Leitsatz (amtlich)

Zu der Frage der Auswirkung von Minderleistungen auf eine Pauschalpreisvereinbarung.

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.01.1973)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Teilurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 22. Januar 1973 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 9.596,05 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Von den Kosten der Revision hat der Beklagte 1/6 zu tragen. Die Entscheidung über die restlichen 5/6 wird dem Berufungsgericht übertragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht restlichen Werklohn für die schlüsselfertige Errichtung des vom Beklagten geplanten und in Auftrag gegebenen Appartementhauses in D., K. Straße ..., geltend.

Zunächst hatten die Parteien für die Herstellung von Erdgeschoß und 4 Obergeschossen mit je 8 Appartements einen Pauschalpreis von 660.000,00 DM nebst Mehrwertsteuer vereinbart. Als der Beklagte Änderungen im Erdgeschoß und für jedes Obergeschoß 10 Appartements wünschte, schlug die Klägerin ihm mit Schreiben vom 21. November 1968 einen neuen Pauschalpreis von 900.000,00 DM nebst Mehrwertsteuer vor. Die Parteien einigten sich dann aber darauf, daß es bei dem Festpreis von 660.000,00 DM netto verbleiben und der Klägerin folgende Mehrleistungen zusätzlich vergütet werden sollten:

für die Änderungen des Erdgeschosses

18.000,00 DM,

für sanitäre Installation der 8 zusätzlichen Appartements

16.000,00 DM,

für die Heizungsinstallation dort

24.000,00 DM.

Einige Zeit danach änderte der Beklagte seine Baupläne erneut. Es wurden nunmehr errichtet: im ersten und zweiten Obergeschoß je 10 Appartements, im dritten Obergeschoß Büroräume und im vierten Obergeschoß ein Hotel garni mit Hotelzimmern. Diese Umänderung führte dazu, daß an Stelle der anfangs vorgesehenen 32 Bäder und Kochnischen und zwischenzeitlich geplanten 40 Bäder und Kochnischen nur 29 Bäder und 22 Kochnischen sowie 3 zusätzliche WC eingerichtet wurden. Eine Vereinbarung, wie sich diese Änderung auf die Preisabsprache auswirken sollte, wurde von den Parteien nicht getroffen.

Die Klägerin hat für das Appartementhaus 113.567,64 DM nebst Zinsen eingeklagt.

Das Landgericht hat durch Teilurteil der Klägerin 55.047,76 DM nebst Zinsen zuerkannt und die Klage in Höhe von 44.400,00 DM abgewiesen. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Oberlandesgericht durch Teilurteil der Klägerin 53.996,05 DM nebst Zinsen zugesprochen und die Klage in Höhe von 9.931,71 DM sowie wegen eines weitergehenden Zinsanspruchs abgewiesen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage bis auf einen Betrag von 1.510,00 DM weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Parteien für die schlüsselfertige Herstellung des Baues einen Pauschalpreis von 718.000,00 DM (660.000 + 58.000,00 DM) zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart hätten, dessen Herabsetzung der Beklagte nicht deshalb fordern könne, weil das dritte und vierte Obergeschoß nachträglich anders ausgeführt worden seien. Der Pauschalpreischarakter des Bauvertrages sei durch die Erhöhung um 58.000,00 DM für die Mehrleistungen nicht geändert worden. Auch für die geänderte Bauausführung in je zehn Appartements pro Etage habe eine Abrechnung der Einzelleistungen nicht erfolgen sollen. Nach der erneuten, endgültigen Änderung der Bauplanung sei der vertragliche Pauschalpreis von 718.000,00 DM weder vereinbarungsgemäß geändert worden noch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage herabzusetzen, da die vom Beklagten vorgetragenen Minderleistungen weniger als 10 % des vereinbarten Pauschalpreises betrügen.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1.

Verfehlt ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Parteien einen neuen Gesamt-Pauschalpreis von 718.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart hätten.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Parteivereinbarung ist zwar vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar. Sie hält aber einer Nachprüfung nicht stand, denn sie ist mit dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt unvereinbar.

a)

Das Berufungsgericht hat selbst als unstreitig festgestellt, daß die Parteien, nachdem die Klägerin zunächst einen neuen Gesamt-Pauschalpreis von 900.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vorgeschlagen hatte, sich dahin einigten, daß es bei dem Festpreis von 660.000,00 DM netto verbleiben und die dann aufgeführten Mehrleistungen der Klägerin zusätzlich zu bestimmten Pauschalpreisen vergütet werden sollten. Das spricht eindeutig dafür, daß kein neuer Gesamt-Pauschalpreis vereinbart worden ist. So hat die Klägerin dann auch ihre Schlußrechnung aufgemacht, indem sie einmal den vereinbarten Pauschalpreis von 660.000,00 DM einsetzte und dann die Preise für die zusätzlichen Leistungen.

b)

Die Vereinbarung eines neuen Gesamt-Pauschalpreises von 718.000,00 DM kann auch nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung angenommen werden, daß die Parteien stets übereinstimmend von dem Gesamtcharakter des zwischen ihnen abgeschlossenen Bauvertrages als eines Pauschalpreisvertrages ausgegangen und auch die ausgehandelten Beträge für die zusätzlichen Leistungen abgerundete Beträge seien. Die Vereinbarung von Preispauschalen sowohl für die zunächst vorgesehene Bauausführung als auch für die später geplanten Mehrleistungen spricht nur dafür, daß auch diese zusätzlichen Arbeiten nicht nach Einzelleistungen abgerechnet werden sollten. Daraus kann keinesfalls der Schluß gezogen werden, daß anstelle der ursprünglichen Pauschalpreisvereinbarung nun eine neue Gesamt-Pauschalpreisvereinbarung getreten ist.

c)

Die Auslegung, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, läßt sich ferner nicht damit rechtfertigen, daß die auf der Rückseite des Angebots der Klägerin vermerkten Summen für die vorgesehenen Änderungen im Erdgeschoß und für zusätzliche Appartements nur als eine Motivierung für die Erhöhung des alten Pauschalpreises um 58.000,00 DM auf 718.000,00 DM anzusehen seien. Hierfür fehlt es in den Feststellungen des Berufungsgerichts an jeder tatsächlichen Grundlage. Einem entsprechenden Vortrag des Beklagten hatte die Klägerin ausdrücklich widersprochen.

d)

Wenn - wie hier - eine vom Bauunternehmer bei der Vereinbarung eines Pauschalpreises nicht einkalkulierte Mehrleistung abzugelten ist, liegt es vielmehr nahe, daß dafür entweder nach Einheitspreisen abzurechnen ist oder aber die Parteien die bisherige Pauschale bestehen lassen und für die geplanten Mehrleistungen eine neue - zusätzliche - Pauschale vereinbaren (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 6. Aufl. § 2 VOB (B), Rdn. 42).

Letzteres ist hier geschehen. Es sind für die in Aussicht genommenen Mehrleistungen über die ursprüngliche Pauschale hinaus Pauschalpreisvereinbarungen getroffen worden, und zwar für die Änderungen im Erdgeschoß mit 18.000,00 DM, für die sanitäre Installation der 8 zusätzlichen Appartements mit 16.000,00 DM und für die Heizungsinstallation mit 24.000,00 DM.

2.

Unstreitig sind diese Mehrleistungen nicht so erbracht worden, wie es vorgesehen war. Das berechtigt den Beklagten, eine Herabsetzung dieser Pauschalen (d.h. der über 16.000,00 DM und 24.000,00 DM = 40.000,00 DM zuzüglich MWSt = 44.400,00 DM) zu verlangen.

a)

