Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsabänderungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

a) Wird eine Klage auf Abänderung eines Unterhaltstitels darauf gestützt, daß sich die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle geändert hätten, liegt darin zugleich die Behauptung des Klägers, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in einem der Änderung der Bedarfssätze entsprechenden Maße verändert hätten.

b) Soweit die Abänderungsklage der Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO unterliegt, sind Änderungen der allgemeinwirtschaftlichen Verhältnisse, die schon vor der letzten mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren eingetreten waren, dort aber wegen der Anwendung der Richtsätze der Düsseldorfer Tabelle keine Berücksichtigung gefunden haben, nicht präkludiert.

 

Normenkette

ZPO § 323 Abs. 1-2; BGB § 1610

 

Verfahrensgang

AG Lingen

OLG Oldenburg (Oldenburg)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 12. Zivilsenats – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. Juni 1993 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Kinder des Beklagten aus seiner geschiedenen Ehe mit ihrer Mutter; diese übt die elterliche Sorge für sie aus.

Der damals noch als Sonderschullehrer tätige Beklagte hatte aufgrund Anerkenntnisurteils des Familiengerichts vom 7. März 1990 an die Klägerin zu 1 monatlichen Unterhalt von 605 DM und aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 22. Februar 1989 an die Kläger zu 2 und 3 monatlichen Unterhalt von je 510 DM ZU zahlen, jeweils zuzüglich eines Kindergeldanteils von 43,33 DM.

Nach seiner Pensionierung erhob der Beklagte Abänderungsklage wegen seines verringerten Einkommens. Unter Abweisung der gegen den jetzigen Kläger zu 2 gerichteten Klage änderte das Familiengericht das Anerkenntnisurteil und den Vergleich auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 1992 mit Urteil vom 13. Mai 1992 dahin ab, daß der Beklagte ab Februar 1991 an die jetzige Klägerin zu 1 monatlich 525 DM zuzüglich 43,33 DM und an den jetzigen Kläger zu 3 monatlich 440 DM zuzüglich 43,33 DM zu zahlen hat. Insoweit legte das Familiengericht seiner Entscheidung die für die Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle – Stand: 1. Januar 1989 – maßgeblichen Unterhaltsbeträge zugrunde.

Seine gegen die abändernde Entscheidung eingelegte Berufung nahm der Beklagte zurück.

Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger nunmehr ihrerseits Abänderung des Vergleichs vom 22. Februar 1989 und des Urteils des Familiengerichts vom 13. Mai 1992 mit der Begründung, nach den Richtsätzen der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Juli 1992) stehe ihnen angesichts im übrigen unveränderter wirtschaftlicher Verhältnisse ab 1. Juli 1992 ein wesentlich höherer Unterhalt zu, nämlich – neben dem Kindergeldanteil von je 43,33 DM – den Kläger zu 1 und 2 je 590 DM und dem Kläger zu 3 495 DM monatlich.

Das Familiengericht gab der Klage im wesentlichen statt, indem es den Beklagten in Abänderung des Vergleichs vom 22. Februar 1989 und des Urteils vom 13. Mai 1992 ab 1. August 1992 zur Zahlung der von den Klägern geforderten Beträge verurteilte.

Auf die Berufung des Beklagten änderte das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil unter anderem dahin ab, daß es die Abänderungsklagen der Kläger zu 1 und 2 als unzulässig abwies. Die Entscheidung ist veröffentlicht in FamRZ 1993, 1475.

Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2, mit der diese, soweit über ihre Klagen entschieden wurde, die Aufhebung des Berufungsurteils und die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstreben.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat die Abänderungsklagen der Kläger zu 1 und zu 2 als unzulässig angesehen. § 323 ZPO setze voraus, daß sich die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse seit der mündlichen Verhandlung, auf die das abzuändernde Urteil ergangen sei, wesentlich verändert hätten. Die Änderung der Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle stelle für sich allein genommen aber noch keinen Abänderungsgrund dar:

Derartige Tabelle seien keine tatsächlichen Umstände, sondern richterliche Entscheidungshilfen. Neufassungen solcher Tabellen trügen zwar den zwischenzeitlich geänderten allgemeinwirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung; diese Änderungen treten jedoch nicht erst im Zeitpunkt der Festsetzung der neuen Tabellensätze ein, sondern gingen ihr voraus.

