Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Entscheidung vom 07.07.1967)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 7. Juli 1967 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Der Landwirt Heinrich L. in W. bemühte sich Anfang 1964 bei der Klägerin, einem H. Bankhaus, uni Kredit. Als Sicherheit bot er zunächst eine Pfandrechtsbestellung auf seinem Hof mit Kiesbetrieb in H. an. Die Klägerin lehnte nach Besichtigung des Hofes die Kreditgewährung ab, da ihr die Sicherung nicht ausreichend erschien. L. bot der Klägerin darauf eine Sicherung durch Grundschuld auf dem Bauernhof seiner Ehefrau in W. an. Am 28. Januar 1964 ließ er durch den beklagten Notar eine Grundschuldbestellung aufnehmen und beglaubigen, durch die seine Ehefrau mit seiner Zustimmung die Eintragung einer Eigentümerbriefgrundschuld von 50.000 DM mit 10 % Zinsen beantragte und bewilligte. Dazu erteilte ihm der Beklagte folgendes Schreiben vom 28. Januar 1964:

"Sehr geehrter Herr L.!

Hierdurch bestätige ich Ihnen, daß Ihre Ehefrau ... heute die Eintragung einer mit 10 v.H. jährlich zu verzinsenden Grundschuld von 50.000 DM (i.W.: ...) auf ihrem im Grundbuch des Amtsgerichts K. von W. Band ... Blatt ... eingetragenen Hof beantragt hat. Dieser Eigentümergrundschuld gehen, wie ich mich heute durch Einsichtnahme in das Grundbuch und in die Grundakten persönlich überzeugt habe, in Abt. III des Grundbuchs folgende Belastungen vor:

Nr. 21

6.000 DM

Grundschuld für die Volksbank K. eGmbH

Nr. 22

30.000 DM

Hypothek für die Firma Hans Rudolf S. & Co in H.

Nr. 23

50.000 DM

Eigentümergrundschuld für Ihre Ehefrau.

Hochachtungsvoll gez. Tiedke Notar."

Auf Ansuchen L. beurkundete der Beklagte am 30. Januar 1964 ferner, daß die Ehefrau L. sich mit Zustimmung ihres Mannes wegen der beantragten Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarf, die auch gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer zulässig sein sollte, und daß sie sich dem jeweiligen Grundschuldgläubiger gegenüber zur Löschung der voreingetragenen Belastungen verpflichtete, was durch Eintragung von Löschungsvormerkungen sichergestellt werden sollte. In einer weiteren vom Beklagten beglaubigten Erklärung vom 30. Januar 1964 trat sie mit Genehmigung ihres Ehemannes die neue Eigentümergrundschuld von 50.000 DM (Abt. III Nr. 24) an die Klägerin ab. Im Anschluß hieran erteilte der Beklagte dem Ehemann L. folgendes Schreiben:

"Sehr geehrter Herr L.

In Ergänzung meines Schreibens vom 28. d.Mts. bestätige ich Ihnen, daß sich Ihre Ehefrau ... heute in einer notariellen Verhandlung aus der von ihr am 28. Januar 1964 zur Eintragung im Grundbuch von W. Band ... Blatt ... beantragten Eigentümergrundschuld von 50.000 DM der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Pfandgrundstück in der Weise unterworfen hat, daß die Zwangsvollstreckung gegen den oder die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig ist.

Ferner hat Ihre Ehefrau die Eintragung von Löschungsvormerkungen bei den der genannten Eigentümergrundschuld im Range vorhergehenden Hypotheken bzw. Grundschulden in Höhe von 6.000 DM bzw. 30.000 DM bzw. 50.000 DM beantragt.

Ihre Frau hat die erwähnte Eigentümergrundschuld heute mit den Zinsen seit dem 30.1.1964 an die Kommanditgesellschaft in Firma Carlo Z. Th. in H., S. Straße ..., abgetreten.

Hochachtungsvoll gez. Ti. Notar."

