Leitsatz (amtlich)

Der Rücktritt vom Vertrag steht dem Anspruch auf Ersatz des bis zum Rücktritt entstandenen Verzugsschadens nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 286 Abs. 1, § 326

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 24.09.1982; Aktenzeichen 17 O 527/81)

OLG Düsseldorf (Urteil vom 31.03.1982; Aktenzeichen 9 U 341/81)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. März 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen eines Betrages in Höhe von 1 007,67 DM nebst 4 % Zinsen von 1 006,43 DM seit dem 8. Mai 1980 und von 1,24 DM seit dem 1. Dezember 1980 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 24. September 1981 zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites der 1. und der 2. Instanz tragen der Kläger 4/5 und die Beklagten 1/5.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau sind Eigentümer einer Eigentumswohnung in S.-W., I.-straße. Mit notariellen Vertrag von 15. Januar 1980 verkauften sie die Wohnung an die Beklagten zum Barkaufpreis von 70 000 DM, zahlbar bis zum 29. Februar 1980 auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars. Als weitere Gegenleistung übernahmen die Beklagten zugunsten der Voreigentümer eingetragene Rentenreallasten sowie für den Fall des Rücktritts der Voreigentümer eingetragene Rückauflassungsvormerkungen einschließlich der durch diese Rechte abgesicherten schuldrechtlichen Verbindlichkeiten, und zwar ab 1. März 1980. Von diesem Tag an sollten Besitz, Nutzung, Lasten und Gefahr auf die Beklagten übergehen.

Die Beklagten zahlten die übernommene Rente für die Monate März bis August 1980. Den Betrag von 70 000 DM hinterlegten sie nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 23. April 1980 ließ der Kläger die Beklagten zur Hinterlegung von 70 000 DM mahnen.

Nachdem die Beklagten Ende August 1980 die Wohnungsschlüssel an die Verkäufer zurückgegeben hatten, erklärten diese mit Schreiben vom 18. September 1980 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der ursprünglich auf Zahlung eines Betrages von 5 243,17 DM nebst Zinsen nur an den Kläger gerichteten Klage hat das Landgericht mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Zahlung an den Kläger und seine geschiedene Ehefrau zu erfolgen hat. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.

Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger das Zahlungsbegehren nur in Höhe von 2 157,67 DM nebst Zinsen weiter. Er errechnet diesen Betrag wie folgt:

Kosten des anwaltlichen Mahnschreibens vom 23. April 1980

1 006,43

DM

Verzugszinsen für die verspätete Zahlung von Renten

1,24

DM

Von den Verkäufern aufgewendete Kosten für Rasenmähen und Treppenhausreinigung

150,–

DM

Wohngeld für die Eigentumswohnung in Höhe von monatlich 200 DM für die Monate Juli bis November 1980

1 000,–

DM

=

2 157,67

DM.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger erhobenen Zahlungsansprüche könnten nach dem gemäß § 326 BGB wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag nicht mehr geltend gemacht werden. Der Rücktritt habe den Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis verwandelt, wodurch sowohl die primären Erfüllungsansprüche als auch die damit zusammenhängenden sekundären Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verzuges mit der Vertragserfüllung erloschen seien. Die Beklagten seien daher weder zur Zahlung der Kosten des Mahnschreibens noch der Zinsen für verspätete Rentenzahlungen verpflichtet.

Die Kosten für Rasenmähen, Treppenhausreinigung und Wohngeld seien Verwendungen für die Eigentumswohnung, die die Verkäufer nach erklärtem Rücktritt selbst zu tragen hätten; eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten komme daher auch insoweit nicht in Betracht.

II.

Die Revision hat zum Teil Erfolg:

1. Was zunächst den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 1 006,43 DM (Kosten des anwaltlichen Mahnschreibens) + 1,24 DM (Zinsen wegen verspäteter Rentenzahlung) anbetrifft, so handelt es sich um die Geltendmachung von Verzugsschaden. Die Beklagten haben die im Kaufvertrag übernommenen Leistungspflichten (nämlich: Zahlung von 70 000 DM Barkauf preis und Zahlung von Renten an die Reallastgläubiger) nicht rechtzeitig erfüllt. Aufgrund dessen sind Mahnkosten und Verzugszinsen entstanden.

