Leitsatz (amtlich)

›1. Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG sind ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung auch die Rechtsanwaltskammern.

2. Aufnahmebedingungen eines Mietervereins, die mit dem Erwerb der Mitgliedschaft den Erwerb von Wohnungsrechtsschutz nach § 29 ARB im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages automatisch verknüpfen, beeinträchtigen das Recht des einzelnen auf freie Anwaltswahl (§ 3 Abs. 3 BRAO) in unzumutbarer Weise (§ 242 BGB) und sind mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren, soweit sie dem Verein das Recht vorbehalten, den dem Rechtsschutzversicherer im Versicherungsfall zu benennenden Rechtsanwalt selber auszuwählen, ohne dabei an die Benennung eines Anwalts durch das Mitglied gebunden zu sein.‹

 

Tatbestand

Der Beklagte ist ein Mieterverein, dem ca. 1.300 Mieter als Mitglieder angehören. Zwischen ihm und einem Rechtsschutzversicherer besteht seit dem 1. September 1983 ein Gruppenversicherungsvertrag, durch den die Mitglieder des Beklagten in ihrer Eigenschaft als Mieter gegen eine vom Beklagten zu entrichtende Prämie Wohnungsrechtsschutz nach § 29 ARB erhalten, beschränkt auf die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Mietverhältnissen. In dem Vertrag ist bestimmt, daß das Recht, den Anwalt auszuwählen, allein dem Verein zusteht, ferner, daß Versicherungsschutz nicht gewährt wird, soweit der Verein die gerichtliche Interessenwahrnehmung nicht für notwendig hält.

In den Aufnahmeformularen, die der Beklagte bei der Neuaufnahme von Mitgliedern verwendet und mit denen er über seine Aufgaben informiert, weist er darauf hin, daß Versicherungsschutz für gerichtliche Auseinandersetzungen in Mietsachen zu den auf der Rückseite der Aufnahmeformulare abgedruckten Bedingungen gewährt werde. Diese Bedingungen unterrichten formularmäßig über wesentliche Teile des Versicherungsvertrages, u.a. auch darüber, daß, wie es im Gruppenversicherungsvertrag vereinbart ist, das Recht der Anwaltswahl allein dem Beklagten zusteht.

An diese Bestimmung seiner Aufnahmebedingungen hält sich der Beklagte auch in der Praxis. Bei Eintritt eines Versicherungsfalls benennt er dem Rechtsschutzversicherer den Anwalt seiner Wahl, ohne sich dabei an die Benennung eines Anwalts durch das betroffene Mitglied gebunden zu fühlen. Demgemäß hat er - wie aus dem nachfolgend wiedergegebenen Urteilsausspruch des Berufungsgerichts zu Ziff. 3 im einzelnen ersichtlich ist - dem von einem Mitglied zu dessen Vertretung vor Gericht beauftragten Rechtsanwalt mitgeteilt, daß das Recht zur Auswahl des Anwalts ausschließlich dem Verein zustehe und daß Mitglieder, die selber einen Anwalt beauftragten, die dadurch entstehenden Kosten selber tragen müßten.

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskammer, hat mit der vorliegend erhobenen Unterlassungs- und Beseitigungsklage die Verwendung der Aufnahmebedingungen, soweit diese dem Beklagten das Recht der Anwaltswahl vorbehalten, und die auf diesen Vorbehalt gestützte Verhaltensweise des Beklagten gegenüber Vereinsmitgliedern, die selber einen Anwalt wählen, als Verstoß u.a. gegen das Recht auf freie Anwaltswahl aus § 3 Abs. 3 BRAO und als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG beanstandet. Sie hat geltend gemacht, das Recht des einzelnen, den Anwalt seines Vertrauens zu wählen, gehöre zum Kernbereich einer geordneten Rechtspflege und sei unabdingbar und unbeschränkbar. Außerdem sei der beanstandete Vorbehalt in den Aufnahmebedingungen auch deshalb unzulässig, weil erst durch ihn dem Beklagten die Möglichkeit eröffnet werde, nur bestimmte Rechtsanwälte heranzuziehen, von denen er aus Kostengründen, um die von ihm zu zahlende Versicherungsprämie möglichst niedrig zu halten, eine zurückhaltende Prüfung der Erfolgsaussichten erwarte und auch erwarten dürfe, weil er den von ihm ausgesuchten Rechtsanwälten Kompensation durch Prozeßmandate in Aussicht stelle.

Das Landgericht hat die Klage - soweit das in der Revisionsinstanz noch von Interesse ist - abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht, entsprechend dem in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Antrag der Klägerin, den Beklagten verurteilt,

1. es zu unterlassen, gegenüber der A Rechtsschutzversicherung im Falle des in der Person eines ordentlichen Mitglieds des Vereins vorliegenden Versicherungsfalles gemäß § 29 ARB und Mietrechtsschutzvertrag des Beklagten mit der A Rechtsschutzversicherung vom 29.7./30.8.1983 Versicherungsschein Nr. RS 60/803/0600200 einen Anwalt seiner Wahl für die Vertretung des ordentlichen Mitglieds vor Gericht zu benennen und/oder zu beauftragen, ohne daß vor Benennung eines Anwaltes durch den Beklagten das jeweilige Mitglied Gelegenheit erhält, einen Anwalt seiner eigenen Wahl gegenüber der Rechtsschutzversicherung zu benennen,

2. die Verwendung nachfolgender Klausel in seinen formularmäßig verwendeten Aufnahmeanträgen nebst Allgemeinen Mitgliedsbedingungen zu unterlassen:

Das Recht der freien Anwaltswahl am Gerichtsort steht ausschließlich dem Verein zu,

3. es zu unterlassen, gegenüber ordentlichen Mitgliedern im Falle des Vorliegens eines Versicherungsfalles gemäß § 29 ARB in Verbindung mit dem Mietrechtsschutzvertrag des Beklagten mit der A Rechtsschutzversicherung vom 29.7./30.8.1983 Versicherungsschein Nr. RS 60/803/0600200 und für den Fall, daß das jeweilige Mitglied schon einen Anwalt seiner Wahl für die gerichtliche Vertretung beauftragt hat, folgendes zu erklären:

Wir dürfen Sie davon in Kenntnis setzen, daß nicht das einzelne Mitglied rechtsschutzversichert ist, sondern ausschließlich der Verein. Entsprechend steht auch das Recht zur Auswahl des Anwalts ausschließlich dem Verein zu. Sofern Mitglieder ohne Rücksprache mit dem Verein einen anderen Anwalt zur gerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen, haben Sie die Kosten dieser Inanspruchnahme selbst zu tragen.

Unsere Angaben beruhen sowohl auf unseren vertraglichen Absprachen mit dem Rechtsschutzversicherer als auch auf den Allgemeinen Mitgliedsbedingungen. Diese Verfahrensweise hat gute Gründe. Das Recht der freien Anwaltswahl hat sich der Verein ausbedungen, damit er mit einer beschränkten Anzahl von Anwälten eigene Bedingungen über die Art der Zusammenarbeit aushandeln kann.

Wir werden die Voraussetzungen an der Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung prüfen lassen und ihrem Mandanten einen Anwalt des Vereins empfehlen.

4. innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Urteils seinen ordentlichen Mitgliedern in einem vereinsinternen Rundschreiben mitzuteilen, daß entgegen den bisherigen Allgemeinen Mitgliedsbedingungen im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung aus Mietrechtsverhältnissen das Recht der freien Anwaltswahl ab sofort nicht mehr dem Verein, sondern dem einzelnen Mitglied zusteht. Gegen dieses Urteil (OLG Karlsruhe GRUR 1988, 703) richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten, der sein zweitinstanzliches Begehren auf Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat im wesentlichen keinen Erfolg. Sie ist - mit der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Maßgabe - als unbegründet zurückzuweisen.

I. Die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG hat das Berufungsgericht zu Recht nicht in Zweifel gezogen. Die Revision wendet insoweit ein, die Klägerin habe weder die gesetzliche noch die satzungsgemäße Aufgabe, die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern. Ohne eine solche Aufgabenstellung könne sie nicht als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG angesehen werden. Nach den einschlägigen Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung sei es Sache der Klägerin, die berufliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu beaufsichtigen, nicht aber, deren berufliche Interessen zu wahren und zu fördern. Auch satzungsgemäße Aufgaben habe sie in dieser Richtung nicht wahrzunehmen, da sie sich keine Satzung gegeben habe. Diesen Ausführungen der Revision kann nicht zugestimmt werden.

Schon zur Zeit der Geltung des § 13 Abs. 1 UWG a.F. hat der Bundesgerichtshof die Kammern freier Berufe, auch die Rechtsanwaltskammern, ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung als prozeßführungsbefugt im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift angesehen (BGH, Urt. v. 13.12.1955 - I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 - Ratgeber; BGHZ 79, 390, 392 - Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft). Das trifft, anders als die Revision meint, auch für das vorbezeichnete Urteil "Ratgeber" zu, mit dem der Senat über die Begründetheit der in jener Sache geltend gemachten Klageansprüche entschieden hatte, wofür die Prozeßführungsbefugnis der dort klagenden Rechtsanwaltskammer Voraussetzung war.

An dieser Rechtslage hat sich durch die UWG-Novelle 1986 nichts geändert. Für Steuerberaterkammern hat der Senat das mehrfach entschieden (Urt. v. 12.2.1987 - I ZR 54/85, GRUR 1987, 444, 445 = WRP 1987, 463, 464 - Laufende Buchführung; Urt. v. 9.7.1987 - I ZR 161/85, GRUR 1987, 834 - Data-Tax-Control). Für Rechtsanwaltskammern gilt insoweit nichts anderes. Entgegen der Ansicht der Revision sind auch sie Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, weil auch sie - ebenso wie die Steuerberaterkammern (BGHZ aaO. - Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft) - die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern haben. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BRAO hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Jedoch erschöpfen sich darin die von ihm wahrzunehmenden Kammeraufgaben nicht. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BRAO hat der Vorstand - über die ihm nach Satz 1 dieser Vorschrift obliegenden Aufgaben hinaus - auch allgemein die Belange der Kammer zu wahren und zu fördern. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, reichen Funktionsbereich und Aufgabenkreis der Rechtsanwaltskammer über die ihr durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben hinaus und umfassen auch diejenigen Belange der Anwaltschaft, die den Berufsstand als Ganzen berühren (BGH, Urt. v. 26.6.1979 - KZR 25/78, GRUR 1979, 788, 789 = WRP 1979, 782, 783 - Anwaltsverein; Beschl. v. 13.5.1985 - AnwZ (B) 49/84, NJW 1986, 992, 994, s. auch Kalsbach, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 73 Rdn. 1; Isele, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 73 III c 2; Jessnitzer, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 73 Rdn. 1; Feuerich in Anmerkung zum Berufungsurteil aaO., GRUR 1989, 282). Zu diesen Aufgaben gehört auch die Abwehr von Gesetzesverletzungen und Wettbewerbsverstößen, wie sie von der Klägerin vorliegend verfolgt werden. Diese hat geltend gemacht, daß der Beklagte das Recht seiner gerichtlichen Rechtsschutz suchenden Vereinsmitglieder auf die Wahl eines Anwalts ihres Vertrauens dadurch verletze, daß er sich in seinen Aufnahmebedingungen das Recht vorbehalte, allein den Anwalt auszuwählen, und daß er danach auch in der Praxis verfahre. Es kann nicht verneint werden, daß der Streit der Parteien um die Berechtigung des Beklagten dazu Fragen aufwirft, die die von der Klägerin zu vertretenden Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder berühren.

Folgt danach bereits aus dem gesetzlichen Aufgabenkreis der Rechtsanwaltskammern, daß die Klägerin - ungeachtet - ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung - ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist, spielt es für die Frage ihrer Prozeßführungsbefugnis nach dieser Bestimmung keine Rolle, daß sie sich, wie die Revision geltend macht, eine Satzung nicht gegeben hat.

