Leitsatz (amtlich)

Zur Hinweispflicht des Gerichts in Fällen der Zurückweisung von Beweisantritten nach § 528 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz.

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 09.02.1979)

LG Braunschweig

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Februar 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Lizenzgebühren. Nach teilweiser Klägerücknahme hat ihm das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage 214.271,60 DM nebst Zinsen zugesprochen. Es hat mehrere von den Beklagten behauptete Zahlungen, die den zugesprochenen Betrag überstiegen haben würden, für nicht bewiesen erachtet.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger möchte die Revision zurückgewiesen haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die im ersten Rechtszuge erhobenen Beweise hätten die Behauptung der Beklagten, sie hätten auf ein dem Kläger gehörendes und seiner Verfügung unterliegendes Nummernkonto bei der M.-Bank AG in Zürich im Jahre 1959 in drei Beträgen insgesamt 506.425,09 DM eingezahlt, nicht bestätigt. Gegen diese Beweiswürdigung erhebt die Revision keine Einwände; rechtliche Bedenken hiergegen sind auch nicht ersichtlich.

2.

Das Berufungsgericht hat die Vernehmung zweier von den Beklagten in der Berufungsbegründung als Zeugen benannter ehemaliger Angestellter der - inzwischen nicht mehr bestehenden - M.-Bank, die bekunden sollten, daß die genannten Beträge dem Kläger zugeflossen seien, abgelehnt. Zur Begründung hierfür hat es ausgeführt: Eine Ladung der Zeugen wäre nur auf diplomatischem Wege möglich gewesen. Hierfür habe nicht die Zeit vom 29. September 1978 - Eingang der Berufungsbegründung - bis zum Terminstage - zunächst 12. Januar 1979, im Dezember vertagt auf den 26. Januar 1979 - zur Verfügung gestanden, da die Ladung ohne vorherige Stellungnahme des Klägers unangebracht gewesen wäre und außerdem eine angemessene Vorbereitungszeit für das Gericht zu berücksichtigen sei. Die möglicherweise längere Zeit beanspruchende Vernehmung der Zeugen würde den Senatstermin gesprengt haben, zumal dann auch eine erneute Vernehmung des Zeugen Dasser geboten gewesen wäre. Die späte Benennung der Zeugen beruhe auf grober Nachlässigkeit. Spätestens seit der Vernehmung des Zeugen D. am 4. Juli 1977 hätten die Beklagten erkennen müssen, daß sie den Beweis nicht geführt hätten. Bis zur Schlußverhandlung vor dem Landgericht (7. März 1978) hätten die Zeugen ermittelt sein müssen.

3.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

Die Annahme, die Berücksichtigung des neuen Beweisantritts würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögert haben, erscheint nicht stichhaltig.

Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Anordnung einer Beweisaufnahme im Ausland vor der mündlichen Verhandlung zulässig ist, ob die Zeit bis zum Verhandlungstermin ausgereicht haben würde, eine solche Beweisaufnahme durchzuführen, und ob der Versuch einer Ladung der Zeugen auf diplomatischem Wege vor das Prozeßgericht aussichtsreich und angebracht gewesen wäre. Das Gericht war im Rahmen seiner Verpflichtung zum Erlaß vorbereitender Maßnahmen (§ 273 ZPO) jedenfalls gehalten, nach dem Eingang der Berufungserwiderung den Beklagten anheimzugeben, die Zeugen zum Termin zu stellen, wenn es andererseits beabsichtigte, im Falle des Nichterscheinens der Zeugen im Termin die Beklagten mit diesen Beweismitteln wegen Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits auszuschließen (§ 528 Abs. 2 ZPO).

Ein solcher Hinweis war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Gericht davon hätte ausgehen können, die Beklagten würden diese Maßnahmen von sich aus ergreifen. Aus der Berufungsbegründungsschrift war zu entnehmen, daß die Beklagten die streitige Zahlung für urkundlich bewiesen erachteten und sich nur vorsorglich auf die Vernehmung der beiden Zeugen beriefen. Daß das Berufungsgericht die Auffassung des Landgerichts über den fehlenden Beweiswert der Urkunden teilen werde, war nicht ohne weiteres selbstverständlich, so daß die Beklagten jedenfalls einen Hinweis hätten erwarten dürfen, wenn das Berufungsgericht weitere Beweiserhebungen für notwendig erachtete; erst ein solcher Hinweis hätte ihnen Veranlassung geben können, von sich aus die nicht unerhebliche Kosten verursachende Stellung der im Ausland wohnenden Zeugen zum Termin zu versuchen.

Einer Vernehmung der Zeugen in dem Verhandlungstermin vor dem Senat stand auch nicht entgegen, daß sie eine gewisse Zeit beansprucht haben würde. Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Beweisaufnahme grundsätzlich vor dem Prozeßgericht. Die hier durchzuführende Beweisaufnahme erstreckte sich auf die Vernehmung von zwei, allenfalls von drei Zeugen zu einem inhaltlich eng umschriebenen Beweisthema. Inwiefern eine solche Beweisaufnahme in dem Verhandlungstermin nicht möglich gewesen wäre, sondern diesen "in unzumutbarer Weise gesprengt" haben würde, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.

Nachdem das Berufungsgericht die Anregung, die Zeugen zum Termin zu stellen, unterlassen und so verursacht hatte, daß die angebotenen Beweise nicht ohne Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits erhoben werden konnten, durfte es die Beweismittel nicht mehr wegen Verspätung zurückweisen, sondern hätte auf Grund der mündlichen Verhandlung durch Beweisbeschluß die Vernehmung der Zeugen anordnen müssen.

Bei dieser Sachlage braucht nicht erörtert zu werden, ob die Benennung der beiden Zeugen erst in der Berufungsbegründung auf grober Nachlässigkeit der Beklagten beruht.

4.

Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Vor seiner anderweiten Entscheidung wird das Berufungsgericht die unterlassene Beweisaufnahme nachzuholen haben. Dem Berufungsgericht ist auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen, da der endgültige Ausgang des Rechtsstreits derzeit nicht abzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018788

NJW 1980, 1848

NJW 1980, 1848-1849 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1980, 735-736 (Volltext mit amtl. LS)

IPRspr. 1980, 156

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge