Leitsatz (amtlich)

Eine in einem formularmäßigen Pachtvertrag über gewerbliche Räume enthaltene Klausel, die den Verpächter zur fristlosen Kündigung berechtigt, „wenn der Pächter mit der Zahlung einer Pachtzinsrate ganz oder teilweise länger als einen Monat nach Zahlungsaufforderung trotz schriftlicher Mahnung im Rückstand ist”, ist unwirksam,

Gleichwohl muß der Verpächter bei fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzuges das in der unwirksamen Klausel hierfür vorgesehene Verfahren (Zahlungsaufforderung, schriftliche Mahnung) einhalten.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 554; AGBG § 9

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 28.01.1986)

LG Heidelberg (Urteil vom 14.06.1985)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden die Urteile der 7. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 14. Juni 1985 und des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Januar 1986 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Räumung der Hotel-Gaststätte „K.” in H. und die Herausgabe des Inventars.

Am 14. Februar 1981 verpachtete der Rechtsvorgänger der Klägerin mit einem formularmäßig ausgestalteten Mustervertrag des Landesverbandes des Hotel- und Gaststättengewerbes in B. W. e.V. das Hotel- und Gaststättenanwesen nebst Inventar mit Wirkung vom 1. März 1981 auf die Dauer von fünf Jahren an die Beklagten. Den Pächtern wurde für die Zeit nach Pachtende eine Option für weitere fünf Jahre eingeräumt, von der sie inzwischen Gebrauch gemacht haben. Hinsichtlich der Pachtdauer enthält § 2 des Pachtvertrages u. a. folgende weitere Regelungen:

  1. „…
  2. Das Pachtverhältnis kann mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden, erstmals zum 28. Februar 1986. Erfolgt keine Kündigung, die durch eingeschriebenen Brief ausgesprochen werden muß, so verlängert sich das Pachtverhältnis um ein weiteres Jahr.

  3. Abgesehen von der Beendigung des Pachtvertrages gemäß Ziffer 2 ist der Verpächter zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn

    • der Pächter mit der Zahlung einer Pachtzinsrate ganz oder teilweise länger als einen Monat nach Zahlungsaufforderung trotz schriftlicher Mahnung im Rückstand ist,
  4. …”

In § 3 Nr. 1 des Pachtvertrages wurde ein monatlicher Pachtzins von 4.500,– DM vereinbart. Nach § 3 Nr. 3 des Pachtvertrages war der Pachtzins bis zum dritten Werktag des laufenden Monats auf ein näher angegebenes Konto des Verpächters zu überweisen. Nach § 3 Nr. 4 des Pachtvertrages waren beide Parteien berechtigt, eine angemessene Anpassung des Pachtzinses an die geänderten Verhältnisse zu verlangen, wenn sich der näher bezeichnete Lebenshaltungskostenindex um mehr als 10 % geändert haben sollte. Mit Schreiben vom 4. Juli 1983 verlangte die Klägerin unter Berufung auf eine entsprechende Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes eine Erhöhung des Pachtzinses von bisher 4.500,– DM auf 4.969,– DM ab 1. August 1983. Die Beklagten zahlten ab August 1983 den erhöhten Pachtzins vorbehaltlos bis einschließlich November 1984.

Den Pachtzins für den Monat Dezember 1984 bezahlten die Beklagten zunächst nicht. Mit Einschreiben vom 19. Dezember 1984 verlangte die Klägerin sofortige Zahlung. Dieses Schreiben wurde einem Empfangsberechtigten der Beklagten am 10. Januar 1985 ausgehändigt. Mit Schreiben vom 7. Januar 1985 ließ die Klägerin das Pachtverhältnis durch ihre Anwälte wegen Zahlungsverzuges fristlos kündigen. Das Kündigungsschreiben ging den Beklagten am 10. Januar 1985 zu. Die jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erhielten eine beglaubigte Fotokopie des Kündigungsschreibens bereits am 8. Januar 1985 und informierten die Beklagten umgehend. In deren Auftrag versuchte einer der von den Beklagten bevollmächtigten Rechtsanwälte noch am 8. Januar 1985, den rückständigen Pachtzins zunächst an die Klägerin und sodann an deren Sohn in bar zu zahlen; die Übergabe des Geldbetrages scheiterte jedoch. Am 9. Januar 1985 zahlten die Beklagten auf den für Dezember 1984 und Januar 1985 rückständigen Pachtzins 10.000,– DM auf ein Konto des Sohnes der Klägerin bei einer an dessen und der Klägerin Wohnort ansässigen Bank ein, davon 1.000,– DM ohne Anerkennung einer Rechtspflicht; der Betrag wurde der Klägerin am 14. Januar 1985 gutgeschrieben.