II. 1. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet, weil der Beklagte, der durch die Beauftragung bestimmter einzelner aus dem Kreis der Rechtsanwälte in deren Wettbewerb mit Wettbewerbsförderungsabsicht eingreife, gegen den Grundsatz der freien Anwaltswahl (§ 3 Abs. 3 BRAO) und gegen § 1 UWG verstoße, wenn er sich, wie es vorliegend der Fall sei, in seinen Aufnahmebedingungen das Recht der Anwaltsauswahl vorbehalte und davon auch Gebrauch mache. Auf das Recht auf freie Anwaltswahl, das wesentliche Voraussetzung einer geordneten Rechtspflege sei, könne der einzelne nicht im voraus verzichten, auch nicht durch vertragliche Übereinkunft. In vorliegender Sache zu berücksichtigende gesetzliche Vorschriften, die dieses Recht einschränkten, gebe es nicht. Aus der Regelung des § 76 Abs. 1 VVG lasse sich nichts für den Standpunkt der Beklagten herleiten. Diese Bestimmung betreffe die Verfügungsrechte des Versicherungsnehmers, hier des Beklagten, gegenüber dem Versicherer. Sie habe aber keine Bedeutung für die im Streitfall zu beurteilende Frage, ob im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und den Vereinsmitgliedern diesen das Recht auf unbeschränkte Wahl eines Anwalts genommen werden könne. Insoweit folge auch aus den §§ 11 und 16 ARB nichts anderes.

Darüber hinaus wurde der beanstandete Vorbehalt, selbst wenn das Recht auf freie Anwaltswahl vertraglicher Vereinbarung zugänglich wäre, keine Geltung beanspruchen können, weil er einer richterlichen Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG mit Blick auf die Bedeutung, die das auf dem Spiele stehende Recht für den einzelnen habe, nicht standhalte. Dieser Kontrolle seien die Aufnahmebedingungen des Beklagten nicht entzogen. Die Gewährung von Versicherungsschutz durch den Beklagten entspreche einem Leistungsaustauschverhältnis, das der - grundsätzlich auch für vereinsrechtliche Regelungen geltenden - Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG nicht unterfalle. Abgesehen davon wurde eine nach den §§ 242, 315 BGB mögliche und gebotene Überprüfung ebenfalls zu dem Ergebnis führen, daß dem beanstandeten Vorbehalt die Geltung zu versagen sei.

Das danach gesetzwidrige Vorgehen des Beklagten stehe mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) nicht in Einklang, weil es zu einer Konzentration von Mandanten bei bestimmten einzelnen Rechtsanwälten unter Bedingungen führe, die nicht gebilligt werden könnten. Der Beklagte habe vorgetragen, daß ihm an einer hohen Erfolgsquote in den gerichtlichen Verfahren gelegen sein müsse, weil er das Kostenrisiko zu tragen habe, das die Höhe der von ihm zu zahlenden Prämie beeinflusse. Im Interesse einer kostensparenden Risikokontrolle sei er deshalb auf die Auswahl erfahrener und spezialisierter Rechtsanwälte angewiesen, und selbstverständlich seien die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung in jedem Falle zurückhaltend zu prüfen, weil er es sich nicht leisten könne, daß die Mitglieder im Hinblick auf die bestehende Rechtsschutzversicherung Prozesse führten, deren Ausgang sich nicht absehen lasse. Aus diesem Vorbringen des Beklagten folge, daß die von ihm herangezogenen Rechtsanwälte, die mit den vorerörterten Erwägungen des Beklagten konfrontiert wurden, in einen ihre Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit beeinträchtigenden Widerstreit gerieten. Denn während das einzelne Vereinsmitglied ein berechtigtes Interesse an einer an der Sache orientierten Wahrnehmung seiner Interessen habe, stehe für den Beklagten das Kostenrisiko im Vordergrund. Werde der Anwalt vom Beklagten ausgewählt, werde er daher möglicherweise dessen Interessen den Vorrang vor denen des Mitglieds einräumen.

Auch diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen stand.