Die Kläger hätten deshalb dartun müssen, daß sich die für das Urteil vom 13. Mai 1992 maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse seitdem wesentlich verändert hätten. Statt dessen hätten sie aber selbst vorgetragen, daß die tatsächlichen Verhältnisse unverändert geblieben seien.

II.

Die Revision der Kläger führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Der Zulässigkeit beider Abänderungsklagen steht nicht schon § 323 Abs. 5 ZPO entgegen, denn eine Abänderung der Unterhaltstitel der Kläger im Vereinfachten Verfahren nach §§ 641l bis 641t ZPO wäre nicht statthaft (vgl. Senatsurteil BGHZ 101, 235, 244).

Von der vereinfachten Anpassung nach diesen Vorschriften sind nämlich nach § 1612a Abs. 4 BGB solche Unterhaltsrenten ausgeschlossen, die in den letzten zwölf Monaten vor dem Wirksamwerden der Anpassung festgesetzt, bestätigt oder geändert wurden. § 1 der (letzten) Anpassungsverordnung vom 19. März 1992 – BGBl. I S. 535 (AnpV 1992) – sieht eine Erhöhung von 16 % für Zeiträume nach dem 30. Juni 1992, also ab 1. Juli 1992, vor. Hier sind im Vorprozeß durch das Urteil des Familiengerichts vom 13. Mai 1992, mithin innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem 1. Juli 1992, die der Klägerin zu 1 durch Anerkenntnisurteil zuerkannte Unterhaltsrente geändert und die dem Kläger zu 2 durch Prozeßvergleich zuerkannte Unterhaltsrente durch Abweisung der Abänderungsklage des Beklagten bestätigt worden.

Eine Bestätigung im Sinne von § 1612a Abs. 4 BGB liegt stets dann vor, wenn die Unterhaltsrente Gegenstand einer erfolglosen Abänderungsklage war, mag diese auch – wie hier – vom Gegner der Partei angestrengt worden sein, die nunmehr eine Abänderung oder Anpassung verlangt. Dem steht nicht entgegen, daß das Gericht des Vorprozesses im vorliegenden Fall in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, das Abänderungsverlangen des Beklagten sei unbegründet, weil dem Kläger aufgrund veränderter Umstände sogar ein höherer als der im Vergleich festgelegte Unterhalt zustehe.

§ 1612a Abs. 4 BGB schließt eine Anpassung im Vereinfachten Verfahren in allen Fällen aus, in denen eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Falles möglich war (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1612a Abs. 3 BGB, BT-Drucksache 7/4791 S. 13) und deshalb vorausgesetzt werden darf (vgl. Brüggemann, Gesetz zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten, § 1612a BGB Rdn. 60); dies gilt auch für den Fall, daß die Höhe der bisher titulierten Unterhaltsrente durch Abweisung einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO „bestätigt” worden ist (Brüggemann aaO).

Hat eine Steigerung der Lebenshaltungskosten – wie hier – ausnahmsweise keinen Niederschlag in der auf eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO getroffenen Entscheidung finden können, weil nur der Unterhaltspflichtige eine solche Klage mit dem Ziel der Herabsetzung der Rente wegen seiner geringeren Leistungsfähigkeit erhoben hatte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Berücksichtigung solcher im Einzelfall gegebenen prozessualen Schranken der Abänderung würde dem Bestreben des Gesetzgebers zuwiderlaufen, den zügigen Ablauf dieser dem Rechtspfleger übertragenen und zur teilweisen Bearbeitung mit automatischen Datenverarbeitungsanlagen geeigneten Massenverfahren (vgl. BT Drucksache 7/4791 S. 9 f.) sicherzustellen. Eine Prüfung, die sich darauf beschränkt, ob die frühere Abänderungsklage von der Partei erhoben worden war, die nunmehr Abänderung im Vereinfachten Verfahren verlangt, wäre nämlich nicht ausreichend: Auch bei Abweisung der früheren, vom Gegner erhobenen Abänderungsklage können die individuellen Verhältnisse umfassend berücksichtigt worden sein, beispielsweise wenn der Abänderungskläger verminderte Leistungsfähigkeit geltend macht, dieser aber ein erhöhter Bedarf des Abänderungsbeklagten entgegengehalten wird mit der Folge, daß es bei der bisher titulierten Höhe des Unterhalts verbleibt.

