Leitsatz (amtlich)

›Zur Frage

a) der gesamtschuldnerischen Haftung von Veräußerer und Erwerber eines GmbH-Geschäftsanteils nach § 16 Abs. 3 GmbHG bei Nichtigkeit der Anteilsübertragung,

b) der Erfüllungswirkung bei Zahlung auf die Einlageverpflichtung eines Gesellschafters durch einen Dritten i.S. des § 267 Abs. 1 BGB.‹

 

Verfahrensgang

LG Aachen

OLG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der in An. niedergelassenen R. GmbH (künftig: R.). Er nimmt die Beklagte auf Zahlung von 97.500,-- DM aus - nach seiner Ansicht - nicht erfüllter Einlageverpflichtung in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Alleingesellschafter der R. M., erhöhte durch Beschluß vom 19. Januar 1990 das bis zu diesem Zeitpunkt mit 50.000,-- DM bemessene Stammkapital um 100.000,-- DM auf 150.000,-- DM. Von dem Erhöhungsbetrag übernahm er selbst als Bareinlageverpflichtung 2.500,-- DM und die Beklagte 97.500,-- DM. Die Durchführung der Kapitalerhöhung wurde am 26. März 1990 aufgrund des Antrages vom 28. Februar 1990 in das Handelsregister eingetragen.

Am Tage der Beschlußfassung fertigte der mit der Angelegenheit betraute Notar den Entwurf eines Vertrages, der die Teilung des Geschäftsanteils von 97.500,-- DM in zwei Geschäftsanteile von 45.000,-- DM und 52.500,-- DM, die Zustimmung des geschäftsführenden Alleingesellschafters der R. dazu und die Abtretung des Anteils von 45.000,-- DM durch die Beklagte an den Kaufmann W. C. Y. aus T. zum Gegenstand hatte. Dieses Schriftstück haben die Beteiligten am 22. Januar 1990 im Deutschen Generalkonsulat in Hongkong unterzeichnet und die Unterschriften durch eine Konsulatsbeamtin beglaubigen lassen. Der Kaufmann Y. überwies am 8. Februar 1990 einen Betrag von 100.000,-- DM auf ein bei der A.-Bank in An. geführtes Konto der R. mit dem Vermerk "for invest R. GmbH of share 'Stammeinlage'".

Die Beklagte hat den Einlagebetrag unstreitig aus eigenen Mitteln nicht aufgebracht. Die Parteien streiten jedoch darüber, ob die Zahlung durch den Kaufmann Y. gemäß § 267 Abs. 1 BGB als Leistung auf die Einlageschuld der Beklagten - sowie in Höhe von 2.500,-- DM auf die des Gesellschafters M. - anzusehen ist.

Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Das Berufungsgericht ist, wie die Revision zutreffend rügt, nur deswegen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zahlung des Kaufmannes Y. an die R. nicht als Leistung auf die Einlageschuld der Beklagten betrachtet und deren Verbindlichkeit somit nicht als erfüllt angesehen werden kann, weil es erheblichen Sachvortrag der Beklagten nicht berücksichtigt und die angebotenen Beweise dazu nicht erhoben hat.

1. Entgegen der Ansicht der Revision kann die Erfüllung der Einlageverpflichtung der Beklagten durch die Zahlung des Kaufmannes Y. allerdings nicht auf § 16 Abs. 3 GmbHG gestützt werden.

Wird ein Geschäftsanteil veräußert und der Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet, so ist nach dieser Vorschrift für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen der Erwerber neben dem Veräußerer verhaftet. Erwerber und Veräußerer haften als Gesamtschuldner (BGHZ 68, 191, 197; BGH, Urt. v. 20. Februar 1991 - 2 StR 421/90, BB 1991, 713, 714; Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl., § 16 Rz. 12; Scholz/Winter, GmbHG, 8. Aufl., § 16 Rz. 42; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 16 Rz. 17). Bezahlt daher der Erwerber rückständige Einlagebeträge, hat das auch Erfüllungswirkung für den Veräußerer (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da es im vorliegenden Falle um die Veräußerung eines Geschäftsanteils von 45.000,-- DM geht, könnte die von Y. vorgenommene Zahlung - bezogen auf den Nominalbetrag - auch nur in dieser Höhe als Erfüllung zugunsten der Beklagten angesehen werden. Das würde jedoch nach § 16 Abs. 1 GmbHG voraussetzen, daß der Erwerb des Geschäftsanteils bei der Gesellschaft angemeldet und sein Übergang nachgewiesen wird. Ein Nachweis des Übergangs liegt in der Regel nur dann vor, wenn das Vertretungsorgan der Gesellschaft von dem Rechtsübergang überzeugend unterrichtet wird (BGH, Urt. v. 25. Januar 1960 - II ZR 207/57, WM 1960, 289, 291; Urt. v. 15. April 1991 - II ZR 209/90, ZIP 1991, 724, 725). Dem steht zwar nicht entgegen, daß hier ein künftiger Geschäftsanteil abgetreten worden ist. Die Abtretung künftiger Geschäftsanteile ist zulässig, weil das GmbH-Gesetz keine § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG entsprechende Vorschrift über ein Verbot der Anteilsübertragung vor Eintragung der Gesellschaft kennt. Die Abtretung eines künftigen Geschäftsanteils wird demnach mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister wirksam (BGHZ 21, 242, 245; 21, 378, 383). Die Voraussetzung einer "überzeugenden Unterrichtung" ist aber deswegen nicht erfüllt, weil der Anteilsübertragungsvertrag nicht in der nach § 15 Abs. 3 GmbHG vorgeschriebenen Form geschlossen worden und damit nichtig ist. Die Tatsache, daß die Unterschriften der beteiligten Personen nur beglaubigt worden sind, war dem Geschäftsführer der R. von vornherein bekannt.

