Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtungsfrist Vaterschaft gegen geschiedenen Ehemann. Am Statusverfahren beteiligtes Kind. Ergänzungspfleger bei Klagezustellung und Ladung zum Termin

 

Leitsatz (amtlich)

In einem Statusverfahren, in dem eine allein sorgeberechtigte Mutter die Vaterschaft ihres geschiedenen Ehemannes anficht, muß für das am Verfahren zu beteiligende Kind (§ 640e Abs. 1 ZPO) – schon für die Zustellung der Klage und der Ladung zum Termin – ein Ergänzungspfleger bestellt werden.

Die Anfechtungsfrist von zwei Jahren ab Kenntnis der Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen, gilt auch in den Fällen, in denen die Mutter vor dem 1. Juli 1998 keine Anfechtungsklage erheben konnte, weil ihr Anfechtungsrecht erst zu diesem Zeitpunkt durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts eingeführt worden ist (§ 1600 BGB).

 

Normenkette

ZPO § 640e Abs. 1; BGB § 1909 Abs. 1, § 1600b Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 01.07.1999)

AG Esslingen

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Juli 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, Mutter des beigeladenen Kindes, begehrt die Feststellung, daß das Kind nicht von dem Beklagten abstammt. Die am 21. Februar 1986 geschlossene Ehe der Parteien ist mit Urteil vom 29. September 1992, das seit diesem Tage rechtskräftig ist, geschieden worden. Während der Ehe – am 22. Juli (im Berufungsurteil zu Unrecht: Juni) 1986 – hat die Klägerin die Tochter M. zur Welt gebracht.

Der vorliegenden Klage sind zwei weitere Statusverfahren bezüglich des beigeladenen Kindes vorausgegangen. Nach der Scheidung hat der Beklagte im Jahre 1993 – nach dem damals geltenden Recht – Ehelichkeitsanfechtungsklage erhoben. Das Familiengericht hat dieser Klage stattgegeben, nachdem ein ärztlicher Sachverständiger festgestellt hatte, der Beklagte sei aus genetischen Gründen als Vater auszuschließen. Auf die Berufung des Kindes hin hat das Oberlandesgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 2. Dezember 1993 unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger des damaligen Verfahrens habe die Anfechtungsfrist versäumt.

Im Jahre 1995 hat das Kind, vertreten durch seine Mutter (die Klägerin des vorliegenden Verfahrens), Klage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, daß es nicht vom Beklagten abstamme. Durch Urteil vom 20. Juli 1995 hat das Familiengericht diese Klage abgewiesen, und zwar mit der Begründung, die Anfechtungsfrist sei versäumt, weil die gesetzliche Vertreterin des Kindes seit mehr als zwei Jahren Kenntnis von den Umständen habe, die gegen die Vaterschaft des Beklagten sprächen. Gegen dieses Urteil des Familiengerichts hat das Kind Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Kindes, ihm zur Durchführung einer Berufung gegen dieses Urteil Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Über die Berufung ist nicht entschieden worden. Das Oberlandesgericht hat zunächst durch Beschluß vom 26. Oktober 1995 auf Antrag des Kindes das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nachdem die Klägerin durch eine zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetzesänderung als Mutter des Kindes selbst anfechtungsberechtigt geworden ist, hat sie im vorliegenden Verfahren mit einem am 26. November 1998 eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß das Kind M. nicht das Kind des Beklagten sei. Der Beklagte ist der Klage nicht entgegengetreten. Das Familiengericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, auch der Klage der Mutter stehe die Versäumung der Anfechtungsfrist entgegen, da sie – die Mutter – mehr als zwei Jahre vor Klageerhebung Kenntnis von den Umständen gehabt habe, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprächen (§ 1600 b BGB). Daß die Klagebefugnis der Mutter vom Gesetzgeber erst zum 1. Juli 1998 eingeführt worden sei, bedeute nicht, daß ab diesem Zeitpunkt eine neue Anfechtungsfrist laufe.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihren Feststellungsanspruch weiter.

