Leitsatz (amtlich)

Ein marktbeherrschendes Unternehmen darf das Vertragsverhältnis mit einem anderen Unternehmen nicht aus Gründen beenden, aus denen es den Abschluss des Vertrages nicht hätte ablehnen dürfen, ohne damit gegen das Diskriminierungsverbot zu verstoßen.

 

Normenkette

GWB § 20 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 29.11.2001; Aktenzeichen 13 U 32/01)

LG Hannover

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Kartellsenats des OLG Celle v. 29.11.2001 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger sind Busunternehmer, bei der beklagten GmbH handelt es sich um eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Landkreises Emsland. Bis Ende 1999 führten die Kläger, die daneben auch im Linienverkehr fahren, für die Beklagte in den Bereichen Mitte und Nord des Landkreises Emsland Schülertransporte im Freistellungsverkehr nach § 1 Nr. 4 lit. d der Freistellungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz durch. Die hierüber abgeschlossenen Verträge waren jeweils mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar. Die Beklagte kündigte die Verträge mit den Klägern fristgerecht zum 31.12.1999, während entsprechende Verträge mit einer Vielzahl anderer Unternehmer weiterliefen. Die Kläger sehen in diesen Kündigungen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.

Hintergrund des Streits der Parteien ist der Umstand, dass der Landkreis Emsland in den Bereichen Mitte und Nord eine Umstrukturierung des Busverkehrs plant. Zur Durchsetzung dieses in einem Nahverkehrsplan festgelegten Zieles bedient er sich der Beklagten. Anders als im südlichen Bereich des Landkreises werden die Linienverkehre und die Schülertransporte im mittleren und nördlichen Kreisgebiet zum Teil unabhängig voneinander betrieben. Der Nahverkehrsplan sieht vor, die Schülertransporte in den Linienverkehr zu integrieren und auf diese Weise das Angebot im Linienverkehr zu verbessern. Um die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit von Einzelheiten des Planes und seiner Umsetzung streiten die Parteien.

Nach der Kündigung der Verträge schrieb die Beklagte die Freistellungsverkehre in einem europaweiten Vergabeverfahren neu aus. Die Kläger beteiligten sich an diesem Verfahren als Bietergemeinschaft Busverkehr Emsland und erhielten - auf ein für die Beklagte sehr günstiges Angebot - den Zuschlag. Sie betreiben heute im Wesentlichen dieselben Freistellungsverkehre wie vor den Kündigungen, erhalten dafür jedoch geringere Entgelte.

Zur Rechtfertigung der Kündigungen hat die Beklagte vorgetragen, ihr sei es darum gegangen, entsprechend dem Nahverkehrsplan des Landkreises den bisherigen Schülerfreistellungsverkehr in den Linienverkehr zu integrieren. Dies sei nur schrittweise möglich gewesen. Deshalb hätten zunächst die Freistellungsverkehre umgewandelt werden sollen, die auf den verkehrlich bedeutenden Nord-Süd- und Ost-West-Achsen des Kreisgebiets lägen, ferner die Verkehre derjenigen Unternehmen, die bereits über Erfahrung im Linienverkehr verfügten; außerdem habe es sich um Freistellungsverkehre handeln sollen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu favorisieren seien. Bis auf drei weitere Unternehmen, mit denen Kooperationsvereinbarungen geschlossen worden seien, hätten nur die Freistellungsverkehre der Kläger sämtliche dieser Bedingungen erfüllt.

Das LG hat den auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen gerichteten Klagen stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen (OLG Celle WuW/E DE-R 824).

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehren. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht sieht die Beklagte als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne an, auch wenn mit der Durchführung der Schülerverkehre eine öffentliche Aufgabe erfüllt werde. Dagegen ist nichts zu erinnern.

Ob die Beklagte die für das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB erforderliche marktbeherrschende Stellung innehat, lässt das Berufungsgericht dahingestellt. Für das Revisionsverfahren ist hiervon zu Gunsten der Kläger auszugehen.

II. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigungen verstießen nicht gegen das Diskriminierungsverbot, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Mit den nur gegenüber den Klägern, nicht aber gegenüber den anderen im mittleren und nördlichen Emsland im Freistellungsverkehr tätigen ausgesprochenen Kündigungen hat die Beklagte die Kläger gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandelt.

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Beklagten kann eine Ungleichbehandlung nicht deswegen verneint werden, weil nach der Vergabe der Transportaufträge jede Strecke des Freistellungsverkehrs für sich betrachtet werden müsste. Nur aus der Sicht des Fahrgastes ist der Verkehr von A nach B nicht durch den Verkehr von C nach D substituierbar. Im Verhältnis zur Beklagten erfüllen die Anbieter von Freistellungsverkehren nach ihrer wirtschaftlichen Funktion die gleichen Aufgaben und sind daher gleichartige Unternehmen (vgl. BGH v. 21.2.1995 - KVR 10/94, BGHZ 129, 53 [60] = MDR 1996, 604 - Importarzneimittel).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für diese Ungleichbehandlung einer sachlichen Rechtfertigung bedarf und die Kündigungen der Freistellungsverkehre gem. § 134 BGB i. V. m. § 20 Abs. 1 GWB unwirksam sind, wenn es an einer solchen fehlt.

Allerdings will die Vorschrift des § 20 Abs. 1 GWB auch dem Norm-adressaten einen unternehmerischen Freiraum bei der Gestaltung und Pflege seiner Vertragsbeziehungen zur Marktgegenseite belassen und nur den Missbrauch von Marktmacht verhindern (vgl. BGH v. 7.3.1989 - KZR 15/87, BGHZ 107, 273 [279] = MDR 1989, 1079 - Staatslotterie; Urt. v. 17.3.1998 - KZR 30/96, MDR 1998, 1425 = WuW/E DE-R 134 [136] - Bahnhofsbuchhandel I; Urt. v. 27.4.1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357 [359] - Feuerwehrgeräte; Urt. v. 11.12.2001 - KZR 5/00, BGHReport 2002, 338 = WuW/E DE-R 839 [841] - Privater Pflegedienst). Der Senat hat hieraus für die ordentliche Kündigung eines Vertragshändlerverhältnisses abgeleitet, dass der Hersteller, der die Bewertung der Kündigung als unbillige Behinderung vermeiden will, nicht gehalten ist, nähere Gründe vorzubringen, die vom Gericht nachzuprüfen und zu bewerten wären. Die Ausübung einer vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigung - sofern sie durch eine angemessene Kündigungsfrist dem abhängigen Vertragspartner eine ausreichende Umstellungsfrist gewährt - ist in einem solchen Fall, wenn keine besonderen Umstände hinzutreten, kein Missbrauch von Marktmacht. Sie bedarf daher außer dem Hinweis auf die wirksame vertragliche Vereinbarung grundsätzlich keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung. Dies gilt nicht nur für den Behinderungstatbestand, sondern gleichermaßen für die unterschiedliche Behandlung von Vertragspartnern (BGH, Urt. v. 21.2.1995 - KZR 33/93, MDR 1996, 362 = WuW/E 2983 [2988 f.] - Kfz-Vertragshändler).

Bei der Fallgruppe der Vertragshändlerverträge ergibt sich indessen die Normadressatenstellung regelmäßig aus der Abhängigkeit derjenigen Händler, die dem Kreis der Vertragshändler bereits angehören und ihren Geschäftsbetrieb hierauf eingerichtet haben (BGH, Urt. v. 23.2.1988 - KZR 20/86, MDR 1988, 840 = WuW/E 2491 [2493] - Opel-Blitz). Der Hersteller ist demgemäß nicht nur nicht verpflichtet, mit einem oder gar mit jedem Bewerber in ein Vertragshändlerverhältnis einzutreten (BGH, Urt. v. 21.2.1995 - KZR 33/93, MDR 1996, 362 = WuW/E 2983 [2989] - Kfz-Vertragshändler), sondern ist auch hinsichtlich der Auswahl der Händler regelmäßig keinen besonderen Bindungen unterworfen.

