Entscheidungsstichwort (Thema)

Werklohnklage. Abweisung. Verschlechterungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

Beurteilt das LG die Ansprüche der Parteien eines Bauvertrages nach Kündigung als Abrechnungsverhältnis und weist es die Werklohnklage ab, so liegt kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor, wenn das Berufungsgericht der Klage teilweise stattgibt und dabei eine vom Besteller geltend gemachte Position mit einem höheren als vom LG berechneten Betrag in seine Abrechnung einstellt.

 

Normenkette

ZPO § 536a. F

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.02.2001)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Frankfurt/Main v. 9.2.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage hinsichtlich folgender Positionen stattgegeben worden ist:

1. 13.385,73 DM (Zusatzaufträge)

2. 2.566,32 DM (Kürzung der Mängelbeseitigungskosten)

3. 1.745,50 DM (Betonstürze)

4. 9.695,70 DM (Mängel des Dämmputzsystems)

5. 8.379,00 DM (Kosten des Wiederaushubs wegen Außenabdichtung).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von den Beklagten als Rechtsnachfolger ihrer verstorbenen Eltern (im Folgenden: Erblasser) Restwerklohn für Rohbauarbeiten.

Die Klägerin bot dem Erblasser die Ausführung von Erd-, Beton- und Maurerarbeiten sowie der Außenanlagen zum Preis von 252.483,78 DM an. Auf dieser Grundlage schlossen sie einen Pauschalpreisvertrag über 240.000 DM. Nach Beginn der Bauarbeiten wurde der Umfang der zu erbringenden Leistungen geändert und ein neuer Pauschalpreis vereinbart. Im weiteren Verlauf entstand Streit über die vertragsgemäße Ausführung. Im Mai 1990 kündigte die Klägerin den Vertrag fristlos. Mit Schlussrechnung v. 8.6.1990 machte sie einen Restbetrag von 206.205,95 DM geltend. In einem Beweissicherungsverfahren errechnete der Sachverständige einen Kostenaufwand zur Beseitigung vorhandener Mängel von insgesamt 88.000 DM.

Nachdem das Berufungsgericht ein die Klage als unzulässig abweisendes Urteil des LG aufgehoben hatte, hat die Klägerin ihre erbrachten Leistungen neu berechnet. Sie hat sich rund 26.000 DM als Mängelbeseitigungskosten anrechnen lassen und nunmehr 179.413,95 DM gefordert. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil dem berechtigten Werklohnanspruch i. H. v. 83.458 DM Mängelbeseitigungskosten i. H. v. 84.238 DM gegenüberstünden. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage i. H. v. 72.347,62 DM stattgegeben und die Klageabweisung im Übrigen bestätigt. Die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin Klageabweisung begehren, hat der Senat wegen fünf im Tenor näher bezeichneter Positionen angenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 EGBGB, § 26 Nr. 7 EGZPO).

I.

13.385,73 DM (Zusatzaufträge)

1. Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin könne für Sonderleistungen (Zusatzaufträge Pos. 1 bis 8) lediglich den vom LG errechneten Werklohn i. H. v. 21.006,03 DM verlangen, da die streitigen Zusatzaufträge für die Pos. 4 bis 7 weder durch die im Prozess vorgelegte Aufstellung der Klägerin noch durch die Aussage des Zeugen K. bewiesen seien. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen des LG Bezug genommen.

2. Das hält einer Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen des LG und ihm folgend des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht nachgewiesen, mit der Ausführung der Pos. 4 bis 7 in ihrer Aufstellung über die Zusatzarbeiten beauftragt worden zu sein. Folglich hätte das Berufungsgericht aus der Aufstellung der Klägerin über insgesamt 24.561,72 DM nicht nur den Betrag für die Pos. 4 (3.555,09 DM brutto), sondern auch die für die Pos. 5 bis 7 ausgewiesenen Beträge über insgesamt weitere 13.385,73 DM aberkennen müssen.

Die Klageforderung ist um diesen Betrag zu kürzen.

II.

2.566,32 DM (Kürzung der Mängelbeseitigungskosten)

1. Das Berufungsgericht führt aus, der Mängelbeseitigungsaufwand der Beklagten belaufe sich auf insgesamt 51.949,80 DM. Da der vereinbarte Pauschalpreis von 240.000 DM rechnerisch 95,06 % des nach Einheitspreisen errechneten Angebotspreises entspreche, seien die Kosten für die Mängelbeseitigung dementsprechend prozentual zu kürzen; dies seien 2.566,32 DM.

2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Mängelbeseitigungskosten sind nicht auf die niedrigere Pauschalpreisquote zu kürzen. Der gegenüber dem Einzelpreisangebot günstigere Pauschalpreis, auf den sich die Vertragsparteien geeinigt hatten, ändert nichts an der Berechtigung, die Mängelbeseitigungskosten in voller Höhe als Wertminderung geltend zu machen.

Die Klageforderung ist dementsprechend zu kürzen.

III.

1.745,50 DM (Betonstürze)

Das Berufungsgericht stellt fest, für die Mängelbeseitigung der Betonstürze seien 1.500 DM netto anzusetzen, die die Klägerin anerkannt habe. Es stellt diesen Betrag erkennbar versehentlich nicht in seine zusammenfassende Aufstellung der Mängelbeseitigungskosten ein. Folglich sind nach den bisherigen Feststellungen einschließlich der Nebenkosten weitere 1.745,50 DM von der Klageforderung abzuziehen.

IV.

9.695,70 DM (Mängel des Dämmputzsystems)

1. Das Berufungsgericht führt aus, der Sachverständige habe die Kosten für die mängelbedingt notwendige Anbringung eines Dämmputzsystems mit netto 21.600 DM ermittelt. Diese Kosten seien grundsätzlich von der Werklohnforderung der Klägerin abzusetzen. Das LG habe jedoch nur einen Betrag von 13.500 DM in seine Abrechnung eingestellt, so dass die erstinstanzliche Entscheidung insoweit nicht verschlechtert werden könne (§ 536 ZPO).

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Verbot der reformatio in peius soll verhindern, dass das Rechtsmittelgericht dem Rechtsmittelführer etwas aberkennt, was im erstinstanzlichen Urteil wirksam und mit materieller Rechtskraft zuerkannt worden ist. Demgegenüber liegt in der bloßen Änderung der Entscheidungsgründe kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot; auch die Änderung unselbständiger Rechnungsposten innerhalb eines Anspruchs unter Beibehaltung der Endsumme stellt keine verbotene Verschlechterung dar (BGH, Urt. v. 5.7.1960 - VI ZR 109/59, LM Nr. 6 zu § 536 ZPO; Musielak/Ball ZPO, 3. Aufl., § 528 Rz. 15).

b) Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot liegt nicht vor. Das LG hat nicht mit Rechtskraft über Gegenansprüche der Beklagten entschieden. Das Berufungsgericht war daher nicht gehindert, zugunsten der Beklagten einen höheren Betrag in seine Abrechnung einzustellen.

aa) Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für die Reichweite der Rechtskraft entscheidend darauf an, wie das erk. Gericht geltend gemachte Gegenansprüche des Bestellers beurteilt. Nimmt es ein Abrechnungsverhältnis an, ohne über die erklärte Aufrechnung zu entscheiden, so liegt keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderungen vor (BGH, Urt. v. 13.12.2001 - VII ZR 148/01, MDR 2002, 601 = BGHReport 2002, 389 = BauR 2002, 664 f. = ZfBR 2002, 351; Beschl. v. 10.4.1997 - VII ZR 266/96, NJWRR 1997, 1157 = BauR 1997, 1077; Beschl. v. 26.9.1991 - VII ZR 125/91, MDR 1992, 73 = BauR 1992, 113 = ZfBR 1992, 30).

