entgegennahme des Geständnisses belehren mußte, bevor er ihn nach der Bedeutung seiner spontanen Reuebekundung befragen durfte. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, wäre ein in der sofortigen Nachfrage liegender Verfahrensverstoß des Polizeibeamten jedenfalls nicht von einem solchen Gewicht, daß er zu einem Verwertungsverbot für die daraufhin abgegebene kurze Erläuterung führen müßte, mit welcher der Beschuldigte das bei dem Beamten hervorgerufene Mißverständnis beseitigt hat.

e) Der Zeuge H hat gegen die Verpflichtung zur rechtzeitigen Belehrung verstoßen, als er den Angeklagten im Anschluß an die geschilderten Vorgänge veranlaßte, das Geständnis in Gegenwart des von ihm herbeigewinkten Polizeibeamten W zu wiederholen. Dabei handelte es sich nicht mehr um die Entgegennahme einer Spontanäußerung eines Beschuldigten und um deren durch eine Fehldeutung des Beamten veranlaßte sofortige Erläuterung, sondern um die - nach dem Vortrag der Revision - gezielte Verleitung zu einer nochmaligen Selbstbelastung, die ohne die vorgeschriebene Belehrung in Gegenwart eines weiteren Zeugen zur Beweissicherung bekräftigt werden sollte. Insoweit kann ein Verwertungsverbot in Betracht kommen. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Wiederholung des Geständnisses vor dem Polizeibeamten W, und zwar weder bei der Annahme des Tötungsvorsatzes noch bei der Annahme der Beendigung des Tötungsversuchs.

Das Landgericht hat den direkten Tötungsvorsatz "sicher aus der Art der Tatausführung" gefolgert. Diese Folgerung hat es darauf gestützt, daß der voll schuldfähige Angeklagte seinem bewußtlosen Opfer zweimal, davon einmal mindestens 5 cm tief, mit dem mitgeführten Messer rechts und links neben die Luftröhre in den Hals stach. In seiner Auffassung hat es sich durch die - verwertbare (vgl. oben) - Spontanäußerung des Angeklagten, er habe seine Frau umbringen wollen, bestätigt gesehen. Zwar erwähnt das Landgericht in diesem Zusammenhang, daß der Angeklagte den Tötungswillen "wiederholt" gestanden hat. Das ist jedoch für die Beweiswürdigung ohne Bedeutung geblieben. Es spricht nichts dafür, daß das Landgericht die von dem Zeugen H bekundete, durch den Verletzungsbefund teilweise bestätigte Spontanäußerung nicht geglaubt hätte, wenn der Angeklagte sie nicht vor dem Polizeibeamten W wiederholt hätte, zumal im allseitigen Einverständnis auf die Vernehmung dieses Zeugen verzichtet worden ist.

Die gleichen Erwägungen gelten für die Annahme des Landgerichts, der Tötungsversuch sei beendet gewesen, als sich der Angeklagte von seinem Opfer abwandte. Die Überzeugung des Tatrichters, der Angeklagte sei als sicher davon ausgegangen, daß das Opfer an den Verletzungen versterben werde, beruht nicht darauf, daß der Angeklagte "wiederholt", also auch vor dem Polizeibeamten W, seinen Tötungswillen gestanden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992998

NJW 1990, 461

DRsp IV(452)122c

NStZ 1990, 43

MDR 1990, 68

VRS 78, 121

StV 1990, 194

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge