Leitsatz (amtlich)

Sind mehrere individuell bestimmte Sachen als Sachgesamtheit oder als zusammengehörend verkauft, werden aber wesentliche Teile davon nicht geliefert, so ist der Ablieferungsvorgang nicht beendet, bevor die noch ausstehende Leistung nachgeholt wird. Bis dahin wird die Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB nicht in Lauf gesetzt.

 

Normenkette

BGB § 477 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 01.04.1993)

LG Hildesheim

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. April 1993 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf Zahlung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge der Klägerin abgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die Klägerin schloß im Februar 1989 einen Leasingvertrag über ein „Computersystem”, bestehend aus Hardware, System- und Anwendersoftware, das der Leasinggeber bei der Beklagten zum Preise von 66.950 DM zuzüglich Mehrwertsteuer (insgesamt 76.323 DM) erwarb. Am 7. März 1989 bestätigte die Klägerin dem Leasinggeber gegenüber, das Computersystem komplett in fabrikneuem, ordnungsgemäßem, funktionsfähigem Zustand sowie der Beschreibung und den mit dem Lieferanten getroffenen Vereinbarungen entsprechend übernommen zu haben. Tatsächlich fehlten die in einer Vereinbarung der Parteien vom 6./7. März 1989 aufgeführten Programme – u.a. das „B.-Programm” –, die nachgeliefert werden sollten. In der Folgezeit rügte die Klägerin verschiedene Mängel und – nach deren Darstellung – das Fehlen der Busipak-Programmteile „Lagerverwaltung” und „Baustellenverwaltung”.

Nachdem der Leasinggeber ihr mit Erklärung vom 1. März 1991 seine Ansprüche „aus Gewährleistung, Schadensersatz” und das Recht auf Wandelung gegenüber der Beklagten abgetreten hatte, hat die Klägerin gegen diese im Juli 1991 bei einem unzuständigen Gericht Klage eingereicht und sodann im September 1991 beim zuständigen Gericht erhoben. Gestützt auf teilweise Nichterfüllung, Mangelhaftigkeit der Leistung und die Behauptung, die Beklagte habe die geschuldete Einweisung nicht in dem gebotenen Umfang durchgeführt, hat sie die Rückabwicklung des Liefervertrages geltend gemacht und Rückzahlung des Kaufpreises an sich selbst beansprucht sowie die Feststellung erstrebt, daß sich die Beklagte im Annahmeverzug befinde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie hilfsweise Zahlung an den Leasinggeber nebst – reduzierten – Zinsen verlangte, ist vom Oberlandesgericht insgesamt zurückgewiesen worden. Gegen die Abweisung des Hilfsantrages und des daneben – ebenfalls im Hilfsverhältnis – weiterverfolgten Feststellungsbegehrens richtet sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Wandelung könne die Klägerin nicht beanspruchen, weil eventuelle Gewährleistungsrechte gemäß § 477 BGB verjährt seien. Begonnen habe die Verjährungsfrist im Oktober 1989; spätestens zu diesem Zeitpunkt seien die von der Klägerin als mangelhaft bezeichneten Programme oder Programmteile geliefert worden. Die Verjährungsfrist sei unter Berücksichtigung der vereinbarten einjährigen Garantiefrist jedenfalls 18 Monate später und damit schon vor Einreichung der Klage beim unzuständigen Gericht im Juli 1991 abgelaufen gewesen.

Rechte aus § 326 BGB wegen angeblicher Nichtlieferung von Programmen oder Programmteilen stünden der Klägerin nicht zu. Es fehle jedenfalls an der nach dieser Vorschrift erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. In den vorprozessualen Schreiben der Klägerin (vom 21. Mai 1990, 22. November 1990, 1. März 1991 und 15. Mai 1991) seien die von der Klägerin als fehlend bezeichneten Programme oder Programmteile „mit keinem Wort” erwähnt.

II. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Das von der Klägerin geltend gemachte Rücktrittsrecht aus § 326 BGB hat das Berufungsgericht allerdings im Ergebnis zutreffend verneint. Insoweit kann offenbleiben, ob die Abtretungserklärung des Leasinggebers vom 1. März 1991 auch ein solches Rücktrittsrecht erfaßt. Jedenfalls scheitert es daran, daß nicht alle Voraussetzungen des § 326 BGB erfüllt sind.

a) Mangels tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts zum Umfang der Lieferpflicht der Beklagten, zu deren angeblichen teilweisen Nichterfüllung, zur Teilbarkeit der Leistung und eventuell zum fehlenden Interesse der Klägerin bzw. des Leasinggebers an der Teilerfüllung ist zugunsten der Revision zwar davon auszugehen, daß die Beklagte nicht alle Teile des geschuldeten Computersystems geliefert hat, vielmehr die Lieferung des Busipak-Programms, soweit es zur Lager- und Baustellenverwaltung bestimmt war, noch aussteht und diese teilweise Nichterfüllung die Klägerin – beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 326 BGB – berechtigen würde, vom gesamten Vertrag zurückzutreten.

b) Es fehlt aber an dem Erfordernis einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung.