Der Ausschluß des Vereinfachten Verfahrens in derartigen Einzelfällen führt auch nicht zu untragbaren Ergebnissen, da die Möglichkeit zur Erhebung einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO – wie dargelegt – gegeben bleibt.

2. Greift die Sperre des § 323 Abs. 5 ZPO somit nicht ein, können mit der Abänderungsklage nicht nur individuelle Änderungen der Verhältnisse geltend gemacht werden, sondern grundsätzlich auch solche allgemeiner Art, wie etwa die generelle Entwicklung der Einkommen und Lebenshaltungskosten (BGHZ 101, 235, 243 f.). Diese stellen bei Titeln über den Unterhalt ein Indiz für die Änderung auch der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall dar und eröffnen somit grundsätzlich die Möglichkeit der Abänderung nach § 323 ZPO (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 2. Aufl. § 323 ZPO Rdn. 59).

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Abänderungsklage bleibt aber in jedem Falle, daß eine die Wesentlichkeitsschwelle des § 323 Abs. 1 ZPO übersteigende Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse behauptet wird. Diesem Erfordernis genügt der Vortrag der Kläger.

a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß Unterhaltsrichtlinien als solche, wie etwa die Düsseldorfer Tabelle, keine tatsächlichen Umstände darstellen, sondern lediglich richterliche Entscheidungshilfen sind (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1986 – IVb ZR 91/85 – FamRZ 1987, 257, 258), und daß Neufestsetzungen der in solchen Tabellen festgelegten Bedarfssätze für sich allein genommen noch keine Abänderungsklage nach § 323 ZPO rechtfertigen. Etwas anderes ist auch der Entscheidung BGH, Urteil vom 21. Dezember 1977 – IV ZR 4/77 – FamRZ 1978, 177, 179 nicht zu entnehmen: Darin wird lediglich ausgeführt, daß eine wesentliche Änderung der Unterhaltsrichtsätze nicht in einem Verfahren nach § 767 ZPO berücksichtigt werden, sondern nur im Wege der Abänderungsklage des § 323 ZPO geltend gemacht werden kann. Zu der Frage, ob der Abänderungskläger mit dem bloßen Hinweis auf eine solche Änderung der Richtsätze seiner Darlegungslast genügt, läßt sich dieser Entscheidung nichts entnehmen. Auch die Entscheidungen OLG Hamburg FamRZ 1989, 885 f.; OLG Bamberg FamRZ 1985, 1151, 1152 = NJW 1986, 730 und OLG Saarbrücken FamRZ 1987, 615, auf die die Revision sich stützt, sehen einen Abänderungsgrund nicht in der Änderung der Richtsätze als solcher, sondern in den Änderungen tatsächlicher Art, die in der Neufassung der Tabelle zum Ausdruck gekommen sind (so auch Derleder/Lenze FamRZ 1989, 558, 559; Graba NJW 1988, 2343, 2346; Zöller/Vollkommer, ZPO 18. Aufl. § 323 Rdn. 33; ähnlich MünchKomm/Gottwald, ZPO § 323 Rdn. 54; kritisch Niklas DAVorm 1987, 2, 3; a.A. Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl. Teil I Rdn. 1038 f.).

