Leitsatz (amtlich)

a) Ein prozessuales Anerkenntnis kann nicht wegen Irrtums angefochten oder widerrufen werden.

b) Das Anerkenntnis kann widerrufen werden, wenn es von einem Restitutionsgrund betroffen ist, aufgrund dessen das Anerkenntnisurteil mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte. Der Widerruf kann mit der Berufung gegen das Anerkenntnisurteil geltend gemacht werden.

c) Die Restitutionsklage kann nicht auf eine Privaturkunde gestützt werden, mit der durch die schriftliche Erklärung eines Zeugen der Beweis für die Richtigkeit der in der Erklärung bekundeten Tatsachen geführt werden soll.

d) Die Abänderung einer Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen setzt voraus, daß die in Frage stehende Änderung der Verhältnisse bereits eingetreten ist. Es reicht nicht aus, daß die Prognose der künftigen Verhältnisse, die der Verurteilung zugrunde liegt, aus nachträglicher Sicht anders zu treffen wäre.

 

Normenkette

ZPO §§ 290, 307, 323, 580 Nr. 7b

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 07.08.1979)

AG Augsburg

 

Tenor

Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des 4. Zivilsenats als Familiensenat des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 7. August 1979 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und anschließend auch der Antragsgegner haben beim Amtsgericht die Scheidung ihrer Ehe beantragt. Die Antragstellerin hat als Folgesache einen nachehelichen Unterhaltsanspruch von monatlich 1.070,– DM geltend gemacht, den der Antragsgegner im ersten Rechtszug zunächst in Höhe von monatlich 906,42 DM und später in Höhe von monatlich weiteren 108,– DM anerkannt hat. Das erste Anerkenntnis hatte der Antragsgegner mit einem Schriftsatz angekündigt, in dem er den anerkannten Betrag mittels einer Quotenberechnung aus seinem nach der Scheidung zu erwartenden Nettoverdienst ableitete; dabei bezifferte er den Nettoverdienst entsprechend einer Gehaltsabrechnung seines Arbeitgebers unter Zugrundelegung der Steuerklasse II/1. Den weiteren Betrag von 108,– DM erkannte er ohne schriftsätzliche Erläuterung an, nachdem die Beweisaufnahme ergeben hatte, daß er zusätzlich zu seinem laufenden Einkommen ein Weihnachtsgeld in Höhe eines tariflichen Monatsgehalts bezog.

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und der Antragstellerin eine nacheheliche Unterhaltsrente von monatlich 1.045,– DM zugesprochen, und zwar in Höhe von monatlich 1004,42 DM (statt richtig: 1.014,42 DM) entsprechend dem Antrag der Antragstellerin durch Anerkenntnisurteil.

Mit seiner Berufung hat der Antragsgegner die Entscheidung über den Unterhaltsanspruch angefochten und dessen Herabsetzung auf monatlich 890,48 DM begehrt. In Höhe des überschießenden Betrages hat er die von ihm abgegebenen Anerkennt nisse angefochten und hierzu vorgetragen: Er sei aufgrund der Gehaltsabrechnung seines Arbeitgebers irrtümlich davon ausgegangen, daß er nach der Scheidung der Steuerklasse II/1 unterliege, während er in Wirklichkeit in die Steuerklasse I falle; ebenso sei er hinsichtlich des Weihnachtsgeldes von zu niedrigen Abzügen ausgegangen. Diese Irrtümer seien erst nachträglich durch neue Auskünfte seines Arbeitgebers aufgeklärt worden. Sein Nettolohn sei daher nach der Scheidung geringer als angenommen und ergebe nach der den Anerkenntnissen zugrundegelegten Quotenberechnung nur einen Unterhaltsanspruch der Antragstellerin in der nicht angefochtenen Höhe.

Das Oberlandesgericht hat die Unterhaltsrente auf 992,79 DM ermäßigt. Es hat angenommen, daß der Antragsgegner nur in dieser Höhe an die abgegebenen Anerkenntnisse gebunden sei, weil er sich bei dem zweiten Anerkenntnis offensichtlich um 21,63 DM zu seinen Ungunsten verrechnet habe. Eine über den bindend anerkannten Betrag hinausgehenden Anspruch der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht nicht für begründet erachtet.

Die weitergehende Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision des Antragsgegners, mit der er den abgewiesenen Teil seines Berufungsbegehrens weiter verfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragsgegner die im ersten Rechtszug erklärten Teilanerkenntnisse nicht wegen Irrtums anfechten konnte.