Die auf einer Abänderung des Bauentwurfes beruhende nicht unerhebliche Änderung des im Pauschalpreisvertrag vorgesehenen Leistungsinhalts rechtfertigt auch ohne neue Preisvereinbarung eine Anpassung der Pauschale an die veränderten Verhältnisse (BGH Urt. v. 16. Dezember 1971 - VII ZR 215/69 - = Schäfer/Finnern Z 2.301 Bl. 42). Zwar hat eine Änderung der Bauausführung nicht grundsätzlich zur Folge, daß eine einmal getroffene Pauschalpreisvereinbarung überhaupt nicht mehr anwendbar wäre (BGH Urt. v. 29. November 1962 - VII ZR 76/61 -). Wird der geplante Bau aber in wesentlichem Umfang anders als ursprünglich vorgesehen errichtet und kommt es dadurch zu erheblichen Änderungen des Leistungsinhalts, so rühren diese an die Grundlagen der Preisvereinbarung und können nicht ohne Auswirkung auf die ausgemachte Pauschale bleiben. Hier sind durch die spätere nochmalige Umplanung der Bauausführung die Leistungen für die zusätzlichen Appartements hinsichtlich der sanitären Installation und der Heizung nicht so ausgeführt worden, wie das vorgesehen war. Es liegt nach dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag des Beklagten eine erhebliche Minderleistung vor. Das muß nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dazu führen, daß der Beklagte an den für diese Leistungen vereinbarten Pauschalpreisen nicht festgehalten werden kann. Es muß vielmehr eine Anpassung an die tatsächlich ausgeführten Leistungen erfolgen (vgl. Ingenstau/Korbion, a.a.O. § 2 VOB (B), Rdn. 46; BGH Urteil vom 29. Dezember 1962 - VII ZR 76/61 -). Das gilt nicht nur für den Fall, daß gegenüber dem Leistungsinhalt, der einer Pauschalpreisvereinbarung zugrunde liegt, erhebliche zunächst nicht vorgesehene Leistungen hinzukommen (vgl. dazu u.a. BGH Urteil vom 14. Januar 1971 - VII ZR 3/69 - = Schäfer/Finnern Z 2.301 Bl. 35 (in BGHZ 55, 198 insoweit nicht abgedruckt); vom 23. März 1972 - VII ZR 184/70 - = Schäfer/Finnern Z 2.301 Bl. 46), sondern auch dann, wenn ursprünglich vorgesehene Leistungen vereinbarungsgemäß in erheblichem Umfang entfallen oder durch andere Leistungen ersetzt werden (BGH Urteil vom 16. Dezember 1971 - VII ZR 215/69 - = Schäfer/Finnern Z 2.301 Bl. 42).

b)

Der Anpassung der vereinbarten Pauschalpreise für die genannten - aber nicht so ausgeführten - zusätzlichen Leistungen steht auch nicht entgegen, daß die Parteien die Änderung der Bauplanung und Bauausführung einverständlich vorgenommen und dabei keine neue Vereinbarung hinsichtlich der Preisgestaltung getroffen haben. Wenn sie eine solche Vereinbarung herbeigeführt hätten, würde sich die nunmehr zu entscheidende Frage der Anpassung der Pauschalpreise überhaupt nicht stellen. Aus der Tatsache, daß keine neue Vereinbarung getroffen worden ist, kann nicht hergeleitet werden, daß sich damit der Beklagte des Rechtes begeben hat, eine Preisanpassung später noch zu verlangen.

c)

Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, inwieweit eine Herabsetzung der Preispauschalen von insgesamt 44.400,00 DM für diese beiden Leistungen in Betracht kommt. Dabei wird folgendes zu beachten sein: Die Klägerin hat in dem ersten und zweiten Obergeschoß je 10 statt der ursprünglich vorgesehenen je 8 Appartements eingerichtet. Dem trägt der Beklagte dadurch Rechnung, daß er von den vereinbarten Pauschalpreisen von 44.400,00 DM (einschl. MWSt) auch nur 22.200,00 DM in Abzug bringen will. Die Klägerin hat aber darüber hinaus vorgetragen, daß sie in den beiden anderen Obergeschossen die gesamte sanitäre und Heizungsinstallation vereinbarungsgemäß schon so verlegt habe, daß der Beklagte jederzeit auch in diesen Stockwerken je 10 Appartements einrichten könne. Das Berufungsgericht ist auf diesen Vortrag, der aus seiner Sicht unerheblich sein mußte, nicht eingegangen. Ihm kommt aber für die Frage der Anpassung des Pauschalpreises für diese Leistungen Bedeutung zu. Es ist nicht auszuschließen, daß die von der Klägerin behaupteten Leistungen hinsichtlich des 3. und 4. Obergeschosses sich nach Art und Wert nicht wesentlich von denen unterscheiden, die dem Leistungsbild bei Abschluß zu zusätzlichen Preispauschalen entsprechen. Das wird das Berufungsgericht zu klären haben.

