Leitsatz (amtlich)

Im Rechtsstreit über die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes kann der Mann, der als außerehelicher Erzeuger in Betracht kommt, nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über die Nebenintervention dem beklagten Kinde zu dessen Unterstützung beitreten und gegen ein der Anfechtungsklage stattgebendes Urteil Rechtsmittel einlegen.

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Entscheidung vom 06.09.1978)

AG Beckum

 

Tenor

Auf die Revision des Nebenintervenienten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. September 1978 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger war mit der Mutter des Beklagten vom 28. Juni 1963 bis zu der am 20. Februar 1974 rechtskräftig gewordenen Ehescheidung verheiratet. Am 14. Januar 1971 wurde der Beklagte geboren. Während der Empfängniszeit hatte die Mutter des Beklagten sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Nebenintervenienten Geschlechtsverkehr.

Mit der am 3. Mai 1975 zugestellten Klage hat der Kläger die Ehelichkeit des Kindes angefochten.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist aufgrund der erhobenen Beweise, insbesondere der eingeholten Sachverständigengutachten, zu der Feststellung gelangt, daß der Beklagte nicht vom Kläger abstamme.

Gegen dieses Urteil hat zunächst der Beklagte Berufung eingelegt. Anschließend ist - noch während der Berufungsfrist - der Nebenintervenient dem Rechtsstreit auf seiten des Beklagten beigetreten und hat ebenfalls Berufung eingelegt. Er hat mit dem Rechtsmittel geltend gemacht, daß der Kläger die Anfechtungsfrist des § 1594 BGB nicht gewahrt habe.

Der Beklagte hat die von ihm eingelegte Berufung vor der mündlichen Verhandlung des zweiten Rechtszugs zurückgenommen.

Die Berufung des Nebenintervenienten ist vom Oberlandesgericht als unzulässig verworfen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Nebenintervenienten, der die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur Entscheidung in der Sache erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, im Verfahren über die Anfechtung der Ehelichkeit sei der Streithelfer des beklagten Kindes nicht berechtigt, unabhängig von dem Kinde Berufung einzulegen.

Es hat hierzu unter Bezugnahme auf seine in NJW 1979, 1256 veröffentlichte Entscheidung, die einen ähnlichen Fall betrifft, ausgeführt:

Die Nebenintervention könne im Anfechtungsprozeß nur solange zulässig sein, als auch das unterstützte Kind im Prozeß seine Ansprüche verfolge. Dies ergebe sich aus der rechtlichen Natur des Anfechtungsrechts. Zur Anfechtungsklage seien bei Lebzeiten des Ehemannes ausschließlich dieser und das Kind berechtigt. Nur von deren Willen solle es abhängen, ob das Kind innerhalb des rechtlich geschützten Familienbereichs verbleibe oder aus diesem Verbund ausscheide. Die Einflußnahme Dritter auf das eheliche Vater-Kind-Verhältnis solle grundsätzlich ausgeschaltet werden. Die Absicht des Gesetzgebers, die Ausübung des Anfechtungsrechts allein dem Ehemann und dem Kinde vorzubehalten, würde vereitelt, wenn man es dem als außerehelicher Erzeuger in Betracht kommenden Mann auf dem Wege über die Nebenintervention ermöglichen würde, ohne den Willen wenigstens eines der Beteiligten in dieses höchstpersönliche Verhältnis einzugreifen. Die Absicht des Gesetzgebers, die selbständige Einflußmöglichkeit eines Dritten auszuschließen, habe ihren Niederschlag in § 640 e ZPO gefunden, der im Wege einer Ausnahmeregelung lediglich den Beitritt des anderen Elternteils ohne den Willen der Anfechtungsberechtigten zulasse.

II.

Diese Entscheidung des Berufungsgerichts kann mit der Revision zur Nachprüfung gestellt werden.

Ein Rechtsmittel wäre allerdings dann nicht statthaft, wenn das Oberlandesgericht innerhalb des anhängigen Berufungsverfahrens lediglich über die Zulassung des Nebenintervenienten entschieden hätte. Die Entscheidung hätte in diesem Fall durch Zwischenurteil getroffen werden müsse, das nach §§ 71 Abs. 2, 567 Abs. 3 ZPO nicht anfechtbar gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht Jedoch keinen Zwischenstreit zwischen den Parteien und dem Nebenintervenienten über dessen Zulassung entschieden. Ein solcher Streit war nicht entstanden, da keine Partei die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt hatte (§ 71 Abs. 1 ZPO). Davon abgesehen hätte sich das Berufungsgericht auch in diesem Fall nicht auf ein Zwischenurteil beschränken können, weil die vom Nebenintervenienten eingelegte Berufung nach der Zurücknahme der Berufung des Beklagten die alleinige Verfahrensgrundlage des zweiten Rechtszugs war. Über das Rechtsmittel mußte daher eine Endentscheidung getroffen werden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 38. Aufl. § 67 Anm. 2 A), die mit dem dagegen statthaften Rechtsmittel anfechtbar ist. Da das Oberlandesgericht die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen hat, ist danach gemäß § 547 ZPO die Revision statthaft.

