Leitsatz (amtlich)

a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, die den Auftragnehmer verpflichtet, zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers ausschließlich eine unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen, ist nicht nach § 9 AGBG unwirksam.

b) Wird der Auftragnehmer in einer solchen Klausel verpflichtet, die Bürgschaft gemäß "Muster des Auftraggebers" zu stellen, ist damit in Anlehnung an § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B zum Ausdruck gebracht, dass die Bürgschaft nach Vorschrift des Auftraggebers auszustellen ist. Der Auftraggeber wird nicht berechtigt, die Sicherungsabrede durch das Muster zu ändern.

 

Normenkette

AGBG § 9; VOB/B § 17 Nr. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 20.06.2002)

AG Wiesbaden

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Wiesbaden v. 20.6.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, nachdem diese zwei von der Klägerin gestellte Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch genommen hat, die Rückzahlung der erlangten Beträge.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 18.10.1994 in zwei selbstständigen Verträgen mit den Außen- und Innenputzarbeiten für ein Neubauvorhaben. Die von der Beklagten gestellten Vertragsmuster sehen u. a. eine Gewährleistungszeit von fünf Jahren zzgl. drei Wochen vor. Die VOB/B ist ergänzend vereinbart. Ferner enthalten die Verträge folgende Regelung:

"§ 9 Schlusszahlung, Gewährleistungssicherheit

1. Für die Dauer der Gewährleistungszeit gem. § 6 wird eine Summe i. H. v. 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme in Form einer unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Bank - gemäß Muster des Auftraggebers - gestellt.

2. ... ."

Streitig ist, ob der Klägerin bei Vertragsschluss ein Muster der Bürgschaftsurkunden übergeben worden ist. Dem jedenfalls später übergebenen Muster entsprechend übernahm die N.-Sparkasse zwei Gewährleistungsbürgschaften i. H. v. insgesamt 7.927,32 DM. Die Bürgschaftsurkunden enthalten einen Verzicht auf die Einreden nach den §§ 768, 770, 771 BGB sowie auf das Recht nach § 776 BGB. Ferner heißt es:

"Wir verpflichten uns, bei Inanspruchnahme der Bürgschaft an den Auftraggeber Zahlung zu leisten."

Nach Abnahme der Arbeiten im Mai und Juni 1995 machte die Beklagte Mängel geltend und setzte Fristen zu deren Beseitigung. Das lehnte die Klägerin mit Ausnahme eines Mangels ab. Die Beklagte nahm im Januar 2001 die Bürgschaften in Anspruch. Die Bürgin leistete unter dem Vorbehalt der Rückforderung wegen Nichtbestehens und Verjährung von Gewährleistungsansprüchen. Sie nahm bei der Klägerin Regress und trat ihr die Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte ab.

Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen richtet sich ihre vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der sie weiterhin Klageabweisung erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden materiellen Recht (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Bürgschaften seien ohne Rechtsgrund gegeben worden, die Sicherungsabreden seien wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Es handele sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten. Die Klägerin könne sich insoweit wegen der Gestaltung der Verträge auf den Beweis des ersten Anscheins berufen, den die Beklagte nicht entkräftet habe. Ob die Klauseln die Verpflichtung der Klägerin begründeten, Bürgschaften auf erstes Anfordern zu stellen, könne dahinstehen. Jedenfalls seien sie intransparent. Da auf ein Bürgschaftsmuster des Auftraggebers verwiesen werde, sei aus dem Vertragstext nicht unmittelbar erkennbar, welche Risiken denjenigen träfen, der sich zur Stellung der Bürgschaften verpflichte. Wenn bei Vertragsschluss ein Muster übergeben worden sei, sei die Gesamtregelung auch überraschend. Denn der Vertragspartner müsse nicht damit rechnen, dass das Muster weiter gehende Regelungen als der Vertrag enthalte.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand. Die Sicherungsabreden sind nicht nach dem AGB-Gesetz unwirksam; sie verpflichten die Klägerin, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaften zu stellen. Die Klägerin kann die Rückzahlung der Bürgschaftsbeträge verlangen, wenn der Beklagten keine durch die Bürgschaften gesicherten Ansprüche mehr zustehen.

1. Die Sicherungsabreden sind nicht gem. § 9 AGBG unwirksam.

a) Die Klauseln sind von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Vertragstext ist von der Beklagten vorgegeben und nicht im Einzelnen ausgehandelt worden. Die Revision stellt allerdings die Absicht der Mehrfachverwendung infrage und vermisst Feststellungen, dass die Beklagte gewerblich als Bauträgerin tätig gewesen ist.

Damit hat sie keinen Erfolg. Allerdings bezeichnet das Berufungsgericht die Beklagte als Baubetreuungsunternehmen. Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien war sie dagegen als Bauträgerin tätig. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Der Senat hat im Anschluss an sein den Bauträgervertrag betreffendes Urteil v. 14.5.1992 (BGH, Urt. v. 14.5.1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229 [238] = MDR 1992, 902) entschieden, dass sich aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen ein von dem Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben kann, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert sind. Das könne z. B. dann der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthalte und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt sei (BGH, Urt. v. 27.11.2003 - VII ZR 53/03, BGHReport 2004, 354 = NJW 2004, 502). Diese Grundsätze finden auch auf Baubetreuungsverträge Anwendung.

Die Vertragsklauseln sind weitgehend allgemein und abstrakt gehalten. Bis auf wenige für die individualvertragliche Gestaltung notwendige Ausnahmen, wie die Bezeichnung der beauftragten Arbeiten, des Pauschalpreises und des Arbeitsbeginns, sind sie nicht auf das Bauvorhaben der Beklagten und die Beauftragung der Klägerin zugeschnitten. Sie sind allem Anschein nach für eine Mehrfachverwendung vorformuliert. Diesen Anschein hat die Beklagte nicht widerlegt.

b) Die bisher unterbliebene Auslegung der Sicherungsabreden, die der Senat nachholen kann, ergibt, dass die Klägerin unwiderrufliche, unbefristete, selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaften ohne den Zusatz der Zahlung "auf erstes Anfordern" zu stellen hatte.

Nach § 9 Nr. 1 der Verträge müssen die Bürgschaften unwiderruflich, unbefristet und selbstschuldnerisch sein. Bereits damit ist die Ausgestaltung der Bürgschaften abschließend geregelt. Ein Muster der Beklagten ist insoweit ohne Bedeutung. Mit der Formulierung "gemäß Muster des Auftraggebers" wird zum Ausdruck gebracht, dass in Anlehnung an § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B die Bürgschaften nach Vorschrift des Auftraggebers auszustellen sind. Der Inhalt der Sicherungsabrede wird durch diesen Zusatz nicht berührt; der Auftraggeber ist nicht berechtigt, die Sicherungsabrede durch das Muster zu ändern. Aus dem Urteil des Senats v. 2.3.2000 (BGH, Urt. v. 2.3.2000 - VII ZR 475/98, MDR 2000, 826 = BauR 2000, 1052 [1053] = ZfBR 2000, 332 = NZBau 2000, 285) folgt nichts anderes. Ihm lag eine Sicherungsabrede zu Grunde, die den Inhalt der Gewährleistungsbürgschaft offen ließ und allein auf das Muster des Auftraggebers verwies.

Eine andere Auslegung der Vertragsbestimmungen wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Klägerin bei Vertragsschluss ein Muster der Bürgschaft übergeben worden sein sollte. Die Beschreibung der Bürgschaften im Vertrag stellt sich als eine abschließende Regelung dar. Die Klägerin musste aus ihrer maßgeblichen Sicht als Erklärungsempfängerin die Übergabe des Musters nicht dahin verstehen, dass sich der Inhalt der geschuldeten Bürgschaften nicht nur nach dem Vertragstext, sondern auch nach dem Bürgschaftsmuster richten solle.

c) Mit diesem Inhalt sind die Klauseln nicht intransparent oder überraschend. Sie benachteiligen die Klägerin auch nicht unangemessen. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, die einen durch eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft ablösbaren Sicherheitseinbehalt vorsieht, verstößt nicht gegen § 9 AGBG (BGH, Urt. v. 13.11.2003 -VII ZR 57/02, MDR 2004, 273 = BGHReport 2004, 287 = BauR 2004, 325). Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die in der Zinsbelastung und der Einschränkung der Kreditlinie liegenden Nachteile bei Bereitstellung einer Bürgschaft in Anbetracht der berechtigten Sicherungsinteressen des Auftraggebers nicht als so gewichtig erscheinen, dass ihretwegen die Unwirksamkeit der Klausel angenommen werden müsste. Das gilt in gleicher Weise für den Fall, dass die Bürgschaft wie hier als einziges Sicherungsmittel vereinbart ist.

2. Wie das LG zutreffend festgestellt hat, sind Bürgschaften auf erstes Anfordern gestellt worden. Die Bürgin hat auch auf erstes Anfordern gezahlt. Das allein führt nicht dazu, dass die Beklagte zur Rückzahlung der erhaltenen Beträge verpflichtet wäre. Eine Rückforderung scheidet aus, wenn die Beklagte einen Anspruch auf Verwertung der Bürgschaften hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 [317] = BGHReport 2003, 594 = MDR 2003, 804 = CR 2003, 647 = NZBau 2003, 321 = BauR 2003, 870 = ZfBR 2003, 447).

Nach dem Vortrag der Beklagten stehen ihr durchsetzbare Gewährleistungsansprüche nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B zu. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Klage nicht deshalb ungeachtet etwaiger Mängel i. H. v. 2.767,93 DM begründet, weil die Beklagte diesen Betrag von der Schlussrechnung für die Außenputzarbeiten abgezogen hat und die Bürgschaft erkennbar der Ablösung dieses Sicherheitseinbehalts gedient habe. Auf die vom Senat aufgestellten Grundsätze zum Austauschrecht des Auftragnehmers (vgl. BGH, Urt. v. 13.9.2001 - VII ZR 467/00, BGHZ 148, 151 = MDR 2001, 1347 = BGHReport 2001, 956) kann sich die Klägerin nicht berufen. Ein Sicherheitseinbehalt ist nicht vereinbart worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1128773

DB 2004, 1884

NWB 2004, 1350

BuW 2004, 341

BauR 2004, 841

NJW-RR 2004, 814

EWiR 2004, 683

IBR 2004, 245

WM 2004, 718

WuB 2004, 473

ZAP 2004, 693

ZIP 2004, 667

ZfIR 2004, 369

MDR 2004, 805

ZfBR 2004, 372

BTR 2004, 136

BrBp 2004, 303

KommJur 2004, 232

NJW-Spezial 2004, 70

NZBau 2004, 323

ZBB 2004, 250

BBB 2004, 59

BauRB 2004, 191

ImmoStR 2004, 298

JWO-VerbrR 2004, 121

JbBauR 2005, 355

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