Das prozessuale Anerkenntnis nach § 307 ZPO ist ausschließlich Prozeßhandlung. Es bezieht sich nur auf den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Anspruch, dem sich der Anerkennende unterwirft. Eine materiell-rechtliche Komponente enthält das prozeßrechtliche Anerkenntnis als solches nicht. Es hat vielmehr regelmäßig zur Folge, daß die anerkennende Partei dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen ist, ohne daß es noch auf die materiell-rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs ankommt (§ 307 Abs. 1 ZPO; vgl. BGHZ 10, 333, 335). Allerdings ist es möglich, daß mit dem prozessualen Anerkenntnis auch eine materiell-rechtlich bedeutsame Erklärung verbunden wird. Das Wesen des prozessualen Anerkenntnisses wird davon jedoch nicht berührt. Dessen verfahrensrechtliche Wirkung und die materiell-rechtliche Wirkung der etwa mit dem Anerkenntnis verbundenen sachlich-rechtlichen Willenserklärung sind gegebenenfalls getrennt zu beurteilen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 39. Aufl. Einf. 1 B vor §§ 306 ff. m.w.N.). Das prozessuale Anerkenntnis hat weder allgemein noch in einem solchen Fall eine materiell- und verfahrensrechtliche Doppelnatur, wie dies etwa beim Prozeßvergleich angenommen wird (vgl. zu letzterem BGH NJW 1980, 1753, 1754 m.w.N.).

Danach scheidet eine Anfechtbarkeit des prozessualen Anerkenntnisses wegen Irrtums aus. Das Verfahrensrecht enthält für Prozeßhandlungen keine den §§ 119 ff. BGB entsprechenden Vorschriften. Eine analoge Anwendung der für privatrechtliche Willenserklärungen geltenden Anfechtungsregeln verbietet sich, weil das Prozeßrecht die Verfahrenslage weitgehend vor Unsicherheit schützen will und deshalb einen Widerruf von Prozeßhandlungen – namentlich solcher, die sich maßgeblich auf die Beendigung des Verfahrens auswirken – nur in Ausnahmefällen zuläßt (siehe darüber unten II). Es handelt sich dabei um Sonderregeln, die nicht über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus ausgedehnt werden dürfen (BGH Betrieb 1977, 628) und auch die Ergänzung durch bürgerlich-rechtliche Anfechtungsvorschriften ausschließen. Diese Auffassung ist – für Prozeßhandlungen allgemein – vom Bundesgerichtshof bereits früher vertreten worden (BGHZ 12, 224, 225). Sie entspricht – insbesondere auch für das prozessuale Anerkenntnis – der herrschenden, seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsmeinung (u.a.: OLG Karlsruhe MDR 1974, 588; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. Einf. 2 A vor §§ 306 ff.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 1957 (2. unveränderte Aufl. 1972), S. 115 ff., 142 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB 40. Aufl. Überbl. 5 vor § 104; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 13. Aufl. § 134 IV 6 = S. 806; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO 19. Aufl. § 306 Anm. V; Thomas/Putzo, ZPO 11. Aufl. § 307 Anm. III; Zöller/Vollkommer, ZPO 12. Aufl. Anm. II 2 vor § 306; unentschieden dagegen noch RGZ 156, 70, 73; a.A. (u.a.) Arens, Willensmängel bei Parteihandlungen im Zivilprozeß, 1968, S. 211 ff.). Billigkeitsgründe stehen diesem aus Systematik und Sinn der verfahrensrechtlichen Vorschriften abgeleiteten Ergebnis nicht entgegen. Die anerkennende Partei übernimmt mit dem Anerkenntnis das Beurteilungsrisiko bezüglich der dem Anerkenntnis zugrundegelegten tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen. Besonders gelagerten Ausnahmefällen kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens, wie noch zu erörtern sein wird, Rechnung getragen werden.

Da eine Anfechtbarkeit des Anerkenntnisses entsprechend den Vorschriften der §§ 119 ff. BGB ausscheidet, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob es sich bei dem vom Antragsgegner geltend gemachten Irrtum über die nach der Scheidung eingreifende Steuerklasse und damit über die Höhe seines zu erwartenden Nettoeinkommens um einen nach § 119 BGB beachtlichen Irrtum über den Inhalt der Erklärung handeln würde, oder ob nicht vielmehr trotz der schriftsätzlichen Mitteilung der Einkommensberechnung als Grundlage des Anerkenntnisses ein unbeachtlicher Motivirrtum vorläge (vgl. dazu RGZ 116, 15, 17; 149, 235, 239; BGH LM BGB § 119 Nr. 8 und 21).