2. Ohne Rechtsverstoß ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte bei dem Verhalten, wie es die Klägerin mit den Klageanträgen zu 1.-3. beanstandet, in objektiver und subjektiver Hinsicht zu Zwecken des Wettbewerbs handele, und zwar in letzterer Hinsicht in Wettbewerbsforderungsabsicht u.a. zugunsten der Rechtsanwälte, die er als Prozeßvertreter für seine Mitglieder aussuche. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, daß es, wie der eigene Vortrag des Beklagten ergebe, seine Absicht sei, mit einer beschränkten Anzahl von Rechtsanwälten, die seinen Wunsch nach einer kostengerechten Risikokontrolle beherzigten, eigene Bedingungen über die Art der Zusammenarbeit auszuhandeln. Daraus folge, daß der Beklagte die wettbewerbliche Situation gerade dieser von ihm gegenüber anderen bevorzugten Rechtsanwälte willentlich fördere, auch wenn dies nicht sein alleiniger oder wesentlicher Beweggrund bei seinem Vorgehen sein möge. Diese Ausführungen und Erwägungen des Berufungsgerichts und seine daran geknüpfte Schlußfolgerung, daß der Beklagte bei der Beauftragung der von ihm ausgesuchten Rechtsanwälte in Wettbewerbsförderungsabsicht handele, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3. Beizutreten ist dem Berufungsgericht des weiteren auch darin, daß die Aufnahmebedingungen des Beklagten, soweit sie diesem das Recht zur Bestimmung des Rechtsanwalts vorbehalten, mit dem Grundsatz der freien Anwaltswahl, wie er in § 3 Abs. 3 BRAO seinen Ausdruck findet, nicht zu vereinbaren sind. Nach dieser Bestimmung hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, hier nach § 79 ZPO, jedermann das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gericht vertreten zu lassen (Kalsbach, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 3 Rdn. 7, 9; Isele, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 3 IV D 1, 2; Feuerich, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 3 Rdn. 41; Jessnitzer, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 3 Rdn. 20). In diesem Recht werden die Mitglieder des Beklagten durch die in den Aufnahmebedingungen enthaltene Bestimmung, daß allein dem Beklagten das Recht der Anwaltswahl zustehe, in unzumutbarer Weise unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beschränkt.

Dabei bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, das Recht des einzelnen auf Wahl seines Anwalts durch vertragliche Vereinbarung im voraus überhaupt nicht ausgeschlossen werden kann oder ob und inwieweit - etwa bei Individualvereinbarungen oder besonderer sachbezogener Interessenlage - eine einschränkende Beurteilung geboten ist. Denn jedenfalls ist es einem Mieterverein wie hier dem Beklagten nicht gestattet, in Aufnahmebedingungen, die mit dem Erwerb der Mitgliedschaft den Erwerb von Wohnungsrechtsschutz nach § 29 ARB im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages automatisch verknüpfen, die also Vereinsmitgliedschaft und Versichertenstellung miteinander koppeln, sich das Recht vorzubehalten, den dem Rechtsschutzversicherer im Versicherungsfall zu benennenden Rechtsanwalt selber auszuwählen, ohne dabei an die Benennung eines Anwalts durch das Mitglied gebunden zu sein. Der Beklagte ist zwar im Rahmen der ihm zustehenden Vereinsautonomie grundsätzlich frei, die Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft bei sich festzulegen. Gegenüber den Geboten von Treu und Glauben, wie sie hier zu berücksichtigen sind, kann darauf aber nicht allein entscheidend abgestellt werden. Auch die Erwägung der Revision, daß der Beitritt zum Beklagten freiwillig sei und in Kenntnis des streitigen Vorbehalts erfolge, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Das Recht der freien Anwaltswahl, wie es in § 3 Abs. 3 BRAO normiert ist, hat das Gesetz dem einzelnen um seines individuellen Schutzes willen verliehen und kann im Hinblick darauf, daß das persönliche Vertrauen des Rechtssuchenden in den zu beauftragenden Anwalt die sachliche Grundlage des Mandatsverhältnisses bildet, grundsätzlich auch nur von dem in seinen Interessen betroffenen Rechtssuchenden selbst wahrgenommen werden (vgl. Kalsbach, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 3 Rdn. 7, 9; Isele, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 3 IV D 1, 2; Feuerich, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43 Rdn. 49; Jessnitzer, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 3 Rdn. 20). Dieses Recht hängt eng zusammen mit dem Grundsatz der freien Advokatur, der zu den tragenden Grundlagen der Rechtsordnung zählt (BVerfGE 15, 226, 234 = JZ 1963, 363, 364; BVerfGE 34, 293, 302 - NJW 1973, 696, 697). Es wurde beeinträchtigt, wenn die Auswahl des Rechtsanwalts aufgrund von Mitgliedschaftsbedingungen eines Mietervereins wie hier des Beklagten nicht mehr demjenigen überlassen bliebe, dessen Interessen zu wahren sind, und auf den Verein übertragen würde, der insoweit keine eigenen Rechte verfolgt und dessen Vertrauen in den zu beauftragenden Rechtsanwalt möglicherweise sogar auf Erwägungen beruht, die mit den Interessen des Betroffenen nicht übereinstimmen. Das Vertrauen in die persönliche und fachliche Qualifikation des Rechtsanwalts, das, wie erwähnt, für die Erteilung des Auftrags zur Verfolgung der wahrzunehmenden Interessen maßgeblich ist, bliebe dann unberücksichtigt.