Am gleichen Tage suchte L. die Klägerin auf. Nachdem deren Sachbearbeiter in einem Ferngespräch mit dem Beklagten, der gerade mit einer Besprechung in anderer Sache befaßt war, noch die Größe des Hofes der Ehefrau L. erfragt hatte und sich hatte bestätigen lassen, daß die Eheleute L. die Urkunden bei ihm unterzeichnet hatten, räumte sie L. noch mit Schreiben vom 30. Januar 1964 einen bis zum 31. Juli 1964 befristeten Kredit von 50.000 DM auf einem neu eingerichteten Konto ein.

Der Kredit wurde von L. bis zum 10. März 1964 ausgeschöpft, nach einer von der Klägerin zugestandenen Erweiterung um 50.000 DM bis zur Höhe von 105.843,71 DM in Anspruch genommen und am 24. November 1964 auf 87.835,71 DM zurückgeführt. Weitere Rückzahlungen konnte die Klägerin von L. nicht erlangen. Ein gegen ihn eingeleitetes Konkursverfahren wurde mangels Masse eingestellt. Der mit der Grundschuld belastete Hof der Ehefrau L. war in seinem Bestände einem Zugriff der Klägerin verschlossen, da er der Ehefrau L. nur als Vorerbin gehörte, was in Abt. II des Grundbuchs vermerkt stand. Die Ehefrau L., gegen die zunächst die Zwangsvollstreckung betrieben wurde, trat am 27. August 1965 künftige Milchgeldforderungen an die Meiereigenossenschaft, die sie an die Volksbank K. zur Besicherung eines dortigen Engagements bereits abgetreten hatte, zur Hälfte weiter an die Klägerin ab.

Die Klägerin macht den Beklagten für den ihr durch die Kreditgewährung an L. entstandenen Schaden verantwortlich. Sie macht ihm zum Vorwurf, seine Pflichten als Notar ihr gegenüber dadurch verletzt zu haben, daß er am 28. und 30. Januar 1964 Bescheinigungen über den Grundbuchstand und Eintragungsanträge ausgestellt habe, ohne den ihm bekannten Nacherbenvermerk in Abt. II des Grundbuchs zu erwähnen, und daß er auch bei dem Ferngespräch am 30. Januar 1964 auf diesen Vermerk nicht hingewiesen habe. Von dem Vermerk habe sie erst durch die Zusendung des Grundschuldbriefes am 25. Juni 1964 Kenntnis erhalten. Die beiden Bescheinigungen und der Inhalt des Telefongespräches seien für sie die Grundlage der Kreditgewährung gewesen. Trotz Bemühungen habe sie keine Möglichkeit, den Schaden durch Inanspruchnahme anderer Personen oder durch Vollstreckungsmaßnahmen gegen L. auszugleichen. Die Zwangsverwaltung des Hofes der Ehefrau L. sei aussichtslos gewesen.