Im Februar 1985 erhob die Klägerin Räumungsklage, Nachdem die Beklagten für Februar und März 1985 nur jeweils 4.500,– DM, nicht jedoch die Erhöhungsbeträge von 469,– DM gezahlt hatten, stützte die Klägerin mit Prozeßschriftsatz vom 14. März 1985 ihre fristlose Kündigung auch auf diese Zahlungsrückstände. Am 3. April 1985 wurde dem Konto der Klägerin ein Betrag von 469,– DM als Nachzahlung für den Monat März und am 15. Mai 1985 ein Betrag von 419,– DM für den Monat Februar 1985 gutgeschrieben.

Die Klägerin hat ihr Herausgabe- und Räumungsbegehren in erster Linie auf die fristlose Kündigung mit Datum vom 7. Januar 1985, hilfsweise auf diejenige im Schriftsatz vom 14. März 1985 gestützt. Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, der rückständige Pachtzins für Dezember 1984 und Januar 1985 sei vor Zugang der ersten Kündigung der Klägerin gezahlt worden. Beide Kündigungen seien zudem nicht wirksam, weil die Klägerin das vertraglich vorgesehene Verfahren (Zahlungsaufforderung und eine mindestens einen Monat später erfolgende fruchtlose Mahnung) nicht eingehalten habe. Im übrigen hätten sie im Zeitpunkt der Kündigungen aufgrund gezahlter aber nicht geschuldeter Grundbesitzabgaben ein Guthaben von mindestens 15.000,– DM bei der Klägerin gehabt. Schließlich sei der Pachtzins seit Juli 1984 dadurch um etwa 12 % gemindert gewesen, daß ihnen vom Sohn der Klägerin die Nutzung von drei Mansardenzimmern im Dachgeschoß des Hotelgebäudes untersagt worden sei.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage; die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

A) Das Berufungsgericht führt aus, die mit dem 7. Januar 1985 datierte Kündigung der Klägerin sei schon deswegen unwirksam, weil im Kündigungszeitpunkt entgegen § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages noch nicht ein Monat seit der vorangegangenen Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 19. Dezember 1984 verstrichen gewesen sei. Hingegen habe die im Schriftsatz vom 14. März 1985 enthaltene abermalige fristlose Kündigung der Klägerin den Pachtvertrag beendet. Die Beklagten seien zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung der Pachterhöhungsbeträge von je 469,– DM für Februar und März 1985 im Rückstand gewesen. Sie hätten sich durch die vorbehaltlose Zahlung des von der Klägerin ab August 1983 geforderten Pachtzinses mit dessen Erhöhung einverstanden erklärt. Durch die ebenfalls zunächst widerspruchslose Zahlung der erhöhten Grundbesitzabgaben sei auch insoweit eine entsprechende Partei Vereinbarung zustande gekommen; jedenfalls hätten die Beklagten mit dem nunmehr geltend gemachten Rückzahlungsanspruch weder aufgerechnet noch die teilweise Nichtzahlung des Pachtzinses für Februar und März 1985 mit der angeblichen Überzahlung hinsichtlich der Grundbesitzabgaben begründet. Ob „Minderungsansprüche” wegen Nichtbenutzbarkeit der Mansardenzimmer bestünden, könne offenbleiben, weil die Beklagten den Rückstand mit Teilen des Pachtzinses für Februar und März 1985 weder reit derartigen Ansprüchen begründet noch hiermit „aufgerechnet” hätten. Einer vorherigen Zahlungsaufforderung und anschließenden schriftlichen Mahnung der Klägerin gemäß § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages habe es nicht bedurft, weil die Beklagten mit Schriftsatz vom 28. Februar 1985 die Zahlung der Erhöhungsbeträge von monatlich 469,– DM endgültig abgelehnt hätten. Die Kündigungsklausel in § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages sei allerdings „in Anlehnung an § 554 BGB” dahin auszulegen, daß nur Rückstände in nicht unerheblicher Höhe die fristlose Kündigung rechtfertigten. Der Rückstand von 2 × 469,– DM sei indessen erheblich gewesen, zumal die Beklagten sich zuvor grundsätzlich geweigert hätten, diese Teilbeträge künftig zu zahlen, und kurz zuvor mit dem Pachtzins für Dezember 1984 in Verzug gewesen seien.

B) Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

I. Daß das Berufungsgericht die Kündigung der Klägerin vom 7. Januar 1985 für unwirksam erklärt hat, nimmt die Revision als ihr günstig hin. Insoweit ist die Ansicht des Berufungsgerichts im Ergebnis auch zutreffend.

1. Allerdings hatten die Beklagten am 7. Januar 1985 den Pachtzins für zwei aufeinanderfolgende Termine (§ 554 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 581 Abs. 2 BGB), nämlich die am 3. Dezember 1984 und am 3. Januar 1985 fälligen Raten, nicht bezahlt. Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß die Beklagten nach dem auf § 3 Nr. 4 des Pachtvertrages gestützten Schreiben der Klägerin vom 4. Juli 1983 einen von 4.500,– DM auf 4.969,– DM erhöhten Pachtzins schuldeten, Ob der Pachtzins im Zeitpunkt der Kündigung wegen Nichtbenutzbarkeit der Mansardenzimmer gemäß § 537 Abs. 1 BGB gemindert war oder ob der Zahlungsverzug der Beklagten, wie die Revision geltend macht, wegen des Bestehens aufrechenbarer Gegenansprüche auf Rückzahlung überhöhter Grundbesitzabgaben ganz oder jedenfalls teilweise ausgeschlossen war, bedarf keiner Entscheidung. Offenbleiben kann auch, ob die Klägerin, wie das Landgericht angenommen hat, vor dem Wirksamwerden der Kündigung dadurch befriedigt wurde (§ 554 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder sich jedenfalls gemäß § 242 BGB als befriedigt behandeln lassen muß, daß die Beklagten am 9. Januar 1985 10.000,– DM auf das Konto des Sohnes der Klägerin bei einer an dessen und der Klägerin Wohnort ansässigen Bank einzahlten. Denn das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Kündigung vom 7. Januar 1985 jedenfalls deswegen unwirksam ist, weil die Klägerin das nach dem Pachtvertrag für den Fall der fristlosen Kündigung vorgesehene Verfahren nicht eingehalten hat,

2. a) Nach § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages setzt die „außerordentliche Kündigung” wegen Zahlungsrückstandes des Pächters eine „Zahlungsaufforderung” sowie eine „schriftliche Mahnung” des Verpächters in zeitlichem Abstand von mindestens einem Monat voraus. Beide Vorinstanzen gehen in Übereinstimmung mit den Parteien davon aus, daß diese Vertragsbestimmung das Recht des Verpächters zur außerordentlichen fristlosen Kündigung regelt; dies ist angesichts des Wortsinnes und Zusammenhanges der Klausel, insbesondere der abgrenzenden Bezugnahme auf die in § 2 Nr. 2 des Vertrages geregelte ordentliche befristete Kündigung, nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der genannten formellen Voraussetzungen für die fristlose Kündigung ist der insoweit eindeutige Wortlaut der Klausel, wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, einer abweichenden Interpretation nicht zugänglich; hiergegen wendet sich die Klägerin in der Revisionserwiderung auch nicht mehr.

b) Die Klausel gemäß § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages ist allerdings unwirksam; sie hält der Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz nicht stand:

aa) Der formularmäßig ausgestaltete Pachtvertrag ist, wie im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden ist, von dem Rechtsvorgänger der Klägerin ausgefüllt und den Beklagten zur Unterzeichnung vorgelegt worden; Verwender i. S. des AGB-Gesetzes ist daher die Klägerin.

bb) Die Kündigungsklausel in § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages benachteiligt die Beklagten hinsichtlich der Voraussetzungen für die fristlose Kündigung des Verpächters in unangemessener Weise (§ 9 Abs. 1 AGB-Gesetz). Sie regelt die fristlose Kündigung des Verpächters für den Fall des Zahlungsrückstandes des Pächters, Von § 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB weicht die Klausel zum Nachteil des Pächters in dreierlei Hinsicht ab: Sie ermöglicht die fristlose Kündigung des Verpächters schon bei einem teilweisen Rückstand mit nur einer Pachtrate, und zwar auch dann, wenn der Rückstand nur unerheblich ist, und läßt schließlich auch den unverschuldeten Zahlungsrückstand genügen (vgl. zum letztgenannten Punkt Senatsurteil BGHZ 96, 182, 191 f m.Nachw.). Daß die Klausel damit von „wesentlichen Grundgedanken” (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz) der gesetzlichen Regelung abweicht, kann nicht zweifelhaft sein. Der Zweck der Vorschrift besteht in dem Schutz des Mieters/Pächters vor fristloser Vertragsbeendigung bei nur geringfügigem oder ganz kurzfristigem Zahlungsrückstand (Staudinger/Emmerich 12. Aufl. 1981 § 554 – 2. Bearbeitung – Rdn. 1). Er darf durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht angetastet werden. Daher müssen dem Mieter/Pächter nachteilige formularmäßige Abweichungen von der Regelung des § 554 Abs. 1 BGB regelmäßig als unangemessen angesehen werden (Staudinger/Emmerich aaO § 554 Rdn. 44 d; Hensen in: Ulmer/Brandner/Hensen aaO Anhang §§ 9 bis 11 Rdn. 509 a.E.; Wolf in: Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 1984, § 9 Rdn. M 47; Schlosser aaO § 9 Rdn. 149; Graf von Westphalen aaO Bd. III „Miet-AGB” Rdn. 60 bis 61); bei der vorliegend gegebenen Kumulierung mehrerer derartiger Abweichungen gilt dies im besonderen Maße.

Diese mit dem Leitbild von Miet- und Pachtverträgen unvereinbare Benachteiligung des Pächters wird auch nicht dadurch ausgeglichen, daß die Klausel andererseits die fristlose Kündigung des Verpächters an gegenüber § 554 Abs. 1 BGB erschwerte Voraussetzungen, nämlich eine Zahlungsaufforderung und eine zusätzliche, frühestens einen Monat später mögliche schriftliche Mahnung des Verpächters knüpft. Es mag sein, daß ein nach Zahlungsauffordung und zusätzlicher Mahnung des Verpächters immer noch vorhandener Zahlungsrückstand des Pächters nur in Ausnahmefällen als unverschuldet anzusehen sein wird; ausgeschlossen ist dies aber nicht, etwa bei von ihm nicht zu vertretenden Fehlern bei der Zahlungsübermittlung oder entschuldbaren Irrtümern über die Zahlungspflicht oder die Berechnung von Pachtzins oder Nebenkosten. Vor allem aber bleibt es dabei, daß die Klausel die fristlose Kündigung des Verpächters bei Rückstand des Pächters mit nur einer Pachtzinsrate oder unwesentlichen Teilen von einer oder zwei aufeinanderfolgenden Raten ermöglicht, was nach § 554 Abs. 1 BGB – auch nach Zahlungsaufforderung und nachfolgender Mahnung des Vermieters – nicht der Fall ist.

cc) Das Berufungsgericht legt die Klausel in § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages dahin aus, daß nur ein Rückstand mit einem nicht unerheblichen Teil des Pachtzinses die fristlose Kündigung rechtfertige. Dadurch kann die Unwirksamkeitsfolge des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz jedoch nicht beseitigt werden. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes überhaupt noch eine restriktive Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulässig ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 96, 182, 192 vor cc m.Nachw.), mag dahinstehen, denn darum handelt es sich hier nicht. Für die vom Berufungsgericht vorgenommene „Auslegung” bietet der Wortlaut der Klausel keinerlei Anhaltspunkte. Auch sonstige Umstände, die eine derartige Wertung nahelegen könnten, nennt das Berufungsgericht nicht, sie sind weder von den Parteien vorgebracht noch sonst ersichtlich. Insbesondere geht es hier nicht darum, etwa Ausnahmefälle, auf die die Klausel ersichtlich nicht zugeschnitten ist (vgl. dazu z. B. Lindacher in: Wolf/Horn/Lindacher aaO § 5 Rdn. 17), oder in denen die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, als von ihr nicht erfaßt anzusehen. Vielmehr will das Berufungsgericht, wie seine Formulierung (Auslegung „in Anlehnung an § 554 BGB”) deutlich zeigt, das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit des Miet-/Pachtzinsrückstandes (§ 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in die Klausel hineininterpretieren, um sie mit derart eingeschränktem Inhalt aufrechtzuerhalten. Das aber ist nichts anderes als eine geltungserhaltende Reduktion, die nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. BGHZ 84, 109, 115; 86, 284, 297 und 96, 18, 25) nicht zulässig ist.

c) Obwohl die Klausel, weil sie die Kündigungsvoraussetzungen abweichend von § 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB regelt, unwirksam ist und deshalb das Gesetz an ihre Stelle tritt (§ 6 Abs. 2 AGB-Gesetz), muß sich die Klägerin als Verwenderin an dem in dem von ihr selbst eingeführten Formularvertrag geregelten Verfahren für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges festhalten lassen. Auf die Einhaltung dieses Verfahrens, das ihrem Schutze dient, durften sich die Beklagten verlassen, § 242 BGB (vgl. Senatsurteil BGHZ 94, 44, 47).

d) Die in § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages niedergelegten formellen Voraussetzungen für die fristlose Kündigung durch die Klägerin waren, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nicht gegeben. Unabhängig von den unter den Parteien streitigen Zeitpunkten des Zugangs der Zahlungsaufforderung vom 19. Dezember 1984 und der Kündigung vom 7. Januar 1985 war schon die in der Klausel vorgesehene Monatsfrist seit Zahlungsaufforderung noch nicht verstrichen; eine zusätzliche schriftliche Mahnung ist überhaupt nicht erfolgt.

II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Pachtvertrag aber mit ihrem Schriftsatz vom 14. März 1985 wegen Rückstandes der Beklagten mit Teilbeträgen des geschuldeten Pachtzinses von je 469,– DM für die Monate Februar und März 1985 wirksam gekündigt. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

1. Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß die entsprechend § 2 Nr. 2 des Pachtvertrages etwa erforderliche Schriftform dadurch gewahrt ist, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts eine beglaubigte Abschrift des die fristlose Kündigung enthaltenden Schriftsatzes erhalten hat (vgl. BGH Beschluß vom 4. Juli 1986 – V ZR 41/86 – WM 1986, 1419, 1420 unter 3.).

2. Ferner kann auch in diesem Zusammenhang zugunsten der Klägerin unterstellt werden (vgl. insoweit schon oben unter B I 1), daß die aufgrund § 3 Nr. 4 des Pachtvertrages von der Klägerin mit Schreiben vom 4. Juli 1983 vorgenommene Erhöhung des Pachtzinses auf 4.969,– DM zu einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung der Beklagten führte, daß der Pachtzins nicht wegen Unbenutzbarkeit der Mansardenzimmer gemindert und der Zahlungsverzug der Beklagten nicht durch das Bestehen aufrechenbarer Gegenansprüche wegen zuviel gezahlter Grundbesitzabgaben ausgeschlossen war. Für die Monate Februar und März 1985 hatten die Beklagten im Zeitpunkt der erneuten fristlosen Kündigung der Klägerin die Differenzbeträge zwischen dem ursprünglich vereinbarten und dem später erhöhten Pachtzins von 2 × 469,– DM nicht gezahlt. Allerdings führte die unstreitige Zahlung der Beklagten von 10.000,– DM im Januar 1985 gegenüber dem damals allenfalls geschuldeten Pachtzins für Dezember 1984 und Januar 1985 von 2 × 4.969,– DM = 9.938,– DM zu einer Überzahlung der Beklagten von 62,– DM, so daß im Zeitpunkt der erneuten fristlosen Kündigung im für die Beklagten ungünstigsten Fall ein Rückstand von (2 × 469,– DM – 62,– DM =) 876,– DM bestand.