Danach besteht bei der Auswahl des Rechtsanwalts durch den Verein die Gefahr, daß bei der Durchführung des Auftrags dessen Interessen und nicht die des eigentlichen Betroffenen im Vordergrund stehen, obwohl dieser es ist, der das wirtschaftliche Risiko des Prozeßausgangs trägt. Das aber bedeutet, daß, jedenfalls in Fällen wie hier, in denen sich ein Verein im Rahmen seiner Aufnahmebedingungen das Recht zur Auswahl des Rechtsanwalts bereits beim Eintritt des Mitglieds generell und endgültig übertragen läßt, also zu einem Zeitpunkt, in dem die für einen zukünftigen Rechtsstreit maßgebenden Einzelumstände und damit die für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bestimmenden Gegebenheiten noch nicht ersichtlich sind, das Recht des einzelnen auf freie Wahl des Anwalts durch Mitgliedschaftsversammlungen Art in seinem Kernbereich berührt wird. Dabei kann auch nicht außer acht gelassen werden, daß ein Mieterverein wie der Beklagte, der seine wirtschaftliche Grundlage im Beitragsaufkommen seiner Mitglieder findet, den Versicherungsschutz allein oder jedenfalls im wesentlichen aus Mitteln des Beitragsaufkommens finanziert, daß es also die Mitglieder sind, die die Prämie dafür aufbringen, daß im Rahmen des vom Versicherer zu gewährenden Rechtsschutzes ein Anwalt bestellt werden kann. Das läßt es im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessenlage nicht als angemessen erscheinen, daß der Verein es ist, der den dem Versicherer zu benennenden Rechtsanwalt auswählt, ohne dabei an die Wahl des Mitglieds gebunden zu sein.

Dafür, daß eine Auswahl des Rechtsanwalts allein durch den Verein im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwendung der Mitgliedsbeiträge gleichwohl geboten wäre, sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, daß ihm im Interesse der Erreichung einer möglichst hohen Erfolgsquote das Recht der Auswahl des Anwalts zustehen müsse, vermag das den beanstandeten vorbehalt nicht zu rechtfertigen. Es kann nicht ohne weiteres und generell davon ausgegangen werden, daß der von einem Mitglied beauftragte Rechtsanwalt weniger qualifiziert sei als der vom Beklagten ausgewählte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte nach seinen Aufnahmebedingungen und entsprechend den Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages die Möglichkeit hat, die Gewährung von Rechtsschutz abzulehnen, sofern er die gerichtliche Interessenwahrnehmung nicht für notwendig hält. Ist aber die Erfolgsaussicht zu bejahen, können Kostengründe für eine Übertragung des in Rede stehenden Auswahlrechts auf den Beklagten nicht entscheidend ins Gewicht fallen, weil die Kosten, gleichviel ob der Beklagte den Rechtsanwalt auswählt oder das Mitglied, in jedem Falle gleich hoch sind.

Eine an den Geboten von Treu und Glauben orientierte Bewertung der Interessenlage führt daher bei Aufnahmebedingungen wie den vorliegenden zu dem Ergebnis, daß das Recht, den Anwalt des Vertrauens zu wählen, allein dem betroffenen Mitglied zukommt und nicht dem Verein. Dem steht nicht entgegen, daß es den Mitgliedern des Beklagten, wie die Revision geltend macht, unbenommen ist, sich von Rechtsanwälten ihrer Wahl vertreten zu lassen, auch wenn der Beklagte dieser Wahl nicht zustimmt. Insoweit ist entscheidend, daß der Beklagte in einem solchen Fall seinen Mitgliedern keinen Versicherungsschutz gewährt, obwohl sie es sind, die, wie erwähnt, die finanziellen Mittel für die Bereitstellung des Versicherungsschutzes aufbringen. Der beanstandete Vorbehalt in den Aufnahmebedingungen des Beklagten läuft daher in Fällen dieser Art darauf hinaus, den Mitgliedern entweder den von ihnen finanzierten Versicherungsschutz vorzuenthalten oder sie zu zwingen, sich der vom Verein getroffenen Auswahl des Anwalts zu unterwerfen, auch wenn dieser nicht das Vertrauen des Mitglieds hat. Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben ist das unvereinbar.