Unterliegt hingegen der Normadressat einem Kontrahierungszwang, z. B. einer Belieferungspflicht oder einer Bezugspflicht (BGH v. 21.2.1995 - KVR 10/94, BGHZ 129, 53 [60 f.] = MDR 1996, 604 - Importarzneimittel; Urt. v. 14.1.1997 - KZR 30/95, AG 1997, 414 = WuW/E 3104 [3106 f.] - Zuckerrübenanlieferungsrecht II), kann - wenn die Verhältnisse ansonsten vergleichbar sind - ein laufendes Vertragsverhältnis nicht ohne weiteres, sondern nur beim Vorliegen besonderer Gründe gekündigt werden. Denn der Kündigende wäre ggf. zum sofortigen erneuten Vertragsschluss verpflichtet BGH (BGH v. 7.3.1989 - KZR 15/87, BGHZ 107, 273 [279] = MDR 1989, 1079 - Staatslotterie). Im Grundsatz nichts Anderes gilt, wenn es dem Normadressaten - wie im Streitfall - bei der Begründung des Vertragsverhältnisses untersagt ist, gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln, und er daher die Auswahl unter den Anbietern nach fairen und objektiven Auswahlkriterien, ggf. im Wege der Ausschreibung, zu treffen hat (BGH v. 26.5.1987 - KZR 13/85, BGHZ 101, 72 [82 ff.] = MDR 1988, 28 - Krankentransporte; Urt. v. 13.11.1990 - KZR 25/89, MDR 1991, 960 = WuW/E 2683 [2687] - Zuckerrübenanlieferungsrecht I; Urt. v. 8.4.2003 - KZR 39/99 - Konkurrenzschutz für Schilderpräger, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch dann ist es dem Normadressaten verwehrt, das Vertragsverhältnis aus Gründen zu beenden, aus denen er den Abschluss des Vertrages nicht hätte ablehnen dürfen, da andernfalls das bei der Vergabe geltende Gleichbehandlungsgebot unterlaufen würde. Demgemäß hat der Senat für die Kündigung von Verträgen über die Direktbelieferung mit Presseerzeugnissen auch bereits entschieden, dass zwar die Beendigung einer langjährigen Geschäftsbeziehung, wie sie hier zwischen den Parteien bestanden hat, aus kartellrechtlicher Sicht grundsätzlich keine besondere Rechtfertigung erfordert, die damit verbundene Änderung einer bislang geübten Geschäftspraktik eines Normadressaten des § 20 Abs. 1 GWB indessen unter dem Gesichtspunkt, dass mit ihr eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Unternehmen verbunden ist, der sachlichen Rechtfertigung bedarf (BGH Urt. v. 17.3.1998 - KZR 30/96, MDR 1998, 1425 = WuW/E DE-R 134 [135 f.] - Bahnhofsbuchhandel I; Urt. v. 10.11.1998 - KZR 6/97, WuW/E DE-R 220 f. - Bahnhofsbuchhandel II).

3. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich keine hinreichende sachliche Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigungen.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es komme nicht darauf an, ob die Beklagte bei der Auswahl der zu kündigenden Freistellungsverkehre nach den dezidiert vorgetragenen Kriterien vorgegangen sei oder aber diese Gründe nur "nachgeschoben" seien. Selbst wenn die Beklagte den Klägern nur deshalb gekündigt haben sollte, weil diese an der Umsetzung des Nahverkehrsplans nicht mitwirken wollten, seien die Kündigungen gerechtfertigt. Die Kläger behinderten die Umsetzung des Nahverkehrsplans des Landkreises Emsland. Der Beklagten habe unter diesen Voraussetzungen daran gelegen sein müssen, in einem ersten Schritt die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung des Nahverkehrsplans in dem Bereich zu schaffen, in dem einerseits Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Planung bestanden hätten, ohne den aber andererseits die Gesamtplanung nicht zu verwirklichen gewesen sei. Mit diesen Erwägungen kann eine Diskriminierung nicht verneint werden.

a) Ob eine Behinderung unbillig ist oder einer unterschiedlichen Behandlung die sachliche Rechtfertigung fehlt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH auf Grund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes zu orientieren hat (BGH BGHZ 38, 90 [102] - Treuhandbüro; BGHZ 52, 65 [71] - Sportartikelmesse; v. 7.3.1989 - KZR 15/87, BGHZ 107, 273 [280] = MDR 1989, 1079 - Staatslotterie; Beschl. v. 23.2.1988 - KVR 2/87, MDR 1988, 839 = WuW/E 2479 [2482] - Reparaturbetrieb; Urt. v. 27.4.1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357 [359] - Feuerwehrgeräte). Dem werden die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend gerecht.

b) Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe der Beklagten zur Rechtfertigung der Kündigung nicht zugutehalten dürfen, dass die Kläger an der Umsetzung des Nahverkehrsplans nicht mitwirken wollten, weil die Beklagte darauf weder die Kündigung gestützt noch sich im Rechtsstreit berufen habe. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils kam es zu den Kündigungen auch deshalb, weil zwischen den Parteien eine Einigung über die von der Beklagten und dem Landkreis angestrebte Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs nicht zu erzielen war. Danach hat sich das Berufungsgericht jedoch auf keinen Grund für die Beendigung der Verträge gestützt, den die Beklagte nicht vorgetragen hätte.