3.

Tatsächlich sind gegenüber der ursprünglichen Planung, die 32 Bäder und Kochnischen vorsah und die der Pauschalpreisvereinbarung von 660.000,00 DM netto zugrunde lag, nur 29 Bäder und 22 Kochnischen ausgeführt worden. Die Einrichtung von 3 WC ist dagegen hinzugekommen. Es liegt im Ergebnis also eine echte Minderleistung der Klägerin vor. Der Grad der Minderleistung kann allerdings geringer sein, wenn die Ausführungen der Klägerin über die Verlegung der Zuleitungsinstallation (vgl. oben unter I 2 c) zutreffen.

a)

Insoweit ist eine Anpassung der ursprünglichen Pauschalpreisvereinbarung über 660.000,00 DM netto geboten. Das ergibt sich aus den Gründen, die zu I 2 a, b dargelegt sind.

b)

Es liegt aber eine erhebliche Veränderung des Leistungsinhalts vor. Für die Frage der Erheblichkeit kann nicht allein auf das prozentuale Verhältnis abgestellt werden, wie das Berufungsgericht das getan hat. Erheblich ist hier die Veränderung schon deshalb, weil durch die Umplanung schließlich das Gebäude in ganz anderer Weise errichtet worden ist, als das ursprünglich vorgesehen war. Geplant war ein reines Appartementhaus. Gebaut worden ist ein solches, in dem sich im 3. Obergeschoß nun Büroräume und im 4. Obergeschoß ein Hotel garni befinden.

c)

Das Berufungsgericht wird daher auch die ursprüngliche Pauschalpreisvereinbarung unter Berücksichtigung der Minderleistungen einerseits und der Mehrleistungen (3 WC) andererseits anzupassen haben. Beim Pauschalpreisvertrag ist für eine solche Anpassung des Preises, wenn es um die Berücksichtigung der durch Umplanung eingetretenen Veränderungen geht, nicht erforderlich, daß die Geschäftsgrundlage der Preisvereinbarung für den gesamten Bauvertrag überhaupt entfallen ist. Eine solche Auffassung würde dem Wesen und der Bedeutung des Pauschalpreisvertrages nicht gerecht.

4.

Das angefochtene Urteil kann daher, soweit der Klägerin 44.400,00 DM (einschl. MWSt) zugesprochen sind, keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird vielmehr zu prüfen haben, inwieweit die von dem Beklagten begehrte Herabsetzung der Pauschalpreise berechtigt ist.

II.

Das Berufungsgericht erkennt der Klägerin für Zusatzleistungen, die ihr erst im Laufe der Bauausführung in Auftrag gegeben worden sind, die in Rechnung gestellten 8.086,05 DM (einschl. MWSt) zu. Bei der Auftragserweiterung durch den Beklagten gegenüber dem Bauleiter der Klägerin M. sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich um zusätzliche, besonders zu vergütende Leistungen handele.

Insoweit ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die von ihr erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (Art. 1 Nr. 4 BGHEntlG).

III.

Auf die Revision des Beklagten ist daher das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 9.596,05 DM (zu 8.086,05 DM - vgl. zu II - und zu den von der Revision nicht angegriffenen 1.501,00 DM) nebst Zinsen verurteilt worden ist. Die weitergehende Revision des Beklagten ist zurückzuweisen. Ihm sind 1/6 der Kosten der Revision aufzuerlegen.

Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die restlichen Kosten der Revision vorbehalten bleibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018692

DB 1974, 1765 (Volltext mit amtl. LS)

NJW 1974, 1864

NJW 1974, 1864-1865 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1974, 1013 (Volltext mit amtl. LS)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge