Leitsatz (amtlich)

a) Ein Geschäftsinhaber kann unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht gehalten sein, den Verkauf auch solcher Feuerwerkskörper, deren Abgabe an Personen unter 18 Jahren öffentlich-rechtlich nicht verboten ist, an Kinder im Grundschulalter zu verweigern, wenn für ihn eine aus dem Umgang mit solchen Feuerwerkskörpern drohende Gefahrenlage erkennbar ist.

b) Ob und inwieweit für einen Verkäufer in diesem Sinne ein relevantes Risiko bei der Abgabe frei verkäuflicher Feuerwerkskörper an Kinder erkennbar ist, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, wie das betreffende Produkt vom Hersteller beschrieben und beworben wird und welche praktischen Erkenntnisse dem Verkäufer über die Handhabung derartiger Feuerwerkskörper und über die insoweit maßgeblichen Verhältnisse der Erwerber zugänglich sind.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

OLG München

LG München I

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. März 1997 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger macht – nunmehr nur noch gegen die Beklagte zu 2), die in M. einen Schreibwarenladen betreibt – Schadensersatzansprüche wegen einen Unfalls geltend, den er am 9. Dezember 1993 in Alter von etwa 8 1/2 Jahren durch Einwirkung eines bei der Beklagten zu 2) erworbenen Kleinst-Feuerwerkskörpers mit der Artikelbezeichnung „Tolle Biene” erlitten hat.

Die – aus China importierten – Feuerwerkskörper „Tolle Biene” wurden in Deutschland von der früheren Beklagten zu 1) vertrieben, die auch die Beklagte zu 2) damit belieferte. Nach dem Zulassungsbescheid der Bundesanstalt für Materialprüfung aus dem Jahre 1984 waren diese pyrotechnischen Gegenstände als Feuerwerksspielwaren, Klasse 0 eingeordnet, so daß kein sprengstoffrechtliches Verbot für ihren ganzjährigen Vertrieb und die Abgabe an Personen unter 18 Jahren bestand. Entsprechend den Anforderungen im Zulassungsbescheid enthielten die Verpackungen dieser Feuerwerkskörper folgende Aufschrift:

„Tolle Biene (Bodenwirbel)

Gegenstand auf den Boden legen, Zündschnur am äußersten Ende entzünden und sich rasch entfernen.

Nur im Freien verwenden!”.

Am Unfalltag spielte der Kläger zusammen mit seien etwa gleichaltrigen Freunden Daniel F. und Lorenz H.. Nach seinem Vortrag zündete Daniel F. einen der bei der Beklagten zu 2) gekauften Feuerwerkskörper „Tolle Biene” an und warf ihn in die Luft. Der Feuerwerkskörper geriet in den Halsausschnitt des Klägers, was bei diesem zu erheblichen Verbrennungen mit schweren gesundheitlichen Folgen führte. Der Kläger hat hierfür beide Beklagte verantwortlich gemacht, die Beklagte zu 2) insbesondere deshalb, weil sie die Feuerwerkskörper an Daniel F. abgegeben habe, ohne sich hinreichend zu vergewissern, ob dieser die damit verbundenen Gefahren meistern könne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger gegen die Beklagte zu 2) sein auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtetes Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält eine Haftung der Beklagten zu 2) nach den Regelungen des Produkthaftungsgesetzes für ausgeschlossen, weil sie ihrer Verpflichtung nachgekommen sei, diejenige Person zu benennen, die ihr das Produkt geliefert habe.