b) Die ungefähr alle drei bis vier Jahre erfolgende Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle stellt allerdings keine (im Rahmen des § 323 ZPO unbeachtliche) bloße Änderung der rechtlichen Beurteilung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse dar. Sie trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl auf seiten des Bedürftigen als auch auf seiten des Verpflichteten infolge Änderungen der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse seit der letzten Festsetzung dieser Sätze gewandelt haben und ist damit zugleich Ausdruck der Veränderung dieser tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1993 – XII ZR 172/92 – FamRZ 1994, 372, 373 = BGHR ZPO § 323 DDR-Unterhaltstitel 2; SchlHOLG SchlHA 1978, 198; OLG Bamberg aaO; OLG Saarbrücken aaO; OLG Hamburg aaO; Johannsen/Henrich/Brudermüller aaO § 323 ZPO Rdn. 61; Derleder/Lenze aaO; Köhler/Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts. 8. Aufl. Rdn. 957; ähnlich MünchKomm/Gottwald, ZPO § 323 Rdn. 54; Grabe aaO; OLG Karlsruhe FamRZ 1986, 582 f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 323 Rdn. 22; einschränkend Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht, 6. Aufl. Rdn. 2408 ff.).

In dem Vorbringen einer Partei, die ihr Abänderungsverlangen auf eine Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer oder einer vergleichbaren Tabelle stützt, ist daher regelmäßig auch die Behauptung zu sehen, daß sich die Einkommen und / oder die Lebenshaltungskosten seit der vorausgegangenen Fassung dieser Tabelle allgemein in einem Maße verändert hätten, wie dies der Änderung der Bedarfssätze entspreche.

c) Dem steht im vorliegenden Fall auch nicht der Vortrag der Kläger entgegen, nach den für sie maßgeblichen neuen Richtsätzen der Düsseldorfer Tabelle stehe ihnen „angesichts der gegenüber dem vorgenannten Urteil im übrigen nicht veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse” höherer Unterhalt zu. Damit haben die Kläger ersichtlich nicht etwa vortragen wollen, die allgemeinwirtschaftlichen Veränderungen hätten sich auf ihre individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausgewirkt; ihr Vortrag ist vielmehr dahin zu verstehen, daß lediglich die grundsätzlichen Gegebenheiten die gleichen geblieben seien, nämlich daß sie als Schüler nach wie vor ohne eigenes Einkommen und daher bedürftig seien, während der Beklagte aufgrund seines Einkommens weiterhin der Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle zuzuordnen sei.

d) Die Notwendigkeit der Neufassung einer solchen Unterhaltstabelle deutet in aller Regel zugleich darauf hin, daß die wirtschaftlichen Veränderungen, die ihr zugrunde liegen, wesentlich im Sinne des § 323 ZPO sind (vgl. Derleder/Lenze aaO S. 560). Im vorliegenden Fall bestehen insoweit ohnehin keine Zweifel, da sich die für die Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle – Stand: 1. Juli 1992 maßgeblichen Bedarfssätze (410 / 495 / 590 DM) gegenüber dem Stand 1. Januar 1989 (365 7 440 / 525 DM) um jeweils deutlich mehr als 10 % erhöht haben. Diese Tabellenänderungen sind daher – zumindest, soweit sie den Unterhalt minderjähriger Kinder betreffen – grundsätzlich geeignet, eine Abänderungsklage zu begründen, ohne daß der Abänderungskläger darüber hinaus im einzelnen darlegen muß, daß im Zuge der allgemeinwirtschaftlichen Veränderungen auch eine wesentliche Veränderung der individuellen Verhältnisse (Bedarf des Unterhaltsberechtigten und / oder Einkommen des Verpflichteten) eingetreten sei.

3. Die Zulässigkeit einer Abänderungsklage, für die die Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO gilt, setzt allerdings die Behauptung voraus, daß eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Zeitpunkt eingetreten sei, der nach dieser Vorschrift maßgeblich ist.

a) Das gilt jedoch nicht für die Abänderungsklage des Klägers zu 2, die der Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO nicht unterliegt. Der Kläger zu 2 begehrt Abänderung des gerichtlichen Unterhaltsvergleichs vom 22. Februar 1989 und damit eines Titels im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Bei einem Prozeßvergleich findet die Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO ungeachtet der Verweisung in Absatz 4 dieser Vorschrift keine Anwendung, weil sie die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen sichern soll und dieser Zweck bei gerichtlichen Vergleichen nicht in Betracht kommt (vgl. BGH-GSZ 85, 64, 73; Zöller/Vollkommer aaO § 323 Rdn. 45).