II.

Ein Fall, in dem ein Anerkenntnis nach den Regeln des Verfahrensrechts widerrufen werden kann, liegt nicht vor.

1. Der geltend gemachte Irrtum bei der dem Anerkenntnis zugrundegelegten Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse berechtigt nicht zum Widerruf des Anerkenntnisses. Die Vorschrift des § 290 ZPO, die den Widerruf eines der Wahrheit nicht entsprechenden, irrtümlich abgegebenen gerichtlichen Geständnisses zuläßt, kann entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung (OLG Nürnberg MDR 1963, 419; Thomas/Putzo a.a.O. § 307 ZPO Anm. 3; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 38 Anm. B II c 2 und § 306 Anm. B III) auf das Anerkenntnis nicht angewandt werden. Geständnis und Anerkenntnis sind in ihrer verfahrensrechtlichen Bedeutung und Wirkung nicht vergleichbar. Das Geständnis betrifft den tatsächlichen Streitstoff, der im Regelfall die Grundlage der Sachentscheidung bildet. Für die Entscheidung aufgrund des Anerkenntnisses kommt es dagegen auf diesen Streitstoff, wie dargelegt, nicht (mehr) an, sondern die Verurteilung erfolgt nach § 307 Abs. 1 ZPO allein aufgrund des Umstands, daß sich der Anerkennende dem geltend gemachten prozessualen Anspruch unterworfen hat. Dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfindung in Bezug auf den tatsächlichen Streitstoff, der letztlich der Regelung des § 290 ZPO zugrunde liegt (vgl. BGHZ 37, 154, 155), kommt insoweit keine Bedeutung zu. Die Wirksamkeit des Anerkenntnisses würde (entgegen LG Heidelberg MDR 1965, 583) selbst dann nicht berührt werden, wenn die anerkennende Partei auch die klagebegründenden Tatsachen zugestanden hätte und hinsichtlich des Geständnisses die Widerrufsvoraussetzungen des § 290 ZPO vorliegen würden (ebenso: Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. Einf. 2 A vor §§ 306 ff. ZPO; Zur Unanwendbarkeit des § 290 ZPO auf das Anerkenntnis allgemein: Rosenberg/Schwab a.a.O. § 134 IV 6 = S. 806; Stein/Jonas/Schumann/Leipold a.a.O. § 306 ZPO Anm. V; Zöller/Vollkommer a.a.O. Anm. II 2 vor § 306 ZPO). Es wäre im übrigen kein Grund ersichtlich, warum gerade für das Anerkenntnis eine Ausnahme von dem verfahrensrechtlichen Grundsatz gemacht werden sollte, daß die Wirksamkeit von Prozeßhandlungen infolge eines Irrtums des Handelnden nicht berührt wird, und warum diese Ausnahme sogar dahin führen sollte, daß – was aus der entsprechenden Anwendung des § 290 ZPO auf das Anerkenntnis folgen würde – die Widerruflichkeit des Anerkenntnisses schon aufgrund eines bloßen Motivirrtums begründet wäre.