Ein deliktischer Schadensersatzanspruch sei nicht gegeben, da der Beklagten zu 2) eine schuldhafte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zur Last zu legen sei. Ihr könne gegenüber den Kindern, die bei ihr Einkäufe tätigten, keine der Aufsichtspflicht der Eltern vergleichbare Pflichtenstellung auferlegt werden. Feuerwerkskörper der streitgegenständlichen Art seinen aus sich heraus, ohne Entzündung, ungefährlich. Dafür Sorge zu tragen, daß Kinder solche Feuerwerkskörper nicht ohne die erforderliche Überwachung mittels Streichhölzern oder dergleichen entzünden könnten, sei in erster Linie Aufgabe der Eltern. Der Verkäufer der Feuerwerkskörper könne auch beim Erwerb der Produkte durch Kinder im Grundschulalter grundsätzlich davon ausgehen, daß die Eltern dieser Aufsichtspflicht nachkämen.

Im übrigen setze eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr die Erkennbarkeit der Gefahr voraus. Die Gefährlichkeit der „Tollen Biene”, die Stärke des austretenden Feuerstrahls und die Brenndauer seien aber weder aus dem äußeren Erscheinungsbild noch aus sonstigen Umständen zu erkennen. Die Zulassung unter der Zuordnung „Feuerwerksspielwaren” und die Bewerbung der „Tollen Bienen” im Rahmen eines umfassenden Angebots der Beklagten zu 1) deute in keiner Weise darauf hin, daß es sich um einen für Kinder gefährlichen Artikel handeln könne.

Bei der gegebenen Sachlage scheide ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu 2) auf jeden Fall aus, zumal sie bereits im Hinblick darauf, daß es hier um behördlicherseits ohne Altersbeschränkung freigegebene Feuerwerkskörper gegangen sei, darauf habe vertrauen können, daß kein relevantes Gefahrenpotential gegeben sei.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Die Klageabweisung gegenüber der Beklagten zu 2) läßt keinen durchgreifenden Rechts- oder Verfahrensfehler erkennen.

1. Daß im Berufungsurteil Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) aus dem verneint worden sind, wird von der Revision nicht angegriffen insoweit sind auch keine Rechtsfehler zu erkennen.

2. Im Ergebnis hält auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß der Beklagten zu 2) kein schuldhaftes deliktisches Verhalten im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB vorzuwerfen sei, den Angriffen der Revision stand. Die Beklagte zu 2) hat unter den hier gegebenen Umständen keine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht dadurch verletzt, daß sie die Feuerwerkskörper „Tolle Biene” an Daniel F. verkauft hat.

a) Ein schuldhaftes deliktisches Verhalten der Beklagten zu 2) scheidet allerdings nicht schon deswegen aus, weil der Verkauf der streitgegenständlichen Feuerwerkskörper an Kinder im Grundschulalter kein gesetzliches Verbot auf dem Gebiet des Sprengstoffrechts entgegensteht.

aa) Nach § 22 Abs. 3 Sprengstoffgesetz dürfen explosionsgefährliche Stoffe nicht an Personen unter 18 Jahren überlassen werden. Gemäß § 4 Abs. 3 der Ersten Sprengstoffverordnung findet dieses Verbot keine Anwendung auf den Vertrieb und die Überlassung von pyrotechnischen Gegenständen der Klasse I, in welche die „Tolle Biene” nach dem hier maßgeblichen Zulassungsbescheid aus dem Jahre 1984 eingeordnet war.

bb) Daß ein Produkt in dieser Weise öffentlich-rechtlich ohne Auflagen und Beschränkungen zugelassen worden ist, vermag aber den zivilrechtlich Verkehrssicherungspflichtigen nicht von vornherein zu entlasten. Denn die Verkehrssicherungspflicht kann sich an anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausrichten und zum Schutze bedrohter Rechtsgüter höhere Anforderungen stellen und mehr an Sorgfalt verlangen, als in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen normiert ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 1984 – VI ZR 85/93 – VersR 1985, 64, 65 und vom 7. Oktober 1986 – VI ZR 187/85 – VersR 1987, 102, 103, jeweils m.w.N.).

