Leitsatz (amtlich)

Haben sich zwei Miteigentümer eines Grundstücks darauf geeinigt, daß einer von ihnen allein das Grundstück nutzen und die Erhaltungsaufwendungen tragen solle, und wird später auf Antrag des anderen das Grundstück versteigert, so kann dieser nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage verpflichtet sein, eine durch die Aufwendungen des Grundstücksbenutzers geschaffene und noch vorhandene Werterhöhung diesem anteilig zu erstatten, soweit sie sich im Versteigerungserlös niedergeschlagen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 748

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 05.02.1991)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 5. Februar 1991 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe eines Betrages von 44.345,97 DM abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Schwester der Beklagten. Im Zusammenhang mit einem Erbfall wurden die Parteien aufgrund eines zwischen ihnen, ihrer Mutter und ihrer Tante geschlossenen Vertrages vom 16. April 1981 je zur Hälfte Eigentümerinnen eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, in dem die Klägerin mit ihrer Familie und die Mutter der Parteien bereits damals wohnten. In dem Vertrag, in dem der Mutter ein lebenslängliches Wohnrecht eingeräumt wurde, hieß es, es sei beabsichtigt, daß die Beklagte einen Anbau an das Haus errichten und diesen mit ihrer Familie beziehen werde; dann solle das Grundstück in zwei Eigentumswohnungen aufgeteilt werden. Diese Pläne wurden nicht verwirklicht. Die Klägerin, die zusammen mit der Mutter im Altbau wohnen blieb, nahm verschiedene Reparaturen und sonstige Bauarbeiten an dem Gebäude vor. Als das Grundstück an das Schmutzwassersiel angeschlossen wurde, vereinbarten die Parteien in einem Vertrag vom 29. August 1982, die Kosten hierfür je zur Hälfte zu tragen; die Klägerin sollte sie jedoch insgesamt vorstrecken, und die Beklagte sollte ihren Anteil erst anläßlich eines damals ins Auge gefaßten Verkaufs ihrer Grundstückshälfte an die Klägerin, spätestens nach Ablauf von fünf Jahren begleichen. Im Jahre 1987 beantragte die Beklagte die Versteigerung des Grundstücks zum Zweck der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft. Die Klägerin und ihr Ehemann ersteigerten das Grundstück am 15. März 1989 für 207.000,– DM.

Die Klägerin hat mit der Klage von der Beklagten Ersatz der Hälfte der von ihr mit 174.779,84 DM bezifferten Aufwendungen für das Haus verlangt; darin waren die Kosten für den Sielanschluß enthalten. Das Landgericht hat der Klage im Hinblick auf diese letztgenannten Aufwendungen in Höhe von 8.992,42 DM nebst Zinsen stattgegeben; im übrigen hat es sie abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung, mit der die Klägerin den Klageanspruch in Höhe von 78.397,45 DM weiterverfolgt und hilfsweise beantragt hat, die Beklagte zur Einwilligung in die Freigabe von 44.345,97 DM aus dem noch hinterlegten Teil des Versteigerungserlöses zu verurteilen, insgesamt zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin hat der Senat nur angenommen, soweit die Zahlungsklage in Höhe eines Betrages von 44.345,97 DM abgewiesen worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt im Umfang des mit ihr noch weiterverfolgten Zahlungsantrags zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach § 748 BGB haben die Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft unter anderem die Kosten der Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen. Darauf gründet die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch, die Beklagte habe ihr die Hälfte ihrer Aufwendungen für die von ihr durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen zu erstatten. Die Regelung des § 748 BGB kann indessen abbedungen werden. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Parteien dies im Vertrag vom 16. April 1981 getan hätten. Es hat den darin enthaltenen Vereinbarungen entnommen, daß jede der Parteien die Lasten und Kosten des von ihr genutzten Grundstücksteils allein tragen sollte, die Klägerin also im wesentlichen alle Kosten, solange es den geplanten Anbau nicht gab und sie das Grundstück mit ihrer Familie und der Mutter der Parteien allein bewohnte; das Wohnrecht der Mutter sollte nach ausdrücklicher Vertragsbestimmung ganz zu Lasten der Klägerin gehen. Das Berufungsgericht hat sich in diesem Verständnis der getroffenen Vereinbarungen dadurch bestätigt gesehen, daß die Klägerin in den folgenden Jahren bis zur Versteigerung des Grundstücks im Jahre 1989 weder Miete noch sonstiges Nutzungsentgelt gezahlt und die Beklagte ihrerseits solche Leistungen auch nicht verlangt hat. Schließlich hat es sich noch darauf gestützt, daß über die Beteiligung der Beklagten an den Kosten des Anschlusses an das Schmutzwassersiel am 29. August 1982 ein eigener Vertrag geschlossen worden ist; das zeige, daß die Beklagte die sonstigen Aufwendungen der Klägerin nicht habe mittragen sollen.

Die Revision wendet ein, die Kostentragungspflicht der Klägerin habe nur für den Fall gelten sollen, daß die gemeinsamen Bebauungs- und Nutzungsabsichten verwirklicht wurden. Die langfristige Nutzung des Wohnhauses durch die Klägerin sei jedoch dadurch vereitelt worden, daß die Beklagte den geplanten Anbau nicht verwirklicht und statt dessen die Versteigerung des Grundstücks betrieben habe. Damit sei auch ihre Pflicht, die Kosten allein zu tragen, entfallen. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Revisionsvorbringen zielt auf eine ergänzende Vertragsauslegung ab. Eine solche kann aber nicht dazu führen, daß die Pflicht der Klägerin zur Kostentragung nachträglich entfällt. Sie hat immerhin mit ihrer Familie das Grundstück acht Jahre lang bis zu dessen Versteigerung unter Ausschluß der Beklagten genutzt, ohne dafür eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Es wäre bei dieser Sachlage unangemessen, die Beklagte ohne weiteres zur vollen Hälfte an den Kosten der Instandsetzungsmaßnahmen zu beteiligen. Ernstlich in Betracht kommen kann nur, die grundsätzliche Kostentragungspflicht der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen im Hinblick darauf zu reduzieren, daß sie das Grundstück als Gemeinschaftseigentum nur verhältnismäßig kurze Zeit nutzen konnte. Eine solche Herabsetzung läßt sich aber mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung nicht erreichen.

2. Die Revision greift das Berufungsurteil in erster Linie mit der Erwägung an, die Beklagte müsse die Vorteile, die sie infolge der Baumaßnahmen erhalten habe, als ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben, weil das Vertragsverhältnis mit der Klägerin vorzeitig beendet worden sei. Darin liegt ein richtiger Kern, soweit sich die Aufwendungen der Zeit nach Vertragsende sollten zuordnen lassen und in dem Wert niedergeschlagen haben, den das Grundstück bei Beendigung des Vertrages hatte. Die Pflicht zur Herausgabe eines etwaigen derartigen Vermögenswerts läßt sich indessen nicht aus dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung herleiten. Die Lage ähnelt in rechtlicher Hinsicht derjenigen bei verlorenen Baukostenzuschüssen. Für sie hat die Rechtsprechung einen Anspruch wegen Zweckverfehlung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BGB) verneint – der Zweck ist immerhin für die Dauer der Nutzungszeit erreicht worden – und einen Anspruch wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes (§ 812 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB) nur unter der Voraussetzung bejaht, daß der Mietvertrag auf eine bestimmte längere Zeit geschlossen worden ist (vgl. BGHZ 29, 289, 293 f.; BGH, Urt. v. 21. Januar 1960 – VIII ZR 16/59, LM BGB § 812 Nr. 41; für den Fall vom Umbauaufwendungen des Mieters Urt. v. 22. Mai 1967 – VIII ZR 25/66, NJW 1967, 2255 f.). In diesem letzteren Fall lassen sich die Leistungen mit Mietvorauszahlungen vergleichen, die bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses nach Bereicherungsrecht zurückzuerstatten sind, soweit sie auf die Zeit danach entfallen (§ 557a Abs. 1 BGB). Ist ein Vertragsverhältnis dagegen auf unbestimmte Zeit geschlossen – so ist es im vorliegenden Fall –, dann lassen sich diese Grundsätze nicht anwenden.