2. Unter diesen Umständen ist die Beklagte nur dann von ihrer Einlageverpflichtung befreit worden, wenn die Zahlung durch den Kaufmann Y. zu ihren Gunsten als Drittleistung im Sinne des § 267 Abs. 1 BGB Erfüllungswirkung hat. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch eine solche Erfüllungswirkung rechtsfehlerhaft verneint.

a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch ein Dritter die Leistung bewirken, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat. Für die Erfüllung der - fällig gestellten - Bareinlageverpflichtung gegenüber einer Kapitalgesellschaft bestehen keine Einschränkungen, die einer Leistungsbewirkung durch Dritte entgegenstehen könnten.

Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, der mit dem Willen leistet, eine fremde Schuld zu tilgen (BGHZ 43, 1, 11; 46, 319, 325; BGH, Urt. v. 8. November 1979 - VII ZR 337/78, NJW 1980, 452, 453 m.w.N.). Maßgebend ist jedoch nicht der innere Wille des Leistenden, sondern der Umstand, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (BGHZ 40, 272, 277 f.; 72, 246, 249; MüKo/Keller, BGB, 2. Aufl., § 267 Rz. 5; Palandt/Heinrichs, BGB, 53. Aufl., § 267 Rz. 4).

b) Das Berufungsgericht mißt der Tatsache, daß der Überweisungsbeleg nach der Empfängerbezeichnung ("R.-GmbH") und der Zweckangabe ("for invest R.-GmbH") an die Gesellschaft - und nicht an die Beklagte - gerichtet ist, im Hinblick darauf, daß diese Angaben von dem Kaufmann Y. selbst stammen und daher seinem Willen entsprechen, entscheidende Bedeutung bei. Bereits in diesem Zusammenhang läßt das Berufungsgericht unberücksichtigt, daß eine Zahlungsverpflichtung des Kaufmannes Y. gegenüber der R. nicht bestand, sondern daß ihm nach dem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Abtretungsvertrag vom 22. Januar 1990 eine Verpflichtung gegenüber der Beklagten obliegen sollte. Ging Y. von der Wirksamkeit dieser Vereinbarung aus - dafür spricht, daß er im Anschluß an seine Unterschriftsleistung den vereinbarten Betrag zahlte - ergeben sich bereits daraus gewisse Anhaltspunkte dafür, daß seine Überweisung als Erfüllung der im Zusammenhang mit dem Abtretungsvertrag getroffenen Zahlungsvereinbarung vorgenommen worden ist. Dafür spricht auch, daß der Überweisungsträger als Zahlungszweck nicht nur, wie das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt, den Vermerk "for invest R.-GmbH", sondern darüber hinaus den Zusatz "of share 'Stammeinlage'" enthält. Damit wird hinreichend verdeutlicht, daß die Zahlung als Leistung auf die "Stammeinlage" gedacht ist.