cc) Aus den dargestellten sprengstoffrechtlichen Normen ergibt sich nichts Abschließendes zu der Frage, wie sich ein, Verkäufer zu verhalten hat, wenn Kinder im Grundschulalter Feuerwerkskörper der Klasse 1 zu erwerben wünschen. Die öffentlich-rechtliche Regelung stellt insoweit nur aufgrund einer abstrakten Gefahrenprüfung vom generellen Verbot des Verkaufs an Personen unter 18 Jahren frei. Die Feuerwerkskörper der Klasse I werden damit den unzähligen „normalen” Produkten aller Art gleichgesetzt, für die der Gesetzgeber keine allgemeine, auf ihrer Gefährlichkeit beruhende und am Alter des Erwerbers ausgerichtete Beschränkung für erforderlich erachtet hat. Damit gelten aber auch für solche Produkte diejenigen Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht, die auch im übrigen für generell frei verkäufliche Produkte jeweils im Hinblick auf konkret erkennbare Gefahrenlagen Geltung beanspruchen.

b) Der Senat hat bereits bei früherer Gelegenheit ausgesprochen, daß es aus deIiktischem Gründen geboten sein kann, auf die Abgabe eines an sich freiverkäuflichen Produkts an Kinder zu verzichten, wenn mit der naheliegenden Gefahr zu rechnen ist, daß die Kinder die auf dem Umfang mit diesem Produkt beruhenden Risiken nicht in gebotener Weise zu beherrschen vermögen und sich oder Dritte in ihren geschützten Rechtsgütern verletzen können (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 1962 – VI ZR 26/62 – NJW 1963, 101: Verkauf eines Wurfpfeils mit Metallspitze an 10-jährigen Jungen; vom 26. Sepzember 1972 – VI ZR 82/71 – VersR 1973, 30. Überlassung von Kaliumchlorat an 15-jährigen Jungen; vom 24. April 1979 – VI ZR 73/78 – NJW 1979, 2309, 2310: Verkauf eines Kraftfahrzeugs an Minderjährigen ohne Fahrerlaubnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß ein Verkäufer, auch ohne daß eine entsprechende Verhaltensregel ausdrücklich normiert ist, die Verantwortung dafür trägt, daß er das von ihm verkaufte Produkt nicht in die Hände eines Erwerbers gibt, bei dem von vornherein eine typische und erhebliche Gefahrenlage zu erkennen ist; in einem solchen Fall muß der Verkäufer das seinerseits Erforderliche tun, um dieser Gefahrenquelle zu begegnen.

c) Auch Feuerwerkskörper sind Produkte, die grundsätzlich ein erhebliches Gefahrenpotential für die Rechtsgüter der Benutzer wie auch unbeteiligter Dritter darzustellen vermögen, und zwar auch dann, wenn sie mich mit behördlicher Erlaubnis im Handel befinden und nach dar ihnen beigefügten Anleitung des Herstellers benutzt werden vgl. hierzu Senatsurteile vom 22. Februar 1966 – VI ZR 206/64 – VersR 1966, 524 und vom 9. Juli 1985 – VI ZR 71/84 – VersR 1985, 1093 f.). Objektiv gefahrbringend in diesem Sinne können, wie nicht nur der vorliegende Fall, sondern darüber hinaus weitere Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, VersR 1996, 118 f.; AG Husum, VersR 1996, 1377), auch solche Feuerwerkskörper sein, die sprengstoffrechtlich bei ihrer Zulassung in die Klasse I eingeordnet worden waren. Besonders in der Hand von Kindern und Jugendlichen, um so mehr, je jünger diese sind, kann sich die Gefahrenlage erhöhen, zumal angesichts des bei diesem Benutzerkreis herabgesetzten Risikobewußtseins und im Hinblick auf den Spieltrieb eher mit unvorsichtiger Handhabung zu rechnen ist.