Gegen die diesbezügliche Feststellung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision vergeblich. Sie hat allerdings recht, wenn sie darauf hinweist, die Annahme des Berufungsgerichts treffe nicht zu, daß in den vorprozessualen Schreiben der Klägerin die von dieser als fehlend bezeichneten Programme oder Programmteile mit keinem Wort erwähnt seien. Tatsächlich hat die Klägerin im Anwaltsschreiben vom 15. Mai 1991 ausdrücklich das Fehlen des Programms B. gerügt. Zu Unrecht entnimmt die Revision diesem Schreiben indessen eine – auf die fehlenden Teile bezogene – Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Es heißt zwar eingangs des Schreibens, es werde anliegend der Klageentwurf überreicht und die Beklagte könne das Gerichtsverfahren nur vermeiden, wenn sie bis zum 30. Mai 1991 die „sich aus der Klageschrift ergebenden Sachverhalte korrigiere und die entsprechenden Leistungen erbringe”. Auch ist in der Klageschrift, die sich vornehmlich mit angeblich mangelhaften Leistungen der Beklagten beschäftigt, behauptet, die Lieferung des Programms „B.” sei überhaupt nicht erfolgt. Ob sich die Fristsetzung auf die „Korrigierung” speziell auch dieses „Sachverhaltes” bezog, läßt sich dem Schreiben vom 15. Mai 1991 aber jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen. Das Schreiben, in dem verschiedene Mängel aufgelistet werden, schließt nämlich wie folgt ab: „Vor diesem Hintergrund ist die Klageforderung meiner Mandantschaft begründet, Sie haben die Möglichkeit bis zum 30.05.1991, abschließend die entsprechenden Mängel zu beseitigen, danach wird das Wandelungsverfahren durchgeführt werden”. Hiernach bezog sich – vom maßgeblichen Empfängerhorizont her gesehen – die Fristsetzung und „Ablehnungsandrohung” lediglich auf eine Mängelbeseitigung.

Soweit die Revision die Auffassung vertritt, die weiteren Schreiben der Klägerin vom 22. November 1990 und 1. März 1991 erfüllten ebenfalls die in Rede stehende Voraussetzung des § 326 BGB, trifft dies nicht zu. In beiden Schreiben wird unter Fristsetzung nur Mängelbeseitigung verlangt. Außerdem waren der Klägerin damals noch keine Rechte von dem Leasinggeber abgetreten, die sie gegen die Beklagte hätte geltend machen können. Die Abtretungserklärung vom 1. März 1991 ist dem Bevollmächtigten der Klägerin mit dem Anschreiben des Leasinggebers vom gleichen Tag ausweislich des darauf befindlichen Eingangsstempels (Bl. 178 GA) erst am 4. März 1991 zugegangen.

2. Der Begründung, mit der das Berufungsgericht der Klägerin einen Wandelungsanspruch wegen Verjährung versagt hat, kann dagegen nicht gefolgt werden.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der für den Beginn der Verjährungsfrist des § 477 BGB maßgebliche Zeitpunkt der Ablieferung habe spätestens im Oktober 1989 gelegen, beruht auf einer Verkennung des Begriffs der Ablieferung. Das Berufungsgericht hat lediglich auf die Lieferung der „von der Klägerin als mangelhaft bezeichneten Programme oder Programmteile” abgestellt. Diese hatte jedoch durchgängig unter Beweisantritt behauptet, daß ein Teil der Programme, nämlich das die Lager- und Baustellenverwaltung betreffende B.-Programm, überhaupt nicht geliefert worden sei, und hatte insbesondere in der Berufungsbegründung – gleichfalls unter Beweisantritt – die wesentliche Bedeutung der fehlenden Programmteile für die von ihnen speziell zu erledigenden Aufgaben und für die Übertragung von Daten in andere Programme dargelegt. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist dieses Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Dann ist eine Ablieferung im Sinne des § 477 BGB indessen weder im Oktober 1989 noch in der Folgezeit erfolgt.

Sind – wie bei dem hier fraglichen Computersystem – mehrere individuell bestimmte Sachen als Sachgesamtheit oder als zusammengehörend verkauft worden und werden wesentliche Teile davon nicht geliefert, so ist der Ablieferungsvorgang nicht beendet, bevor die noch ausstehende Leistung nachgeholt wird. Bis dahin fehlt es insgesamt an einer Ablieferung im Sinne des § 477 BGB (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 1993 – VIII ZR 147/92 = WM 1993, 1639, 1642 = ZIP 1993, 1394, 1396 und vom 4. November 1992 – VIII ZR 165/91 = WM 1993, 111 unter II 2 c bb). Das hat zur Folge, daß die an die Ablieferung anknüpfende Verjährungsfrist frühestens mit der Nachlieferung der fehlenden Teile in Lauf gesetzt wird.

Das Berufungsgericht wird daher zu klären haben, ob die von der Klägerin als fehlend bezeichneten Teile tatsächlich nicht geliefert worden sind und – bejahendenfalls – ob die behaupteten Mängel bestehen und diese die Klägerin zur Gesamtwandelung berechtigen (vgl. zu letzterem Senatsurteil vom 14. Juli 1993 a.a.O. S. 1397).

 

Fundstellen

Haufe-Index 749235

NJW 1994, 1720

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