2. Nach anerkannter Rechtsauffassung kann eine Prozeßhandlung, auch ein Anerkenntnis, im anhängigen Rechtsstreit widerrufen werden, wenn die Prozeßhandlung von einem Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO betroffen ist, aufgrund dessen das Urteil, das auf der Prozeßhandlung beruht, mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte. Wenn ein Anerkenntnis betroffen ist, kann der Widerruf in einem solchen Fall mit der Berufung gegen das ergangene Anerkenntnisurteil geltend gemacht werden (RGZ 156, 70, 80 ff.; vgl. auch BGHZ 12, 284, 285; BGH Betrieb 1977, 628). Die Revision macht unter Berufung auf diese Grundsätze geltend, in der Überlassung der mit der Berufung vorgelegten (berichtigten) Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers an den Antragsgegner sei ein Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO zu sehen, der die Widerruflichkeit der Anerkenntnisse begründet habe.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Die im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigungen des Arbeitgebers über das nach der Scheidung zu erwartende Nettoeinkommen des Antragsgegners sind keine Urkunden, die im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO eine Restitutionsklage begründen könnten. Unter den Restitutionsgründen des § 580 ZPO nimmt die Nr. 7 insofern eine Sonderstellung ein, als die dort angeführten Tatbestände in die Sphäre des Restitutionsklägers fallen. Daß das Gesetz ihm im Falle des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht ansinnt, das rechtskräftige Urteil ohne erneute Überprüfung hinzunehmen, beruht auf dem besonderen Beweiswert, der Urkunden typischerweise zukommt und der daher den Mangel der Urteilsgrundlage besonders augenfällig macht (BGHZ 65, 300, 302 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Diese besondere, für Urkunden typische Beweiskraft kommt einer Privaturkunde, in der eine als Zeuge in Betracht kommende Person eine Erklärung über Tatsachen abgegeben hat, hinsichtlich der Richtigkeit dieser Tatsachen nicht zu. Die eingeschränkte formelle Beweiskraft einer Privaturkunde (§ 416 ZPO) schließt es zwar nicht aus, im Wege der freien Beweiswürdigung der Urkunde einen Beweiswert für die Richtigkeit des Erklärten zuzumessen (BGHZ 57, 211, 216; BGH NJW 1980, 1000). Für den Zivilprozeß besteht auch kein dem § 250 StPO entsprechendes Verbot, eine Zeugenvernehmung durch einen Urkundenbeweis zu ersetzen. Der Beweiswert der Privaturkunde für die Richtigkeit des Erklärten ist jedoch in einem solchen Falle geringer als derjenige einer Aussage des Zeugen. Da die Restitutionsklage nicht auf eine neue Zeugenaussage gestützt werden darf, kann hierzu auch eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage durch den Zeugen, der ein geringerer Beweiswert als der Aussage des Zeugen zukommt, nicht ausreichen (vgl. auch BGHZ 1, 218; BGH LM ZPO § 580 Ziff. 7 b Nr. 16; BGH VersR 1974, 121). Die Zulassung derartiger Urkunden als Wiederaufnahmegrund würde beinhalten, daß auch die Vernehmung des Zeugen zugelassen werden müßte, da der Gegenpartei ein solcher Beweisantrag nicht verwehrt werden könnte. Damit würde die Restitutionsklage letztlich unter Umgehung des § 580 ZPO auf eine neue Zeugenaussage gestützt. Die Vorschrift des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO muß daher nach ihrem Sinn einengend dahin ausgelegt werden, daß die Restitutionsklage nicht auf eine Privaturkunde gestützt werden kann, mit der durch die schriftliche Erklärung einer als Zeuge in Betracht kommenden Person der Beweis für die Richtigkeit der in der Erklärung bekundeten Tatsachen geführt werden soll (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 580 ZPO Anm. 4 C).

Da die in Frage stehenden Verdienstbescheinigungen von vornherein als Restitutionsgrund ungeeignet sind, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, daß sie auch deshalb eine Wiederaufnahmeklage nicht stützen könnten, weil sie nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Vortrag des Antragsgegners erst nach der Abgabe der Anerkenntnisse und nach dem Erlaß des Anerkenntnisurteils errichtet worden sind (vgl. BGHZ 65, 300, 303; BGH NJW 1980, 1000, 1001). Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob die Verdienstbescheinigungen hinsichtlich der Abgabe des künftigen Nettoeinkommens überhaupt als Beweismittel für eine Tatsache anzusehen sind, oder ob es sich insoweit nur um die Bekundung der Rechtsauffassung des Arbeitgebers über die Steuerklasse des Antragsgegners nach der Scheidung handelt.

3. Die Revision macht geltend, ein Widerruf des Anerkenntnisses müsse jedenfalls deshalb zugelassen werden, weil die Voraussetzungen des § 323 ZPO vorlägen; aus Gründen der Prozeßökonomie müsse deren Geltendmachung bereits im anhängigen Rechtsstreit möglich sein.

Auch dieser Angriff führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Im Fall einer Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen besteht nach Maßgabe des § 323 ZPO die Möglichkeit, mit der Abänderungsklage die Anpassung des Urteils an die veränderten Verhältnisse zu erwirken. Dies gilt auch für Anerkenntnisurteile (RG LZ 1933, 510; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 323 ZPO Anm. 2 A). Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage ist es nach § 323 Abs. 2 ZPO, daß die Änderung der Verhältnisse erst zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem sie nach Maßgabe der genannten Vorschrift im ursprünglichen Rechtsstreit nicht mehr geltend gemacht werden konnte. Daraus folgt für den Regelfall, daß Änderungen, die bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in einem anhängigen Berufungsverfahren eingetreten sind, bereits in diesem Verfahren geltend gemacht werden können und müssen. In Rechtsprechung und Literatur ist die Meinung vertreten worden, daß auch im Verfahren über die Berufung gegen ein Anerkenntnisurteil, in dem es auf die klagebegründenden Tatsachen nicht ankommt, wenn das Anerkenntnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist, die Geltendmachung nachträglich entstandener Abänderungsgründe im Sinne des § 323 ZPO aus Gründen der Prozeßökonomie zugelassen werden müsse (RG JW 1897, 631 Nr. 9; Wieczorek a.a.O. § 306 ZPO Anm. E; vgl. neuerdings auch Staudigl FamRZ 1980, 221).