3. Die Klage kann jedoch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründet sein.

a) Ein Vermögenswert, den ein Ehegatte dem anderen, mit dem er im Güterstand der Gütertrennung lebt, im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe zuwendet, kann, soweit er dann noch vorhanden ist, nach Scheidung der Ehe unter Billigkeitsgesichtpunkten auszugleichen sein (BGH, Urt. v. 4. November 1987 – IVb ZR 100/86, BGHR BGB § 242 – Geschäftsgrundlage 8). Gleiches kann auch sonst insbesondere unter Familienangehörigen bei einer erheblichen Veränderung der allgemeinen Verhältnisse in Betracht kommen, die für die Gewährung der Leistungen des einen an den anderen maßgebend waren (BGHZ 25, 293, 298 f.; BGH, Urt. v. 11. Februar 1988 – III ZR 217/86, BGHR BGB § 242 – Geschäftsgrundlage 10). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nach ihrem Vortrag ins Gewicht fallende Sanierungsmaßnahmen in der auch der Beklagten erkennbaren Erwartung durchgeführt, daß sie in dem Gebäude auf Dauer mit ihrer Familie werde wohnen dürfen. Diese Leistungen sind, soweit sie über die laufenden Kosten hinausgingen und zu einer Erhöhung des Grundstückswerts geführt haben sollten, auch der Beklagten als Miteigentümerin zugute gekommen. Das entsprach zunächst den gemeinsamen Vorstellungen der Parteien; die Beklagte hatte von dem – in der Revisionsinstanz zu unterstellenden – Wertzuwachs keinen greifbaren Vorteil, weil sie das Gebäude nicht selbst nutzen, sondern auf die Nutzung des von ihr allein zu errichtenden Anbaus beschränkt sein sollte. Eine Unbilligkeit trat auch dann noch nicht ein, als die Beklagte ihre Anbaupläne aufgab; das alleinige Nutzungsrecht der Klägerin an dem Gebäude blieb davon unberührt. Das änderte sich aber mit der Versteigerung des Grundstücks. Die Klägerin hat dieses zwar – zusammen mit ihrem Eheman – ersteigert und kann mit ihrer Familie auch weiterhin in dem Gebäude wohnen. Sie hat aber mit dem Versteigerungserlös anteilig der Beklagten auch den Gebäudewert vergütet, den sie selbst durch die von ihr finanzierten Instandhaltungsmaßnahmen geschaffen hatte. Damit ist der Beklagten ein in barem Geld bestehender Vermögenswert zugeflossen, der ihr nach Sinn und Zweck der im Jahre 1981 getroffenen Vereinbarungen nicht zustehen sollte. Es entspricht der Billigkeit, den Vertrag in der Weise den neuen Gegebenheiten anzupassen, daß die Beklagte der Klägerin jenen Wert erstattet.

b) Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen unter Beweisantritt behauptet, das Grundstück wäre im Zeitpunkt der Versteigerung weniger wert gewesen, wenn die Sanierungsmaßnahmen nicht durchgeführt worden wären. Das Berufungsgericht hat zwar anscheinend gemeint, dieses Vorbringen sei nicht schlüssig, weil die Klägerin selbst auch vorgetragen habe, es habe sich ausschließlich um notwendige Verwendungen gehandelt, die zur Erhaltung der Bausubstanz dringend geboten gewesen seien. Bei der Bezeichnung als “notwendige Verwendungen” handelte es sich jedoch, wie die Revision der Sache nach zu Recht geltend macht, lediglich um eine rechtliche Wertung, mit der nicht gesagt werden sollte, die Baumaßnahmen hätten den Wert des Grundstücks nicht erhöht; das Gegenteil hat die Klägerin ausdrücklich behauptet. Nach dem – im übrigen, soweit ersichtlich, unstreitigen – Sachvortrag der Klägerin sind unter anderem neue Fenster eingebaut worden, weil die alten zu klein waren; das Obergeschoß hat eine Küche und ein Bad erhalten, die vorher dort nicht vorhanden waren. Die Beklagte hat ihrerseits den überwiegenden Teil der Arbeiten als solche zur “Umstrukturierung” im Hinblick auf die “konkrete Wohnsituation” der vierköpfigen Familie und der Mutter der Parteien und zur Steigerung des Wohnkomforts gekennzeichnet. Auf der Grundlage dieses Prozeßstoffs muß durch Erhebung der angebotenen Beweise geprüft werden, inwieweit die Bauarbeiten über reine Erhaltungsmaßnahmen hinausgingen und zu einer Erhöhung des Gebäudewerts geführt haben und inwieweit sich ein etwaiger Wertzuwachs im Versteigerungserlös niedergeschlagen hat. Soweit dies der Fall ist, gebührt der Mehrerlös der Klägerin allein.

Der Senat hat freilich bereits bei der Entscheidung über die Teilannahme berücksichtigt, daß die Klägerin im Anschluß an das im Versteigerungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen F…, das sie sich zu eigen gemacht hat, den auf den Gebäudewert entfallenden Anteil des Versteigerungserlöses auf 88.691,93 DM (204.279,92 DM – 115.587,99 DM) beziffert hat. Die Parteien streiten nicht darüber, daß der Klägerin (und ihrem Ehemann) die Hälfte dieses Betrages zusteht. Die Klage kann deshalb im für die Klägerin günstigsten Fall nur in Höhe von – weiteren – 44.345,97 DM begründet sein. Das entspricht dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie in dieser Höhe die Einwilligung der Beklagten in die Freigabe des beim Amtsgericht hinterlegten Betrages von 93.421,59 DM verlangt. Ob ein solcher Anspruch besteht, spielt für die Entscheidung keine Rolle, weil die Klägerin in erster Linie Zahlung verlangt.

4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die nach den Ausführungen zu 3b noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können.

 

Unterschriften

Boujong, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz, Dr. Goette

 

Fundstellen

Haufe-Index 1377492

NJW 1992, 2282

BGHWarn 1992, 369

ZIP 1992, 1003

DNotZ 1993, 116

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