Der Beklagte hat entgegnet, seine beiden Schreiben vom 28. und 30. Januar 1964 seien keine Notarbescheinigungen gewesen, sondern Mitteilungen, die L. für sich persönlich erbeten habe. Er habe L. auf den Nacherbenvermerk ausdrücklich hingewiesen; L. habe erklärt, daß ihm dieser Vermerk bekannt sei und er nur festgehalten haben möchte, welche Belastungen in Abt. III des Grundbuchs eingetragen seien. Daß L. die Schreiben zu Zwecken einer Kreditaufnahme habe verwenden wollen, sei ihm nicht bekannt gewesen. Als er von der Absicht erfahren habe, die einzutragende Grund schuld an die Klägerin abzutreten, habe L. auf seine Nachfrage versichert, daß er dem Sachbearbeiter der Klägerin von dem Nacherbenvermerk Kenntnis gegeben habe. Bei dem fernmündlichen Anruf der Klägerin, durch den er aus einer Besprechung in anderer Sache herausgerissen worden sei, habe er nicht die Wichtigkeit von Tatsachen bemerken können, nach denen er nicht gefragt worden sei. Als Kreditunterlagen seien die beiden Schreiben auch erkennbar lückenhaft und daher ungeeignet gewesen, jedenfalls wenn ein Kreditinstitut die bankübliche Sorgfalt walten lasse. Die Klägerin habe sich aus einer in der Entwicklung befindlichen Erfindung L. für später weitere Geschäfte erhofft und hätte ihm den Kredit auch nach Hinweis auf den Nacherbenvermerk gewährt, habe sie ihm doch auch eine Kontoüberziehung von 55.000 DM gestattet, ohne sich nennenswerte Sicherheiten geben zu lassen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie außerstande sei, in zumutbarer Weise anderweitigen Ersatz zu erlangen. Sie habe Ansprüche gegen ihre Mitarbeiter, die es an der nötigen Überprüfung der vorgelegten Kreditunterlagen hätten fehlen lassen. Wegen Vernachlässigung der banküblichen Sorgfalt treffe die Klägerin ein eigenes Verschulden.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage, die zunächst in Höhe eines Teilbetrages von 5.000 DM nebst Zinsen erhoben worden war, zur Hälfte stattgegeben. Mit der Berufung hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren auf 15.100 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 30, Januar 1964 erweitert. Das Oberlandesgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren aus der Berufungsinstanz weiter.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat die Annahme abgelehnt, daß der Beklagte durch seine Schreiben an L. vom 28. und 30. Januar 1964 eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin begangen habe. Diese Schreiben seien nach Form und Inhalt keine Notarbescheinigungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO gewesen. Dagegen hat das Berufungsgericht eine für Kreditgewährung und Schadenseintritt ursächlich gewordene schuldhafte Amtspflichtverletzung des Beklagten darin erblickt, daß er den Sachbearbeiter der Klägerin nicht auf das Bestehen des Nacherbenvermerks hingewiesen hat, als dieser am 30. Januar 1964 fernmündlich wegen der Größe des Hofes der Ehefrau L. sowie wegen Unterwerfungsklausel, Löschungsvormerkungen und Grundschuldabtretung bei ihm nachfragte. Die aufgenommenen Urkunden hätten es wahrscheinlich gemacht, daß L. von den an ihn gerichteten Schreiben bei den Kreditverhandlungen Gebrauch machte; bei dem fernmündlichen Anruf des Sachbearbeiters der Klägerin hätte sich dem Beklagten daher die Frage aufdrängen müssen, ob der Klägerin der in seinen Schreiben unerwähnt gebliebene, für eine Kreditgewährung wesentliche Nacherbenvermerk bekannt sei. Da den Notar eine Belehrungspflicht auch gegenüber Dritten treffe, deren Interessen durch sein Amtsgeschäft berührt würden, insbesondere wenn sie Rechte daraus erwürben, habe der Beklagte den Sachbearbeiter der Klägerin als mutmaßlicher Erwerberin der Grundschuld zumindest darauf aufmerksam machen müssen, daß aus Deinen Schreiben vom 28. und 30. Januar 1964 keine Rückschlüsse auf den Inhalt der Abt. II des Grundbuchs gezogen werden dürften. Dazu sei der Beklagte auch dann verpflichtet gewesen, wenn Lüling ihm zuvor auf seine Frage erklärt habe, daß die Klägerin von dem Bestehen des Nacherbenvermerks wisse; der Notar als Träger der vorsorgenden Rechtspflege dürfe es nicht untätig geschehen lassen, daß Beteiligte oder geschützte Dritte in die Gefahr eines folgenschweren Irrtums gerieten, der durch eine - mit wenigen Worten zu gebende - sachgemäße Belehrung zu vermeiden sei; er habe den jeweils sichersten Weg zu wählen. Sollte der Beklagte bei dem fernmündlichen Anruf durch die unterbrochene Besprechung zu sehr abgelenkt gewesen sein, so hätte er sich auf sofortige Äußerungen zur Sache nicht einlassen und um erneuten Anruf zu späterer Zeit bitten oder nach Beendigung der anderen Angelegenheit das mit dem Sachbearbeiter der Klägerin geführte Gespräch überdenken und von sich aus unverzüglich anrufen müssen, um die unterbliebenen Erklärungen zum Nacherbenvermerk nachzuholen.