Ob und inwieweit dem zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls darf die Geltendmachung von Abänderungsgründen gegenüber einem Anerkenntnisurteil im Rechtsmittelverfahren nicht in einem weitergehenden Umfang ermöglicht werden als im Falle einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift können aber Abänderungsgründe immer erst dann geltend gemacht werden, wenn die in Frage stehende Änderung der Verhältnisse bereits eingetreten ist. Für die Abänderung der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen reicht es nicht aus, daß die Prognose der künftigen Verhältnisse, die der Verurteilung zugrunde liegt, aus nachträglicher Sicht anders zu treffen wäre. Vielmehr müssen die dem Urteil zugrunde gelegten künftigen Verhältnisse tatsächlich anders eingetreten sein als angenommen. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Das Anerkenntnisurteil betrifft den Unterhalt ab Rechtskraft der Ehescheidung. Diese war im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch nicht eingetreten, da das Verbundurteil des Amtsgerichts in der Unterhaltssache angefochten war (BGH, Beschluß vom 5. Dezember 1979 – IV ZB 75/79 – FamRZ 1980, 233) und ein Fall des Art. 5 Nr. 4 des Prozeßkostenhilfegesetzes nicht vorliegt. Eine Änderung der Verhältnisse, auf die es danach ankommt, gegenüber denjenigen, die für das Anerkenntnisurteil maßgebend waren, kann daher noch nicht eingetreten sein und festgestellt werden. Daß mit einer solchen Änderung lediglich zu rechnen ist, kann nach § 323 Abs. 1 ZPO regelmäßig selbst dann nicht ausreichen, wenn die Prognose nach Sachlage mit großer Sicherheit getroffen werden könnte. Letzteres könnte hier im übrigen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ohne weiteres bejaht werden. Die Rechtskraft der Ehescheidung hat nicht stets sofort die Unterwerfung unter die Lohnsteuerabzüge nach der Steuerklasse I zur Folge, weil für die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte, zu denen der Familienstand und die daraus folgende Steuerklasse gehören, die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres maßgebend sind, für das die Lohnsteuerkarte gilt (§ 39 Abs. 3 EStG). Wenn im Laufe des Jahres die Voraussetzungen für eine dem Arbeitnehmer ungünstigere Steuerklasse eintreten, führt dies nicht ohne weiteres zu einer Änderung der Eintragung (§ 39 Abs. 5 EStG). Im übrigen hängt die Höhe des Nettoeinkommens des Antragsgegners im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung nicht nur von dessen Steuerklasse, sondern auch von anderen Faktoren ab, insbesondere von der Höhe des Bruttoeinkommens, das sich ebenfalls bis dahin geändert haben kann. Danach wäre es im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung allenfalls möglich gewesen, eine mehr oder minder sichere Prognose darüber zu treffen, welches Nettoeinkommen der Antragsgegner im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung beziehen wird. Dies reicht für ein Abänderungsbegehren nicht aus.

Unter diesen Umständen bedarf es keiner Prüfung mehr, ob eine etwaige Fehlbeurteilung der (voraussehbaren) künftigen Steuerbelastung ein Abänderungsbegehren überhaupt schlüssig begründen könnte (verneinend Staudigl a.a.O. S. 222).

III.

Vergeblich wendet sich die Revision schließlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Antragstellerin mit der Berufung auf das Anerkenntnis nicht gegen Treu und Glauben verstoße. Grundvoraussetzung hierfür wäre, daß die Verurteilung der wahren (materiellen) Rechtslage nicht entspricht und die Unrichtigkeit der Antragstellerin bekannt ist (vgl. BGHZ 26, 390, 396 f. m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen, wie sich schon aus den Darlegungen oben II 3 ergibt, nicht vor.

IV.

Da das Berufungsurteil auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragsgegners erkennen läßt, ist dessen Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Grell, Portmann, Dr. Seidl, Blumenröhr, Krohn

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502480

BGHZ

NJW 1981, 2193

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