§ 323 Abs. 2 ZPO ist allerdings anwendbar, wenn ein Prozeßvergleich bereits in einem früheren Abänderungsverfahren durch Urteil abgeändert worden ist (Senatsurteil vom 27. Januar 1988 aaO = BGHR ZPO § 323 Abs. 2 Prozeßvergleich 1). Hier war zwar der Prozeßvergleich vom 22. Februar 1989 bereits Gegenstand der vom Beklagten erhobenen Abänderungsklage; er ist durch das Urteil vom 13. Mai 1992 aber nicht geändert worden.

Nach Zöller/Vollkommer aaO § 323 Rdn. 45 – unter Berufung auf OLG Düsseldorf FamRZ 1989, 1207 f. mit zust. Anm. Vollkommer/Steindl – soll die Zeitschranke in gleicher Weise anwendbar sein, wenn ein Prozeßvergleich zuvor schon einmal Gegenstand einer Abänderungsklage war, diese aber abgewiesen wurde (a.A. Göppinger/Vogel aaO Rdn. 2400; Johannsen/Henrich/Brudermüller aaO § 323 ZPO Rdn. 52; Griesche in FamGb § 323 ZPO Rdn. 20 m.w.N.). Ob dieser Auffassung zu folgen ist, wenn der Kläger des neuen Abänderungsverfahrens – wie in dem vom OLG Düsseldorf aaO entschiedenen Fall – mit dem früheren Abänderungskläger identisch ist, kann dahinstehen. Der Senat vermag ihr jedenfalls dann nicht zu folgen, wenn die frühere Abänderungsklage – wie hier – von dem Gegner der nunmehr Abänderung begehrenden Partei erhoben worden war. Die Abweisung der früheren Abänderungsklage kann (entgegen der Auffassung von Vollkommer/Steindl aaO S. 1208) auch nicht materiell als Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Für die Auffassung des Senats spricht der Umstand, daß der Unterhaltspflichtige es andernfalls in der Hand hätte, dem aus einem Prozeßvergleich Unterhaltsberechtigten die Berufung auf bisher eingetretene Veränderungen abzuschneiden, indem er seinerseits eine unbegründete oder gar unzulässige Abänderungsklage anstrengt. Die vorstehenden Ausführungen unter II, 1 zur Bestätigung eines Unterhaltstitels im Sinne des § 1612a Abs. 4 BGB durch eine erfolglose Abänderungsklage und die daraus folgende Unzulässigkeit einer Abänderungsklage im Vereinfachten Verfahren sind insoweit für eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO ohne Bedeutung.

Das Abänderungsbegehren des Klägers zu 2 ist somit zulässig, denn durch den Hinweis auf die Neufassung der Düsseldorfer Tabelle hat er sich in zulässiger Weise auf eine der Erhöhung der Bedarfssätze entsprechende wesentliche Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nach Abschluß des Prozeßvergleichs vom 22. Februar 1989 berufen.

b) Die Abänderungsklage der Klägerin zu 1 unterliegt hingegen der Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO, da sie auf die Abänderung eines zuletzt auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 1992 geänderten Unterhaltstitels gerichtet ist. Die Klägerin zu 1 kann sich daher grundsätzlich nur auf solche Veränderungen berufen, die nach dem 25. März 1992 eingetreten sind.

Die vom 1. Juli 1992 an geltenden Änderungen der Richtsätze der Düsseldorfer Tabelle sind aber wie eine an diesem Stichtag eingetretene Veränderung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zu behandeln, so daß auch die Klägerin zu 1 nicht gehindert ist, sich in vollem Umfang darauf zu berufen.

Dies folgt aus der Eigenart der Düsseldorfer Tabelle und vergleichbarer Unterhaltsrichtlinien, die den angemessenen Unterhalt im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität schematisierend bestimmen.

