Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.11.1980)

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 18.04.1980)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 1980 aufgehoben und unter Zurückweisung der Anschlußberufung das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg/Lahn vom 18. April 1980 abgeändert.

Die Klage wird, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Bauunternehmen, errichtete für den Kaufmann W. ein Hochhaus. Zur Deckung ihrer Werklohnforderung erhielt sie von W. Wechselakzepte. Außerdem trat W. ihr drei Eigentümer(Brief)-Grundschulden über insgesamt 2.050.000 DM ab. Die Klägerin ließ sich die Wechsel im Rahmen eines Wechselkredits von der Bezirkssparkasse G. diskontieren. Zur Sicherheit für diesen Kredit hinterlegte sie die von W. erhaltenen Grundschuldbriefe bei der Bezirkssparkasse G.

Das von der Klägerin errichtete Hochhaus wurde u.a. in verschiedene Wohnungseigentumseinheiten aufgeteilt, um sie später zu verkaufen. Der beklagte Rechtsanwalt und Notar war im Januar 1972 als Notar (zumindest) damit befaßt, einen Teil der Kaufverträge über die Wohnungseigentumseinheiten zu beurkunden. Am 4. Januar 1972 wandte er sich fernmündlich an die Bezirkssparkasse G., um eine Vereinbarung wegen der Pfandfreigabe bezüglich der zu verkaufenden Eigentumswohnungen und der Teilung der anteiligen Belastungen zu erreichen. Mit Schreiben vom 5. Januar 1972 bestätigte er gegenüber der Bezirkssparkasse G. die tags zuvor in dem Telefongespräch getroffenen Vereinbarungen. Darin ist u.a. folgendes ausgeführt:

„1. Gemäß Vereinbarung zwischen Ihnen und Herrn W. werden von den Kaufpreisen für die Eigentumswohnungen im Betrage von ca. 2.700.000,– DM 950.000,– DM so abgeführt, wie die Beträge eingehen. Es handelt sich also um 35 %. Im Interesse der Vereinfachung sollte die Abwicklung daher so gehandhabt werden, daß von jedem eingegangenen und freigewordenen Betrag 35 % an Sie zugunsten der Firma A. (= Klägerin) weitergeleitet werden.

4. Die Firma A. KG erklärt Herrn W. gegenüber durch Unterzeichnung und Rücksendung der beiliegenden Durchschrift dieses Schreibens – eine weitere Durchschrift ist für Ihre Akten bestimmt – ihr Einverständnis,

  1. mit der Pfandfreigabe des gesamten Wohnteils (Sondereigentum Nr. 6–28 der Teilungserklärung) bzgl. der 3 Eigentümergrundschulden von 1.500.000,– DM, 250.000,– DM und 300.000,– DM, so daß diese lediglich auf dem gewerblichen Teileigentum Nr. 1–5 der Teilungserklärung lasten bleiben,
  2. mit dem Vorrang der zugunsten der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank noch einzutragenden Hypothek von 240.000,– DM nebst Zinsen und Nebenleistungen vor den genannten Eigentümergrundschulden,
  3. mit der Änderung der Zins- und Zahlungsbestimmungen hinsichtlich der aus der Hypothek von 840.000,– DM entstandenen Teilhypothek von 316.000,– DM.”

Der Unterschrift des Beklagten ist die Bezeichnung „Notar” zugefügt.

Mit Schreiben vom 11. Januar 1972 wandte sich die Klägerin persönlich an den Beklagten und teilte ihm darin u.a. folgendes mit:

„Sehr geehrter Herr Notar!

Namens und im Auftrage Ihres Mandanten, Herrn W. haben Sie uns um unsere Zustimmung zu der Pfandfreigabe des gesamten Wohnteils (Sondereigentum Nr. 6–28 der Teilungserklärung) aus dem Haftverband der Eigentümergrundschulden von DM 1.500.000,–, DM 250.000,– und DM 300.000,–, die außerhalb des Grundbuches an uns abgetreten sind, gebeten.

Wir erteilen diese Zustimmung Ihnen als Treuhänder gegenüber unter der Voraussetzung, daß sichergestellt ist, daß folgende Bedingungen erfüllt werden können und Sie für den Eintritt des Erfolges garantieren:

  1. Sämtliche Wohnungen müssen vollständig fertiggestellt sein. Davon sind lediglich ausgenommen die Räume, die von dem Arbeitgeberverband bezogen werden.
  2. Es müssen Kaufverträge ohne Rücktrittsrecht der Käufer mit einer abgeschlossenen Gesamtverkaufssumme von ca. DM 2.700.000,– vorliegen.
  3. Die Pfandfreigabe darf jeweils nur Zug um Zug gegen Zahlung des aufgrund einer Vereinbarung zwischen Herrn W. und uns auf die einzelnen Wohnungen entfallenden Anteil erfolgen. Die Aufteilung geht aus der als Anlage beigefügten Aufstellung hervor.
  4. Neben den Zahlungen aus den Erlösen aus Wohnungsverkäufen an uns in Höhe von insgesamt DM 1.500.000,– hat sich Herr W. zu verpflichten, daß er die inzwischen aufgelaufenen Diskontspesen in Höhe von DM 71.318,12 und die zukünftig anfallenden Diskontspesen für Wechselprolongationen zusätzlich aus Wohnungsverkäufen ihm zufließenden Verkaufserlösen an uns zahlt.
  5. Unsere Grundschulden müssen weiterhin auf dem verbleibenden Teileigentum Nr. 1–5 der Teilungserklärung lasten.
  6. Unseren Grundschulden dürfen folgende Rechle im Range vorgehen:

Sofern Sie uns Ihr Einverständnis mit dem Inhalt dieses Schreibens auf der beigefügten Kopie bestätigen und sobald wir im Besitze ihrer Bestätigung sind, können Sie von unserer Zustimmung Gebrauch machen, die sich auch auf die Ziffer 4, Buchstabe c, Ihres Schreibens vom 5. Januar 1972 an die Bezirkssparkasse G. in G. erstreckt.”

Der Beklagte und der Kaufmann W. setzten auf einem Durchschlag dieses Schreibens unter dem Wort „einverstanden” ihre Unterschriften.

Die Klägerin händigte daraufhin dem Beklagten noch die weiteren zwei Grundschuldbriefe aus. Der Beklagte ließ die Grundschulden löschen, ohne daß damals die aus der Anlage zum Schreiben vom 11. Januar 1972 ersichtlichen Kaufpreisteile von insgesamt 1.500.000 DM an die Klägerin gezahlt waren und zwar nicht nur, wie die Klägerin gestattet hatte, auf dem „Wohnteil”, sondern auch auf dem gewerblich zu nutzenden Teil des Grundstücks. Der Kaufmann W. beglich bis Ende 1977 die Forderung der Klägerin bis auf einen Restbetrag. Nachdem weitere Zahlungen ausblieben, erwirkte die Klägerin gegen ihn aufgrund eines Wechselakzeptes über 45.000 DM ein Zahlungsurteil. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil blieb jedoch erfolglos.

Mit der Behauptung, ihre gegen W. bestehende Gesamtforderung sei deshalb nicht völlig getilgt worden, weil der Beklagte die im Brief vom 11. Januar 1972 niedergelegten Bedingungen nicht eingehalten habe, hat die Klägerin von diesem die Zahlung von 58.143,43 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage – unter Abweisung eines Teiles des Zinsanspruches – stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Mit der Revision hat der Beklagte zunächst seinen Klagabweisungsantrag weiter verfolgt. Nachdem der Kaufmann W. nach Revisionseinlegung 58.616,– DM an die Klägerin gezahlt hat, haben beide Parteien übereinstimmend die Hauptsache hinsichtlich eines Betrages von 54.654,38 DM für erledigt erklärt und insoweit wechselseitig beantragt, jeweils dem Gegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte sei, da er die im Schreiben vom 11. Januar 1972 erwähnten Bedingungen nicht eingehalten habe, der Klägerin gegenüber wegen „positiver Vertragsverletzung” eines Garantievertrages schadensersatzpflichtig. Der Beklagte habe nämlich den Eintritt eines Erfolges garantiert gehabt. Ihm sei nicht nur ein bestimmter Treuhandauftrag erteilt worden. Die Schadensersatzforderung könne daher auch noch nicht verjährt sein.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, der Beklagte habe mit der Klägerin einen Garantievertrag geschlossen. Die Klägerin kann gegen den Beklagten lediglich Ansprüche aus Amtspflichtverletzung herleiten.

a) Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß der Beklagte, wenn er treuhänderisch Grundschuldbriefe und Pfandfreigabeerklärungen annahm, die er nur entsprechend dem Auftrag verwerten durfte, typische notarielle Betreuungspflichten im Sinne des § 24 Abs. 1 BNotO der Klägerin gegenüber übernahm (vgl. Reithmann, Festschrift für Bärmann, S. 733, 738; ders. DNotZ 1975, S. 324, 333 f.). Daran mußte sich nicht dadurch etwas ändern, daß die Klägerin die Pfandfreigabe nur unter der Voraussetzung bewilligte, daß die Erfüllung der von ihr gestellten Bedingungen sichergestellt war, und von dem Beklagten verlangte, für den Eintritt des Erfolgs zu garantieren. Wenn die Klägerin, bei der in diesem Zusammenhang keine exakt juristische Terminologie vorauszusetzen war, das Wort „Garantie” verwendete, so konnte das – wie die Revision mit Recht geltend macht – durchaus so verstanden werden, daß der Beklagte damit lediglich die Erfüllung der übernommenen Pflichten besonders bekräftigen sollte.

Allein aus dem Hinweis der Klägerin in ihrem Brief vom 11. Januar 1972, der Beklagte habe sie „namens und im Auftrag des Kaufmanns W.” um Zustimmung zur Pfandfreigabe gebeten, durfte das Berufungsgericht nicht schließen, der Beklagte habe zweifelsfrei allein den Kaufmann W. vertreten und in dessen Namen und Auftrag auf den Abschluß des von ihm angenommenen Vertrages hingewirkt. Das Berufungsgericht hat dabei übersehen, daß sich ein Notar im allgemeinen zwar regelmäßig im Auftrage des Veräußerers belasteter Grundstücke an den Gläubiger wegen der Löschung von Grundpfandrechten wendet, daß er aber grundsätzlich von diesem Löschungsbewilligungen gerade nicht als Bevollmächtigter des Eigentümers entgegennimmt; in einem solchen Falle würden sie nämlich mit dem Empfang sofort wirksam werden. Er verwahrt daher solche Bewilligungen in aller Regel für die Berechtigten und gibt sie nach Maßgabe des von diesen erteilten Treuhandauftrages erst dann an den Eigentümer bzw. für diesen an das Grundbuchamt weiter, wenn die gestellten Bedingungen erfüllt sind (vgl. Reithmann, Festschrift für Bärmann, S. 739).

Hat der beklagte Notar, der zugleich Rechtsanwalt ist, aber Aufgaben übernommen, die zu den in § 24 Abs. 1 BNotO erwähnten Betreuungstätigkeiten gehören, dann hätte das Berufungsgericht gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 BNotO im Zweifel davon ausgehen müssen, daß der Beklagte als Notar tätig geworden ist. Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung bestehen nicht. Der Beklagte hat sich, wie der Beifügung der Bezeichnung „Notar” unter seiner Unterschrift im Schreiben vom 4. Januar 1972 zu entnehmen ist, in seiner Eigenschaft als Notar an die Bezirkssparkasse G. gewandt. Auch die Klägerin redete den Beklagten in ihrem Schreiben vom 11. Januar 1972 mit „Notar” an. Sie selbst ging zunächst, und zwar noch nach erfolgter Löschung der Grundschulden, davon aus, daß der Beklagte ihr gegenüber einen notariellen Treuhandauftrag übernommen habe. In ihrem Schreiben vom 30. Januar 1973 (GA Bl. 150), in dem sie gegen ihn bereits massive Vorwürfe wegen seines Verhaltens erhoben hat, wies sie mehrfach darauf hin, sie habe ihm einen „Treuhandauftrag” erteilt gehabt, den er nicht erfüllt habe. In ihrer Entgegnung vom 7. Februar 1973 (GA Bl. 154) auf die Antwort des Beklagten vom 6. Februar 1973 heißt es sogar: „Ihre Erwiderung auf unser Schreiben ist uns umso unverständlicher, als Sie darin mit keinem Wort auf die von uns angesprochene Amtspflicht des Notars eingegangen sind und jede Erklärung dazu fehlt, wieso Sie von dem Inhalt unseres Treuhandauftrages, den Sie ausdrücklich durch Ihre Unterschrift bestätigt hatten, offenbar keine Kenntnis genommen haben”.