Obwohl das Berufungsgericht hiernach die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO für die Schadenshaftung des Beklagten als gegeben angesehen hat, ist es dennoch zur Klagabweisung gelangt, weil dem Beklagten nur Fahrlässigkeit zur Last falle und die Klägerin ihn daher nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO nur dann in Anspruch nehmen könne, wenn sie nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermöge, diese Voraussetzung aber nicht dargetan sei. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe ausräumen müssen, daß sie sich wegen ihres Schadens an Angehörige ihres eigenen Hauses halten könne. Es sei grob fahrlässig gewesen, wie ihr Sachbearbeiter die Kreditangelegenheit behandelt habe. Bankübliche Sorgfalt hätte die Prüfung erfordert, ob die Bank im Zeitpunkt der Kreditgewährung über die angebotene Sicherheit verfügen könne. Hier für sei bei einer Briefgrundschuld zumindest erforderlich gewesen, daß sich der Grundschuldbrief beim Grundbuchamt befunden habe, die Abtretungserklärung beim Grundbuchamt eingereicht worden sei und der Umschreibungsantrag des alten Gläubigers nicht mehr habe widerrufen werden können. Die Frage nach der Sicherungsfunktion des Grundpfandrechts hätte die gewissenhafte Prüfung vorausgesetzt, welche Belastungen diesem im Range vorgingen und ob noch etwa vorrangig zu erledigende Eintragungsersuchen die Rangfolge beeinträchtigen könnten. Zur verläßlichen Unterrichtung der Klägerin hätten die Schreiben des Beklagten an Lüling nicht genügt. Daß in diesen Schreiben von Eintragungen in Abt. II des Grundbuchs erkennbar nichts gesagt worden sei, hätte zur Nachfrage Veranlassung geben müssen. Der Sachbearbeiter der Klägerin sei nach dem Inhalt des Kreditbewilligungsschreibens vom 30. Januar 1964 überdies von der Vorstellung ausgegangen, die Grundschuld sei bereits eingetragen, obwohl in den Schreiben des Beklagten hiervon nichts gestanden habe und angesichts des zeitlichen Zusammenhangs Zweifel hieran dem Sachbearbeiter sich geradezu hätten aufdrängen müssen. Ersatzansprüche kämen auch gegenüber dem Gesellschafter der Klägerin in Betracht, der auf den Vortrag des Sachbearbeiters den Kredit bewilligt habe und hierfür die Verantwortung trage. In Anbetracht besonderer Umstände sei es für ihn zwingend geboten gewesen, sich nicht ausschließlich auf den Vortrag des Sachbearbeiters zu verlassen, sondern selbst Einblick in die Unterlagen zu nehmen, die den Rückschluß auf das Vorhandensein genügender Sicherheit des Kredites hätten ermöglichen sollen. Der Bank habe weder ein Grundbuchauszug nach dem neuesten Stande vorgelegen noch habe sie das Grundbuch eingesehen; auch der Brief über die abzutretende Grundschuld habe ihr nicht vorgelegen. Als Unterlagen habe sie lediglich die Schreiben des Beklagten an L. gehabt, die erkennbar unvollständig gewesen seien. Wenn die Klägerin aus ihnen nur das an Tatsachen berücksichtigt hätte, was in ihnen vermerkt gewesen sei, so wäre bereits ersichtlich gewesen, daß hier ein Kredit ungesichert, lediglich mit der anscheinend begründeten Hoffnung auf künftigen Rechtserwerb gegeben zu werden drohte. Dabei hätten die Tatsache, daß L. Kreditwünsche mangels genügender Sicherheit vorher bereits zweimal abgelehnt worden seien, und die Eile, mit der er um die Kreditgewährung nachgesucht habe, zu zusätzlicher Vorsicht Anlaß geben müssen. Selbst wenn die subsidiäre Haftung des Beklagten Platz griffe, beruhe der eingetretene Schaden, so hat das Berufungsgericht erwogen, doch so überwiegend auf der von der Klägerin zu vertretenden Nachlässigkeit, daß das Versäumnis des Beklagten dahinter zurücktrete und der Klageanspruch nach § 254 BGB entfalle.