Richtig ist zwar, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Anlaß zur Neufassung solcher Tabellen geben, sich nicht sprunghaft, sondern allmählich ändern. Nichts anderes gilt aber auch für den mit fortschreitendem Lebensalter kontinuierlich steigenden Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder, dem die Düsseldorfer Tabelle ebenfalls schematisierend durch Einteilung in drei Altersgruppen Rechnung trägt. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß der erhöhte Unterhaltsbedarf bei Erreichen der nächsten Altersstufe der Unterhaltstabelle als ausreichender Abänderungsgrund nach § 323 ZPO angesehen wird (vgl. Johannsen/Henrich/Brudermüller aaO § 323 ZPO Rdn. 60 m.N.) und nicht einzusehen sei, warum dies für den erhöhten Unterhaltsbedarf, der in einer Anhebung der Richtsätze selbst zum Ausdruck komme, nicht gelten solle.

Die Schematisierung durch Unterhaltstabellen hat sich in der Praxis bei der Unterhaltsbemessung bewährt. Sie hat allerdings zur Folge, daß einem Unterhaltsberechtigten, der seinen Unterhaltsanspruch erst gegen Ende des Geltungszeitraums einer solchen Tabelle gerichtlich geltend macht, in aller Regel nur der Unterhaltssatz der jeweils aktuellen Tabellenfassung zuerkannt wird, auch wenn sich die allgemeinwirtschaftlichen Verhältnisse seit der letzten Änderung dieses Unterhaltssatzes verändert haben. Die Notwendigkeit eines – etwa an der Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten orientierten – „Aufschlages” auf die Richtsätze einer bereits seit längerer Zeit geltenden Tabelle würde die Unterhaltsbemessung in der Praxis außerordentlich erschweren und widerspräche Sinn und Zweck derartiger Richtsätze (vgl. die Fußnote 2 zur Düsseldorfer Tabelle, FamRZ 1992, 398, derzufolge die Zahlenwerte der neuen Tabelle ab 1. Juli 1992 gelten und bis zum 30. Juni 1992 die Zahlenwerte der bisherigen Tabelle anzuwenden sind).

Unter diesen Umständen muß dieser Schematisierung auch im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 323 ZPO Rechnung getragen werden. Wenn der Kindesunterhalt seinerzeit nach den Richtsätzen der Düsseldorfer Tabelle festgesetzt wurde und nunmehr den neuen Richtsätzen entsprechend abgeändert werden soll, müßte es letztlich auf Unverständnis stoßen, wenn dem Abänderungskläger § 323 Abs. 2 ZPO insoweit entgegenzuhalten wäre, als die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag in den neuen Richtsätzen gefunden hat, teilweise bereits vor dem nach dieser Vorschrift maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten war. Durch eine derartige Anwendung der Vorschrift würde dem Unterhaltsberechtigten die Geltendmachung seines erhöhten Bedarfs ganz oder teilweise auf Dauer abgeschnitten, nämlich im Ausgangsverfahren infolge der Schematisierung der Tabelle und im Abänderungsverfahren durch Präklusion. Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse seit der letzten Neufassung der Düsseldorfer Tabelle, die im Ausgangsverfahren wegen der Anwendung der Richtsätze dieser Tabelle keine Berücksichtigung gefunden haben, sind daher im nachfolgenden Abänderungsverfahren nicht präkludiert (vgl. auch Niklas aaO S. 6).

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung nicht bestehen bleiben.

Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Zum einen fehlen Feststellungen zu den Grundlagen des Prozeßvergleichs vom 22. Februar 1989, dessen Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage aufgrund einer an den Verhältnissen des Falles ausgerichteten umfassenden Würdigung aller Umstände ohnehin Sache des Tatrichters ist (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1992 – XII ZR 239/90 – FamRZ 1992, 539). Zum anderen macht der Beklagte gegenüber beiden Klägern geltend, sein Einkommen sei niedriger als im vorausgegangenen Abänderungsverfahren angenommen. Auch hierzu sind Feststellungen nicht getroffen worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609882

NJW 1995, 534

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