Nach allem erweist sich die Auslegung im Sinne eines Garantievertrages, zu der das Berufungsgericht hinsichtlich der Vereinbarung der Parteien kommt, als rechtlich nicht möglich. Das Revisionsgericht kann sie, da weitere Tatsachen nicht zu erheben sind, berichtigen.

b) War der Beklagte aber der Klägerin gegenüber als Notar tätig geworden, so kann er, wenn er die Pflichten aus dem Treuhandvertrag verletzt hat, nur wegen Verletzung von Amtspflichten nach § 19 BNotO, nicht aber aus einem Garantievertrag, ersatzpflichtig geworden sein.

2. Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus § 19 BNotO waren bei Klageerhebung bereits verjährt.

a) Die Verjährungsfrist begann nicht erst Anfang 1978, wie die Klägerin im Berufungsrechtszug vorgetragen hat. Kenntnis von dem Schaden im Sinne des § 852 BGB hatte sie vielmehr bereits im Jahre 1973. Der Schaden war mit der Gefährdung ihrer Rechtsposition nach Wegfall der Sicherheiten eingetreten. Davon hat die Klägerin spätestens im Februar 1973 Kenntnis gehabt; sie hat dem Beklagten deswegen bereits mit Schreiben vom 7. Februar 1973 (GA Bl. 154) und vom 14. März 1973 (GA Bl. 58) Klage angedroht.

Der Beginn der Verjährungsfrist wurde nicht so lange hinausgeschoben bis feststand, ob und in welcher Höhe die Klägerin mit ihrer Forderung gegen den Kaufmann W. ausfallen werde. Zwar beginnt bei den Amtshaftungsansprüchen aus § 19 BNotO die Verjährungsfrist grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Ausfall, für den der Pflichtige aufzukommen hat, auch der Höhe nach feststeht (Senatsurteil vom 21. September 1976 – VI ZR 69/75 – VersR 1977, 249). Das gilt aber nur, soweit die anderweitige Ersatzmöglichkeit negative Anspruchsvoraussetzung ist (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Bei der Verletzung von Belehrungspflichten aus § 24 BNotO findet jedoch das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO keine Anwendung (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2). Einer vor Klärung des Ausfalles erhobenen Feststellungsklage hätte daher entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht der Einwand fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses entgegengestanden.

b) Der Erhebung der Verjährungseinrede steht auch nicht – wie die Revisionserwiderung meint – der Arglisteinwand entgegen.

Für die Behauptung, der Beklagte habe erklärt, die Klägerin solle keine gerichtlichen Schritte gegen ihn einleiten, weil W. zahlen werde, hat die Klägerin keinen Beweis angetreten, nachdem der Beklagte dies (GA Bl. 68) bestritten hatte.

III.

Da feststeht, daß die Klage wegen Verjährung unbegründet war, konnte der erkennende Senat abschließend in der Sache entscheiden. Soweit die Parteien die Hauptsache nicht für erledigt erklärt haben, war die Klage unter Aufhebung des Berufungsurteils und unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen. Die Kosten des Rechtsstreits, die auf den für erledigt erklärten Teil entfallen, waren demgemäß der Klägerin gemäß § 91 a ZPO aufzuerlegen. Im übrigen hat sie die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dunz, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Lepa

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2143625

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