III.

In der Sache kann der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht beigetreten werden.

1.

Die ZPO sieht die Nebenintervention in den allgemeinen Vorschriften grundsätzlich in Rechtsstreitigkeiten Jeder Art vor (§ 66 Abs. 1 ZPO). Der Nebenintervenient kann dabei mit Wirkung für die von ihm unterstützte Partei auch selbst Rechtsmittel einlegen und seinen Beitritt mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbinden (§§ 66 Abs. 2, 70 ZPO). Er darf sich lediglich, sofern nicht ein Fall der streitgenössischen Nebenintervention gemäß § 69 ZPO vorliegt, mit seinen Erklärungen und Prozeßhandlungen nicht in Widerspruch zu der von ihm unterstützten Hauptpartei setzen (§ 67 ZPO). Im vorliegenden Fall kommt es nicht entscheidend darauf an, ob (im Hinblick auf die Wirkung des Urteils im Anfechtungsprozeß für und gegen alle nach § 640 h ZPO) eine streitgenössische Nebenintervention vorliegt, weil der Nebenintervenient die Berufung nicht in Widerspruch zur Hauptpartei eingelegt und durchgeführt hat. Aus dem Umstand, daß das beklagte Kind die von ihm eingelegte Berufung zurückgenommen hat, nachdem der Nebenintervenient seinerseits das Berufungsverfahren betrieben hat, folgt nicht, daß es mit der Berufung des Nebenintervenienten nicht einverstanden war (RGZ 97, 215, 216; 147, 125, 126 f.).

Voraussetzung der Nebenintervention ist nach § 66 ZPO ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten am Obsiegen der unterstützten Partei. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist jedoch nicht in Zweifel zu ziehen. Ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention nach § 71 ZPO ist - wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt - im Berufungsverfahren nicht gestellt worden.

2.

Diese für die Nebenintervention allgemein geltenden Grundsätze finden auch Anwendung, wenn im Prozeß über die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes der Mann, der als außerehelicher Erzeuger des Kindes in Betracht kommt, dem Kind zu dessen Unterstützung beitritt.

a)

Den prozessualen Sondervorschriften für das Verfahren in Kindschaftssachen läßt sich insoweit keine Einschränkung der allgemeinen Regeln über die Nebenintervention entnehmen. Die §§ 640 e, 641 b ZPO ergeben ausdrücklich, daß das Gesetz auch in Kindschaftssachen von der Möglichkeit einer Nebenintervention ausgeht. Den genannten Vorschriften kommt dabei nicht der Charakter einer Ausnahmeregelung in dem Sinne zu, daß nur in den dort genannten Fällen eine Nebenintervention zulässig wäre. Nach § 640 e ZPO sind in Kindschaftssachen der andere Elternteil und das Kind, soweit sie nicht ohnehin als Partei am Verfahren beteiligt sind, unter Mitteilung der Klage zum Termin zu laden; nach Satz 3 der Vorschrift können sie der einen oder anderen Partei zur Unterstützung beitreten. Der Hauptzweck dieser Regelung liegt darin, sicherzustellen, daß in allen Kindschaftssachen beide Elternteile und das Kind unabhängig von ihrer Beteiligung als Partei Kenntnis von dem Verfahren und Gelegenheit zur Beteiligung erhalten. In aller Regel werden beide Elternteile und das Kind von dem für und gegen alle wirkenden Urteil unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen werden, so daß ihnen nach dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unabhängig von ihrer Parteistellung Gelegenheit zur Beteiligung am Verfahren gegeben werden muß (vgl. BVerfGE 21, 132, 137 ff.). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber unabhängig von der unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit die berührten Belange dieses Personenkreises jedenfalls für so schutzwürdig erachtet, daß er den Elternteilen und dem Kind ohne weitere Prüfung den Beitritt als Nebenintervenienten ermöglichen wollte (vgl. die Begründung zum Entwurf der Vorschrift, BT-Drucks. V/3719 S. 35). Darin erschöpft sich der Sinngehalt der Vorschrift. Eine Einschränkung der nach den allgemeinen Vorschriften gegebenen Möglichkeiten der Nebenintervention ergibt sich daraus nicht.

Auch aus § 641 b ZPO kann eine solche Einschränkung nicht entnommen werden. Die Vorschrift verdeutlicht nur die bereits nach den allgemeinen Vorschriften gegebene Rechtslage (Baumbach/Lauterbach/Albers, a.a.O. § 641 b ZPO Anm. 2). Für den Ehelichkeitsanfechtungsprozeß könnte daraus im übrigen schon deshalb keine Einschränkung der Nebeninterventionsmöglichkeiten entnommen werden, weil es sich um eine Sondervorschrift für das Verfahren über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der nichtehelichen Vaterschaft handelt (§ 641 ZPO).

b)

Auch aus der höchstpersönlichen Natur des Rechts auf Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes ergibt sich keine Einschränkung der nach den allgemeinen Vorschriften gegebenen Möglichkeit, dem beklagten Kinde als Nebenintervenient beizutreten.

Es trifft zu, daß das Gesetz den Status eines Kindes, das während der Ehe (oder innerhalb von dreihunderzwei Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe) geboren ist, der Einflußnahme dritter Personen, darunter auch des außerehelichen Erzeugers, entzieht. Die Nichtehelichkeit des Kindes kann nach § 1593 BGB nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist. Das Anfechtungsrecht ist dem Ehemann der Mutter (bzw. nach seinem Tod den Eltern des Mannes) und dem Kinde vorbehalten (§§ 1594 ff. BGB). Der außereheliche Erzeuger des Kindes kann daher nach materiellem Recht seine Vaterschaft nicht geltend machen, wenn nicht ein nach dem Gesetz Anfechtungsberechtigter von seinem Recht Gebrauch gemacht und die Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes erwirkt hat.

Darum geht es jedoch bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht. Der Nebenintervenient will nicht seine Vaterschaft geltend machen, sondern im Gegenteil die Aufrechterhaltung des ehelichen Status des Kindes erwirken. Hiergegen ergeben sich aus der Ausgestaltung der Vorschriften über die Ehelichkeit des Kindes und insbesondere des Anfechtungsrechts keine Bedenken. Das Gesetz begünstigt den Status der Ehelichkeit. Im materiellen Recht kommt dies in der Regelung der Voraussetzungen der Nichtehelichkeit nach § 1591 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 BGB sowie in der Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit der Berechtigten gemäß § 1594 ff. BGB (insbesondere auch in der Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit des Kindes nach § 1596 BGB) zum Ausdruck. Ergänzt wird diese materiell-rechtliche Regelung durch die prozessuale Vorschrift des § 640 d ZPO, wonach im Anfechtungsprozeß Tatsachen, die geeignet sind, der Anfechtung entgegenzuwirken, von Amts wegen zu berücksichtigen sind, und zwar auch gegen den Widerspruch des Anfechtenden. Tatsachen, die die Anfechtung begünstigen, können andererseits gegen den Widerspruch des Anfechtenden nicht berücksichtigt werden, selbst wenn sie von dem beklagten Kinde vorgebracht worden sind (BGH FamRZ 1979, 1007, 1009). Daraus folgt, daß es nicht zur Disposition des beklagten Kindes steht, im Anfechtungsprozeß seinen Status als eheliches Kind beseitigen zu lassen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Die Frage, ob die Ausgestaltung des Anfechtungsrechts einen Dritten hindern würde, im Anfechtungsprozeß als Vaterschaftsprätendent dem Kläger beizutreten und gegen die Abweisung der Klage unabhängig von der Hauptpartei ein Rechtsmittel einzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung. Aus der gesetzlichen Regelung der Ehelichkeitsanfechtung und des Anfechtungsverfahrens können Jedenfalls keine Bedenken dagegen abgeleitet werden, daß der als außerehelicher Erzeuger in Betracht kommende Mann dem beklagten Kind zu dessen Unterstützung nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über die Nebenintervention beitritt und die ihm insoweit zustehenden prozessualen Befugnisse ausübt. Dies entspricht auch der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Auffassung (OLG Oldenburg NJW 1975, 883; OLG Celle, FamRZ 1976, 158; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O. § 66 ZPO Anm. 2 E; MünchKomm/Mutschler, BGB § 1599 Rdn. 16; Roth-Stielow, Der Abstammungsprozeß 2. Aufl. Rdn. 71 ff.; Thomas/Putzo, ZPO 10. Aufl. Anm. zu § 640 h; Zöller/Vollkommer, ZPO 12. Aufl. § 66 Anm. II 2 c; noch weitergehend: Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 20. Aufl. § 640 e Rdn. 7 und § 640 h Rdn. 12 sowie Zöller/Karch, a.a.O. § 640 e ZPO Anm. I, die unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs sogar eine Pflicht zur Beiladung des (dem Gericht bekannt gewordenen) Dritten annehmen, der als Erzeuger des Kindes in Betracht kommt).

Das Berufungsurteil kann nach alledem nicht bestehen bleiben. Über die Berufung ist vielmehr sachlich zu entscheiden. Zu diesem Zweck muß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018785

BGHZ 76, 299 - 305

BGHZ, 299

NJW 1980, 1693

NJW 1980, 1693-1694 (Volltext mit amtl. LS)

JZ 1980, 448

JZ 1980, 448-449 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1980, 566 (Volltext mit amtl. LS)

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