bb) Das LG hat eine Abrechnung der wechselseitigen Ansprüche vorgenommen. Es hat entschieden, dass die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten keiner Entscheidung bedürften. Die Klägerin hat durch das die Klage abweisende Sachurteil des LG keine prozessual schützenswerte Rechtsposition erlangt, die in ihrem Interesse zu sichern wäre. Das Berufungsgericht hätte mithin die höheren Kosten für ein Dämmputzsystem in seine Abrechnung einstellen müssen, da auch dann seine Entscheidung im Endergebnis der Klägerin noch günstig ist und folglich ihre Rechtsposition nicht verschlechtert. Nach den bisherigen Feststellungen sind zu Gunsten der Beklagten weitere 9.695,70 DM brutto (= 8.100 DM netto zzgl. Nebenkosten) von der Klageforderung abzuziehen.

V.

8.379 DM (Kosten des Wiederaushubs wegen der Außenabdichtung)

1. Das Berufungsgericht führt aus, wegen der fehlenden Außenabdichtung der Betonstreifenfundamente seien keine Kosten für eine Mangelbehebung einzusetzen, da diese Leistung nicht Gegenstand des Vertrages gewesen sei.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.

Im Ansatz zu Recht geht das sachverständig beratene Berufungsgericht davon aus, die Klägerin habe eine Außenabdichtung vertraglich nicht geschuldet. Damit erschöpft es jedoch den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht vollständig. Es lässt die Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen der Erläuterung seines Gutachtens am 29.2.2000 unberücksichtigt. Danach hatte die Klägerin die ausgehobene Baugrube verfüllt, ohne dass zuvor die notwendige Abdichtung hergestellt worden war. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zu Gunsten der Beklagten in der Revision davon auszugehen, dass die Klägerin den Erblasser vor Verfüllung der Baugrube nicht auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, aus Kostengründen zunächst die Abdichtung des Mauerwerks herstellen zu lassen.

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung, da die Klägerin ihre vertragliche Hinweispflicht verletzt hat. Diese aus der Anhörung des Sachverständigen ersichtliche Anspruchsgrundlage musste das Berufungsgericht von Amts wegen berücksichtigen. Denn die Gerichte entscheiden über den Streitgegenstand unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2002 - III ZR 287/01, BGHReport 2002, 939 = BauR 2002, 1831 [1833]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 308 Rz. 5). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Beklagten ihren Anspruch auf Schadensersatz rechtlich allein aus der von der Klägerin vermeintlich geschuldeten Abdichtung hergeleitet haben.

Bei rechtzeitigem Hinweis und aufklärungsgerechtem Verhalten des Erblassers hätte die Baugrube nicht erneut ausgehoben und das Mauerwerk gereinigt werden müssen. Die Kosten hierfür hat der Sachverständige auf insgesamt 8.379 DM geschätzt.

Die Aufhebung des Berufungsurteils zu dieser Position und die Zurückverweisung der Sache gibt den Parteien Gelegenheit, hierzu vorzutragen. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob die Beklagten ggf. ein Mitverschulden des Architekten trifft, sofern eine Gebäudeabdichtung nicht geplant gewesen sein sollte.

VI.

Das Berufungsurteil kann im Umfang der Annahme nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Darüber hinaus werden die Beklagten darlegen müssen, aus welchem Grund sie bei den vom Sachverständigen geschätzten Mängelbeseitigungskosten einen Zuschlag von 5 % für "Unvorhergesehenes" fordern. Ohne nähere Erläuterung stellt diese Position keine nach § 287 ZPO geeignete Grundlage für eine Schätzung von Mängelbeseitigungskosten dar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1050006

BGHR 2003, 1395

BauR 2003, 1898

NJW-RR 2004, 95

WM 2004, 102

ZfIR 2004, 86

MDR 2004, 47

ZfBR 2004, 36

BrBp 2004, 171

NZBau 2004, 39

BauRB 2004, 8

ProzRB 2004, 11

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