c) Die vom Berufungsgericht herangezogene Begründung reicht jedoch nicht aus, die ausschließlich gegenüber den Klägern ausgesprochene Kündigung der Freistellungsverkehre sachlich zu rechtfertigen.

aa) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, Ziel der Planung des Landkreises sei es, die Schüler- und Linienverkehre zusammenzufassen, um auf diese Weise Kapazitäten zu gewinnen, die für den Ausbau des Liniennetzes in der Fläche genutzt werden könnten und sollten. Dieses Ziel sei im Grundsatz nicht zu beanstanden und werde von den Klägern ausdrücklich akzeptiert. Die Planungshoheit liege beim Landkreis, nicht aber bei den Klägern oder anderen Busunternehmen; die Kläger seien als betroffene Unternehmen lediglich - wie geschehen - zu beteiligen. Liege die Planungshoheit aber beim Landkreis, komme es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt darauf an, ob das Alternativkonzept der Kläger zur Verbesserung der Busanbindung besser sei als der Plan des Landkreises. Selbst wenn die Rechtmäßigkeit der Planung in Teilen zweifelhaft sein sollte, seien deshalb die Kündigungen der Freistellungsverkehre nicht willkürlich. Die Beklagte könne, zumal eine Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich sei und die der Planung zugrunde gelegte Rechtsauffassung zumindest vertretbar erscheine, davon ausgehen, dass die Planung den rechtlichen Vorgaben entspreche. Dies gelte umso mehr, als die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes für die hier interessierenden Freistellungsverkehre nicht anwendbar seien und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass es rechtswidrig wäre, die Schüler im Linienverkehr zu befördern.

bb) Die Revision rügt mit Recht, dass sich aus diesen Ausführungen nicht ergibt, inwiefern die Kläger an der Umsetzung des Nahverkehrsplans des Landkreises nicht mitwirken wollen oder gar dessen Umsetzung behindern.

Soweit es um die zentrale Zielsetzung der Verlagerung des Schülertransports auf den Linienverkehr geht, um in diesem Bereich das Angebot zu verbessern, stellt das Berufungsgericht vielmehr ausdrücklich fest, dass dieses Ziel von den Klägern akzeptiert werde und dass es den Klägern "in weiten Teilen" nicht um die Rechtmäßigkeit der Planung als solcher gehe. Es ist daher ebenso zutreffend wie im vorliegenden Zusammenhang unbehelflich, dass die Planungshoheit beim Landkreis liegt und rechtliche Bedenken gegen die Beförderung von Schülern mit Linienverkehren nicht bestehen.

Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils sollen sich nach dem Nahverkehrsplan die Unternehmen, die im Bereich Emsland-Mitte und -Nord Linienkonzessionen besitzen, zu der Lokalbus Emsland GmbH als Betreibergesellschaft zusammenschließen. Die Kläger lehnen die Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft ab, was sie insbesondere damit begründet haben, dass die Beklagte und der Landkreis darauf bestünden, jeweils 25 % des Stammkapitals zzgl. einer Stimme zu halten. Sie haben behauptet, die Freistellungsverkehre würden nur dann in den Linienverkehr überführt, wenn die Beklagte - gemeint möglicherweise auch: Die Lokalbus Emsland GmbH - über die Linienkonzessionen verfüge. Das Berufungsgericht führt demgemäß aus, das Planungsziel - "Schüler auf die Linien" und Verbesserung des Linienangebots - sei zwischen den Parteien nicht streitig; sie stritten vielmehr darüber, ob die Beklagte Inhaberin von Linienkonzessionen sein könne, an wen die Bezirksregierung im Einzelfall neue Linien zu vergeben habe und ob es rechtmäßig sei, wenn die Beklagte Freistellungsverkehre nur auf solche Linien geben wolle, für die sie die Lizenz habe.

Das legt es nahe, dass sich - was das Berufungsurteil offen lässt - die fehlende Mitwirkungsbereitschaft der Kläger auf diesen Teil des bzw. seiner tatsächlichen Umsetzung bezieht. In diesem Fall hätte das Berufungsgericht nicht dahinstehen lassen dürfen, ob die Beklagte ein rechtmäßiges Ziel mit rechtmäßigen Mitteln verfolgt. Das OLG meint hierzu in anderem Zusammenhang, die Kläger könnten nichts daraus herleiten, dass die Beklagte Freistellungsverkehre nur dann auf die Linien geben wolle, wenn sie über die Liniennetze verfüge; ob die Beklagte den Nahverkehrsplan letztlich in rechtmäßiger Weise umsetze, könne erst bei oder nach der Umsetzung beurteilt werden. Beträfe die vom Berufungsgericht gerügte "Verweigerungshaltung" der Kläger jedoch rechtswidrige Teile oder eine rechtswidrige Form der Umsetzung des Nahverkehrsplans, könnte dies die Kündigung der Freistellungsverkehre nicht sachlich rechtfertigen.