c) Das Berufungsgericht schließt aus der Tatsache, daß Y. nicht die dem Nominalbetrag des von der Beklagten übernommenen Geschäftsanteils entsprechende Summe von 97.500,-- DM, sondern 100.000,-- DM gezahlt hat, der von ihm verfolgte Zweck sei nicht auf eine Leistung für die Beklagte an die R., sondern darauf gerichtet gewesen, sich durch die zu dem bereits früher geleisteten Betrag von 50.000,-- DM hinzutretende, an R. erbrachte Zahlung von 100.000,-- DM einen - erhöhten - Gesellschaftsanteil zu verschaffen. Die Revision rügt zu Recht, daß im Rahmen dieser Würdigung der unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt worden ist, Y. habe sich bereit erklärt, eine Kapitalaufstockung von 100.000,-- DM zu finanzieren und in diesem Zusammenhang zugleich einen Gesellschaftsanteil von 30 % zu übernehmen. Auf der Grundlage dieser - für die Revisionsinstanz als zutreffend zu unterstellenden - Behauptung der Beklagten ist auch ihr weiteres Vorbringen schlüssig, unter Zugrundelegung eines Stammkapitals von 150.000,-- DM habe Y. nach Zahlung von 50.000,-- DM ein Geschäftsanteil von 15.000,-- DM (10 %), bei weiterer Zahlung von 100.000,-- DM ein solcher in Höhe von 45.000,-- DM (30 %) zustehen sollen. Habe der Betrag von 50.000,-- DM dem ursprünglichen Stammkapital entsprochen, so habe der Betrag von 100.000,-- DM nicht nur der Finanzierung des vom Geschäftsführer M. mit 2.500,-- DM übernommenen Geschäftsanteils, sondern auch des in Höhe von 97.500,-- DM von der Beklagten übernommenen einschließlich des an Y. mit 45.000,-- DM abgetretenen Anteils dienen sollen.

d) Die vorstehenden Einzelheiten gebieten weitere Feststellungen zu dem vom Berufungsgericht bisher nicht berücksichtigten Vortrag der Parteien, insbesondere der Beklagten. Erst wenn diese Feststellungen getroffen worden sind, ist dem Berufungsgericht eine abschließende tatsächliche Würdigung des Prozeßstoffes möglich. In diese sind auch insbesondere die weiteren - bislang unstreitigen - Umstände einzubeziehen:

In dem Geschäftsanteils-Abtretungsvertrag ist nicht nur festgehalten, daß die Geschäftsanteile mit 100 % des Nennbetrages in bar eingezahlt seien, sondern er enthält in § 4 Abs. 2 auch die Regelung, daß der Erwerber den Veräußerer von allen Inanspruchnahmen aus dem übertragenen Anteil, insbesondere auf Volleinzahlung durch die Gesellschaft, zu befreien hat. Dabei ist auch der von der Revision hervorgehobene Umstand zu berücksichtigen, daß Kapitalerhöhung, Erwerb des Geschäftsanteils und Zahlung des Betrages von 100.000,-- DM durch den Kaufmann Y. nicht voneinander getrennt, sondern in einem Zuge erfolgen sollten. Von Bedeutung kann weiter die Überlegung sein, daß bei der Gesellschaft der Betrag von 100.000,-- DM bei Eingang als "Stammeinlage Y. J." gebucht worden ist.

Der Vortrag der Beklagten in dem Verfahren 2 O 200/90 - LG A. -, die Zahlung des Betrages von 100.000,-- DM durch den Kaufmann Y. sei weder zu ihren Gunsten veranlaßt noch bestimmt gewesen, ist für das vorliegende Verfahren - wovon auch das Berufungsgericht ersichtlich ausgeht - nicht bindend. Er ist unter Berücksichtigung aller aus diesem Verfahren ersichtlichen, insbesondere durch die Revision hervorgehobenen Umstände - erforderlichenfalls nach weiterer Sachverhaltsaufklärung - in die Würdigung des gesamten Prozeßstoffs einzubeziehen.

e) Auf dieser Grundlage wird das Berufungsgericht in der Lage sein zu entscheiden, ob der Kaufmann Y. aus der Sicht der R. und ihres Geschäftsführers die Zahlung als Leistung auf die aus der Kapitalerhöhung herrührende Stammeinlage bewirken wollte. Ist das der Fall, könnte daraus auf jeden Fall geschlossen werden, daß 2.500,-- DM zugunsten des Geschäftsführers M. und 52.500,-- DM zugunsten der Beklagten gezahlt werden sollten. Für den Restbetrag von 45.000,-- DM ist die in § 4 Abs. 2 des - allerdings nichtigen - Abtretungsvertrages getroffene Regelung sowie der Umstand zu berücksichtigen, daß eine in erster Linie vorhandene Absicht, eine eigene Schuld zu tilgen, nicht ausschließt, daß auch der Wille vorhanden sein kann, für den wahren Schuldner zu leisten (vgl. BGHZ 72, 246, 249).

Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993700

BB 1994, 2373

DB 1994, 2543

DStR 1995, 223

NJW 1995, 128

BGHR BGB § 267 Abs. 1 Stammeinlageverpflichtung 1

BGHR GmbHG § 16 Abs. 3 Anteilsveräußerung 1

BGHR GmbHG § 56a, Bareinlageverpflichtung 1

DRsp I(125)424a

NJW-RR 1995, 865

WM 1994, 2286

ZIP 1994, 1855

DNotZ 1995, 562

MDR 1995, 591

GmbHR 1995, 119

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