Nachdem der Senat die Parteien auf § 640 c Abs. 2 ZPO hingewiesen hatte, hat das Kind während des Revisionsverfahrens seine beim Oberlandesgericht anhängige, zum Ruhen gebrachte Klage mit Zustimmung des Prozeßgegners zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht führt aus, da das Kind vor dem 1. Juli 1998 zur Welt gekommen sei, richte sich die Frage seiner Abstammung nach dem bis zum 30. Juni 1998 gültigen Recht (Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB). Da das Kind während der Ehe der Parteien geboren worden sei, gelte es nach § 1591 BGB a.F. als Kind des Beklagten. Dieser Status des Kindes könne nur durch ein Anfechtungsverfahren beseitigt werden (§ 1593 BGB a.F.). Auf dieses Anfechtungsverfahren seien allerdings die am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen neuen Bestimmungen anzuwenden (Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB). Gemäß § 1600 BGB n.F. gehöre die Klägerin zu den anfechtungsberechtigten Personen.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind zutreffend und werden von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

2. Weiter führt das Berufungsgericht aus, weder das in einem Vorprozeß rechtskräftig abgeschlossene Anfechtungsverfahren noch das (damals) noch nicht abgeschlossene zweite Anfechtungsverfahren stehe der Zulässigkeit der vorliegenden Klage entgegen. Werde ein klagabweisendes Urteil in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren darauf gestützt, daß der Kläger die Anfechtungsfrist versäumt habe, sei damit das Abstammungsverhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits nicht festgestellt. Ein solches Urteil könne deshalb die Klage „eines anderen Anfechtungsberechtigten mit gleichem Verfahrensziel nicht hindern.”

Die gemäß § 640 e ZPO an sich vorgesehene Beiladung des Kindes sei nicht erforderlich, weil die Wahrung seiner Rechte schon dadurch gewährleistet sei, daß seine gesetzliche Vertreterin als Prozeßpartei an dem Verfahren beteiligt sei.

Das Familiengericht habe die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Anfechtungsfrist versäumt sei. Das neu eingeführte Anfechtungsrecht der Mutter könne – wie auch das Anfechtungsrecht der anderen Anfechtungsberechtigten – nur binnen einer Frist von zwei Jahren ausgeübt werden, die mit dem Zeitpunkt beginne, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfahren habe, die gegen die Vaterschaft sprechen, frühestens mit der Geburt des Kindes (§ 1600 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB n.F.). Bei Eingang der vorliegenden Klage habe die Klägerin, wie die Berufung nicht in Zweifel ziehe, seit mehr als zwei Jahren Kenntnis von den entsprechenden Umständen gehabt. Zu Unrecht mache die Klägerin geltend, die zweijährige Anfechtungsfrist könne nicht vor dem 1. Juli 1998 zu laufen begonnen haben, weil sie – die Klägerin – vor der an diesem Tage in Kraft getretenen Neufassung des Gesetzes nicht anfechtungsberechtigt gewesen sei.

Für diese Annahme der Klägerin finde sich weder im Gesetz selbst noch in den Materialien zu dem Gesetz eine Stütze. Die Materialien sprächen im Gegenteil dafür, daß der Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet habe, für das neu eingeführte Anfechtungsrecht der Mutter hinsichtlich der Anfechtungsfrist eine entsprechende Übergangsregelung vorzusehen.

3. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, soweit sie das Prozeßrecht betreffen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die (damals andauernde) Rechtshängigkeit eines Statusverfahrens des Kindes gegen den Ehemann – den Beklagten auch des vorliegenden Verfahrens – habe der Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht entgegengestanden, beruht auf Rechtsirrtum. Nach dem zum 1. Juli 1998 – also vor Erhebung der vorliegenden Klage – in Kraft getretenen § 640 c Abs. 2 ZPO i.V.m. § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann während der Dauer der Rechtshängigkeit einer Klage, mit der die Anfechtung der Vaterschaft eines Kindes geltend gemacht wird, keine „entsprechende Klage … anderweitig anhängig gemacht werden.” In der Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Bestimmung heißt es ausdrücklich, durch die Regelung solle vermieden werden, daß verschiedene Klageberechtigte – gegebenenfalls an unterschiedlichen Gerichtsständen – entsprechende Anfechtungsklagen anhängig machten (BT-Drucks. 13/4899 S. 126). Unter „entsprechende Klage” ist ein weiteres Abstammungsverfahren zu verstehen, das dasselbe Kind betrifft (Zöller/Philippi, ZPO 23. Aufl. § 640 c Rdn. 6). Mit Rücksicht auf den anhängigen Prozeß zur Klärung der Abstammung des Kindes war es nicht zulässig, einen neuen Statusprozeß anhängig zu machen, die Klägerin konnte lediglich dem bereits anhängigen Prozeß als Streitgenossin einer Partei beitreten (vgl. BT-Drucks. 13/4899 aaO).

