Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß des Kündigungsrechts des Mieters bei ungeklärter Brandursache in seinem Obhuts- und Verantwortungsbereich: Beweislastverteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kündigung des Mieters gemäß § 542 BGB ist ausgeschlossen, wenn er die Störung des vertragsmäßigen Gebrauchs, hier infolge eines Brandes, selbst zu vertreten hat. Wenn der Brand beim Mietgebrauch entstanden ist und Ursachen, die in den Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, ausgeräumt sind, trägt der Mieter die Beweislast dafür, daß er den Schadenseintritt nicht zu vertreten hat (Fortführung von BGHZ 66, 349 und des Senatsurteils BGHZ 126, 124).

 

Normenkette

BGB § 542

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Januar 1996 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Beklagte mietete am 9. Juli 1992 von den Eheleuten G. Geschäftsräume zur Benutzung als Weinlaboratorium und als Lagerfläche für weinbauspezifische Produkte für die Zeit vom 15. August 1992 bis 15. August 2002.

Im Jahre 1993 ließ der Beklagte die Räume umbauen und Einrichtungen zur Herstellung wäßriger Klebstoffdispersionen und zur Lohnveredelung von Feststoffen schaffen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob er die Vermieter hiervon ausreichend unterrichtete und deren Zustimmung erhielt. Am 13. Juni 1994 beschädigte ein Brand das Gebäude und zerstörte insbesondere den Dachstuhl und die Zwischendecke. Der Brand ging von einem „Nutschenfilter” aus, der vom Beklagten im Zusammenhang mit der Betriebsumstellung in das Mietobjekt eingebracht worden war.

Der Beklagte, der mit Schreiben vom 19. August 1994 zur Instandsetzung des Mietobjekts bis zum 30. September 1994 aufgefordert hatte, kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 1. Oktober 1994 zum 31. März 1995 außerordentlich, weil die Mietsache nicht innerhalb der gesetzten Frist in einen vertragsmäßigen Zustand gesetzt worden sei.

Der Kläger, der aufgrund notariellen Vertrages vom 14. Oktober 1994 das Mietobjekt erworben hat, erhob Klage auf Feststellung, daß das Mietverhältnis durch die Kündigung nicht wirksam beendet worden sei und über den 31. März 1995 hinaus fortbestehe.

Das Landgericht wies die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung und gegen deren Zurückweisung Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien in erster Instanz hätten die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung des Beklagten gemäß § 542 Abs. 1 BGB vorgelegen. Die Berufung könne dem Beklagten diese Kündigungsmöglichkeit nicht dadurch nehmen, daß sie die Brandursache als streitig hinstelle, ohne konkrete Anhaltspunkte einen dringenden Verdacht der Brandstiftung und des Einsatzes von Brandbeschleunigern äußere und so dem Beklagten die unerfüllbare Darlegungs- und Beweislast zuschiebe, daß ihn an der – unklärbaren – Brandentstehung kein Verschulden treffe. Es bleibe nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis dabei, daß der Brand durch Beschädigung einer Hydraulikölleitung und Entzündung ausgetretenen Hydrauliköls entstanden sei und Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten der Vermieter- oder Mieterseite fehlten. Zwar stelle § 542 BGB auf den vertragsmäßigen Mietgebrauch ab. Der Brand habe das Gebäude aber so beschädigt, daß die vertraglich vereinbarte Nutzung als Weinlaboratorium und Lagerplatz für weinbauspezifische Produkte ebenso beeinträchtigt wäre wie der streitige Mietgebrauch zur Herstellung von Klebstoffdispersionen und zur Veredelung von Feststoffen. Es brauche deshalb nicht geklärt zu werden, ob der Beklagte die Vermieter ausreichend über die Änderung der Nutzung unterrichtet und deren Zustimmung erhalten habe.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Die Kündigung des Mieters gemäß § 542 BGB ist ausgeschlossen, wenn er die Störung des vertragsmäßigen Gebrauchs, hier infolge der Brandbeschädigungen, selbst zu vertreten hat; in diesen Fällen trifft den Vermieter auch keine Wiederherstellungspflicht, so daß es auf diesbezügliche Fristsetzungen des Mieters nicht ankommt (vgl. BGHZ 116, 334, 338; ebenso etwa Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. 1995 § 542 Rn. 54). Wenn ein Schaden beim Mietgebrauch entstanden ist und Ursachen, die in den Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, ausgeräumt sind, trägt nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGHZ 66, 349, 351 f.; 116, 278, 289; Senatsurteil BGHZ 126, 124, 128 ff.; BGHZ 131, 95, 103 f.) der Mieter im Rahmen des § 548 BGB die Beweislast dafür, daß er den Schadenseintritt nicht zu vertreten hat. Nicht anders ist die Beweislast verteilt, wenn der Mieter gemäß § 542 BGB kündigt, aber streitig ist, ob er selbst die Störung des vertragsmäßigen Gebrauchs zu vertreten hat (vgl. Baumgärtel Handbuch der Beweislast 2. Aufl. § 542 Rdn. l; Staudinger/Emmerich a.a.O. Rdn. 56; MünchKomm/Voelskow 3. Aufl. § 542 Rdn. 14; Palandt/Putzo BGB 56. Aufl. § 542 Rn. 13; vgl. auch BGHZ 66 a.a.O. S. 353). Abweichendes ist hier im schriftlichen Mietvertrag vom 9. Juli 1992 nicht vereinbart. Vielmehr heißt es in § 13 der dargelegten Rechtslage entsprechend, der Mieter habe zu beweisen, daß Schäden in seinem ausschließlichen Gefahrenbereich nicht auf seinem Verschulden oder der Personen, für die er einzustehen habe, beruhten. Dem Mieter wird damit nichts Unerfüllbares angesonnen, wie das Oberlandesgericht meint. Der ihm obliegende Entlastungsbeweis ist etwa schon dann gelungen, wenn er die Umstände widerlegt, die für ein Verschulden auf seiner Seite sprechen können.

b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Brand beim Mietgebrauch entstanden ist, und zwar beim Gebrauch von Einrichtungen, die der Beklagte unstreitig anläßlich der Umstellung des Betriebes auf Klebstoffherstellung im Jahre 1993 in die Mieträume eingebracht hat. Eine elektrische Zuleitung, Bestandteil dieser Einrichtungen, hat unbemerkt einen Hydraulikölschlauch beschädigt. Als bei Betriebsbeginn am 13. Juni 1994 die Stromversorgung eingeschaltet wurde, erhitzte sich das aus dem undichten Schlauch herausgedrungene Öl und entzündete sich zu einer Stichflamme, ausgehend von einem sogenannten Nutschenfilter. Die Gefahrenquelle lag damit nicht im Obhuts- und Verantwortungsbereich der Vermieter, anders als in dem vom Senat in BGHZ 126 a.a.O. entschiedenen Fall. Das hat zur Folge, daß dem Beklagten der Entlastungsbeweis obliegt. In diesem Zusammenhang ist der Streit der Parteien ohne Bedeutung, ob der Beklagte mit der Betriebsumstellung im Jahre 1993 unberechtigt die Nutzung der Mietsache verändert hat. Die dargelegten Grundsätze über die Beweislastverteilung müssen erst recht dann gelten, wenn der Schaden bei einem vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache entstanden ist, ohne daß sich dadurch an der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche für den im vorliegenden Fall entstandenen Brand Entscheidendes ändert.

c) Der Kläger hat insbesondere vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß die elektrische Zuleitung, die die Undichtigkeit des Hydraulikölschlauchs verursacht habe, nicht ordnungsgemäß verlegt gewesen sei, weil sie sich zu nahe an dem Hydraulikölschlauch befunden habe. Zur Entkräftung hat der Beklagte Beweis dafür angeboten, daß diese Zuleitung ordnungsgemäß installiert gewesen sei. Beide Parteien haben zum Brandgeschehen im übrigen den Zeugen P. benannt, der seinerzeit die Stromversorgung eingeschaltet hat. Weiter war zur streitigen Frage der Einhaltung feuerpolizeilicher Vorschriften von beiden Seiten gegenläufiger Beweis angetreten worden. Daß das Oberlandesgericht die Brandentstehung als unklärbar angesehen hat, ohne die angebotenen Beweise zu erheben, und zudem ohne Einsicht in die diesbezüglichen Akten davon ausgegangen ist, daß das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ein schuldhaftes Verhalten der Mieterseite nicht ergeben habe – der Kläger hatte behauptet, das Ermittlungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen – rügt die Revision zu Recht als Verstoß gegen § 286 ZPO. Die vom Oberlandesgericht vermißten konkreten Anhaltspunkte für ein Verschulden des Beklagten waren dem Vortrag des Klägers jedenfalls in der Berufungsinstanz zu entnehmen, ohne daß dieser Vortrag aus verfahrensrechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben konnte.

3. Nach allem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit muß zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 542471

DB 1998, 2265

NJW 1998, 594

JurBüro 1998, 276

NZM 1998, 117

Nachschlagewerk BGH

WM 1998, 615

ZAP 1998, 206

ZMR 1998, 211

MDR 1998, 207

NJ 1998, 319

WuM 1998, 96

IPuR 1998, 58

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