3. a) Ob dieser Rückstand „nicht unerheblich” (§ 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB) war, und ob hierfür der Gesamtrückstand maßgebend ist oder der an jedem einzelnen Zahlungstermin rückständige Teilbetrag in Beziehung zu dem an diesem Termin geschuldeten Miet- bzw. Pachtzins zu setzen ist (vgl. einerseits Palandt/Putzo, BGB 46. Aufl. 1987 § 554 Anm. 2 a aa; Staudinger/Emmerich aaO § 554 Rdn. 10; Both NJW 1970, 2197 f.; andererseits z. B. RGZ 86, 334, 335; BGB-RGRK/Gelhaar 12. Aufl. 1978 § 554 Rdn. 8; Soergel/Kummer 11. Aufl. 1980 § 554 Rdn. 3; Erman/Schopp 7. Aufl. 1981 § 554 Rdn. 4; Roquette Mietrecht § 554 Rdn. 3), bedarf keiner Entscheidung.

b) Denn auch die mit Schriftsatz vom 14. März 1985 ausgesprochene erneute fristlose Kündigung ist unwirksam, weil die Klägerin das hierfür nach § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages erforderliche Verfahren (vgl. dazu vorstehend unter B I 2 a und c) nicht eingehalten hat. Eine vorherige Zahlungsaufforderung und schriftliche Mahnung seitens der Klägerin sind auch diesmal nicht erfolgt.

c) Das Berufungsgericht meint allerdings, eine Zahlungsaufforderung und schriftliche Mahnung der Klägerin seien hier als zwecklose Förmlichkeiten unnötig gewesen, weil die Beklagten zuvor die weitere Zahlung der Pachtzins-Erhöhung von 469,– DM ernsthaft und endgültig abgelehnt hätten. Dies entnimmt das Berufungsgericht dem Schriftsatz der Beklagten vom 28. Februar 1985, worin es heißt, die Beklagten würden den Erhöhungsbetrag nicht mehr zahlen, da die entsprechende Bestimmung im Pachtvertrag (§ 3 Nr. 4) unwirksam sei.

Die Revision beanstandet demgegenüber mit Recht, daß das Berufungsgericht bei dieser Wertung unstreitige entscheidungserhebliche Tatsachen nicht berücksichtigt hat:

Durch die nach § 2 Nr. 4 des Pachtvertrages zunächst erforderliche Zahlungsaufforderung und schriftliche Mahnung des Verpächters wird der mit der Pachtzinszahlung im Rückstand befindliche Pächter vor die Wahl gestellt, entweder die fristlose Kündigung des Pachtvertrages auf sich zu nehmen oder diese Folge durch nachträgliche Erfüllung doch noch abzuwenden. Entbehrlich können diese Maßnahmen des Verpächters daher – ähnlich wie die Mahnung des Gläubigers für den Eintritt des Schuldnerverzuges und die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung für die Rechtsfolgen des § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. z. B. Senatsurteil vom 18. September 1985 – VIII ZR 249/84 = HJW 1986, 661 = WM 1985, 1497, 1498 m.w.Nachw.) – nur dann sein, wenn die Erfüllungsverweigerung des Pächters als dessen letztes Wort aufzufassen ist und eine Änderung seines Entschlusses ausgeschlossen erscheint. Dies ist nicht ohne weiteres schon dann der Fall, wenn rechtliche Zweifel an dem Umfang der Verpflichtung geäußert werden (vgl. BGH Urteil vom 11./12. Mai 1971 – V ZR 185/67 = DB 1971, 1203). Hieran gemessen ist schon die Wertung der erwähnten Erklärung im Schriftsatz der Beklagten vom 28. Februar 1985 als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung nicht unbedenklich, zumal da die Beklagten kurz zuvor im außerprozessualen Schreiben ihrer Anwälte vom 22. Januar 1985 lediglich erklärt hatten, sie würden den Erhöhungsbetrag erst dann weiterzahlen, wenn eine entsprechende Vereinbarung der Parteien vorliege. Abschließend braucht dies jedoch nicht entschieden zu werden. Denn das Berufungsgericht hat außerdem nicht berücksichtigt – und das ist entscheidend –, daß der die fristlose Kündigung enthaltende Schriftsatz der Klägerin vom 14. März 1985 dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ausweislich des Verhandlungsprotokolls erst in der mündlichen Verhandlung am 15. März 1985 übergeben wurde, und daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in demselben Termin erklärt hat, die Beklagten würden nunmehr den Pachtzins in der vertraglich geschuldeten Höhe (also einschließlich der Erhöhungsbeträge) entrichten. Wegen ihres Warn- und Schutzzwecks zugunsten des mit der Pachtzinszahlung rückständigen Pächters sind die vereinbarte Zahlungsaufforderung und die schriftliche Mahnung vor der fristlosen Kündigung nur dann entbehrlich, wenn auch noch im Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung zweifelsfrei feststeht, daß der Pächter nicht zahlen wird. Dies gilt auch dann, wenn er zuvor erklärt hat, er werde nicht zahlen. Denn er muß die Chance behalten, bis zum Wirksamwerden der fristlosen Kündigung noch seine Meinung zu ändern, von seiner vorherigen Erklärung abzurücken und so die fristlose Beendigung des Pachtverhältnisses zu vermeiden. So war es hier: Die fristlose Kündigung der Klägerin wurde – eine entsprechende Empfangsvollmacht des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vorausgesetzt – frühestens mit der Übergabe des Schriftsatzes vom 14. März 1985 im Verhandlungstermin vom 15. März 1985 wirksam. Jedenfalls in diesem Zeitpunkt konnte wegen der gleichzeitig erklärten Erfüllungsbereitschaft seitens des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten – woran die Beklagten übrigens im gesamten nachfolgenden Schriftverkehr festgehalten haben – von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung der Beklagten nicht mehr ausgegangen werden. Dies zeigt sich deutlich auch daran, daß bei Schluß der mündlichen Verhandlung vom 15. März 1985 vor dem Landgericht laut Verhandlungsprotokoll beide Prozeßbevollmächtigte übereinstimmend um Vertagung der Verhandlung „zwecks Klärung der strittigen Fragen und eventueller Vergleichsgespräche” gebeten haben.

III. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus konsequent – nicht geprüft, ob die im Pachtvertrag vereinbarten formellen Voraussetzungen der fristlosen Kündigung der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt vorlagen und die Kündigung anschließend in wirksamer Weise wiederholt wurde. Dies ist indessen aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes auszuschließen. Zwar könnte der mehrfach erwähnte Schriftsatz der Klägerin vom 14. März 1985 als Zahlungsaufforderung und der anschließende Schriftsatz der Klägerin vom 17. April 1985, in dem auf S. 7 vorgetragen wird, daß der Erhöhungsbetrag für den Monat Februar 1985 immer noch offenstehe, als schriftliche Mahnung gewertet werden. Eine anschließende erneute fristlose Kündigung der Klägerin könnte allenfalls in dem im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 10. Mai 1985 wiederholten – auf Räumung der Hotel-Gaststätte und Herausgabe des Inventars gerichteten – Klagantrag gesehen werden. Ob eine derartige Wertung zutreffend ist (vgl. dazu RG JW 1935, 2885; BGH Urteil vom 23. Dezember 1953 – VI ZR 57/53 = NJW 1954, 425, 426), und ob gegebenenfalls mit der zu Gerichtsprotokoll erklärten Bezugnahme auf den schriftlich angekündigten Klagantrag die für die Kündigung entsprechend § 2 Abs. 2 des Pachtvertrages etwa erforderliche Schriftform gewahrt wäre (vgl. für den Widerruf gemäß § 1 b Abs. 1 AbzG Senatsurteil BGHZ 94, 226, 230), bedarf keiner Entscheidung. Denn der Klägerin stand zu diesem Zeitpunkt ein Kündigungsgrund nach § 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr zur Seite. Da die Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 3. April 1985 den für März 1985 rückständigen Erhöhungsbetrag von 469,– DM gezahlt hatten, waren sie am 10. Mai 1985 nur noch mit dem Teilbetrag einer Pachtzinsrate im Rückstand, dessen Höhe unter Berücksichtigung der im Januar 1985 erfolgten Überzahlung von 62,– DM (vgl. zuvor unter B II 2) mit 407,– DM zudem nur geringfügig war.

Andere Gründe, die die Klägerin zur fristlosen Kündigung berechtigt hätten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

IV. Da somit die Kündigungen der Klägerin das Pachtverhältnis nicht beendet haben, ist die auf Räumung und Herausgabe der Pachtsachen gerichtete Klage unbegründet. Sie war daher gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung der vor instanzlichen Urteile mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

 

Unterschriften

Wolf, Dr. Skibbe, Dr. Brunotte, Dr. Zülch, Groß

 

Fundstellen

Haufe-Index 537565

BB 1987, 1281

NJW 1987, 2506

BGHR

Nachschlagewerk BGH

WM 1987, 905

ZIP 1987, 916

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