In den Vorinstanzen war die Klage deshalb unzulässig. Die „Rechtshängigkeitssperre” (vgl. Lüke in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 261 Rdn. 52 m.w.N.) entfällt jedoch ex nunc, wenn die Rechtshängigkeit des anderen Prozesses fortfällt (Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 261 Rdn. 51; Goldschmidt, Festschrift für Brunner – 1914 – S. 153 Fußn. 4).

Nachdem in dem parallel geführten Abstammungsprozeß die Klage wirksam zurückgenommen worden ist, ist die dortige Rechtshängigkeit entfallen mit der Folge, daß von diesem Zeitpunkt an die vorliegende Klage zulässig geworden ist.

4. Das Berufungsurteil muß jedoch aufgehoben und die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil das Verfahren der Vorinstanzen an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden unheilbaren Verfahrensmangel leidet. Nach § 640 e Abs. 1 ZPO ist das Kind in einem Statusprozeß, an dem es – wie im vorliegenden Fall – nicht selbst als Partei beteiligt ist, in der Weise zu beteiligen, daß es unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden ist. Es kann dann der einen oder der anderen Partei als Streitgenosse beitreten. Diese zwingend vorgeschriebene, von Amts wegen vorzunehmende Beiladung des Kindes (Musielak/Borth, ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 3; Coester-Waltjen in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 5) haben die Vorinstanzen unterlassen. Wird ein Dritter entgegen einer zwingenden Vorschrift nicht am Verfahren beteiligt, stellt das in entsprechender Anwendung des § 551 Nr. 5 ZPO a.F. (= § 347 Nr. 4 ZPO n.F.) einen von Amts wegen zu berücksichtigenden absoluten Revisionsgrund dar, der die Zurückverweisung der Sache in jedem Fall erforderlich macht (BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 – III ZR 102/91 – NJW 1992, 2636, 2637; Beschluß vom 28. Juni 1983 – KVR 7/82 – NJW 1984, 494 f.; Musielak/Borth aaO Rdn. 4; Wenzel in MünchKomm-ZPO aaO § 551 Rdn. 14).

Da es sich um einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 551 ZPO a.F. handelt, hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob das Berufungsurteil auf diesem Mangel beruht (BGH, Beschluß vom 28. Juni 1983 aaO S. 495). Im übrigen hat das Kind einen Anspruch darauf, schon in den Tatsacheninstanzen beteiligt zu werden. Der Mangel wird nicht dadurch geheilt, daß das Kind in der Revisionsinstanz beteiligt worden ist. Es ist zumindest nicht von vornherein auszuschließen, daß das Berufungsgericht andere oder ergänzende tatsächliche Feststellungen getroffen hätte, die für die Entscheidung relevant sein könnten, wenn es das Kind ordnungsgemäß beteiligt hätte (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Juni 1983 aaO).

5. Der Auffassung des Berufungsgerichts, von der an sich vorgeschriebenen Beiladung des Kindes könne im vorliegenden Rechtsstreit abgesehen werden, weil seine allein sorgeberechtigte Mutter – die Klägerin –-, die seine Rechte im Falle eines Beitritts wahrzunehmen hätte, selbst Prozeßpartei sei und deshalb auf das Verfahren Einfluß nehmen könne, kann nicht gefolgt werden.

Daß in einem Prozeß zwischen den Eltern, in dem es um den Status des Kindes geht, ein Elternteil allein oder beide Elternteile gemeinsam das Sorgerecht für das Kind haben, ist die Regel. Wenn der Gesetzgeber dennoch ohne jede Einschränkung angeordnet hat, daß in einem solchen Prozeß das Kind zu beteiligen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, die Beteiligung des Kindes sei nur ausnahmsweise notwendig, nämlich in den seltenen Fällen, in denen ein Dritter sorgeberechtigt ist.

Die Argumentation des Berufungsgerichts, die Beteiligung des Kindes durch Zustellung der Klage an die allein sorgeberechtigte Klägerin sei eine überflüssige Formalie, ist schon deshalb unzutreffend, weil eine allein sorgeberechtigte Mutter, wenn sie Klägerin in einem Statusverfahren ist, das Kind im Rahmen seiner Beteiligung nach § 640 e Abs. 1 ZPO nicht im Prozeß vertreten kann. Es ist vielmehr erforderlich, für das Kind nach § 1909 Abs. 1 BGB einen Ergänzungspfleger zu bestellen (wie es in der Revisionsinstanz geschehen ist).