Die Angriffe, mit denen die Revision dieser Beurteilung entgegentritt, können im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Revision hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Meinung vertreten, der Beklagte sei aufgrund der von ihm ausgestellten Schreiben vom 28. und 30. Januar 1964 nach den für falsche Auskunftserteilung geltenden allgemeinen Haftungsgrundsätzen schadensersatzpflichtig geworden. Da der Beklagte die Schreiben jedoch als Notar im Zusammenhang mit der von ihm vorgenommenen Urkundstätigkeit ausgestellt hat, ist auch die Erteilung dieser bestätigenden Schreiben eine Amtshandlung gewesen. Kur Amtshaftungsgrundsätze können daher zur Anwendung gelangen.

Ohne der Ansicht des Berufungsgerichts zu widersprechen, daß die Schreiben des Beklagten an L. vom 28. und 30. Januar 1964 nach Form und Inhalt keine Bescheinigung über amtlich von dem Notar wahrgenommene Tatsachen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO waren, meint die Revision doch, daß das Berufungsgericht bei der Mißverständlichkeit des Inhalts dieser Schreiben und ihrer Eignung, Kreditgeber irre zu führen, jedenfalls bereits in ihrer Aushändigung an Lüling eine Amtspflichtverletzung des Beklagten gegenüber der Klägerin hätte erblicken müssen.

Es bedarf hier keines näheren Eingehens auf diese Einwendung der Revision. Denn wenn das Berufungsgericht auch nicht schon als eine schuldhafte Amtspflichtverletzung angesehen hat, daß der Beklagte L. auf seine Bitte die Schreiben vom 28. und 30. Januar 1964 erteilte, so hat es den Beklagten doch für verpflichtet erachtet, die Klägerin auf die Unvollständigkeit der Angaben seines Schreiben vom 28. Januar 1964 über vorhandene Grundbucheintragungen hinzuweisen, als die Klägerin am 30. Januar 1964 wegen der Sicherung des von Lüling nachgesuchten Kredites durch die von ihm angebotene Grundschuldabtretung fernmündlich mit dem Beklagten in Verbindung trat, und es hat eine fahrlässige Amtspflichtverletzung des Beklagten darin gesehen, daß er es versäumt hat, die Klägerin auf den in Abt. II des Grundbuchs eingetragenen Nacherbenvermerk hinzuweisen oder doch zumindest darauf aufmerksam zu machen, daß aus seinem Schreiben keine Rückschlüsse auf den Inhalt der Abt. II des Grundbuchs gezogen werden dürften. Damit waren die Haftungsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO gegeben, ohne daß es noch darauf ankommt, ob der Beklagte auch schon durch die Aushändigung seiner Schreiben an L. Amtspflichten gegenüber der Klägerin schuldhaft verletzt hat.

Entscheidungserheblich wäre diese Frage freilich dann, wenn das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hätte, daß der Beklagte bei dem fernmündlichen Anruf des Sachbearbeiters der Klägerin Hinweispflichten schuldhaft versäumt hat. Diese Ansicht vertritt die Revisionserwiderung. Der gegenteiligen Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedoch beizutreten.

Hat der Sachbearbeiter der Klägerin den Beklagten bei dem Ferngespräch auch nicht ausdrücklich um Aufklärung über die Belastungen des Grundstücks gebeten, so betrafen seine Fragen doch die Sicherheit, die die Grundschuld für den von L. erbetenen Kredit bot. Hierfür war aber die Tatsache, daß in Abt. II des Grundbuchs ein Nacherbenvermerk eingetragen war, von wesentlicher Bedeutung. Darüber konnte sich der Beklagte nicht in Zweifel befinden und hat er sich auch nicht in Zweifel befunden. Mit Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, daß der Beklagte die Klägerin bei oder sogleich nach dem fernmündlichen Anruf auf das Bestehen des Nacherbenvermerks oder doch jedenfalls auf die Unvollständigkeit seines Schreibens an L. vom 28. Januar 1964 hinweisen mußte. Wenn L. dem Beklagten bei der vorherigen Aufnahme der Urkunden vom 30. Januar 1964 auf Befragen auch erklärt hat, daß die Klägerin den Nacherbenvermerk kenne, so mußte der Beklagte doch damit rechnen, daß L. bei der Klägerin von seinem Schreiben vom 28. Januar 1964 Gebrauch machte und daß die Klägerin durch dieses Schreiben irre geführt werden konnte. Solchen Gefahren mußte der Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei ausgeführt hat, vorbeugen. Dem Berufungsgericht ist darin beizustimmen, daß der Beklagte durch die Versäumung eines aufklärenden Hinweises seine Amtspflichten gegenüber der Klägerin fahrlässig verletzt hat.

Die Revision kommt auf die Frage, ob schon in der Erteilung der Schreiben vom 28. und 30. Januar 1964 eine Amtspflichtverletzung gelegen hat, bei Angriffen zurück, die sie gegen die hilfsweise vorgenommene Schadensabwägung des Berufungsgerichts nach § 254 BGB erhebt. Sie hält die Schadensabwägung u.a. darum für rechtsfehlerhaft, weil nicht berücksichtigt worden sei, daß der Beklagte auch durch die Aushändigung jener Schreiben bereits seine Amtspflichten schuldhaft verletzt habe.

Auch dieser Revisionsangriff nötigt nicht zu einem Eingehen auf die Frage. Das Berufungsgericht hat die Klage in erster Linie darum abgewiesen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie anderweit keinen Ersatz erlangen könne, und die nur subsidiäre Fahrlässigkeitshaftung des Beklagten daher nicht Platz greife. Auf die Hilfsbegründung aus § 254 BGB käme es daher nur an, wenn die Hauptbegründung die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu tragen vermöchte. Gegen diese sind rechtlich begründete Bedenken jedoch nicht zu erheben.

Bei Fahrlässigkeit der Amtspflichtverletzung gehört es zu den Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen den Notar, daß der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag. Der Kläger muß Ersatzmöglichkeiten widerlegen, für die sich aus der Sachlage selbst ein Anhaltspunkt ergibt (RG DNotZ 1935, 745; RGZ 158, 277, 283; Urteil des erkennenden Senats vom 11. April 1967 - VI ZR 186/65 - LM Nr. 30 a zu § 852 BGB). Mit Recht ist das Berufungsgericht der Ansicht, daß bei dem gegebenen Sachverhalt ein hinreichender Anhalt für die Annahme besteht, daß die Klägerin Ersatzansprüche gegen ihren Sachbearbeiter und gegen den geschäftsführenden Gesellschafter erlangt haben kann, der auf den Vortrag des Sachbearbeiters den Kredit bewilligt hat. Mag es auch, wie die Klägerin vorgetragen hat, banküblich sein, einen Kredit schon dann einzuräumen, wenn als Unterlage für die Sicherung durch eine Grundschuld die Bescheinigung eines Notars vorgelegt wird, aus der sich ergibt, daß der Eintragungsantrag dem Grundbuchamt eingereicht worden ist und die Grundschuld die vorgesehene Rangstelle erhalten wird, so haben die Schreiben des Beklagten an L. vom 28. und 30. Januar 1964 diesen Voraussetzungen doch nicht entsprochen. Selbst wenn von der Form dieser Schreiben abgesehen wird, die nicht die einer notarisch errichteten Bescheinigung war, konnte ihr Inhalt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht die Gewißheit vermitteln, daß die Klägerin die Grundschuld und die mit ihr bezweckte Sicherung erhielt. Sie waren in dieser Hinsicht erkennbar unvollständig. Sorgfältiger Prüfung konnte insbesondere nicht entgehen, daß in dem Schreiben des Beklagten vom 28. Januar 1964 nur aufgeführt war, welche Belastungen in Abt. III des Grundbuchs eingetragen waren, nichts aber darüber gesagt war, ob sich auch Eintragungen in Abt. II befanden. Bei der Bedeutsamkeit möglicher Eintragungen, die hier ihren Platz haben (z.B. Auflassungsvormerkungen, Verfügungsbeschränkungen wie etwa Verfügungsverbot aufgrund einstweiliger Verfügung oder Zwangsvollstreckungsbeschlagnahme, Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung, Nachlaßverwaltung usw.) und der einzutragenden Grundschuld ihren Sicherungswert nehmen konnten, hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß Anlaß zur Nachfrage bestanden hätte, Wenn das Berufungsgericht eine für den Schaden der Klägerin ursächlich gewordene Fahrlässigkeit des Sachbearbeiters der Klägerin darin gesehen hat, daß er seine Aufmerksamkeit nicht hierauf gerichtet und nicht nachgefragt hat, so läßt das keinen Rechtsfehler erkennen.

Schadensursächlich ist freilich nicht geworden, daß der Sachbearbeiter nach Feststellung des Berufungsgerichts aus Mangel an der gebotenen Sorgfalt sich der Vorstellung hingegeben hat, die Grundschuld sei bereits eingetragen und der Abtretungserwerb der Klägerin gesichert. Eine solche Auffassung hat das Berufungsgericht aber auch nicht vertreten und kann seinen Ausführungen umsoweniger entnommen werden, als es festgestellt hat, daß die Eintragung der Grundschuld und ihre Abtretung am 19. Juni 1964 stattgefunden, die Klägerin das Grundpfandrecht also - freilich beeinträchtigt durch den Nacherbenvermerk - tatsächlich erhalten hat. Mit dem Hinweis auf jenen Fehlschluß des Sachbearbeiters hat das Berufungsgericht nur verdeutlicht, mit welcher Unbekümmertheit dieser bei der Behandlung der Kreditsicherungsfrage insgesamt verfahren ist.

Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was geeignet gewesen wäre, die hiernach begründete naheliegende Annahme auszuräumen, daß sie von ihrem Sachbearbeiter Ersatz des entstandenen Schadens beanspruchen und erlangen kann.

Die Revision macht noch geltend, das Berufungsgericht habe sich damit auseinandersetzen müssen, ob ein Ersatzanspruch der Klägerin gegenüber ihrem Sachbearbeiter auch unter dem Gesichtspunkt der schadensgeneigten Arbeit (BGHZ 16, 111) gegeben ist. Sache der Klägerin wäre es indessen gewesen, darzulegen, daß die Schadenshaftung des Sachbearbeiters ihr gegenüber unter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen ist. Für eine solche Annahme gab das Vorbringen der Klägerin jedoch nichts her. Unstreitig war es ein Abteilungsdirektor (Leiter der Kreditabteilung) und Prokurist der Klägerin, der die Kreditangelegenheit L. bearbeitet hat. Daß ein leitender Angestellter dieser Position bei Fehlleistungen in den eigentlichen Aufgaben des ihm übertragenen Verantwortungsbereichs von seiner Haftung nach den Grundsätzen freigestellt sein sollte, die aus der Treu- und Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis für Fälle schadensgeneigter Arbeit entwickelt worden sind, kann von vornherein nicht angenommen werden (vgl. hierzu Monjau in DB 1969, 84, 86).

Was die Ersatzmöglichkeit beim geschäftsführenden Gesellschafter betrifft, so konnte das Berufungsgericht mangels entgegenstehender Darlegungen davon ausgehen, daß dieser der klagenden Kommanditgesellschaft für die Schadensfolgen der von ihm bewilligten Kreditgewährung nach §§ 708, 277 BGB verantwortlich ist. Nachdem L. mangels genügender Sicherheiten mit seinen Kreditwünschen bereits zweimal zurückgewiesen worden war, konnte das Berufungsgericht nicht mit Unrecht der Ansicht sein, daß der geschäftsführende Gesellschafter zu besonderer Vorsicht Anlaß hatte, zumal angesichts der Eile, mit der L. sich nun um die Kreditbewilligung bemühte. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß ihr Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten - also etwa bei Gewährung eines Darlehens aus eigenem Vermögen - ebenso unbedenklich verfahren wäre.

Die Revision ist hiernach unbegründet.

Nach § 97 ZPO hat die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018650

DNotZ 1969, 507

DNotZ 1969, 507-510

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