Wenn und soweit eine derartige objektiv auch bei Feuerwerkskörpern der Klasse I mögliche Gefahrenlage für einen Verkäufer erkennbar ist, kann dieser daher unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht gehalten sein, von einer Abgabe dieser Produkte an Kinder, insbesondere solche, die sich erst im Grundschulalter befinden, abzusehen. Ob und inwieweit in diesem Sinne für einen Verkäufer ein relevantes Risiko bei pyrotechnischen Gegenständen, die sprengstoffrechtlich unbeschränkt verkäuflich sind, als erkennbar anzusehen ist, hängt von den gesamten Umständen das Einzelfalls, insbesondere davon ab, wie das betreffende Produkt vom Hersteller beschrieben und beworben wird und weiche praktischen Erkenntnisse dem Verkäufer über die Handhabung derartiger Feuerwerkskörper und über die insoweit maßgeblichen Verhältnisse der Erwerber zugänglich sind.

d) Unter Berichtigung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht im vorliegenden Fall ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten zu 2) verneint hat.

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist, worauf die Revision mit Recht hinweist, allerdings nicht entscheidend darauf abzustellen, daß ein Feuerwerkskörper ohne Entzündung nicht gefährlich ist und es vorrangig Am Verantwortungsbereich der Erziehungsberechtigten liegt zu verhindern, daß Kinder in den Besitz von Zündmitteln gelangen und, diese unbeaufsichtigt verwenden. Wer Feuerwerkskörper an Kinder verkauft, muß stets damit rechnen, daß sich die Kinder die zum Gebrauch des Erworbenen nötigen Zündmittel zu verschaffen wissen; es liegt in solchen Fällen keineswegs fern, daß die Kinder die Feuerwerkskörper ohne entsprechende Aufsicht benutzen.

Andererseits das Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß einem Verkäufer von Feuerwerkskörpern als Drittem keine Pflichterstellung obliegt, die derjenigen der aufsichtspflichtigen Eltern gegenüber ihren Kindern im Hinblick auf Zündmittel und ähnliches vergleichbar ist; es kann daher auch nicht bereits aus einer derartigen Pflichtenlage ein generelles Verbot hergeleitet werden, frei verkäufliche Feuerwerkskörper der Klasse I an Kinder im Grundschulalter abzugeben (a.A. wohl OLG Düsseldorf VersR 1996, 118, 119). Vielmehr kommt es auf die Erkennbarkeit einer objektiv gegebenen Gefahrenlage im konkreten Fall an.

bb) Wesentlich ist insoweit, daß die Beklagte zu 2) hier vor allem im Hinblick darauf, wie ihre Lieferantin, die frühere Beklagte zu 1), die „Tolle Biene” im Geschäftsverkehr präsentiert hat, die objektiv auch von diesem Feuerwerkskörper angesichts der Stärke des austretenden Feuerstrahls und der Brenndauer ausgehende Gefahrenlage, die gerade für Kinder bestehen kann, nicht hinreichend erkennen konnte und, mußte.

Im Berufungsurteil ist hierzu nicht nur auf die Aufschrift Bezug genommen worden, mit der die Verpackung der streitgegenständlichen Feuerwerkskörper versehen war, sondern auch auf die ein ganzes Sortiment verschiedener Artikel darunter auch die „Tolle Biene”, umfassende Angebotsliste der Beklagten zu 1), die als Anlage zur Klageschrift vorgehe worden ist.