Nach § 1629 Abs. 2 BGB können die Eltern ein Kind nicht vertreten, soweit ein Vormund nach § 1795 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB ist ein Vormund in einem Rechtsstreit zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits von der Vertretung des Mündels ausgeschlossen. Dieser Ausschluß gilt erst recht, wenn nicht nur der Ehegatte oder Verwandte des Vormunds, sondern der Vormund selbst Partei eines Rechtsstreits mit dem Mündel ist (Wagenitz in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 1795 Rdn. 35 m.N.).

Zwar ist das Kind, solange es dem zwischen den Eltern geführten Statusprozeß nicht beigetreten ist, nicht Partei dieses Prozesses. § 640 e Abs. 1 ZPO räumt ihm aber eine parteiähnliche prozessuale Rolle ein, die es rechtfertigt, § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf diesen Fall analog anzuwenden. Durch § 640 e Abs. 1 ZPO soll das Kind, um dessen Status es geht, in die Lage versetzt werden, seine Interessen unabhängig von den Parteien des Statusverfahrens, also auch unabhängig von seiner allein sorgeberechtigten Mutter, zu vertreten. Die Interessen der Mutter und die Interessen des Kindes können durchaus voneinander abweichen. Die Mutter kann unter Hintanstellung anderer Gesichtspunkte in erster Linie daran interessiert sein, nachzuweisen, daß der Beklagte nicht der Vater ihres Kindes ist. Das Kind kann daran interessiert sein, daß soziale Bindungen, die es zu dem Beklagten aufgebaut hat, nicht beschädigt werden, insbesondere aber kann es darauf angewiesen sein, in dem Beklagten einen zahlungskräftigen Unterhaltsschuldner zu haben. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, daß der Gesetzgeber, als er das Anfechtungsrecht der Mutter eingeführt hat, ihr ganz bewußt das Recht eingeräumt hat, mit diesem Anfechtungsrecht ausschließlich eigene Interessen zu verfolgen ohne Rücksicht auf die Interessen des Kindes (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 6; BT-Drucks. 13/4899 S. 148; BT-Drucks. 13/8511 S. 70 f.).

Das bedeutet, daß das beizuladende Kind in einem von seiner allein sorgeberechtigten Mutter angestrengten Statusverfahren der Mutter in einer eigenständigen Position gegenübersteht, die es ihm ermöglichen soll, eigene Interessen auch gegen die Mutter geltend zu machen. Dies entspricht der Interessenkonstellation, für die § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Vertretungsbefugnis ausschließt.

Wie das Berufungsgericht – ohne die richtigen Schlußfolgerungen daraus zu ziehen – im Ansatz richtig sieht, wäre es nicht sinnvoll, zum Zwecke der Beteiligung des Kindes der allein sorgeberechtigten Klägerin ihre eigene Klage zuzustellen, um sie für das Kind entscheiden zu lassen, ob das Kind dem Rechtsstreit auf ihrer oder auf der Seite ihres Prozeßgegners beitreten soll (im Ergebnis wie hier OLG Celle, FamRZ 2001, 700, 702; Coester-Waltjen in MünchKomm-ZPO aaO § 640 e Rdn. 6).

6. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht geht zu Recht und mit zutreffender Begründung davon aus, daß die zweijährige Frist für die Anfechtung der Vaterschaft – beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (§ 1600 b BGB) – auch in den Fällen uneingeschränkt gilt, in denen der Mutter mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts zum 1. Juli 1998 erstmals ein Anfechtungsrecht eingeräumt worden ist. Das hat zur Folge, daß eine Anfechtung der Mutter ausgeschlossen ist, wenn sie vor dem 1. Juli 1996 Kenntnis von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen hatte.

Es ist der Revision einzuräumen, daß eine Klagefrist im Regelfall nicht abläuft, bevor der Kläger die rechtliche Möglichkeit hat, sie einzuhalten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich nicht um ein auf Dauer auftretendes und zu regelndes Problem handelt. Vielmehr taucht die Problematik nur in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis zum 1. Juli 2000, und auch in dieser Zeit nur für Fälle auf, in denen die Mutter schon vor dem 1. Juli 1996 Kenntnis von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen hatte. Der Gesetzgeber hatte bei Einführung des Anfechtungsrechts der Mutter zum 1. Juli 1998 zu entscheiden, ob die neue Anfechtungsmöglichkeit für alle Altfälle gelten sollte, unabhängig davon, wie alt das Kind inzwischen war, welche sozialen Bindungen es zu dem Mann aufgebaut hatte, der bisher als sein Vater galt, und wie lange die Mutter bereits Kenntnis davon hatte, daß das Kind wohl nicht von diesem Mann abstammt, oder ob die neue Anfechtungsmöglichkeit – jedenfalls im wesentlichen – nur für die Zukunft gelten sollte.