Dieser Verzugsschaden kann – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch noch nach einem auf § 326 BGB gestützten Rücktritt vom Kaufvertrag geltend gemacht werden:

a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei einen wirksamen Rucktritt der Verkäufer vom Kaufvertrag gemäß § 326 BGB bejaht. Hiergegen werden vom Revisionskläger auch keine Einwendungen erhoben.

b) Durch den Rücktritt ist das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis nach Maßgabe der §§ 327, 346 BGB umgewandelt worden (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 1981, V ZR 184/78, WM 1981, 792, 794 li. Sp. unten). Damit entfallen – unabhängig vom Meinungsstreit über die Rechtsnatur des Abwicklungsverhältnisses (vgl. hierzu MünchKomm/Janßen, BGB Vor § 346 Rdn. 29 und 30; BGB-RGRK 12. Aufl. § 346 Rdn. 10) – alle primären Leistungspflichten. Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzugewähren. Der Wegfall der primären Leistungspflichten führt zwangsläufig auch dazu, daß alle auf Befriedigung des Erfüllungsinteresses gerichteten Schadensersatzansprüche, die etwa vor Ausübung des Rücktrittsrechtes entstanden sind, erlöschen. Hierüber besteht in Rechtsprechung und Literatur allgemein Übereinstimmung (wegen der Behandlung von Deliktsansprüchen, die auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sind, vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1983, I ZR 125/52, LM BGB § 252 Nr. 2 und die voneinander abweichenden Auffassungen in MünchKomm/Janßen, BGB Vor § 346 Rdn. 31 und MünchKomm/Emmerich, § 325 Rdn. 60).

Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch darüber, wie sich der Rücktritt auf einen vorher entstandenen Schadensersatzanspruch wegen Verzuges auswirkt, der nicht auf Ersatz des Erfüllungsinteresses, sondern des bloßen Verzugsschadens gerichtet ist (vgl. hierzu: a) einen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens bejahend: Staudinger/Otto, BGB 12. Aufl. § 327 Rdn. 19; MünchKomm/Janßen, BGB § 364 Rdn. 33; Palandt/Heinrichs, BGB 42. Aufl. Einf. vor § 346 Anm. 1 b; b) einen Anspruch verneinend: Staudinger/Kaduk, BGB 10./11. Aufl. Vorbem. § 346 Rdn. 17 und § 346 Rdn. 35; Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, 1975, Seite 173; Larenz, Schuldrecht I 13. Aufl. § 26 Seite 374 – entgegen Vorauflage –; OLG Düsseldorf WM 1979, 1220 mit kritischer Anmerkung von Körner).

Nach Auffassung des Senats ist im Falle der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 326 BGB ein Verzugsschaden, der dadurch entstanden ist, daß der Vertragspartner bis zum Rücktritt bestehende primäre Leistungspflichten nicht rechtzeitig erfüllt hat, neben den sich aus dem Abwicklungsverhältnis ergebenden Ansprüchen nach § 286 Abs. 1 BGB zu ersetzen.

Der Anspruch auf Ersatz des reinen Verzugsschadens ergibt sich auch beim gegenseitigen Vertrag aus § 286 Abs. 1 BGB. Er kann – wie der Senat im Urteil vom 13. Juni 1975, V ZR 171/73, NJW 1975, 1740 klargestellt hat – geltend gemacht werden, ohne daß die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB vorliegen. Dementsprechend kann der Gläubiger, der nach § 326 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, zusätzlich den Anspruch aus § 286 Abs. 1 BGB geltend machen. Das Erlöschen des Erfüllungsanspruches nach § 326 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz BGB steht dem Anspruch auf Ersatz des vorher entstandenen Verzugsschadens aus § 286 Abs. 1 BGB nicht entgegen.

Für den Fall des auf § 326 Abs. 1 BGB gestützten Rücktritts gilt nichts anderes. Die Umwandlung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis hat wie beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung das Erlöschen der primären Leistungspflichten zur Folge. Die empfangenen Leistungen sind nach Maßgabe der §§ 327, 346 ff BGB zurückzugewähren. Damit ist aber ein Erlöschen bereits entstandener Ansprüche aus § 286 Abs. 1 BGB auf Ersatz von Verzugsschaden nicht verbunden. Dies gilt unabhängig von der Beantwortung der Frage nach der Rechtsnatur des Abwicklungsverhältnisses. Das Reichsgericht, das im Rücktritt die rückwirkende Aufhebung des Vertragsverhältnisses sah (vgl. RGZ 50, 266 f; 75, 201), hatte dessen ungeachtet keine Bedenken gegen die Zuerkennung einer Vertragsstrafe wegen verzögerter Lieferung einer Ware im Falle des später erklärten Rücktritts vom Vertrag (vgl. RGZ 94, 203, 206 f). Das Reichsgericht bezog sich dabei auf eine Entscheidung des ehemaligen preussischen Obertribunals (abgedruckt in Striethorst Arch. Bd. 46, 330), derzufolge die Vertragsstrafe wegen verzögerter Lieferung trotz eines am 1. Oktober erklärten Rücktritts zugebilligt worden war, weil der Schuldner sie an diesem Tage neben der ordnungsgemäßen Leistung auch hätte bezahlen müssen; die – verspätete – Leistung könne ihn nicht nachträglich von der bereits verwirkten Strafe befreien.

Die gleichen Überlegungen müssen für den im Zeitpunkt des Rücktritts bereits entstandenen Verzugsschaden gelten.

Unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis durch den Rücktritt rückwirkend beseitigt oder nur für die Zukunft in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird, hat der Rücktritt das Ziel, den vor Vertragsschluß bestehenden Zustand wiederherzustellen. Ohne den durch den Rücktritt betroffenen Vertrag hätte zwar eine Verpflichtung zum Güteraustausch nicht bestanden, der Gläubiger wäre aber auch nicht durch die verzögerte Erfüllung der ursprünglich ausbedungenen Leistung geschädigt worden. Die Versagung eines Anspruchs auf Ersatz des bis zum Rücktritt entstandenen Verzugs Schadens würde bedeuten, daß der den Rücktritt erklärende Vertragspartner gegenüber dem Zustand ohne Vertragsschluß eine Vermögenseinbuße erleiden könnte. Auf der anderen Seite wurde der Schuldner, der die ursprünglich vereinbarte Leistung nicht rechtzeitig erbringt und dann infolge des Rücktritts auch nicht mehr erbringen muß, einen Vorteil gegenüber dem Schuldner erhalten, der die Leistung im Anwendungsbereich des § 326 Abs. 1 BGB bis zum Ablauf der Nachfrist noch erbringt. Er müßte nämlich auf jeden Fall den bis dahin entstandenen Verzugs schaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB ersetzen. Die mit dem Erlöschen des Verzugsanspruchs verbundene Besserstellung des Schuldners, der bis zum Ablauf der Nachfrist nicht leistet, ist aber nicht gerechtfertigt. Sie ist insbesondere mit dem Ziel der §§ 286 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB, den Gläubiger vor vermögensschädigenden Folgen einer verspäteten Leistung zu bewahren, nicht vereinbar.

Steht damit dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Verzugs Schadens in Höhe von 1 007,67 DM der auf § 326 Abs. 1 BGB gestützte Rücktritt vom Vertrag nicht entgegen, so ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben. Da nach dem festgestellten Sachverhältnis der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), ist die Berufung der Beklagten gegen das den Verzugsschaden zuerkennende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

2. Zu Recht hat dagegen das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers auf Erstattung der Kosten für Rasenmähen und Treppenhausreinigung verneint. Insoweit handelt es sich um Verwendungen auf den Verkaufsgegenstand, der nach dem erklärten Rücktritt den Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau zusteht. Da ihnen von Berufungsgericht ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe der üblichen Miete für die Wohnung zuerkannt worden ist, müssen sie auch die mit der Nutzung verbundenen Aufwendungen selber tragen (vgl. hierzu auch §§ 347, 994 BGB). Ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung steht ihnen daher schon aus diesem Grunde nicht zu.

Soweit die Revision meint, das vom Kläger für die Monate Juli bis November 1981 geltend gemachte Wohngeld von 200 DM monatlich (insgesamt also 1 000 DM) müßte der von den Beklagten zu leistenden Nutzungsentschädigung hinzugerechnet werden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, denen die Revision nicht widersprochen hat, errechnet sich der Nutzungswert nach dem für die fragliche Wohnung bis zum März 1980 erzielten Mietzins von monatlich 594 DM. Daß das von einem Mieter aufzubringende Entgelt in Wirklichkeit 594 DM + 200 DM = 794 DM betragen habe, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Im übrigen ist aus dem Klagevortrag auch nicht ersichtlich, wie sich der Betrag von monatlich 200 DM errechnet und für welche konkreten Zwecke er auf gewendet werden mußte. Der Kaufvertrag zwischen den Parteien, auf den sich der Kläger insoweit berufen hat, enthält – wie die Beklagten zutreffend ausgeführt haben – über ein Wohngeld und dessen Höhe keine Vereinbarung. Der Revisionskläger hat insoweit auch nicht die Übergehung einschlägigen Sachvortrags gerügt.

Die Revision ist daher hinsichtlich der den Verzugsschaden übersteigenden Klageforderung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. T, Dr. E, L, R, Dr. L

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 24.06.1983 durch Hirth, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512669

BGHZ

BGHZ, 46

Nachschlagewerk BGH

JZ 1984, 419

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