Sowohl auf der Verpackungsaufschrift als auch auf der Angebotsliste wird die Eigenschaft der Produkte als „jugendfrei” betont. Das angebotene Sortiment wird ausdrücklich als „Feuerwerks-Spielwaren” bezeichnet; die zeichnerische Ausgestaltung zeigt Kinder, die ersichtlich dem Grundschulalter nicht entwachsen sind, in einer Darstellung, die den Eindruck des „Spiels” erweckt. Aus dieser Beschreibung und Bewerbung der angebotenen Produkte konnte die Beklagte zu 2) den Schluß ziehen, daß diese Feuerwerkskörper, auch die „Tolle Biene”, jedenfalls in der Hand von Kindern, die aufgrund ihres Alters in der Lage sind, der Gebrauchsanweisung gerecht zu werden, keine unvertretbare Gefahr darstellen; etwas anderes mußte die Beklagte zu 2) – entgegen der Auffassung der Revision auch nicht der Anweisung entnehmen, den Gegenstand nur im Freien zu verwenden und sich nach dem Entzünden rasch zu entfernen. Wenn die frühere Beklagte zu 1) die aus der tatsächlich vorhandenen „Feuerkraft” resultierenden, den Umgang mit derartigen Feuerwerkskörpern anhaftenden Risiken, soweit es um Kinder als Benutzer geht, in der hier geschehenen Weise verharmloste, kann dies nicht zu Lasten der Beklagten zu 2) gehen, die auf dem Gebiet der Pyrotechnik nicht über besondere Fachkenntnisse verfügt und sich daher in erster Linie auf die behördliche Zulassung und auf die Produktangaben der Herstellerin verlassen muß.

cc) Die Beklagte zu 2) hatte auch nicht aus anderen Gründen Anlaß zur Annahme, daß die „Tolle Biene” ein allgemein für Kinder im Grundschulalter relevantes Gefahrenpotential aufweise. Im Berufungsurteil ist beanstandungsfrei festgestellt, daß sich die tatsächlich entfaltete „Feuerkraft” weder aus dem äußeren Anschein noch aus der Größe des einzelnen Produkts erschließt. Es ist auch nichts dafür festgestellt oder ersichtlich, daß der Beklagten zu 2) irgendwelche Erkenntnisse darüber zugänglich gewesen wären, daß sich die „Tolle Biene” anderwärts im praktischen Umgang als nicht gefährlich erwiesen habe.

dd) Die Beklagte zu 2) war auch nicht im Hinblick auf das, was ihr über Daniel F. und seine Freunde, darunter den Kläger, bekannt war oder bekannt sein mußte, gehalten, von einem Verkauf der „Tollen Bienen” an eines dieser Kinder abzusehen.

(a) Unabdingbare Voraussetzung dafür, mit einem Feuerwerkskörper auch der sprengstoffrechtlichen Klasse I angemessen umgehen zu können, ist allerdings, daß der Bewerber die aufgedruckte Gebrauchsanweisung nebst Warnhinweisen lesen und verstehen, sich also danach richten kann. Deshalb kommt eine Abgabe solcher Produkte an Personen, bei denen nicht davor, ausgegangen werden kann, daß sie diese Voraussetzungen erfüllen (etwa Kinder im Vorschulalter oder in der ersten Grundschulklasse) nicht in Betracht. Vorliegend ging es aber – und so stellte sich die Situation auch der Beklagten zu 2) dar – um Kinder im fortgeschrittenen Grundschulalter, bei denen nichts dafür ersichtlich war, daß sie irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Lesen oder Verstehen der Anleitung haben könnten.

(b) Den getroffenen Feststellungen sind ferner keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß der Beklagten zu 2) eine besondere Neigung des Daniel F. oder seiner Freunde zu unachtsamem oder gar aggressivem Verhalten oder zum Zündeln und dergleichen bekannt war od bekannt sein mußte. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es die Verkehrssicherungspflicht erfordert, den Verkauf der „Tollen Bienen” an Daniel F. zu verweigern. Hier jedoch müßte die Beklagte zu 2) nicht mit besonderen Verhaltensauffälligkeiten der Kinder rechnen, erst recht nicht damit, daß sie die Feuerwerkskörper als „Wurfgeschosse” oder in ähnlicher Weise verwenden würden.

III.

Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.05.1998 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 604939

BGHZ, 43

BB 1998, 1918

DB 1998, 2057

NJW 1998, 2436

FamRZ 1998, 1104

JurBüro 1998, 555

WM 1998, 1970

WuB 1998, 1161

ZAP 1998, 643

ZIP 1998, 1193

GewArch 1998, 434

JA 1998, 921

JZ 1999, 48

MDR 1998, 1102

VersR 1998, 1029

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