Hätte der Gesetzgeber die neue Anfechtungsmöglichkeit für alle Altfälle eröffnen wollen, hätte es nahegelegen, in einer Übergangsvorschrift festzulegen, daß die Anfechtungsfrist für eine Anfechtung durch die Mutter nicht vor dem 1. Juli 1998 beginnt. Entgegen der Annahme der Revision ist nicht davon auszugehen, daß der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung nur vergessen hat. Die übrigen Regelungen des neuen Rechts und die Materialien dazu sprechen vielmehr dafür, daß der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung bewußt nicht vorgesehen hat, weil er für Altfälle keine neue Anfechtungsmöglichkeit eröffnen wollte.

Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß das neue Recht nicht nur ein Anfechtungsrecht der Mutter eingeführt, sondern auch das Anfechtungsrecht des (volljährigen) Kindes erweitert hat (§§ 1600, 1600 b Abs. 3 BGB n.F., § 1596 BGB a.F.). Der Gesetzgeber hat gesehen, daß die für die Anfechtung durch das volljährige Kind vorgesehene Frist (§ 1600 b Abs. 3 BGB) bei Einführung des neuen Rechts am 1. Juli 1998 bereits abgelaufen sein könnte und hat deshalb in einer Übergangsregelung (Art. 224 § 1 Abs. 4 EGBGB) bestimmt, daß die Verjährungsfrist für das volljährige Kind – jedenfalls in bestimmten Fällen – nicht vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts (am 1. Juli 1998) zu laufen beginnt. Man kann ausschließen, daß er dieselbe Problematik bei der weit mehr im Vordergrund stehenden und diskutierten Einführung des Anfechtungsrechts der Mutter übersehen hat.

Der Regierungsentwurf sah in § 1600 b Abs. 5 BGB vor, daß für alle Anfechtungsberechtigten – also auch für die Mutter – die Anfechtungsfrist erneut zu laufen beginnt, wenn der Berechtigte Kenntnis von Umständen erlangt, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für ihn unzumutbar werden (BT-Drucks. 13/4899 S. 6). Der Bundesrat hat vorgeschlagen, § 1600 b Abs. 5 BGB des Entwurfs zu streichen (BT-Drucks. 13/4899 S. 148 f.). Entsprechend der Gegenäußerung der Bundesregierung hat der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages vorgeschlagen, die Anwendung des § 1600 b Abs. 5 des Entwurfs auf das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Zur Begründung hat er ausgeführt:

„Dieser Ausschluß wird in der Regel zur Folge haben, daß die Mutter von ihrem Anfechtungsrecht nur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre des Kindes Gebrauch machen kann. Innerhalb dieses Zeitraums können sich persönliche Bindungen des Kindes zu seinem Vater noch nicht in einem solchen Maße entwickeln, daß ein etwa vorhandenes Interesse des Kindes am Fortbestand der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse der Mutter überwiegen könnte. Der Rechtsausschluß empfiehlt daher wie die Gegenäußerung der Bundesregierung, die Anwendung des § 1600 b Abs. 5 BGB-E auf die Anfechtung durch den Vater oder die Mutter auszuschließen und auf das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Insoweit hält der Rechtsausschuß die Beibehaltung der Regelung des § 1600 b Abs. 5 BGB-E für zwingend geboten und hält seine völlige Streichung, wie sie vom Bundesrat gefordert worden ist, im Hinblick auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung für verfassungsrechtlich bedenklich.”

Der Vorschlag des Rechtsausschusses ist Gesetz geworden (§ 1600 b Abs. 5 BGB). Daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber die Anfechtungsmöglichkeit der Mutter im Interesse des Kindes zeitlich eng begrenzen und von dieser Begrenzung möglichst keine Ausnahme zulassen wollte. Auch das spricht dafür, daß der Gesetzgeber die von der Revision vermißte Übergangsregelung nicht vergessen, sondern bewußt nicht eingeführt hat.

 

Unterschriften

Hahne, Gerber, Wagenitz, Fuchs, Vézina

 

Fundstellen

Haufe-Index 737825

NJW 2002, 2109

BGHR 2002, 585

FamRZ 2002, 880

FamRZ 2002, 953

FuR 2002, 452

DNotI-Report 2002, 87

Nachschlagewerk BGH

ZAP 2002, 807

EzFamR aktuell 2002, 164

FPR 2002, 418

MDR 2002, 948

Kind-Prax 2002, 132

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