Schließlich rechtfertigen auch die von der Revision angeführten Regelungen des § 76 Abs. 1 VVG und des § 16 ARB das vom Beklagten beanspruchte Auswahlrecht nicht. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, besagen beide Bestimmungen nichts zu der Frage, ob der Versicherungsnehmer, der Beklagte, oder der Versicherte, das Vereinsmitglied, den Rechtsanwalt auszuwählen hat, der dem Rechtsschutzversicherer zum Zwecke seiner Beauftragung namhaft zu machen ist.

4. Die danach für die Mitglieder des Beklagten nicht zumutbare Beschränkung des Rechts der freien Anwaltswahl (§ 3 Abs. 3 BRAO) rechtfertigt - mit einer Einschränkung (s.u. Ziff. 5) - das Klagebegehren nach § 1 UWG. § 3 Abs. 3 BRAO dient der Wahrung des Interesses des einzelnen an diesem Recht und schützt damit eine tragende Grundlage der Rechtspflege, eines wichtigen Gemeinschaftsgutes (vgl. BVerfGE 21, 173, 179 = NJW 1967, 1317; BVerfGE 54, 301, 315 = NJW 1981, 33, 34). Ein Verstoß gegen diese Bestimmung, die auch für den Wettbewerb der Rechtsanwälte von Bedeutung ist, ist zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG, ohne daß es dafür auf das Vorliegen weiterer Umstände ankäme (vgl. BGHZ 79, 390, 400 - Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft; 98, 330, 336 - Unternehmensberatungsgesellschaft I; 98, 337, 340 - Unternehmensberatungsgesellschaft II, für den Verstoß gegen § 57 Abs. 1 StBerG).

5. Der Verbotsausspruch zu Ziff. 1 des Berufungsurteils bedarf allerdings insoweit einer Einschränkung, als das Berufungsgericht dem Begehren der Klägerin stattgegeben hat, dem jeweiligen Vereinsmitglied vor Benennung eines Anwalts durch den Beklagten Gelegenheit zu geben, einen Anwalt seiner eigenen Wahl "gegenüber der Rechtsschutzversicherung" zu benennen. Einen Anspruch darauf, den von ihm ausgewählten Rechtsanwalt dem Rechtsschutzversicherer selber namhaft zu machen, hat das Mitglied nicht. Versicherungsnehmer ist der Beklagte, und nach § 16 Abs. 1 ARB steht demgemäß auch nur ihm und nicht dem versicherten Mitglied die Befugnis zur Benennung des Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer zu. Die aus dem (Innen-)Verhältnis zu seinen Mitgliedern folgende Verpflichtung des Beklagten, bei Bejahung der Voraussetzungen für die Gewährung von Versicherungsschutz dem Rechtsschutzversicherer den vom Mitglied ausgewählten Rechtsanwalt zu benennen, wird aus den erörterten Gründen davon aber nicht berührt.

III. Danach war die Revision des Beklagten wie erkannt zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Verbotsausspruch des Berufungsgerichts eine Einschränkung erfahren hat, ist das kostenmäßig nicht von Bedeutung (§ 92 Abs. 2 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993005

BGHZ 109, 153

BGHZ, 153

NJW 1990, 578

BGHR BGB § 242 Mieterverein 1

BGHR BRAO § 3 Abs. 3 Mieterverein 1

BGHR UWG § 1 Mieterverein 1

BGHR UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 Rechtsanwaltskammern 1

DRsp II(236)330b

DRsp IV(485)229a

ZIP 1990, 126

ZMR 1990, 135

JuS 1990, 847

MDR 1990, 313

VersR 1990, 195

WRP 1990, 282

DRsp-ROM Nr. 1992/1627

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