Leitsatz (amtlich)

Eine Bank braucht bei der Anlageberatung den Wissensstand des Kunden nicht zu erfragen, wenn dieser von einem Vermögensberater betreut wird und bereits deutliche Vorstellungen von dem gewünschten Anlagegeschäft hat.

 

Normenkette

BGB §§ 275, 676

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 24.03.1995)

LG Kempten (Urteil vom 22.06.1994)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 24. März 1995 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22. Juni 1994 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der beklagten Sparkasse die Einwilligung in die Löschung einer Grundschuld. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens in A. Er und seine Ehefrau ließen sich im Oktober 1988 von lern Vermögensberater Ba. davon überzeugen, daß durch den Ankauf ausländischer Wertpapiere mit hohem Kapitaleinsatz in kurzer Zeit ein hoher Zinsgewinn zu erzielen sei. Da die Eheleute über keine großen Barmittel verfügten, wurde auf Betreiben von Ba. das klägerische Grundstück zu Beleihungszwecken begutachtet. Am 8. Dezember 1988 suchten der Kläger und seine Ehefrau in Begleitung Ba.'s die Filiale der Beklagten auf, um ausländische Wertpapiere zu kaufen. Nach einer Besprechung mit dem Filialleiter K. schlossen sie mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 1.040.000 DM mit einer voraussichtlichen Laufzeit von 5 Jahren und einem variablen Jahreszinssatz von anfänglich 7,25 %. Von dem Kredit kauften sie für 468.404,93 DM 14,5 %ige BMW Finance N.V./Niederl. Austr. $ Bonds V. 87/92 und für 471.744,98 DM 13,625 %ige Royal Trust Corp, of Canada Ad-Notes V 1988/93. Beide Effekten waren nach einer Computerinformation der B. Landesbank mit AAA bewertet. Einen Darlehensteilbetrag von 40.000 DM benutzte der Kläger zur Umschuldung, 90.000 DM wurden ausgezahlt. Zur teilweisen Absicherung des Darlehens bestellte der Kläger für die Beklagte an seinem Grundstück eine Buchgrundschuld in Höhe von 600.000 DM nebst Zinsen.

In den ersten 1 1/2 Jahren erzielte der Kläger aus der Wertpapieranlage Gewinne; später erlitt er Verluste wegen sinkenden Kurses des australischen Dollars. Im April 1992 und im November 1993 verkaufte die Beklagte bei Fälligkeit die Wertpapiere des Klägers. Die Restdarlehensschuld des Klägers belief sich am 30. November 1993 auf 357.485,86 DM.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe erkennen können, daß die abgeschlossenen Verträge zu einer totalen Überschuldung führen mußten, und deshalb von einer Darlehensaufnahme dringend abraten müssen. Infolge der Nichtigkeit des Darlehensvertrages sei auch der Grundschuldbestellungsvertrag unwirksam und die Beklagte mithin verpflichtet, die Löschung der Grundschuld zu bewilligen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung das Rechtsmittels im übrigen die Beklagte verurteilt, der Löschung der Grundschuld in Höhe von 470.000 DM zuzustimmen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte Klageabweisung in vollem Umfang.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht hat einen Löschungsanspruch des Klägers in Höhe von 470.000 DM bejaht. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur „anlegergerechten” Beratung beim Verkauf der Wertpapiere nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Dem Filialleiter K. sei klar gewesen, daß dem Kläger für den Erwerb der Wertpapiere ausschließlich das von der Beklagten zu gewährende Darlehen zur Verfügung gestanden habe und daß die dafür zu zahlenden Zinsen aus den Erträgen der Wertpapiere hätten aufgebracht werden müssen. Auf die sich daraus für den Kläger ergebende Gefahr, daß ein sinkender Kurs des australischen Dollars und ein damit verbundener Zinsverlust nicht nur zum Wegfall der erwarteten Gewinne, sondern zu ganz erheblichen Verlusten führen würde, habe K. jedenfalls hinweisen müssen. Bei richtiger und vollständiger Beratung würde der Kläger vom Kauf der Wertpapiere und von der Aufnahme des dafür erforderlichen Kredits Abstand genommen haben; deshalb sei er so zu stellen, als sei der Darlehensvertrag nur über den anderweitig zur Verfügung gestellten Betrag von 130.000 DM zustande gekommen und die Eintragung der Grundschuld nur zur Sicherung dieses Betrages bewilligt worden.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag über den Ankauf der Wertpapiere zustande gekommen. Dagegen erhebt die Revision keine Einwendungen.

2. Nicht gefolgt werden kann jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe gegen die sich aus diesem Beratungsvertrag ergebende Pflicht zu einer anlegergerechten Beratung verstoßen.

Zutreffend ist zwar die auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützte Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Bank bei der Anlageberatung grundsätzlich den – gegebenenfalls zu erfragenden – Wissenstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen habe und daß das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt diesen Kriterien Rechnung trafen müsse. Die konkrete Ausgestaltung dieser Pflicht hängt jedoch entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist u.a. maßgeblich zu berücksichtigen, welches Anlageziel der Kunde verfolgt (Senatsurteil BGHZ 123 126, 128). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann danach kein Pflichtverstoß der Beklagten festgestellt werden.

Einer Ermittlung des Wissenstandes des Kunden und einer Erläuterung aller in Betracht zu ziehenden Anlagemöglichkeiten bedarf es dann nicht, wenn – wie hier – der von seinem Vermögensberater betreute Kunde mit deutlichen Vorstellungen von dem gewünschten Anlagegeschäft und dessen Finanzierung an das Kreditinstitut herantritt. In einem solchen Fall darf die Bank davon ausgehen, daß der Kunde sich über das von ihm angestrebte Anlagegeschäft bereits informiert hat und er nur insoweit noch der Beratung bedarf, als er dies ausdrücklich verlangt oder als dies aus sonstigen Umständen für sie erkennbar wird. Hier genügt die Bank ihren Beratungspflichten, wenn sie den Kunden über die von ihm in Betracht gezogenen Anlagemöglichkeiten richtig und vollständig informiert und auf sich etwa daraus ergebende Gefahren und Risiken hinweist. Der Kläger hat in Begleitung seines Vermögensberaters Ba. die Beklagte aufgesucht mit dem Ziel, ausländische Wertpapiere zu erwerben. Die wesentliche Beratungsaufgabe des Filialleiters K. der Beklagten bestand somit darin, dem Kläger eine sachgerechte Auswahl unter den in Betracht gezogenen Wertpapieren zu ermöglichen.

Diese Beratung ist in nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Die empfohlenen Wertpapiere waren unstreitig erstklassig bewertet, Zweifel an der Solvenz des Emittenten bestanden nicht. Das Risiko – wie es sich später auch verwirklicht hat – bestand für den Kläger darin, daß ein Wertverlust des australischen Dollars gegenüber der DM eintreten konnte, daß die dadurch geringeren Zinszahlungen des Emittenten die vom Kläger zu tragenden – möglicherweise inzwischen gestiegenen – Darlehenszinsen nicht voll abdeckten, und daß bei Fälligkeit der Wertpapiere der Rückzahlungsbetrag unterhalb der aufgenommenen Darlehensvaluta blieb. Auf das Fremdwährungsrisiko und das Risiko von Kursschwankungen hat der Filialleiter K. den Kläger jedoch ausdrücklich Hingewiesen und in diesem Zusammenhang als Ziffer 6 eine Individualklausel in die „Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren” eingefügt, in der es heißt: „Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß sie für Währungs- oder Kursverluste, die dem Kunden durch fällige Zins- und Tilgungsleistungen oder durch vorzeitige Verkäufe entstehen, keine Haftung übernehmen kann”. Wenn der Kläger sich über die Gefahren, die mit dem Geschäft verbunden waren, im unklaren war, war es seine Sache, seinen Vermögensberater oder die Beklagte um nähere Aufklärung zu bitten.

Für eine weitergehende Beratung bestand jedenfalls aus der Sicht der Beklagten kein Anlaß. Sie durfte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts davon ausgehen, daß dem Kläger aufgrund der Betreuung durch seinen Vermögensberater Ba., und nachdem auch der Filialleiter K. das Fremdwährungsrisiko angesprochen hatte, bewußt war, daß er einen wesentlichen Teil des aufgenommenen Kredits zu Spekulationszwecken verwendete. Etwas anderes war für die Beklagte auch nicht der Äußerung des Klägers zu entnehmen, „mit dem erwarteten Geld solle das bäuerliche Anwesen ausgebaut werden”. Damit hat der Kläger lediglich zum Ausdruck gebracht, was er mit den erhofften Gewinnen zu tun beabsichtigte, aber nicht der Beklagten zu erkennen gegeben, daß er eine absolute sichere Kapitalanlage wünschte.

III.

Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen.

 

Unterschriften

Dr. Halstenberg, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1392107

BB 1996, 923

NJW 1996, 1744

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1996, 667

ZBB 1996, 143

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge