Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteil

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung einer Pflichtteilsklausel bei Stiefkindern.

 

Normenkette

BGB §§ 2269, 2304

 

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht ein Geldvermächtnis aus dem Nachlaß ihrer Stiefmutter.

Die Klägerin und ihre Schwester Yvonne sind die einzigen Kinder ihres im Jahre 1977 verstorbenen Vaters; sie stammen aus dessen erster Ehe. In zweiter Ehe war der Vater seit dem 14. Juni 1969 mit Maria-Anna S. geborene K. (Erblasserin) verheiratet. Die Erblasserin ist am 23. Februar 1985 verstorben. Sie hinterließ keine eigenen Kinder. Die Beklagten zu 1) bis 3) und der Sohn Oliver der Klägerin sind deren testamentarische Erben, die Beklagte zu 1) als Alleinerbin ihres nachverstorbenen Ehemannes ist zugleich deren Erbeserbin. Der Erbteil des Miterben Oliver steht unter Testamentsvollstreckung; Testamentsvollstrecker ist der Beklagte zu 4).

Die Eheleute S. hatten am 10. Oktober 1969 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Dort heißt es von der Hand des Ehemannes:

"Gemeinschaftliches Testament

1.

Wir setzen uns für den Fall unseres Todes gegenseitig zum unbeschränkten Alleinerben ein. Erben des Letztversterbenden von uns sind die Töchter aus meiner ersten Ehe, nämlich

a)

... Yvonne...,

b)

... Sibylle...

zu gleichen Teilen.

2.

Sollte nach meinem Tode meine Frau... sich wieder verheiraten, so hat sie meinen erstehelichen Kindern ein Vermächtnis in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile auszuzahlen.

3.

Sollten meine erstehelichen Töchter nach meinem Tode ihren Pflichtteil geltend machen, so sollen sie auch nach dem Tode meiner Frau nur den Pflichtteil erhalten.

K., den 10. Oktober 1969

(Unterschrift) "

Darunter hatte die Ehefrau eigenhändig gesetzt:

"Dieses Testament soll auch als mein Testament gelten.

K., den 10. Oktober 1969

(Unterschrift) ".

Nach dem Tode des Vaters verlangten die Töchter ihren Pflichtteil; ein darüber geführter Rechtsstreit endete durch Vergleich. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin Auskunft über den Nachlaß ihrer Stiefmutter und Ermittlung des Wertes von Grundstücken und Eigentumswohnungen sowie im Wege der Stufenklage Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung eines noch unbezifferten Geldbetrages in Höhe eines Viertels des Nachlaßwertes.

Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben, soweit die Klägerin Auskunft und Vorlage eines Wertgutachtens verlangt. Im übrigen hat es die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht führt aus: Durch Auslegung sei zu ermitteln, ob Nr. 3 des gemeinschaftlichen Testaments das von der Klägerin beanspruchte Vermächtnis anordne. Dabei sei darauf abzustellen, was beide Eheleute mit der Klausel bei der Errichtung des Testaments zum Ausdruck bringen wollten. Alle zur Aufdeckung des Erblasserwillens dienlichen Umstände seien heranzuziehen; der ermittelte Erblasserwille müsse im Testament selbst aber eine hinreichende Stütze finden. Das ist rechtlich unbedenklich.

Da die Klägerin und ihre Schwester kein Pflichtteilsrecht nach ihrer Stiefmutter haben, erwägt das Berufungsgericht im Rahmen seiner Auslegung weiter, ob die Töchter infolge der Pflichtteilsklausel vollständig vom Nachlaß ihrer Stiefmutter ausgeschlossen seien. Dagegen spreche jedoch der übrige Inhalt des Testaments, wonach die Töchter von der Stiefmutter zu deren alleinigen Schlußerben eingesetzt und für den Wiederverheiratungsfall mit Vermächtnissen bedacht worden seien. Der Zweck der Pflichtteilsklausel werde auch durch Einräumung eines entsprechenden Vermächtnisses erreicht. Der Gesamtinhalt des Testaments, insbesondere die Schlußerbeneinsetzung lasse den Schluß zu, daß die Töchter am Nachlaß ihrer Stiefmutter beteiligt werden sollten. Die Wiederverheiratungsklausel spreche nicht gegen die Auslegung der Pflichtteilsklausel als Vermächtnis.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Mit Recht geht die Revision im Anschluß an das von ihr eingeholte Rechtsgutachten davon aus, daß sich das Auslegungsproblem bei einer Pflichtteilsklausel für Stiefkinder - wie hier - in der Substanz anders stellt, als bei einer Pflichtteilsverweisung im Sinne von § 2304 BGB: Während es im Bereich des § 2304 BGB nur um die Frage geht, ob ein Pflichtteilsberechtigter am Erblasservermögen mit Hilfe eines Pflichtteilsanspruchs, eines Vermächtnisanspruchs oder sogar dinglich als Miterbe beteiligt ist, kommt es bei Stiefkindern in erster Linie darauf an, ob sie überhaupt etwas aus dem Nachlaß des betreffenden Stiefelternteiles erhalten sollen. Diesen Unterschied hat das Berufungsgericht zwar nicht betont, aber - entgegen der Auffassung der Revision - nicht übersehen. Es hat ihn vielmehr durchaus berücksichtigt und hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht ("im Unterschied zur Klägerin"). Es kann auch keine Rede davon sein, daß das Berufungsgericht hier verkannt hätte, daß die Töchter nach der Stiefmutter nicht pflichtteilsberechtigt waren. Nicht richtig ist es ferner, daß eine Auslegung der Pflichtteilsklausel im Sinne einer Zuwendung an die Töchter Umstände voraussetze, die ein solches Ergebnis "zwingend" geböten. Auch wenn die Umstände nicht "zwingend" sind und der Tatrichter sich daher nicht davon überzeugen kann, in welchem Sinn der Erblasser seine Erklärung gemeint hat, darf er die Auslegung damit nicht abbrechen. Vielmehr muß der Richter sich dann, wie auch sonst im Rahmen der Auslegung, notfalls damit begnügen, den Sinn aufzusuchen, der dem (mutmaßlichen) Erblasserwillen am ehesten entspricht (z.B. Senatsurteil vom 8.7.1981 - IVa ZR 188/80 - NJW 1981, 2745 = LM BGB § 2258 Nr. 2). Davon für Fälle der vorliegenden Art abzugehen und hier stattdessen darauf abzustellen, ob die Umstände ein bestimmtes Auslegungsergebnis zwingend gebieten, besteht kein Grund.

2.

Soweit das Berufungsgericht das Testament dahin versteht, daß die Töchter auch bei Eingreifen der Pflichtteilsklausel (überhaupt) etwas aus dem Nachlaß erhalten sollen, hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision keine verbindlichen Auslegungsgrundsätze verkannt oder die Denkgesetze verletzt. Auch die Unterscheidung zwischen "widerwilligen" und "wohlwollenden" Zuwendungen (vgl. Ferid NJW 1960, 121, 122 Fn. 11 und Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 2304 Rdn. 14) die bei der Auslegung im Einzelfall hilfreich sein kann, hat das Berufungsgericht nicht zum Nachteil der Beklagten unterlassen. Es nimmt vielmehr eine wohlwollende Zuwendung an und untermauert dies mit dem Inhalt eines früheren Testaments vom 12. Oktober 1966. Allerdings rügt die Revision, daß dabei der eigene Vortrag der Klägerin in der Klageschrift nicht berücksichtigt ist, wonach die Erblasserin sich nicht zu einer Zuwendung an ihre Stieftöchter veranlaßt gefühlt habe; persönliche, familiäre Bindungen zu den Töchtern hätten nicht bestanden. Indessen hat dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Frage, ob die Töchter nach der Pflichtteilsklausel überhaupt noch etwas erhalten sollten, von vornherein kein entscheidendes Gewicht. Denn die Erblasserin kann sich zu einer entsprechenden Zuwendung, falls sie in der Klausel enthalten sein sollte, zum Beispiel deshalb entschlossen haben, weil der Ehemann sie vorformulierte und wünschte.

3.

Wenn die Revision aus dem Zweck der Pflichtteilsklausel als "Strafklausel" ableitet, die Eheleute hätten den Töchtern für den Fall des Pflichtteilsverlangens beim zweiten Erbfall "so wenig wie möglich", nämlich nichts hinterlassen wollen, dann kann ihr das nicht zum Erfolg verhelfen. Das Berufungsgericht hat die Klausel tatrichterlich nicht in diesem strengen Sinne verstanden. Das lag nach Auffassung des Senats durchaus nahe und ist jedenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung der Revision spricht der Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments nicht dafür, daß die Töchter im Falle der Ziffer 3 nach dem Tode der Stiefmutter nichts erhalten sollten.

Nach Ansicht des Senats läßt der Wortlaut deutlich erkennen, daß der Vater, von dessen Hand die Klausel stammt, seinen Töchtern bei (unerwünschtem) Pflichtteilsverlangen nicht die Stellung von Schlußerben nach der Stiefmutter verschaffen wollte. Fast ebenso deutlich ist aber auch, daß die Töchter in diesem Fall nicht etwa nichts mehr, sondern "nur" den Pflichtteil und damit deutlich weniger als die in Ziffer 1 ausgesetzten 1/2-Erbteile, also doch "etwas" erhalten sollten. Diese Erklärung des Vaters hat sich die Stiefmutter uneingeschränkt zu eigen gemacht.

Umstände, die darauf hindeuten, daß die Stiefmutter die Klausel dahin verstanden hätte oder dahin hätte verstanden wissen wollen, daß die Töchter nach Pflichtteilsverlangen beim zweiten Erbfall (überhaupt) nichts (mehr) hätten erhalten sollen, liegen nicht vor. In diesem Zusammenhang kann, anders als die Revision meint, nicht zugrunde gelegt werden, daß die Eheleute der irrigen Auffassung gewesen wären, die Töchter hätten kraft Gesetzes Pflichtteilsrechte auch nach ihrer Stiefmutter. Ein derartiger Irrtum mag zwar für die Ermittlung dessen, was die Eheleute mit der Pflichtteilsklausel rechtlich bewirken wollten, von Bedeutung und daher als Umstand außerhalb des Testaments bei der Auslegung mit zu berücksichtigen sein. Das setzt aber voraus, daß die irrige Vorstellung als solche feststeht, was hier nicht der Fall ist. Die insoweit beweisbelasteten Beklagten können dazu auch keinen Beweis antreten. Zudem spricht die mehrfache Erwähnung der Erstehelichkeit der Töchter in dem gemeinschaftlichen Testament entgegen der Meinung der Revision durchaus dafür, daß die Eheleute sich des Fehlens von Pflichtteilsrechten der Töchter nach der Stiefmutter bewußt waren. Hinzu kommt folgendes: In Nr. 1 des Testaments werden zwar die Töchter zu Schlußerben sowohl nach dem Vater als auch nach der Stiefmutter berufen. In einem gewissen Gegensatz dazu trifft Nr. 3 aber nur Vorsorge für den Fall, daß die Töchter ihren Pflichtteil nach dem Vater und nicht auch nach der Stiefmutter geltend machen. Auch das weist in die Richtung, daß den Eheleuten klar war, daß die Töchter einen gesetzlichen Pflichtteil nur nach dem Vater zu beanspruchen haben würden.

Die Revision hält dem entgegen, bei Kenntnis vom Fehlen der Pflichtteilsrechte würden die Eheleute entweder formuliert haben, die Töchter sollten dann nichts erhalten, oder sie würden den Inhalt der Zuwendung positiv umschrieben haben. Das mag zutreffen, führt aber nur zu der weiteren Frage, ob die Erklärung, die Töchter sollten dann (nur) "den Pflichtteil" erhalten, nicht eine positive Umschreibung des Inhalts der Zuwendung enthält.

II.

Danach spitzt sich der Fall auf die Frage zu, was die Eheleute und insbesondere die Stiefmutter damit gemeint haben, daß die Töchter bei Eingreifen der Pflichtteilsklausel (nur) "den Pflichtteil" erhalten sollten.

1.

Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Eheleute hätten unter dem - den Töchtern zugewendeten - Pflichtteil ein (Geld-)Vermächtnis in Höhe des "rechtlich nicht gegebenen Pflichtteils (§§ 2303, 1924 BGB) " verstanden. Dabei sollten die Töchter wie Abkömmlinge der Stiefmutter behandelt werden. Das schließt es aus dem Gesamtinhalt des Testaments, insbesondere aus der Schlußerbeneinsetzung in Nr. 1. Der Berechnung dieses "Pflichtteils"-Vermächtnisses sei der gesamte Nachlaß der Stiefmutter zugrundezulegen und nicht nur der noch vorhandene Restnachlaß des Vaters; der bereits erlangte Pflichtteil nach dem Vater sei darauf auch nicht anzurechnen. Der Zweck der Pflichtteilsklausel, der auf einen möglichst ungeschmälerten Vermögensübergang auf den überlebenden Ehegatten und auf Einräumung einer möglichst freien Stellung für diesen gerichtet sei, werde auch durch ein entsprechendes Vermächtnis erreicht.

2.

Diese Begründung ist nicht rechtsfehlerfrei.

a)

Das Berufungsurteil berücksichtigt hier nicht, daß die Töchter im Rahmen der Wiederverheiratungsklausel gemäß Nr. 2 - anders als bei der Schlußerbeneinsetzung gemäß Nr. 1 - nicht wie eigene Kinder der Stiefmutter behandelt werden. Vielmehr wird an dieser Stelle deutlich zwischen den Vermögen beider Ehegatten unterschieden und den Töchtern lediglich ein Vermächtnis im Wert ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Vater gesichert. Weiteres aus dem Nachlaß der Stiefmutter hatten die Töchter daneben nicht mehr zu erwarten. Unter diesen Umständen liegt es nicht nahe, die Pflichtteilsklausel dahin zu verstehen, daß die Töchter sogar trotz einer den Testatoren unerwünschten Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Vater und der darin liegenden Mißachtung der Interessen der Stiefmutter nach deren Tod auch noch an deren eigenem, nicht vom Vater stammenden Vermögen teilhaben sollen.

b)

Das Berufungsgericht stützt sich darauf, der Zweck der Pflichtteilsklausel werde auch dann erreicht, wenn den Töchtern ein Vermächtnis in der angenommenen Höhe zugewendet werde. Das ist rechtsfehlerhaft. Der Zweck der Pflichtteilsklausel ist gerade nicht erreicht worden. Die Töchter haben sich durch sie nicht davon abhalten lassen, ihren Pflichtteil nach dem Vater einzufordern. Wenn das Berufungsgericht hier hätte zum Ausdruck bringen wollen, die Pflichtteilsklausel sei mit dem einen wie mit dem anderen Inhalt gleichermaßen wirkungsvoll (oder ohne Wirkung), dann hätte auch das einer näheren Begründung bedurft. Andererseits erscheint auch die Auffassung der Revision fragwürdig, aus dem Zweck der Strafklausel folge zwingend, daß der Wille der Erblasser dahin gehe, den Töchtern für den zweiten Erbfall "so wenig wie möglich" zukommen zu lassen.

c)

Das Berufungsgericht hatte sich bei der hier gegebenen Sachlage zu fragen, ob der Vater, von dessen Hand die Klausel stammt, diese so gemeint hatte, daß seine Ehefrau die Töchter auch dann aus ihrem eigenen Vermögen wie eigene Kinder bedenken sollte, wenn diese gegen die Strafklausel verstießen. Auch wenn dies zu bejahen gewesen wäre, hatte es weiter zu entscheiden, ob die Stiefmutter die Klausel ebenfalls in diesem Sinne verstanden und sie sich auch ihrerseits (mutmaßlich) als ihre eigene Willensentscheidung zu eigen gemacht hat.

Das Berufungsgericht hat diese Prüfung bisher nur in Ansätzen vorgenommen. Dabei hat es eine naheliegende Auslegungsmöglichkeit anscheinend nicht gesehen:

Da es einen gesetzlichen Pflichtteil der Töchter nach der Stiefmutter nicht gibt, kann die Klausel auch an den zuvor in demselben Satz des Testaments genannten Pflichtteil nach dem Vater anknüpfen und eben diesen, bei Eingreifen der Klausel ohnehin zu ermittelnden Pflichtteil nach dem Vater meinen, so daß die Töchter denselben Pflichtteil je zweimal zu erhalten hätten. Die Töchter stünden dann ähnlich, als wenn die Stiefmutter wieder geheiratet hätte. Andererseits wären die Interessen der Stiefmutter und ihrer Erben insofern gewahrt, als ihnen das eigene Vermögen der Stiefmutter und deren gesetzlicher Erbteil nach dem Vater im Grundsatz erhalten bliebe.

Das Berufungsgericht wird die Klausel zum Umfang der Zuwendung an die Töchter nunmehr erneut auszulegen und dabei auch die angeführte Auslegungsvariante zu erwägen haben.

III.

Sollte sich ergeben, daß die Klägerin als "Pflichtteils"-Vermächtnis nur denselben Betrag zu erhalten hat, der ihr nach dem Tode des Vaters zustand, dann kommen die der Klägerin zugebilligten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche in Bezug auf den Nachlaß der S t i e f m u t t e r nicht in Betracht. Sollte das Berufungsgericht dagegen wiederum zu dem Ergebnis gelangen, die Klägerin habe aus dem Nachlaß der Stiefmutter so viel zu bekommen, als seien sie und ihre Schwester Abkömmlinge der Stiefmutter, dann hat das Berufungsgericht auch Gelegenheit, erneut zu prüfen, ob den Töchtern Ansprüche mit dem Inhalt des § 2314 BGB mitvermacht sind. Das Reichsgericht hat das in RGZ 129, 239, 242 mit der Begründung angenommen, der Bedachte könne seinen Vermächtnisanspruch nur dann in zweckentsprechender Weise geltend machen, wenn er vom Bestand des Nachlasses zuverlässige Kenntnis erhalte. Diese Begründung ist jedoch heute nicht mehr tragfähig. Wie das Berufungsgericht zutreffend anführt, wäre die Klägerin, wenn sie ein Quotenvermächtnis nach ihrer Stiefmutter erlangt haben sollte, auf Ansprüche entsprechend § 2314 BGB nicht angewiesen, weil ihr nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung zum "allgemeinen" Auskunftsanspruch ein solcher bereits aus § 242 BGB zustünde (vgl. BGHZ 61, 180, 184; 108, 393); gegebenenfalls kann der Klägerin auch ein aus § 242 BGB abgeleiteter Wertermittlungsanspruch zuzubilligen sein (BGHZ 108, 393, 397). Allerdings würde hier die Klägerin die Kosten einer etwa notwendigen Wertermittlung nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, anders als im Rahmen des § 2314 BGB, nicht auf die Beklagte abwälzen können.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456525

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