d) Die Revision wendet sich ferner mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, zur Erfüllung der vom Landkreis beschlossenen Planung des öffentlichen Personennahverkehrs sei es sachgerecht gewesen, die Freistellungsverkehre mit den Klägern zu kündigen.

aa) Das Berufungsgericht meint, im Hinblick auf die ablehnende Haltung der Kläger gegenüber der konkreten Form der Neuordnung der betroffenen Verkehre habe der Beklagten daran gelegen sein müssen, in einem ersten Schritt die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung des Nahverkehrsplans in dem Bereich zu schaffen, in dem einerseits Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Planung bestanden, ohne den aber andererseits die Gesamtplanung nicht zu verwirklichen war. Die Beklagte habe diese Verkehre nach diesem ersten Schritt auch für einen begrenzten Zeitraum neu ausschreiben dürfen. Denn sie habe Zeit benötigt, die Umsetzung voranzutreiben. Eine sofortige, vollständige Umsetzung sei schon angesichts der Kundenirritationen bei der plötzlichen Änderung des öffentlichen Personennahverkehrs in Emsland-Süd nicht geboten gewesen. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, die Freistellungsverkehre mit den Klägern weiterlaufen zu lassen, bis die neuen Linien bestandskräftig vergeben worden seien. Sie habe sich nicht auf den unsicheren Weg einer außerordentlichen Kündigung nach § 5 lit. d der fraglichen Verträge einlassen müssen. Denn angesichts der mangelnden Kooperation der Kläger habe sie damit rechnen müssen, dass solche Kündigungen nicht akzeptiert würden und die Kläger diese Kündigungen gerichtlich überprüfen lassen würden. Es sei mithin zu befürchten gewesen, dass ein Abwarten die Durchsetzung des Konzepts weiter verzögert hätte.

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch nicht erkennbar, inwiefern die Kündigungen die Durchsetzung des Konzepts gefördert hätten. Nach § 5 Abs. 2 lit. d der bestehenden Verträge war eine außerordentliche Kündigung möglich, wenn bei der Umsetzung des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Emsland eine Änderung notwendig wurde. Statt hiervon Gebrauch zu machen, konnte die Beklagte zwar auch ordentlich kündigen. Sie hat die gekündigten Freistellungsverkehre jedoch nicht "auf Linie gegeben", sondern neu ausgeschrieben und erneut an die Kläger vergeben, wobei nach dem Vortrag der Kläger - gegenteilige Feststellungen sind nicht getroffen - das außerordentliche Kündigungsrecht entfallen ist. Die Beklagte verfügte damit im Hinblick auf eine künftige Umstellung der Schülertransporte über ein weniger flexibles vertragliches Instrumentarium als zuvor. Feststellungen dazu, dass die Laufzeiten der neuen Verträge auf voraussichtlich für die Umstellung der Verkehre günstige Zeitpunkte abgestellt gewesen wären, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Mit Rechtsstreitigkeiten bei Auslaufen der neuen Verträge und anschließender Realisierung ihres Umstellungskonzepts musste die Beklagte zudem in jedem Fall rechnen.

III. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, da das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zum Inhalt des Nahverkehrsplans und seiner Umsetzung durch den Landkreis und die Beklagte sowie zu den Maßnahmen, an denen die Kläger nicht mitwirken wollen, getroffen hat, die die Beurteilung erlaubten, ob sich die Kläger lediglich einem rechtswidrigen Verhalten verweigert haben. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen und den festgestellten Sachverhalt sodann unter Berücksichtigung namentlich der Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes zu würdigen haben. Es wird dabei ggf. zu berücksichtigen haben, dass ein Nahverkehrsplan nach § 8 Abs. 3 PBefG nicht zur Ungleichbehandlung von Unternehmen führen darf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 965174

NJW 2003, 3345

BGHR 2003, 1148

NJW-RR 2003, 1348

EWiR 2003, 1193

GRUR 2003, 893

ZAP 2003, 1045

WRP 2003, 1122

GV/RP 2004, 356

KomVerw 2004, 165

FuBW 2004, 2

FuHe 2004, 98

FuNds 2005, 362

WuW 2003, 1058

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